Protokoll der Sitzung vom 10.11.2000

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 18 aufrufe, möchte ich einer Bitte der Vorsitzenden des Finanzausschusses, Frau Krimhild Fischer, folgen. Sie bittet die Mitglieder des Finanzausschusses, sich um 14 Uhr zur Beratung des Gesetzentwurfes zu dem Staatsvertrag über den ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband im Raum B1 07 zusammenzufinden. Ich bitte, diese Information den gerade nicht im Raum befindlichen Mitgliedern des Finanzausschusses zu übermitteln.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Wirkungsvoller Ausschluss der Zweckentfremdung von Rundfunkgebühren durch die Geschäftsführung des MDR

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3784

Änderungsantrag der Fraktion des SPD - Drs. 3/3823

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Gärtner eingebracht. Bitte schön, Herr Gärtner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Sitzungsperiode des Landtages wurde im Hohen Haus dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag und somit einer Gebührenerhöhung um 3,33 DM zugestimmt. Wenige Tage danach ist bekannt geworden, dass sich der MDR durch hochriskante Anlagegeschäfte um über 3 Millionen DM verspekuliert hat, was letztlich einen Verlust von 2,6 Millionen DM, die letztlich Gebührengelder sind, bedeutete.

Zum Sachverhalt. Die Dresdner Bank hatte einem MDRDisponenten im Sommer 1997 eine Spezialanleihe mehrerer internationaler Großbanken verkauft, die sich an der Bonität des Landes Ecuador orientierte. Als aber der Andenstaat im Herbst 1999 seine Auslandsschulden nicht mehr bezahlte, war es auch um die von einer Finanzfirma auf der Kanalinsel Jersey ausgegebene Anleihe schlecht bestellt. Das hieß Totalverlust für die Investoren.

Der MDR konnte nur deshalb in dieser Art und Weise an den Finanzmärkten spekulieren, weil er seine Baumaßnahmen über Leasing finanziert und somit mit der Anschubfinanzierung der ARD-Sender in Höhe von 600 Millionen DM „arbeiten“ konnte. Erwähnt sei, dass dabei natürlich auch Gewinne in Größenordnungen erzielt worden sind. Es ist unstrittig, dass Finanzmittel Gewinn bringend angelegt werden müssen; aber es gibt einen zentralen Konflikt, der geklärt werden muss.

Der MDR empfindet sich als ein privates Unternehmen und handelt dementsprechend. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Denkfehler.

Der MDR ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt, welche über Gebührengelder von Bürgerinnen und Bürgern finanziert wird. Der Auftrag und die daraus abgeleitete Existenzberechtigung des MDR lautet: Grundversorgung auf modernem Niveau. Ich will gar nicht in die generelle Diskussion über dieses Thema eingreifen. Mit den Geldern der Rundfunkteilnehmerinnen und -teilnehmer ist er dafür finanziell hinreichend ausgestattet. Finanzgewinne zu erwirtschaften, selbst in der besten Absicht, die Rundfunkgebühren nicht ins Unermessliche steigen zu lassen, ist nicht sein Auftrag.

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten handeln im Prinzip treuhänderisch mit fremdem Vermögen. Risikospekulationen haben nichts mit dem Auftrag der Bürgerinnen und Bürger zu tun. Sie sind deshalb im doppelten Sinne eine Veruntreuung. So wird das Finanzgebaren im konkreten Fall von den Leuten empfunden. Das scheint mir richtig zu sein. Der MDR hat, um es kurz zu machen, mit seiner Verlustspekulation dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem großen Schaden zugefügt, der schwer zu reparieren sein wird.

Wenn Professor Reiter, Intendant des MDR, in seinem Schreiben an den Ausschuss für Kultur und Medien darauf verweist, dass dies alles von den Gegnern des MDR und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks genutzt wird, um das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem zu zerstören, dann hat er natürlich völlig Recht. Die Steilvorlage hat der MDR allerdings selbst geliefert.

Weil es uns sowohl um den Erhalt als auch um die Stärkung des Mitteldeutschen Rundfunks und des öffentlich

rechtlichen Rundfunksystems geht, haben wir den Antrag mit dieser Intention gestellt. Mir scheint, dass der MDR und seine Gremien grundsätzlich über die Finanzund Wirtschaftspolitik des Senders reden müssen und dass im Ergebnis dessen inhaltliche und personelle Konsequenzen gezogen werden müssen.

(Beifall bei der PDS)

Hierzu will ich nur die Stichworte Outsourcing, Quersubventionierung und Controlling nennen.

Wir unterstützen ausdrücklich die Landesrechnungshöfe der Länder des MDR in ihrem Bemühen, sowohl die Anlagepolitik als auch das privatwirtschaftliche Gebaren des MDR gründlich zu prüfen, und bitten den Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt, über die Ergebnisse der Prüfung in dem entsprechenden Fachausschuss zu berichten.

Ich meine, dass wir mit größter Aufmerksamkeit dieses Thema begleiten müssen; denn die Bürgerinnen und Bürger schauen sehr genau hin, was mit ihren Gebührengeldern geschieht. Das haben die Veröffentlichungen der letzten Tage bewiesen.

Da der Änderungsantrag der SPD-Fraktion eine Präzisierung darstellt, werden wir dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion unsere Zustimmung geben. Ich bitte um Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Kollege Gärtner, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in folgender Reihenfolge vereinbart worden: CDU, SPD, FDVP, DVU-FL und PDS. Als Erstem erteile ich für die Landesregierung Herrn Ministerpräsidenten Dr. Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der MDR ist in den letzten Wochen aufgrund seiner Finanzanlagen in die Schlagzeilen gekommen. Beide dem Landtag vorliegenden Anträge greifen dieses Thema auf. Aus der Sicht der Landesregierung möchte ich dazu Folgendes feststellen:

Der MDR hat bei seiner Wirtschaftsführung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu beachten. Dies verlangt § 32 Abs. 1 des MDR-Staatsvertrages. Es gibt keinen Zweifel: Investitionen in Anleihen mit spekulativem Charakter widersprechen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. An den MDR ist deshalb die Forderung zu richten, den Erwerb solcher Anleihen künftig zu unterlassen.

Der Antrag der SPD-Fraktion stellt diese konkrete Forderung auf. Er enthält darüber hinaus die notwendigen weiteren Kernpunkte, die jetzt aus der Sicht des Landes und aus der Sicht der Rundfunkgebührenzahler, die wir, glaube ich, mit zu vertreten haben, gegenüber dem MDR geltend gemacht werden müssen.

Selbstverständlich ist dabei zunächst die Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich. Das muss im Vordergrund stehen. Sie wissen, dass der MDR-Verwaltungsrat anstaltsintern das zuständige Aufsichtsorgan ist und unverzüglich nach Bekanntwerden des Vorgangs mit den Sachverhaltsermittlungen begonnen hat. Diese müssen konsequent fortgeführt werden.

Die drei Länder des MDR-Staatsvertrages haben daher übereinstimmend entschieden, dass sie in ihrer Funktion als Rechtsaufsicht zurzeit noch nicht tätig werden müssen.

Es ist wichtig zu beachten, dass es nach unserem Staatsvertrag klare Zuständigkeiten gibt. Wir haben sehr genau beobachtet, ob das Aufsichtsorgan tatsächlich tätig wird. Von den Beschlüssen des Verwaltungsrates wird es abhängen, ob rechtsaufsichtliche Schritte notwendig werden. Das schreibt auch das Verfahren in § 37 Abs. 4 des MDR-Staatsvertrages ausdrücklich vor.

Die in dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion erhobenen Forderungen werden dem MDR verdeutlichen, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt vom Verwaltungsrat und vom Intendanten klare Entscheidungen erwartet. Die Landesregierung wird den Landtag selbstverständlich informieren, sobald der MDR-Verwaltungsrat seine Entscheidung getroffen hat. Ich halte es an dieser Stelle für erforderlich, dass die Landesregierung mit dem Landtag im engen Kontakt ist.

Dies gilt auch für die Umsetzung der zusätzlichen Forderungen, die im Änderungsantrag der SPD-Fraktion aufgeführt sind. Ich denke, dass die Liste das Feld einigermaßen komplett abschreitet.

Die Landesrechnungshöfe der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen könnten sicherlich ebenfalls einen wertvollen Beitrag leisten. Ob sie eine gesonderte Prüfung der Finanzanlagen des MDR noch vornehmen werden, nachdem die anstaltsinternen Gremien sich damit befasst haben, wird man abwarten müssen. Wir können aber, glaube ich, alle sicher sein, dass die Rechnungshöfe an der Stelle genau hinsehen.

Ich gehe davon aus, dass die Landesrechnungshöfe sich auch wegen der Grundsatzfragen, die mit dem beim MDR bekannt gewordenen Vorgang verbunden sind, diesem Thema zuwenden werden.

Insgesamt hat der Änderungsantrag der SPD-Fraktion gegenüber dem Antrag der PDS-Fraktion den Vorzug der Klarheit. Ich denke, da gibt es auch keinen inhaltlichen Dissens. Ich freue mich auch, dass die Dinge sich an dieser Stelle aufeinander zu bewegen. Auch unter Berücksichtigung der Staatsferne des Rundfunkfunks macht der Antrag deutlich, was der Landtag von Sachsen-Anhalt zukünftig vom MDR im Umgang mit seinen Finanzanlagen und auch hinsichtlich der Information der Öffentlichkeit erwartet.

Ich spreche mich daher dafür aus, diesen Änderungsantrag der SPD-Fraktion anzunehmen. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn wir zu einer deutlichen Mehrheit kämen; denn ich halte es für nötig, dass es vom Landtag ein klares Signal gegenüber dem MDR gibt, dass wir das so, wie es gelaufen ist, nicht dulden können und dass wir unsere Gesamtverantwortung für die Gesellschaft und - ich sage es noch einmal - für die Rundfunkgebührenzahler tatsächlich annehmen und die entsprechenden Kontrollen einleiten.

Sie wissen alle, wir haben in diesem Hause über das Thema der Rundfunkgebühren diskutiert und über die Frage, ist das wirklich nötig und angemessen. Diese Diskussion ist natürlich durch diese Anlage in ein anderes Licht gekommen. Ich möchte nicht, dass dadurch, dass diesbezüglich Unklarheiten bleiben, die Diskussion zu diesem Thema in Zukunft erschwert wird.

Klar ist auch, die Landtage müssen da einen Einblick bekommen. Wer könnte sonst von den Landtagen ver

langen, dass sie in regelmäßigen Abständen Beschlüsse fassen über Staatsverträge, die solche Gebührenerhöhungen enthalten, wenn sie ansonsten den Eindruck haben müssen, dass hinter verschlossenen Türen so agiert wird, dass es dann möglicherweise nicht verantwortungsbewusst ist. Diese Türen müssen aufgeschlossen werden. Ich denke, wir haben mit diesem Antrag den Weg dazu beschritten. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Ministerpräsident. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Schomburg. Bevor Herr Schomburg spricht, möchte ich darauf hinweisen, dass das Handy-Verbot nicht nur für die Abgeordneten gilt, sondern auch für die Herrn Minister. - Bitte schön, Herr Schomburg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion im Landtag von SachsenAnhalt stellt das, was jetzt beim MDR ans Tageslicht gekommen ist, einen eindeutigen Verstoß dar, einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht im Umgang mit öffentlichen Geldern, mit den Gebührenzahlergeldern auch der Bürger Sachsen-Anhalts.

Die öffentliche Hand und auch die öffentlich-rechtliche Anstalt MDR ist gehalten, sorgsam mit dem ihm anvertrauten Geld umzugehen. Aber, Herr Gärtner, der MDR braucht nicht ein privatwirtschaftliches Unternehmen zu sein, um wirtschaftlich und sparsam mit den Geldern umgehen zu müssen. Diese Forderung stellt die Landeshaushaltsordnung auch an Anstalten des öffentlichen Rechts.

Selbstverständlich müssen Liquiditätsüberschüsse Gewinn bringend, aber - dies möchte ich betonen - nicht spekulativ angelegt werden. Die Quelle des Geldes war ein Solidarbeitrag der ARD-Anstalten aus den westlichen Bundesländern zum Aufbau der Landesrundfunkanstalten hier in Mitteldeutschland und für den ORB.

Durch die Entscheidung, dass die maßgeblichen Gebäude, die neu erstellt werden mussten, nicht gekauft wurden, sondern geleast wurden, ergab sich ein Liquiditätsüberschuss, mit dem der MDR in den letzten Jahren Erlöse von über 70 Millionen DM pro Jahr erzielte. Diese 70 Millionen DM waren zu einem gewissen Teil zumindest auch bei der KEF angemeldet und wirkten sich gebührenmindernd und bei der jetzigen Gebührenerhöhung auch erhöhungsmindernd aus. Soweit ist dies alles sicherlich in Ordnung.

Nicht in Ordnung erscheinen uns im Nachhinein die Kontrollmechanismen innerhalb des Mitteldeutschen Rundfunks, was das Management dieser Anlagen angeht. Sicherlich scheint auch ein Fehler bei der Hausbank des Mitteldeutschen Rundfunks vorzuliegen, was die Beratung des Mitteldeutschen Rundfunks bei Anlagegeschäften angeht.

Neben dem finanziellen Schaden, der entstanden ist, ist ein noch viel größerer Schaden im Bereich des öffentlichkeitswirksamen Bildes des Mitteldeutschen Rundfunks entstanden, auch weil im Moment im Landtag von Sachsen sehr heftig darum gerungen wird, ob dem Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugestimmt werden soll, und, wie heute der Presse zu entnehmen

war, auch in Brandenburg eine Diskussion dazu noch einmal entbrannt ist.

Die CDU-Fraktion hatte sich deshalb entschlossen, dieses Thema nicht öffentlich zu besprechen, um in diesem Prozess nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Ich wurde deshalb beauftragt - am 19. Oktober habe ich das getan -, einen Brief an den Präsidenten des Landesrechnungshofes mit der Bitte zu schreiben, im Zusammenwirken mit seinen Kollegen aus Sachsen und Thüringen Aufklärung zu betreiben und uns in einem angemessenen Zeitraum Bericht zu erstatten.

Mit Schreiben vom 1. November 2000 habe ich eine Antwort des Präsidenten des Landesrechnungshofs bekommen. Er informierte mich damit, dass er im Gespräch mit seinen Kollegen sei, aber die Ergebnisse der vom Intendanten Professor Reiter in Auftrag gegebenen Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young abwarten wolle, um festzustellen, ob diese Studie nicht sämtliche relevanten Belange schon aufkläre, um keine Doppelarbeit zu vollführen.

Wenn die Studie dem Präsidenten des Landesrechungshofes vorliegt, wird er auch bereit sein, uns Bericht zu erstatten. Ich hatte ihn gebeten, dies im Ausschuss für Kultur und Medien zu tun.

Was sind die Konsequenzen? - Wir müssen fordern, dass der MDR interne Vorkehrungen schafft, die eine Wiederholung solcher Vorgänge ausschließen. Der Landtag sollte über die Ergebnisse von Prüfungen und auch von Konsequenzen Berichterstattungen erwarten können.