Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

(Frau Lindemann, SPD: Das wäre einmal schön! - Zuruf von Frau Tiedge, PDS)

Desinteresse sowieso. Abstimmung ist ja auf Ihrer Seite. Sie machen das dann ja zu 100 %. Das heißt, Argumente, wie sie die CDU bringt oder wie sie die FDVP gerade gebracht hat, akzeptieren Sie gar nicht. Das heißt, Sie schalten einfach durch. - Danke, Herr Präsident.

(Zustimmung bei der DVU-FL - Lachen bei der PDS - Frau Dr. Sitte, PDS: War es das jetzt? - Herr Dr. Süß, PDS: Das war ein bedeutsamer Beitrag! - Herr Bischoff, SPD: Das war ja gar nichts!)

Meine Damen und Herren! Bevor wir die Debatte über die Einzelpläne fortsetzen, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Kreuzberge, die uns jetzt zuhören und zuschauen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich gehe jetzt die Einzelpläne durch.

Gibt es einen Debattenbeitrag zum Einzelplan 01 - Landtag? - Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir jetzt zum Einzelplan 03 - Ministerium des Innern. Mir ist gemeldet worden, dass der Abgeordnete Herr Rothe dazu sprechen will. Bitte, Herr Rothe, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem ich in den vorangegangenen Etatdebatten zum Verfassungsschutz und zur Landespolizei gesprochen habe, möchte ich dieses Mal das Kapitel 03 10 herausgreifen, in dem die Einnahmen und Ausgaben der Regierungspräsidien veranschlagt sind.

Es freut mich, dass in den diesjährigen Haushaltsplanberatungen mehr Konsensbereitschaft erkennbar ist als zuvor. Solange die Regierungspräsidien bestehen, sind sie ordentlich auszustatten. Strittig ist unter uns, ob diese Behörden über das Jahr 2004 hinaus bestehen sollen.

Für die Auflösung der Regierungspräsidien haben sich in diesem Jahr die kommunalen Spitzenverbände in ihren Stellungnahmen zum Leitbild für Sachsen-Anhalt ausgesprochen, Ende letzten Jahres haben dies die vom Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt und vom Landesrechnungshof beauftragten Gutachter getan, vor sechs Jahren war es die vom Kollegen Becker geleitete Enquetekommission „Verwaltungsreform“ und vor zehn Jahren die damalige CDU-geführte Landesregierung in ihrem schon legendären Beschluss zur nur zeitweiligen Errichtung von Bezirksregierungen.

Im September dieses Jahres hat die CDU-Landtagsfraktion in Erfurt ein Thesenpapier zur Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt beschlossen, in dem sie sich für zukünftig zwei regional gebundene Regierungspräsidien ausspricht. An anderer Stelle heißt es - - Herr Präsident, der Kollege Becker hat eine Frage, die ich gerne beantworte.

(Heiterkeit)

Herr Becker, Sie haben das Wort. Stellen Sie Ihre Frage.

Herr Kollege Rothe, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass der Bericht der Enquetekommission zwei Versionen enthält:

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Drei!)

„Regierungspräsidien auflösen“ und „Regierungspräsidien nicht auflösen“? Haben Sie den Bericht einmal gelesen?

Aber selbstverständlich, Herr Kollege Becker. Sie haben dort die Alternative „Beibehaltung der Regierungspräsidien“ gar nicht weiter verfolgt, sondern beiseite gelegt, und Sie haben die zweite von Ihnen erwähnte Möglichkeit, nämlich die Beibehaltung auf Zeit, damals, wenn ich mich recht entsinne, so untersetzt, dass Sie von acht Jahren sprachen.

(Herr Becker, CDU, schüttelt den Kopf)

Dieser Zeitraum wäre, gerechnet vom Jahr 1994, im Jahr 2002 zu Ende. Das heißt, Sie waren damals für eine Auflösung der Regierungspräsidien noch vor dem von uns ins Auge gefassten Zeitpunkt Ende des Jahres 2004. So ist das, Herr Becker.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Bergner, CDU: Nein! Das stimmt absolut nicht! Absolut falsch!)

In Ihrem Erfurter Beschluss heißt es - ich zitiere -:

„Aufgaben, die von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden müssen, sollten so weit wie möglich auf die Kommunen verlagert werden, weil dort am flexibelsten auf unterschiedliche Gegebenheiten reagiert werden kann.“

(Herr Becker, CDU: Jawohl, das stimmt!)

Gegenüber der Landesregierung wird in dem Papier der Vorwurf erhoben, sie doktere an Kommunalstrukturen herum, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich bei der Verwaltungsreform wolle.

(Herr Schomburg, CDU: Richtig!)

Meine Damen und Herren von der Union, bevor Sie einen solchen Vorwurf erheben, sollten Sie erst einmal in Ihren Reihen klären, was Sie eigentlich wollen.

(Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

Ich halte es für einen eklatanten Widerspruch, wenn Sie an den Regierungspräsidien festhalten und eine kommunale Gebietsreform ablehnen, zugleich aber die Kommunalisierung möglichst vieler Aufgaben fordern.

(Herr Becker, CDU: Ja!)

Sie müssen sich entscheiden, Herr Kollege Becker. Entweder Sie wollen einen Umbau innerhalb des staatlichen Behördenapparates ohne substanzielle Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene. Dann hören Sie bitte auf zu sagen, Sie wollten möglichst viele Aufgaben kommunalisieren.

Oder aber, Sie wollen die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, also die Übertragung möglichst vieler Aufgaben auf leistungsstarke Kommunen, auch von der Kreis- auf die Gemeindeebene. Dann verzichten Sie

bitte auf Sprüche wie den in Ihrer Erfurter Erklärung, wonach eine Zerschlagung der über 1 000 identitätsstiftenden Gemeinden für die CDU nicht in Betracht komme.

(Herr Becker, CDU: Das ist kein Spruch, das ist die Wahrheit! - Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

- Es ist die Frage, Herr Becker, ob das Ihre Wahrheit ist. Es ist nicht möglich, sowohl an der gegenwärtigen Kommunalstruktur und an den Regierungspräsidien festzuhalten, als auch möglichst viele Aufgaben auf die Kommunen zu verlagern.

(Zustimmung von Herrn Dr. Rehhahn, SPD, und von Frau Dr. Paschke, PDS)

Eine Funktionalreform, die den Namen verdient, erfordert eine Strukturreform.

Der Kollege Webel hat dieses Glaubwürdigkeitsproblem offenbar erkannt. In den „Stendaler Nachrichten“ vom 19. Oktober 2000 wird eine Aussage von Herrn Webel in indirekter Rede wiedergegeben. Ich zitiere:

„Die CDU könnte die Reform mittragen, wenn erst einmal beim Land angefangen würde. Und das will sie auch 2002, wenn sie an die Regierung kommen sollte, tun. Bis 2004 würden dann die Landesbehörden heruntergefahren. Die Gemeinden würden im Zuge der Kommunalwahlen 2009 eingebunden werden.“

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

„Die Amtszeit der Bürgermeister und Landräte - sie werden 2001 gewählt - würde um ein Jahr verlängert werden, stellte Webel das CDUReformmodell vor.“

Ende des Zitats aus dieser regionalen Tageszeitung der Altmark. Ich fand eben die Zustimmung von Herrn Schomburg zu dem, was ich als Meinung von Herrn Webel zitiert habe, sehr interessant.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Jetzt müssen Sie nur noch sagen, dass es Ihre Meinung ist!)

Meine Damen und Herren Christdemokraten, wenn die von Herrn Webel für das Jahr 2009 verkündete Kommunalreform Ihre sonst unausgesprochen bleibende Fraktionsmeinung ist, dann sollten Sie schleunigst aufhören zu fordern: Hände weg von den kleinen Gemeinden! Denken Sie an das achte Gebot, an das Gebot der Wahrhaftigkeit,

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

und verfälschen Sie in den Wahlkämpfen, die vor uns liegen, die Wahrheit nicht.

Für nicht machbar halte ich es, die Kommunen im Jahr 2004 mit Aufgaben zu belasten, für deren Bewältigung sie erst im Jahr 2009 die erforderliche Größe und Leistungskraft erlangen. Ich kenne kein Bundesland, in dem die Funktionalreform der Gebietsreform vorausgegangen ist. Die Aufgabenübertragung an die Kommunen setzt hinreichend große und leistungsfähige kommunale Strukturen voraus.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Dr. Bergner zu beantworten?

Ja.

Bitte sehr, Herr Dr. Bergner.

Herr Kollege Rothe, ist Ihnen bisher verborgen geblieben, dass die Leistungsfähigkeit der Verwaltungseinheiten auf der Ebene, über die Sie sprechen, nicht von der Größe der selbständigen Gemeinden, sondern von der Größe der Verwaltungsgemeinschaften abhängt?