Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

(Beifall bei der PDS - Frau Wiechmann, FDVP: Sie bestimmen, welche Meinung man in Sach- sen-Anhalt hat! Das ist wohl das Letzte! - Herr Wolf, FDVP: Deine Tage sind gezählt! - Weitere Zurufe von der FDVP und von der DVU-FL)

Meine Damen und Herren! Bereits im September hat der Landtag zur Bekämpfung - -

(Zurufe von der FDVP)

Meine Damen und Herren, ich habe nichts gegen Zwischenrufe, aber man muss den Redner doch noch irgendwie verstehen können.

(Zuruf von Herrn Kannegießer, DVU-FL - Herr Weich, FDVP: Feierabend!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Zurufe von der FDVP)

Bereits im September hat der Landtag über die Bekämpfung des Rechtsextremismus debattiert und auch einen Beschluss dazu gefasst. Mit diesem Beschluss und mit dieser Debatte hat der Landtag deutlich gemacht, dass polizeiliches Handeln einen wichtigen Stellenwert im Kampf gegen den Rechtsextremismus hat, und zwar sowohl präventives wie auch repressives Handeln.

(Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

Dies haben auch wir immer wieder betont.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Innenminister diesem Problem auf ihrer Novemberkonferenz gewidmet haben. Ich erspare Ihnen und mir längere Bemerkungen über die Frage, ob dies nicht hätte früher geschehen müssen.

Mit seinem Beschluss vom September hat das Hohe Haus aber auch deutlich gemacht, dass polizeiliches Handeln nur ein Beitrag im Kampf gegen den Rechtsextremismus sein kann. In der Tat besteht aufgrund der seit den Sommermonaten öffentlich geführten Debatte die Gefahr, dass Rechtsextremismus hauptsächlich als polizeiliches Problem gesehen wird. Dies halte ich aus drei Gründen für gefährlich.

Zum einen wird damit ein Delegierungsprozess befördert, der den Einzelnen und die Einzelne aus ziviler Verantwortung entlässt, und zugleich geht die Delegierung hin zum polizeilichen Handeln an den vielfältigen Ursachen von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit vorbei.

Zum anderen ist die polizeiliche Zuständigkeit für die Ermittlung und Verfolgung von rechtsextremistisch motivierten Straftaten natürlich gegeben. Wenn damit aber ein gesamtgesellschaftliches Problem in diese Zuständigkeit verlagert wird, kann die Polizei diesem gar nicht gerecht werden und wir verlagern wiederum ein Problem in diese Richtung.

Drittens. Weder können wir noch wollen wir zulassen, dass unter der Maßgabe, Rechtsextremismus zu bekämpfen, der repressive Apparat dergestalt ausgebaut wird, dass damit zumindest tendenziell rechtsstaatliche Grundsätze aufgegeben werden, wie das zum Teil in der Debatte über die Einschränkung des Versammlungsrechts oder über so genannte Bannmeilenregelungen geschieht.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will dem vorliegenden Antrag der SPD solche Tendenzen nicht unterstellen. Aber auf die Gefahr, dass die gesellschaftliche Diskussion über Rechtsextremismus derart reduziert wird, muss ich an dieser Stelle hinweisen.

(Beifall bei der PDS)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS-Fraktion sieht den vorliegenden Antrag im Kontext des Landtagsbeschlusses „Für ein weltoffenes und tolerantes Sachsen-Anhalt“ vom September und wird sich weiter engagiert für die Umsetzung des dort Festgeschriebenen einsetzen.

Meine Damen und Herren von der SPD, nicht nur die Polizei ist, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, auf das bürgerschaftliche Engagement angewiesen; angewiesen darauf sind wir alle, ist die Gesellschaft insgesamt.

Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz sind in diesem Sinne eine, aber nicht die alleinige Antwort, die wir im Kampf gegen Rechtsextremismus zu geben haben. Dass wir Erwartungen an die Innenminister und die Polizei wie auch an die Strafverfolgungsbehörden beim Vorgehen gegen rechtsextremistische Straftäter haben, ist selbstverständlich. Ob diesen Erwartungen allerdings besser entsprochen wird, indem ein Landesparlament die Beschlüsse der Innenministerkonferenz gleichsam adelt, darf jedoch zumindest vorsichtig bezweifelt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Mir wurde soeben mitgeteilt, dass von der rechten Seite mehrfach Herrn Gärtner zugerufen worden ist: Deine Tage sind gezählt. - Diese Worte kann dieses Haus nicht tolerieren. Ich hoffe, wir können dem Wortprotokoll entnehmen, woher genau der Ruf kam.

Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Weich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank dem Einbringer, denn die aktuellen Ereignisse haben unser Zwerchfell sehr strapaziert. Das ist für Sie bitter: Nichts kann Vorurteile mehr ins Wanken bringen als Fakten. Der Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge Anfang Oktober passt gar nicht in das vorgefertigte Bild und erschüttert die aus Hysterie und Unbelehrbarkeit gezimmerten Weltbilder der Zeitgenossen vom Typ „Trend 2000“.

Nach dem Bekunden von Generalbundesanwalt Nehm wurden ein 20-jähriger Marokkaner mit deutschem Pass und ein 19 Jahre alter staatenloser Jordanier festgenommen. Beide haben die Tat gestanden. Wieder keine Glatze, keine Bomberjacke, auch kein „dummer Deutscher“ mit erhobenem rechten Arm. Keine Spur. Dafür gab es Parolen, ein Bild von A. H. mit Kreuzen und mit Haken in der total verwahrlosten Behausung.

Die zwei Fremden, die keine Gutmenschen mehr waren, die sich feindlich gebärdeten und rechtsextrem zu Werke gingen, wollten etwas ganz anderes als Multikulti. Dabei hat uns doch der Film im deutschen Expo-Pavillon noch jüngst gezeigt, wie bunt es beim Grillfest im Hinterhof zugehen kann. Der Marokkaner Z. und der Jordanier T. wollten die Tempelberg-Intifada nach Deutschland tragen.

Wir erinnern uns: Nachdem die Brandsätze geworfen worden waren, ergriffen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Reinhard Höppner mit sicherem rechten Sinn in dem Dunst der Stunde das Wort; sie riefen zu einem gemeinsamen Engagement aller Deutschen gegen Rechtsextremismus und gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Wetten, dass Schröder und Höppner garantiert nicht Straftäter vom Schlage eines Z. und T. vor Augen hatten. So wird man zum Anbeter der Lüge.

Respekt und Anerkennung gelten den Ermittlungsbehörden. Sie haben sich von denen, die nach Aktionen riefen, nicht beirren lassen. Staatsanwaltschaft und Polizei leisteten angesichts der politischen Amokläufe ihrer Oberen professionelle und solide Aufklärungsarbeit. Erstaunlich ist, dass sich die Fahnder den freien Kopf bewahrten und auf die beiden Männer im Rahmen der

gewalttätigen Ausschreitungen um die Synagoge in Essen aufmerksam wurden.

Weil bei der Durchsuchung der Wohnung der mutmaßlichen Täter zudem antisemitisches Material sichergestellt wurde, hat die linkspopulistische Deutung seit geraumer Zeit ein neues Drechselwort: Rechtsradikaler ausländischer Herkunft. Die Zauberformel soll kitten, was ideologisch soeben zu Bruch gegangen ist. Wir freuen uns schon auf die kommenden wortakrobatischen Verrenkungen, die vor allem nur eines wollen: Gespenst und Keule behalten.

Der bis heute nicht geklärte Bombenanschlag auf jüdische Einwanderer ebenfalls in Düsseldorf bildete im Sommer den Auftakt zu einer schlimmen hysterischen Entgleisung fast der gesamten Republik. Machen wir uns auf Überraschungen gefasst, wenn aufgeklärt ist.

Politik und Medien sollten jetzt eine Denkpause einlegen; zu viel ist in jüngster Zeit zu schnell und zu einfach erklärt worden. Die Politiker haben gern die Stichwörter geliefert, wenn die Blöcke gezückt, die Mikrofone gereckt und die Kameras geschaltet waren. Starke Worte überlagerten schwache Vermutungen. Der Fall Joseph steht neben anderen für das Debakel des neuen deutschen Journalismus und der neuen deutschen Politik.

Krampfhaft wurde immer wieder versucht, die Debatte über den Rechtsextremismus mit passenden, sprich: bestätigenden Ereignissen zu untermauern. Der Gag war: Es gab sie nicht. Viele Medien hielten begierig Ausschau nach Verdächtigen; die Politik folgte. Begierig gesucht war jede Richtung, jeder Hauch einer Nachricht, die es lohnte, vertieft zu werden.

Am Ende steht nun die Beschäftigung mit sich selbst. Das richtige Leben fand woanders statt, aber nicht in den weltfernen Debatten in den Talkshows und in den hundsgemeinen Sittenbildern mitteldeutscher Kleinstädte.

Dagobert Lindlau, ein alter Fahrensmann der schreibenden Zunft, hat seine jüngeren Kollegen und die Politiker zur Vernunft gerufen. Statt genau hinzuschauen und die Fakten zu berichten, werde nur gesucht, was die eigene Meinung stütze.

Warum sprechen Bundeskanzler, Ministerpräsident oder sonstige Politiker nicht gelegentlich genauso anderen Verbrechensopfern oder deren Hinterbliebenen persönlichen Trost zu? Etwa der Witwe eines Nürnberger Taxifahrers, den Schwerverbrecher aus Russland kürzlich hinterrücks ermordeten, oder der Familie eines Aschaffenburger Zahnarztes, den der Liebhaber seiner Sprechstundenhilfe, ein Albaner, meuchlerisch umbrachte, oder den Angehörigen eines Rentners im ostwestfälischen Verl, den zwei junge Türken töteten, nur weil sie es auf seine Euroscheckkarte abgesehen hatten, oder den Angehörigen der von einem Slowenen und anderen Ausländern ermordeten drei Bauarbeiter in Frankfurt, die Opfer von Brutalität, Hass und Gewalt geworden sind.

Herr Ministerpräsident, rufen Sie doch endlich zu Maßnahmen, zur Prävention und zur Verfolgung inländerfeindlich motivierter Straftaten auf! Es kann keinen Unterschied machen, ob Inländer oder Ausländer brandschatzen, morden oder vergewaltigen. Wenn man allerdings politische Geisel ist, geht das natürlich nicht.

Herr Gärtner, Ihre Tage sind gezählt. - Politisch? - Genau.

(Beifall bei der FDVP - Zuruf von der PDS: Ihre auch! - Herr Dr. Süß, PDS: Setzen Sie sich hin!)

Herr Wolf, ich möchte darauf hinweisen, dass tatsächlich - wir haben das eben verglichen - Herr Weich und nicht Sie gemeldet waren. Deswegen ist es kein Irrtum von uns, wenn wir Herrn Weich aufgerufen haben.

(Herr Wolf, FDVP: Den Irrtum nehme ich auf mich!)

- Das ist in Ordnung.

Herr Rothe, Sie haben signalisiert, dass Sie auf einen Redebeitrag verzichten. - Sie bleiben dabei.

Wir kommen damit zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3970. Es ist keine Überweisung beantragt worden; es ist also direkt abzustimmen. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen und einer Reihe von Enthaltungen wurde der Antrag angenommen. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt 35 beendet.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 36 fort:

Beratung

Fremdsprachenunterricht an Grundschulen

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3979

Einbringer ist die Abgeordnete Frau Feußner für die CDU-Fraktion. Es gibt dann eine Fünfminutendebatte in der Reihenfolge SPD, FDVP, PDS, DVU-FL und CDU. Nach der Abgeordneten Frau Feußner spricht zunächst die Landesregierung. - Bitte, Frau Feußner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! In den bildungspolitischen Leitsätzen der CDU „Aufbruch in die lernende Gesellschaft“, welche am 20. November in Stuttgart verabschiedet wurden, plädiert die CDU - ich zitiere -

„für die Einführung einer Fremdsprache ab Klasse 1 mit dem Ziel eines anwendungsorientierten Spracherwerbs in der Grundschule, auf dem die weiterführenden Schulen aufbauen können. Für ein Zusammenwachsen Europas müssen bilinguale Angebote an allen Schularten ausgebaut werden.“