Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Ich will auch deutlich sagen, was wir nicht beabsichtigen. Wir wollen keinesfalls diejenigen unterstützen, die ihr Baugeschäft aus der Garage betreiben, keinerlei Sicherheitsvorschriften einhalten, mit den Steuern im Rückstand sind, ihren Beschäftigten einen Bruttostunden- lohn von 8,50 DM zahlen und sich als Billiganbieter um steuerfinanzierte öffentliche Aufträge bewerben.

Meine Damen und Herren! Zum Gesetzentwurf selbst. Bevor ich dazu komme, die vorgesehenen Details des Gesetzentwurfs zu erläutern, gestatten Sie mir zunächst noch einige Vorbemerkungen, die bei der Beratung des Entwurfs eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat das Bundeskartellamt im Jahr 1998 dem Land Berlin untersagt, eine Tariftreueerklärung im Straßenbau zu verlangen. Der Bundesgerichtshof kam in einem Beschluss zu dem Ergebnis, dass das Berliner Vergabegesetz aufgrund der Tariftreueerklärung verfassungswidrig ist. Er hat es deshalb dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Bundesgerichtshof hat die Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen mit der marktbeherrschenden Stellung Berlins im Straßenbau begründet.

Dennoch haben in Kenntnis dieser Situation der Freistaat Bayern und das Saarland in diesem Jahr Landesvergabegesetze verabschiedet und in Kraft gesetzt. Beide Länder gehen davon aus, dass außerhalb einer marktbeherrschenden Stellung ein Verstoß eines Landesgesetzes gegen höherrangiges Recht nicht anzunehmen ist.

Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofes besteht damit Raum für Landesregelungen, soweit sichergestellt ist, dass die öffentlichen Auftraggeber auf dem jeweils relevanten Markt keine marktbeherrschende Stellung innehaben.

In unserem Gesetzentwurf haben wir dies durch eine differenzierte Regelung bei der Anwendung des Gesetzes für den Bereich des Hoch- bzw. Tiefbaus berücksichtigt. Weiterhin wurde die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes im Vorfeld ausführlich diskutiert.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich auf das bereits angeführte Vergaberechtsänderungsgesetz hinweisen, mit dem der Bundesgesetzgeber gerade durch die Einfügung des § 97 Abs. 4 in das GWB den Ländern die Möglichkeit eingeräumt hat, zusätzliche Vergabekriterien über Landesgesetze zu regeln.

Diese Ermächtigung der Länder war das Ergebnis eines politischen Kompromisses im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat. Aus den Protokollen und dem Verlauf der Beratungen wird eindeutig klar, dass es der ausdrückliche Wille des Bundesgesetzgebers war, die in vielen Ländern und auch bei uns praktizierte Tariftreueklausel über diesen Weg zu erhalten.

Diese Rechtsauffassung wird von zahlreichen Juristen geteilt, unter anderem von Professor Wolfgang Däubler, der zu dieser Problematik ein Gutachten erstellt hat. Dennoch ist klar, dass diese Fragen in der Ausschussberatung ergänzend weiter behandelt werden müssen.

Zu den Details des Gesetzentwurfs. Neben den klassischen Bauaufträgen wollen wir im § 1 - Anwendungsbereich - zusätzlich baunahe Dienstleistungen erfassen. Wir denken dabei zum Beispiel an das Gebäudereinigerhandwerk. Weiterhin sollen baubegleitende Gewerke wie Elektrotechnik, Heizung/Sanitär, Klima- und Lüftungstechnik etc. in den Anwendungsbereich einbezogen werden. Auch die Werklieferungsverträge für Nebenleistungen wollen wir erfassen, da diese Verträge zum Teil ein größeres Volumen haben als die Bauleistung selbst.

In § 3 - Weitergehende Anforderungen - befindet sich die von mir bereits angesprochene Differenzierung in Bezug auf den Hoch- bzw. Tiefbau. Danach ist eine Tariftreueerklärung für Aufträge der Landesebene sowohl für den Tief- als auch für den Hochbau vorgesehen.

Für die kommunale Ebene gilt dies lediglich für Aufträge im Hochbau. § 3 Abs. 3 enthält allerdings eine Ermächtigung für die Kommunen, auch im Tiefbau die Auftragsvergabe an eine Tariftreueerklärung zu binden.

In § 4 geht es um den Nachweis der Seriosität bzw. der Bonität eines Bieters. Dazu sind mit einem Ange- bot Nachweise über die ordnungsgemäß abgeführten Steuern und Versicherungsbeiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes sowie ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister und die bereits erwähnte Tariftreueerklärung vorzulegen.

Mit § 5 wollen wir die Einhaltung der geforderten Vergabevoraussetzungen kontrollierbar machen. Dies soll durch stichprobenartige Kontrollen verbunden mit der Einsichtnahme in Entgeltabrechnungen ermöglicht werden.

In § 6 geht es um Sanktionen bei Verstößen gegen die Verpflichtungen des Vergabegesetzes. Entscheidend ist dabei, dass ein Auftragnehmer oder dessen Nachunternehmer bei Verstößen gegen das Gesetz für bis zu drei Jahre von weiteren öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden kann.

Meine Damen und Herren! Natürlich hat es bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs eine ganze Reihe von Gesprächen mit Verbänden und Gewerkschaften gegeben. In diesem Zusammenhang will ich insbesondere auf die Gespräche mit den Vertretern der Bauwirtschaft eingehen, zumal der Baugewerbeverband Sachsen-Anhalt vor einigen Tagen eine Anti-Dumpingpreis-Initiative gestartet hat.

Dabei wird auf einen Erlass des Landes Niedersachsen vom September dieses Jahres abgestellt. Mit diesem Erlass werden die Aufträge vergebenden Stellen, die öffentliche Hand, darauf verpflichtet, bei der Auftragsvergabe unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte das wirtschaftlichste Angebot zu berücksichtigen. Wörtlich heißt es in dem Erlass - ich zitiere -: „Der niedrigste Angebotspreis allein ist somit nicht entscheidend.“

Darüber hinaus kann die Vergabestelle bei signifikanten Abweichungen der Preise verlangen, dass der Bieter die ordnungsgemäße Kalkulation seines Angebotes schlüssig nachweist. Zur ordnungsgemäßen Kalkulation gehört auch in Niedersachsen die Berücksichtigung von verpflichtenden tariflichen und gesetzlichen Vorgaben.

Meine Damen und Herren! Wir können uns durchaus vorstellen, dass diese Anregungen im Rahmen der Anhörung in den Ausschüssen aufgegriffen und in das Gesetz eingearbeitet werden. Wir bitten deshalb um die Überweisung unseres Gesetzentwurfs in der Drs. 3/3971 in die Ausschüsse für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten, für Recht und Verfassung, für Finanzen, für Inneres sowie für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr. Die Federführung soll beim Wirtschaftsausschuss liegen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Metke. - Vor der Debatte der Fraktionen hat Minister Herr Gabriel um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vergabe von Aufträgen ist logischerweise immer ein spannendes Thema. Die Frage, nach welchen Spielregeln das geschehen soll, sodass man von Fairness auf diesem Gebiet reden kann, ist ebenfalls ein Thema.

Die Bauindustrie in unserem Land befindet sich in einer schwierigen Situation. Im Jahr 1999 hat es Bauaufträge mit einem Gesamtvolumen von ca. 10,1 Milliarden DM gegeben. Davon sind Bauaufträge mit einem Volumen von 3,3 Milliarden DM durch die öffentliche Hand vergeben worden.

Die Überkapazitäten in der Bauwirtschaft haben dazu geführt, dass wir leider einen teilweise ruinösen Preiskampf haben, Lohndumping und illegale Beschäftigung. Wir wollen derartige Praktiken nicht und müssen sie unterbinden. Für diese Meinung gibt es - da bin ich mir sicher - eine breite Mehrheit.

Wenn wir etwas für die Bauwirtschaft tun wollen, so soll an dieser Stelle daran erinnert werden, dass wir nichts unversucht lassen dürfen, um Investitionen in die Infrastruktur immer wieder in den Vordergrund unserer Überlegungen zu stellen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Daehre, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Aber es gibt auch rechtliche Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb. Diesbezüglich ist einiges geschehen. Ich erinnere an die Stärkung des Rechtsschut

zes der Bieter in einem Vergabeverfahren. Im Mai 1999 haben wir mit der Einrichtung der drei Vergabekammern im Land die Anforderungen des Vergaberechtsänderungsgesetzes im Hinblick auf ein verbessertes Nachprüfverfahren umgesetzt.

Ich verweise des Weiteren auf den Runderlass des Wirtschaftsministeriums zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, der eine intensivere und effizientere Zusammenarbeit der Verfolgungsbehörden bewirkt. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass auch aufgrund dieser Regelung rund 85 % aller öffentlichen Bauaufträge, die im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt vergeben wurden, an einheimische Firmen gingen.

Die Präferenzregelungen, der Zubenennungserlass und die Arbeit der Auftragsberatungsstelle, die wir im Übrigen mit finanziert haben, haben einen wichtigen Beitrag geleistet, aber die Lage der Bauwirtschaft ist trotzdem problematisch. Deshalb begrüße ich die Initiative der SPD-Fraktion, der Forderung der Tarifpartner nachzukommen.

Diese Forderung stammt nicht nur von den Gewerkschaften. Ich habe auch mit vielen Unternehmern, mit den Arbeitgeberverbänden und mit Vertretern der Kammern gesprochen, die durchaus Möglichkeiten dafür sehen, die Position von soliden Unternehmen zu stärken.

Die Gesetzesinitiative basiert letztlich auf der Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wie sie der Bund mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz geschaffen hat und nach der weitergehende so genannte vergabefremde Kriterien in die Vergabe von Aufträgen einbezogen werden können. Bayern, das Saarland und andere Länder sind auf diesem Gebiet aktiv geworden.

Wir sind uns mit Sicherheit einig darüber, das wir, wenn es um die Stabilisierung von in der Bauwirtschaft vorhandenen Arbeitsplätzen und um die Neuschaffung von Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft geht, zumindest mittelfristig alle Möglichkeiten nutzen müssen, die uns die rechtlichen Rahmenbedingungen für Sachsen-Anhalt geben.

Die Unternehmen wollen dabei nicht irgendwelche besonderen Schutzklauseln, die die Wettbewerbsgrundlagen infrage stellen. Sie wollen einen fairen Wettbewerb. Sie sind selbstbewusst und gehen davon aus, dass sie aufgrund der hohen Qualität ihrer Leistungen in der Lage sein werden, in diesem Wettbewerb erfolgreich zu sein. Aber an dieser Stelle fehlt noch ein Mosaikstein. Deswegen bin ich sehr dankbar dafür, dass wir auf diesem Wege die Diskussion noch einmal führen können.

Es wird eine Gratwanderung zwischen Regulierung und Deregulierung sein. Aber ich sehe einen Korridor, der breit genug ist, um eine vernünftige Regelung zu finden. Es ist ebenso eine Gratwanderung, was die rechtliche Seite angeht. Aber auch hier sehe ich den Korridor. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass das Ganze am Ende - wie man sagt - rechtlich wasserdicht ist. Wir haben nichts gekonnt, wenn durch rechtlich angreifbare Regelungen bei den Unternehmen zusätzliche Unsicherheiten entstehen. Aber auch hier sehe ich gute Chancen und bin mir sicher, dass die Beratungen im Ausschuss einen wichtigen Beitrag dazu leisten werden, eine ausgewogene Lösung zu finden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Fischer zu beantworten?

Ja.

Herr Minister, eigentlich wollte ich keine Frage stellen. Dann haben Sie das Stichwort „Deregulierung“ gegeben. Im Hinblick auf die Deregulierung und die Vereinfachung und Abschaffung von Gesetzen möchte ich Sie Folgendes fragen.

Wir haben das Vergaberechtsänderungsgesetz und die VOB. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf ansehe - er ist überschaubar und enthält wenige Paragrafen -, dann finden sich meiner Ansicht nach in diesem Gesetz all jene Dinge wieder, die wir als Unternehmer heute schon tun. Können Sie mir in wenigen Sätzen sagen, weshalb dieses Gesetz trotz allem, was wir im Moment schon haben, unter dem Stichwort der Deregulierung notwendig ist?

Zunächst liegt der Schwerpunkt auf der Tariftreue, die hierdurch einen besonderen Stellenwert erhält. Das ist in diesem Umfang durch die anderen Regelungen nicht gewährleistet.

Im Übrigen hat das Ganze zwei Ebenen. Zum einen ist dies eine praktische Ebene. Wenn wir es geschickt formulieren, werden wir es gemeinsam realisieren können, dass eine praktische Hilfe für die vergebenden Stellen und für die Unternehmen, die die Aufträge bekommen können, entsteht. Das Zweite ist die moralische Ebene. Wir müssen auch dafür werben, dass Fairness im Wettbewerb einen hohen Stellenwert hat. Auch dazu wird dieses Gesetz einen Beitrag leisten.

Vielen Dank. - Die Abgeordnete Frau Fischer möchte eine weitere Frage stellen.

Tariftreue ist für mich kein Argument. In den vergangenen Jahren habe ich keinen Auftrag von der öffentlichen Hand erhalten, bei dem ich nicht ein Blatt ausfüllen und mich dazu bekennen musste, Tariflöhne zu zahlen. Ich bin auch schon überprüft worden, ohne dass wir dieses Gesetz bereits haben. Das ist keine Erklärung. - Ist das bekannt?

Frau Fischer, ich gehe davon aus, dass auch wir beide im Ausschuss ausreichend Gelegenheit dazu haben werden, darüber zu diskutieren, welche zusätzlichen Effekte wir erzielen können. Das wird am Ende auch davon abhängen, wie weitgehend die Formulierungen abstimmbar sind.

Ich habe auf die Eckpunkte und darauf hingewiesen, dass dies eine gewisse Gratwanderung zwischen Regulierung und Deregulierung darstellt, und zwar auch in

rechtlicher Hinsicht. Ich denke, wir werden eine gute Lösung finden. - Vielen Dank.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, bevor ich zur Debatte der Fraktionen aufrufe, darf ich Schülerinnen und Schüler des Raabe-Gymnasiums Magdeburg unter uns begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird in der Reihenfolge CDU, FDVP, PDS, DVU-FL und SPD durchgeführt. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Daehre. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf, von der SPD eingebracht, ist in den eigenen Reihen nicht unumstritten.