wird das Bild eines Landes gezeichnet, das hart arbeitet, über geballte Technik verfügt, aber humorlos ist. Wir haben den Ruf, langweilig zu sein. Ausländer, die zu uns hereinschauen, sind doch erstaunt über das, was sie vorfinden. Wir müssen weg von diesem Image.
Unser Verkehrsminister sagte an einer anderen Stelle „Sachsen-Durchfahrt“. Wir sind Sachsen-Anhalt. Wir müssen werden zu „Sachsen-Aufenthalt“.
Woher kommen nun die Jugendlichen, die nach Deutschland reisen? Die meisten Reisenden kommen aus Polen. Es folgen die Länder Niederlande, Belgien, Italien und Tschechien.
Ein weiterer Aspekt, der die Notwendigkeit aufzeigt, hier etwas zu tun, ist die Tatsache, dass Deutschland der größte und lukrativste europäische Herkunftsmarkt für Kinder- und Jugendreisen ist. Es gibt die irrige Ansicht, dabei handele es sich nur um Rucksacktourismus. Die, die das behaupten, übersehen, dass Kinder- und Jugendtourismus immer ein Wirtschaftsfaktor für die Region bezüglich der Arbeitskräfte, der Aufträge und der Kaufkraft ist.
Befragungen zu Schüler- und Klassenfahrten und zu Ferienreisen in Sachsen haben ergeben, dass Eltern im Jahr 1999 im Durchschnitt 138 DM ausgegeben haben und, einschließlich der Großeltern, bereit waren, mehr als 150 DM mitzugeben. Kinder möchten gern ein Lieblingsgetränk, Naschwerk oder ein Mitbringsel für Eltern und Geschwister kaufen. Berechnet man die Tagesausgaben Jugendlicher, erhält man einen Mittelwert von 85 DM. Sie geben genauso viel wie Erwachsene aus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben dem Tourismus als Wirtschaftsfaktor gibt es angesichts der Ergebnisse der jüngsten Shell-Studie noch einen zwingenden Grund, sich der Thematik von Kinder- und Jugendreisen zuzuwenden. Ich beziehe mich auf die Aussage der Shell-Studie: Es erweist sich als notwendig, die unter jungen Menschen in erschreckendem Maße bestehenden Vorurteile gegenüber Jugendlichen aus dem jeweils anderen Teil Deutschlands und gegenüber Ausländern abzubauen.
Ein an Zahl und Qualität gesteigertes Angebot an Reisen kann ganz besonders im Jahr des Tourismus 2001 dazu beitragen, sich dieser Problematik zu stellen. Der Kinder- und Jugendaustausch dient dem interkulturellen Lernen und der Völkerverständigung und muss verstärkt als Ferienangebot und als Freizeitgestaltung verstanden werden.
Auf Anfrage teilte mir das Deutsche Jugendherbergswerk Sachsen-Anhalt e.V. mit, dass eine Zusammen- arbeit mit dem deutsch-französischen oder deutschpolnischen Jugendwerk, den beiden Aktiven in diesem Bereich, leider gar nicht besteht. Dabei handelt es sich für ein sozialdemokratisch regiertes Land um ein wichtiges jugendpolitisches Anliegen. Hierfür besteht dringender Handlungsbedarf.
Im ersten Moment erscheint Kinder- und Jugendtourismus als Begriff, der leicht verständlich ist und daher keiner näheren Begriffsbestimmung bedarf. Erst bei dem Einstieg in die Materie wird deutlich, dass keineswegs eine einheitliche Auffassung über den Begriffsinhalt besteht. Obere und untere Altersgrenze, Reiseorganisation, Begleitung, Inhalte, Zuständigkeiten werden oft gedanklich mit eigenen Setzungen gefüllt.
Gruppenreisen werden bereits im Kindergarten als Abschlussfahrten organisiert und gehen über Schulfahrten
oder Universitätsexkursionen und Seminare bis über das 18. Lebensjahr hinaus. Die Förderung der Teilnahme von Jugendlichen an Reisen durch die öffentliche Hand sowie besondere Jugendtarife von Unterkunftseinrichtungen bzw. Transportunternehmen reichen meist bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres.
Als schwierig stellen sich oftmals die verschiedenartige Zuordnung der politischen Zuständigkeiten und die Fördermodalitäten dar. Hier ein Ausschnitt aus dieser Palette:
Erstens. Kinder- und Jugendreisen, also Ferienfreizeiten und Vereinsfahrten, gehören zur Zuständigkeit des Ministeriums für Arbeit, Frauen, Soziales und Gesundheit. Frau Dr. Kuppe wies kürzlich auf einer Veranstaltung auf die diesbezügliche Förderung hin, die Vereine und soziale Träger erhalten. Insbesondere benannte sie den Kinder- und Jugendring. Der KJR teilte mir auf eine diesbezügliche Anfrage mit, er sehe sein Hauptbetätigungsfeld vorrangig im Bereich der Jugendbildung. Dazu fällt mir spontan ein: Reisen bildet.
Ein anderer Bereich sind die ehemaligen Pionierferienlager, die jetzt als Kinder- und Jugenderholungszentren e.V. zusammengeschlossen sind, „Kieze“ genannt. Sie sind aus dem Tourismusverband Sachsen-Anhalt ausgetreten, weil sie dort außer bei der statistischen Erfassung keine Rolle spielen. Sie können 1,4 Millionen Übernachtungen seit 1990 aufweisen. Diese Form der Kinder- und Jugenderholungszentren gibt es nur in den fünf neuen Bundesländern. Mit diesem Pfund müssen wir wuchern.
Das Jugendherbergswerk Sachsen-Anhalt konnte 1999 mit seinen 18 Herbergen eine Steigerung der Übernachtungszahlen um 18 % erzielen. Der Anteil ausländischer Gäste betrug jedoch lediglich 2,7 %. Auch Sprachreisen sind nicht im Angebot. Hier - so schätzt es das Deutsche Jugendherbergswerk selbst ein - stecken noch große Reserven. - Das war das erste große Feld.
Das zweite große Feld sind Klassenfahrten, Schullandheimaufenthalte, Schüleraustauschfahrten und anderes. Als Minister Dr. Harms kürzlich diese Problematik vorgetragen wurde, entstand in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium kurzfristig eine Info-Broschüre über Übernachtungsmöglichkeiten. Danke für die schnelle Unterstützung.
Tendenziell kann gesagt werden, dass die zur Verfügung stehenden Mittel für Klassenfahrten seit 1996 jährlich in einem höheren Prozentsatz in Anspruch genommen werden. Dieses Segment wird bei uns recht gut abgedeckt, aber eben nur bei uns. Ein Vertrieb im Ausland erfolgt in den seltensten Fällen.
Als beispielgebend möchte ich das internationale Kinder- und Jugendfolklorefestival nennen, das alle zwei Jahre im Harz stattfindet und an dem bisher 2 000 Kinder aus zehn verschiedenen Ländern teilgenommen haben.
Doch die bisher genannten Gruppen erfassen noch nicht das ganze Themenfeld. Auch Gruppenreisen während des Studiums und Sprachreisen sind dem Kultusministerium zuzuordnen. Im Jugendbereich weiß man inzwischen, dass Weiterbildung im Rahmen eines Urlaubs ein wichtiges Entscheidungsmerkmal für Jugendliche ist. Diese Erfahrung nutzen wir in Sachsen-Anhalt viel zu wenig. Ich erwähnte bereits: Sprachreisen sind bei uns nicht im Angebot.
Der dritte Bereich betrifft das Ministerium für Wirtschaft und Technologie. Im Einzelplan 08 ist Geld für Marketing
eingestellt. Unter anderem werden junge Familien mit Kindern oder Individualtouristen angesprochen. Die LMG erhielt in diesem Haushaltsjahr eine größere Summe für touristische Außenwerbung.
Ferner wurden nach Auskunft des zuständigen Fachreferates Beherbergungsbetrieben im Haushaltsjahr 2000 mehr als 40 000 DM für Messebeteiligungen im In- und Ausland bewilligt. Das greift aber nicht für den Kinder- und Jugendbereich, da Kinder- und Jugendreisen nicht als touristisches Geschäftsfeld gelten, sondern eine soziale Aufgabe im Sinne des Erholungswesens für Kinder und Jugendliche darstellen. Eine Förderung durch das Tourismusförderprogramm des Wirtschaftsministeriums - GA/EFRE - ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Als Paradebeispiel dafür, dass es auch anders geht, möchte ich das Europäische Jugendcamp für Kids „Abenteuer Europa mit den Kindern der Welt“ in Güntersberge nennen. Es wird von allen drei Ministerien mitfinanziert und steht unter der Schirmherrschaft von Frau Renate Höppner. Seit 1990 haben ca. 3 500 internationale Gäste aus 40 Ländern dieses „Kiez“ besucht.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, Sie sehen einen bunten Strauß von Zielgruppen und Zuständigkeiten.
Wie wichtig dieses Feld ist, hat die DZT, die Deutsche Zentrale für Tourismus, erkannt. Auch für sie sind junge Menschen eine der Hauptzielgruppen, durch die das Thema an Bedeutung gewinnt.
Das zeigt auch die Wiederauflage der Jugendreise- halle, die es im Vorjahr erstmals auf der ITB, der größten Tourismusmesse, gab. Diese Halle soll nun noch vergrößert werden. Spezielle Broschüren dazu sind auch herausgekommen. Es geht vorrangig darum, das Image Deutschlands zu verbessern.
Frau Abgeordnete, Sie haben für die Einbringung 15 Minuten Redezeit zur Verfügung, die Sie bereits um eine Minute überschritten haben.
Es ist wichtig, alle, die am Tourismus beteiligt sind, ins Boot zu bekommen. Ich nannte unter anderem die verschiedenen Ministerien. Hierzu gehört natürlich auch das Landwirtschaftsministerium. Wer schläft nicht gern einmal im Heu?
Nicht zu vergessen ist die Nasa mit ihren Angeboten oder der Landessportbund. Die LMG muss dabei die strategische Speerspitze sein. Es gilt heute schon, die Gäste von morgen zu umwerben. Unsere Regionen halten genügend Angebote und Hunderte von Prospekten bereit. Aber wir müssen versuchen, das an die richtigen Leute zu bringen.
Ich bitte um Überweisung des Antrages in die Ausschüsse für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport sowie für Bildung und Wissenschaft unter der Federführung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten.
Frau Abgeordnete, das sind 17 Minuten. Das wäre ungerecht allen anderen gegenüber. Es tut mir leid. Ich bin dazu da, die Gerechtigkeit walten zu lassen. Das ist nicht immer einfach. Selbst wenn jemand in sein eigenes Thema verliebt ist, muss es Grenzen geben.
Meine Damen und Herren! Eine Debatte war eigentlich nicht vorgesehen. Den Änderungsantrag der PDS-Fraktion wird Frau Dr. Weiher begründen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Organisation und Durchführung von Jugendreisen, Ferienlagern, Erholungsfahrten und internationalen Begegnungen gehören von jeher zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendpolitik. Neben dem Erholungswert haben gemeinsame Freizeitreisen eine wichtige Bedeutung insbesondere bei der Übernahme von Verantwortung, dem Erlernen eines toleranten Umgangs miteinander und eines gesellschaftlichen Engagements, dem Erfahren von unterschiedlichen Kulturen und anderem mehr.
Zunehmend werden aber heute Reiseangebote nicht mehr nur von Trägern der Jugendhilfe oder auch über die Schule organisiert, sondern vielfach von kommerziellen Anbietern, oder Jugendliche reisen einfach allein.
Die Fraktion der SPD hat nun eine umfangreiche Berichterstattung und Anhörung zur Thematik der Kinder- und Jugendreisen in Sachsen-Anhalt gefordert. Etwas irritierend war für mich nach dem ersten Lesen zugegebenermaßen die Tatsache, dass die Federführung im Wirtschaftsausschuss liegen soll und offensichtlich vorrangig Fragen, die Kinder und Jugendliche als ökonomischen Faktor betrachten, gestellt werden. Etwas krass formuliert: Kinder und Jugendliche werden auf ihre alleinige Wirtschaftlichkeit reduziert.
Als durchaus positiv bewerte ich es, dass sich neben den sonst zuständigen Ausschüssen, die sich mit dieser Bevölkerungsgruppe beschäftigen, auch andere Ausschüsse verantwortlich zeigen, zumal die Gruppe der Kinder und Jugendlichen eine durchaus ernst zu nehmende Größe in der Wirtschaft darstellt. Allein die Kaufkraft von Kindern und Jugendlichen durch das Taschengeld hat mittlerweile eine Höhe erreicht, die Schwindel erregend ist. Insofern ist es legitim, dass einzelne Bereiche, die Kinder und Jugendliche betreffen oder von ihnen genutzt werden, diese auch aus diesem mög- licherweise ungewöhnlichen Blickwinkel betrachten.
Das Jahr 2001 wird das Jahr des Tourismus werden. Das wurde von Bundeswirtschaftsminister Müller im September 2000 vorgeschlagen. Damit reiht es sich nahtlos an das Expo-Jahr an.
Sachsen-Anhalt als Expo-Land wäre gut beraten, den Schwung des Jahres 2000 zu nutzen und entsprechende Konzepte für die einzelnen touristischen Bereiche zu entwickeln. Dazu gehören natürlich auch Angebote, die insbesondere Kinder und Jugendliche ansprechen und auf deren Wünsche eingehen, sie aber auch gleichzeitig als die besondere Gruppe betrachten, die sie nun einmal sind.
Kinder sind die Kunden von morgen, wie Frau Kachel richtig bemerkte. Der SPD-Antrag kann dabei einen ent
sprechenden Beitrag leisten, indem eine Analyse des Iststandes mit allen seinen positiven, aber auch negativen Aspekten vorgenommen wird, aber gleichzeitig auch darüber nachgedacht wird, wie die künftige Entwicklung verlaufen soll, angefangen bei den Investitionen bis hin zur qualitativen Ausgestaltung der Angebote.
Allerdings - damit komme ich zu unserem Änderungsantrag, der als Ergänzung aufzufassen ist - ist eine alleinige Betrachtung der ökonomischen und touristischen Faktoren zu einseitig. Kinder und Jugendreisen sollen die Entwicklung junger Menschen befördern und sie zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten erziehen. Das ist die Zielsetzung in § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.
Wir halten es deshalb für gerechtfertigt und wünschenswert, in der Befragung der Anbieter auch auf die Aspekte einzugehen, die diese Zielsetzung befördern können. Dazu gehören zum Beispiel das Erlernen eines toleranten Umgangs miteinander, die Übernahme von Verantwortung und die Möglichkeiten des Bildungserwerbs im weitesten Sinne.
Wenn wir mit einer Anhörung die Chance haben, einen breiten und durchaus unterschiedlich ausgerichteten Kreis derjenigen einzuladen, die Kinder- und Jugendreisen organisieren und zu einem großen Teil auch davon leben, dann sollten wir sie nutzen und sollten diese über ihre Möglichkeiten, auf die Entwicklung junger Menschen im positiven Sinne einzuwirken, befragen.
Im zweiten Teil des Änderungsantrags geht es um die Berichterstattung der entsprechenden Ministerien. Wir wollen, dass es aus durchaus unterschiedlichen Sichtweisen zu einer Einschätzung der Qualität der Anbieter und des Angebotes für Kinder und Jugendliche kommt. Qualitätstourismus, wie von Bundeswirtschaftsminister Müller gefordert, sei hier als Stichpunkt genannt.
Das kann aus der Sicht des Wirtschaftsministeriums unter völlig anderen Gesichtspunkten erfolgen als beispielsweise im Sozialministerium. Hier könnten solche Aspekte wie beispielsweise die fachliche Begleitung der Reisen, die Möglichkeiten der Integration behinderter oder sozial benachteiliger Kinder und Jugendlicher, die Fragen der Begegnung mit anderen Kulturen, Angebote der Mitbestimmung und Mitgestaltung sowie die Qualität des Freizeitangebotes eine Rolle spielen.
Gerade aus der Sicht der Kinder- und Jugendhilfe gibt es qualitative Unterschiede zwischen den Angeboten kommerzieller und gemeinnütziger Anbieter. Wir möchten diese Unterschiede deutlich machen, sie benennen und als Chance für Veränderung begreifen. Wir bitten sie um ein Ja zu unserem Antrag. - Danke.