Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

Es hat dann die Beschlüsse der Finanzminister, und zwar aller Bundesländer, gegeben, in denen festgehalten ist, dass der Solidarpakt in der gegenwärtigen Höhe und in der bestehenden Struktur weitergeführt werden muss. Inzwischen gibt es auch die Aussage, dass er für weitere zehn Jahre beibehalten werden muss.

Dies war der wesentliche Erfolg der Arbeit, die wir im letzten Jahr unter meiner Federführung geleistet haben. Wir haben inzwischen Gespräche nicht nur unter den Ministerpräsidenten, nicht nur unter den Finanzministern geführt, sondern am vergangenen Freitag auch mit dem Bundeskanzler. Wir haben dabei in Bezug auf die Strategie eine große Einmütigkeit erzielt.

Unsere Chance besteht natürlich darin - diese werden wir weiterhin wahrnehmen -, dass die ostdeutschen Länder zusammenstehen. Es geht also nicht nur um eine Linie in Sachsen-Anhalt; es geht vielmehr um eine Linie, die die sechs am Tisch sitzenden Länder - Berlin ist immer dabei - auch vertreten werden.

Ich will darauf hinweisen, dass wir derzeit über die Themen Länderfinanzausgleich und Solidarpakt reden und dabei nur zwei wichtige Säulen der besonderen Förderung Ost im Blicke sind, nämlich die eine Säule, die aus Bundesergänzungszuweisungen und Kommunalzuweisungen besteht, und die zweite Säule, die aus dem IfG besteht. Das sind die Dinge gewesen, die auch im Solidarpakt I verbindlich für zehn Jahre geregelt worden sind.

Ich gehe davon aus - ich lese auch mit Freude, dass die Bundesregierung ebenfalls in diese Richtung denkt; Rolf Schwanitz hat das ausdrücklich erklärt -,

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

dass wir diese beiden Säulen auf alle Fälle für wei- tere zehn Jahre in der gegenwärtigen Höhe brauchen und dass erst danach eine Degression einsetzen kann. Das, worüber man diskutieren muss, ist die Länge des Degressionszeitraums. Ich denke an zehn Jahre. Ich

weiß, dass der Bund dabei an kürzere Zeiträume denkt. Darüber muss verhandelt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Dann gibt es, meine Damen und Herren, - das ist mir ganz wichtig - die dritte Säule, die nicht direkt im Solidarpakt steht. Sie hängt bisher im Grunde genommen von den jährlichen Haushaltsbeschlüssen ab. Das sind die Gemeinschaftsaufgaben, zum Beispiel für die Wirtschaftsförderung, für den Hochschulbau oder für den Agrar- und Küstenschutz.

Mein Verhandlungsziel wird es sein, auch diese Summen für längere Zeit sicher zu bekommen; denn wir werden sie noch brauchen. Ich weise nur auf Folgendes hin: Wir haben - wahrscheinlich auslaufend - bis zum Jahr 2008 die Zuschüsse der Europäischen Union. Diese müssen kofinanziert werden, sonst kriegen wir sie gar nicht. Um sie kofinanzieren zu können, brauchen wir die GA-Mittel in diesem Zeitraum in vollem Umfang.

Danach müssen wir damit rechnen, dass die EU-Förderung wesentlich zurückgehen, wenn nicht gar ausfallen wird. Dann kommt die europäische Erweiterung dazu und das Bestreben, diesen Haushalt ohnehin etwas kleiner zu halten. Es wird für den Bund die Notwendigkeit geben, sogar noch einmal etwas mehr hineinzustecken; denn die Wirtschaftsförderung kann dann nicht einfach schlagartig abbrechen.

Das heißt mit anderen Worten: Bei dieser GA-Förderung kann überhaupt nicht gestrichen werden, wenn wir nicht in große Turbulenzen kommen wollen. Denn dass das auch in den nächsten zehn Jahren nicht erledigt sein wird, sagen die Gutachten auch ganz eindeutig.

Meine Damen und Herren! Ich werde mit den ostdeutschen Ländern dafür sorgen, dass diese finanzielle Absicherung in den Solidarpaktverhandlungen tatsächlich erreicht wird. Wir werden das auch bis zum Jahresende hinbekommen. Davon bin ich überzeugt. Trotz aller Auseinandersetzungen, die insbesondere zwischen den Geberländern West und den Nehmerländern West bestehen, gibt es auch eine gute Mitteilung, nachdem das Modell der südlichen Länder vorgelegt worden ist: Sowohl die eine wie die andere Seite erkennt diesen Finanzbedarf der ostdeutschen Länder an. Inzwischen habe ich die Hoffnung, dass wir die Dinge tatsächlich durchbekommen werden.

Wenn diese finanzielle Absicherung erfolgt ist, haben wir noch eine Aufgabe. Dann müssen wir dafür sorgen, dass dieses Geld so schnell und so effektiv wie möglich eingesetzt wird, um die Infrastrukturlücke zu schließen. Denn es muss und wird das oberste Ziel dieser Landesregierung sein, Verhältnisse zu erreichen, in denen wir nicht mehr von Transferleistungen aus dem Westen abhängig sind und unseren Unterhalt sozusagen aus eigener Kraft verdienen können - bei allem in diesem normalen Deutschland insgesamt nötigen Ausgleich in sozialen Bereichen. Denn das ist wohl auch jedem klar: Eine soziale Marktwirtschaft muss es bleiben.

An dieser Stelle will ich noch einmal ganz kritisch sagen: Wer jetzt schon nach Wettbewerbsföderalismus schreit, der setzt einen Mechanismus von Wettbewerb in Gang, bevor Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit hergestellt sind. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will zu dem Thema Arbeitsmarkt noch eine letzte Schlussbemerkung machen. Ich habe zu Beginn des

Jahres Schwerpunkte gesetzt. Ein erster Schwerpunkt liegt in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit; denn in diesem Bereich geht es in besonderer Weise um die Perspektiven der jungen Menschen in unserem Land.

(Herr Gürth, CDU: Da haben wir die höchste!)

Wir führen auch im Bündnis für Arbeit intensive Gespräche, um jungen Leuten in diesem Bereich möglichst konkret zu helfen. Das wird ein Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit der Landesregierung sein.

(Frau Wernicke, CDU: Da bin ich mal gespannt! - Herr Gürth, CDU: Das war schon lange verspro- chen!)

Ein zweiter Schwerpunkt liegt - das habe ich bereits gesagt - bei den älteren Arbeitnehmern, bei denen es sehr schwierig sein wird, sie in den ersten Arbeitsmarkt einzubringen. Ich freue ich mich über die Fälle, in denen dies gelingt. In den Fällen, in denen es nicht gelingt, haben die Menschen einen verlässlichen, sicheren Übergang in den Ruhestand verdient. Das Motto heißt: Aktiv in die Rente.

(Herr Gürth, CDU: Es passiert aber das Gegenteil in Sachsen-Anhalt!)

Insbesondere im Hinblick auf Menschen mittleren Alters haben wir eine besondere Aufgabe, nämlich die, überall dort, wo neuer Bedarf entsteht, möglichst dafür zu sorgen, dass Arbeitslose in der Weise qualifiziert werden, dass sie die Aufgaben, die neu entstehen, tatsächlich wahrnehmen können.

(Herr Gürth, CDU: Phrasendrescher!)

Ich will auch ausdrücklich sagen: Ich erkenne es an und sehe, dass die Arbeitsämter in stärkerem Maße, als es zu Beginn der 90er-Jahre der Fall gewesen ist, auf diese zielgerichtete Qualifizierung zusteuern. Deshalb bin ich sicher, dass wir in gemeinsamen Anstrengungen dafür werden sorgen können, dass die finanziellen Mittel, um die wir jetzt kämpfen, so eingesetzt werden, dass wir im Land Sachsen-Anhalt mit klaren Perspektiven nach vorn kommen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

Danke, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass die Debatte fortgesetzt werden kann, wenn ein Mitglied der Landesregierung gesprochen hat. Wünscht noch jemand das Wort? - Herr Professor Böhmer für die CDU-Fraktion.

Ich möchte bekannt geben, dass der Herr Ministerpräsident an der Einweihung des Mahnmals Magda teilnehmen wird. Ich halte es für selbstverständlich, dass er dies tut. Ich bitte, das zu respektieren.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, auch wenn ich verstehe, dass Sie weg müssen, will ich eines sagen, damit Sie nicht in das Wochenende gehen und denken, niemand hätte es gemerkt: Was Sie jetzt mit uns gemacht haben, nenne ich öffentliches Kneifen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Weich, FDVP)

Wir haben ein Problem Ihrer Landesregierung benannt, und Sie haben uns mit Ausführungen darüber geantwortet, wie tüchtig Sie an anderer Stelle für das Land Sachsen-Anhalt um Geld kämpfen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das war das Wort zum Sonntag!)

Das haben wir auch nicht anders vermutet. Ich bin mir sicher, dass auch der Herr Wirtschaftsminister Gabriel weiß, dass wir noch Hilfe in Milliardenhöhe brauchen. Ich habe nicht gehört, dass Sie dem widersprochen hätten. Das ist nicht das Problem.

Unser Problem ist, dass diese Landesregierung und ihre verschiedenen Vertreter nicht eine gemeinsame Konzeption erkennen lassen. Das haben wir in diesem Hause schon häufig erlebt.

Ich erinnere an Ausführungen des von uns allen wahrscheinlich mehr oder weniger, von mir sehr geschätz- ten Amtsvorgängers, des Wirtschaftsministers Herrn Schucht. Wir haben hier erlebt, dass er Ausführungen gemacht hat, bei denen die Kollegen der PDS nahezu versteinert waren, die Kollegen der SPD erstarrt da saßen und nicht wussten, wohin sie sehen sollten, und die CDU die einzige Fraktion war, die ihm applaudiert hat, weil sie meinte, dass er Recht hat.

Es kann ja sein, dass Sie manches anders sehen,

(Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)

aber wir erwarten von einer Landesregierung, dass sie in grundsätzlichen Fragen eine gemeinsame Gestaltungskonzeption hat.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Wiechmann, FDVP)

Sie haben versucht, das auszubügeln. - Herr Kollege Fikentscher, Ihre, mit Verlaub gesagt, gelegentlich etwas oberlehrerhafte Art, Dinge dozierend vorzutragen,

(Heiterkeit bei der CDU)

hat den Herrn Wirtschaftsminister meiner Meinung nach ziemlich reglementiert. Das ist aber nicht unser Problem.

Aber wir wollen schon wissen, wie diese Landesregierung mit den Problemen im Land Sachsen-Anhalt und mit den Menschen umgehen will. Es ist eine Tatsache - das wird niemand abstreiten -, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Gefühlslage mit völlig unterschiedlichen Äußerungen bedient werden. Dabei fehlt uns der gemeinsame Nenner, von dem wir sagen können: Das ist die Meinung unserer Landes- regierung. Diese ist nicht zu erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie in der Öffentlichkeit versuchen, das alles wieder auszubügeln und gutzumachen, und sagen: Wir geben Ihnen zwar nicht Recht, aber wir sind alle einer Meinung,

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

dann wird damit das eigentliche Grundproblem kaschiert, zu dem wir heute eine Aussage von Ihnen erwartet hätten.

Eine klare Linie der Landesregierung muss auch dort erkennbar sein, wo man vielleicht einmal einer bestimmten Gruppe sagen muss, dass man ihre Wünsche nicht erfüllen kann. Der Versuch, immer nur everybodys Darling zu sein und allen Recht zu geben, dabei aber nicht zu

erkennen, wie es insgesamt weitergehen soll, ist das eigentliche Problem, das wir in dieser Debatte heute beobachten konnten.