Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

Aber natürlich geht es nicht nur darum, einen weiteren Stellenabbau zu verhindern. Es geht auch um personelle Umstrukturierungen innerhalb der Hochschulen. Dabei gilt es zweifellos auch zu überprüfen, ob gegenwärtig und künftig die bestehenden Schwerpunkte in Lehre und Forschung Bestand haben müssen.

Der Wissenschaftsrat forderte deshalb auch zu Recht eine regelmäßige Selbstevaluation in den Fachbereichen und Fakultäten. Der Hinweis des Rates darauf, dass sich die Fachbereiche im Sinne der Qualitätssicherung von Studium und Lehre systematisch und kontinuierlich Informationen über die beruflichen Wege ihrer Absolventen verschaffen, ermöglicht es auch, die Arbeitsmarktchancen abzuklären. Das wiederum erhöht die Attraktivität einer Studienreinrichtung über die Region, über das Land hinaus und beeinflusst die Wahl des Studienortes. Hierin liegen also Chancen für jede Hochschule.

Meine Damen und Herren! Wir sollten ernst nehmen, dass die Bedeutung privater Hochschulen und privatwirtschaftlicher Bildungsangebote künftig zunehmen wird, zumal vom privaten Hochschulsektor - so der Wissenschaftsrat - Impulse auf die Entwicklung eines modernen, zeitgemäßen Hochschulmanagements ausgehen.

Die Belebung des Wettbewerbs durch private Hochschulen um das Angebot besonders praxisorientierter Ausbildungen sei hier nur am Rande vermerkt. Das verdeutlicht, dass der Wettbewerb noch härter wird und nicht allein von den aufgrund der demografischen Entwicklung sinkenden Studentenzahlen beeinflusst wird.

Meine Damen und Herren! Wir wenden uns - das möchte ich hier für unsere Fraktion ganz deutlich sagen - gegen einen weiteren Personalabbau an den Hochschulen dieses Landes. Wir wenden uns aber auch gegen die Politik der Landesregierung, die alle ernst zu nehmenden Bedenken und Sorgen um die Entwicklung der Hochschulen, vorgetragen von den Rektoren und weiteren Experten, nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit prüft und umsetzt; denn wer heute die Hochschulen beschneidet, der verspielt die Zukunft dieses Landes.

Herr Minister Dr. Harms, wir haben Ihre Worte heute sehr deutlich vernommen. Ich denke, wir können Sie in Zukunft daran messen. Die Fraktion der FDVP stimmt dem vorliegenden Antrag zu. - Danke sehr.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Ernst.

(Herr Ernst, SPD: Wir verzichten!)

- Sie werden die Sympathien aller haben.

(Zustimmung)

Herr Dr. Bergner, Sie haben für die CDU das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den PDS-Antrag vorgelegt bekommen habe, war ich eine

Zeit lang der Meinung, es könnte ein Zeichen tätiger Reue sein,

(Zustimmung von Herrn Schulze, CDU)

und zwar weil die PDS nunmehr einsieht, dass es falsch war, bei den Beratungen über den Haushaltsplan 2000 und bei den Beratungen über den Haushaltsplan 2001 Anträge der CDU auf Aufstockung der Mittel gemeinsam mit der SPD abzulehnen. Denn insbesondere mit Blick auf die zugespitzte Problemlage der Martin-Luther-Universität, aber auch mit Blick auf Dinge, die ich zumindest von einigen Fachhochschulen gehört habe, ist festzustellen: Wir haben das Problem der Unterfinanzierung der Hochschulhaushalte, und dies ist zunächst der Ansatzpunkt. All das, was wir noch unter diesem Vorzeichen versuchen, können nur Linderungsversuche sein; das eigentliche Problem wird nicht gelöst.

Ich bleibe bei der Martin-Luther-Universität. Herr Minister, Sie wissen sehr gut - man hat es Ihnen im Senat vorgerechnet -, dass die Unterfinanzierung selbst dann einträte, wenn schon jetzt die vorgegebene Zielgröße in Bezug auf die Personalbesetzung erreicht würde. Sie ist aber bei weitem noch nicht erreicht. Nun wird Raubbau betrieben, der ein völlig verschobenes Verhältnis zwischen Personal- und Sachkosten zur Folge hat.

Ich stimme Ihnen darin zu, Herr Minister, dass es um die eigentliche Innovationsfähigkeit der Hochschule geht und dass wir als Parlamentarier bei aller Verantwortung, die in den Hochschulen selbst liegt, nicht umhin kommen, die Frage zu beantworten, wie wir mit dieser Situation umgehen wollen. Es muss doch möglich sein, dass wir uns darauf verständigen, dass die Universitäten ein Verhältnis zwischen Personal- und Sach- sowie Investitionsmitteln haben, das für deutsche Universitäten Standard und Voraussetzung für den Wettbewerb ist. Das ist unser erster Änderungspunkt.

(Beifall bei der CDU)

Nun will ich nicht über Formulierungen streiten. Dass Sie der Formulierung „zu gewährleisten“ nicht zustimmen können, belegt ausdrücklich, dass die Haushalte unterfinanziert sind. Sonst könnte es ja sofort gelöst werden. Wir können meinetwegen „anzustreben“ schreiben. Das wäre mir auch egal. Wir müssen uns nur zu dieser Zielgröße bekennen.

Ein weiterer Weg, um kurzfristig handeln zu können, nachdem der Kultusminister selbst vor Ort in Gesprächen mit dem Personalrat die Beschlüsse bezüglich des Personalabbaus, die zum Teil im Selbstverwaltungsorgan schon vorbereitet waren, konterkariert hat, indem er sagte, er werde kein „Kündigungsminister“ sein, bleibt die Möglichkeit, die wir bereits bei den Haushaltsberatungen vorgeschlagen haben. Sie lautet, dass man das nicht strukturgemäße Personal vor die Klammer zieht.

Frau Dr. Sitte, in der Titelgruppe 78 ist eine Vorsorge getroffen worden, die nur leider, weil Sie unseren Antrag in namentlicher Abstimmung abgelehnt haben, gemessen an der Zahl der zu bewältigenden Stellen unzu-reichend sein wird. Aber diese Vorsorge ist vorhanden. Ich frage Sie ausdrücklich, warum Sie unserem Vorschlag, so zu verfahren, nicht folgen wollen.

Herr Minister, Ihr Argument ist das fragwürdigste: Das Land stünde dann mit den Stellen allein; die Hochschulen sollen es bewältigen. - Was heißt es denn, wenn die Hochschulen dafür Senatsbeschlüsse treffen und Sie dann in die Hochschulen fahren und sagen: Mit diesen Senatsbeschlüssen kann es nicht vollzogen werden?

Dann machen Sie es doch tatsächlich in der Verantwortung des Landes, indem Sie hier einen Personalpool schalten, der außerhalb der Hochschulverantwortung steht und dafür erst einmal Ordnung in die Hochschulstruktur der Martin-Luther-Universität einkehren lässt und im Übrigen eine ganze Menge anderer ärgerlicher Streitfälle auf eine reale Basis bringt, nämlich den Streitfall, dass eine zunehmende Diskrepanz in der Hochschulentwicklung zwischen den Universitäten Halle und Magdeburg beklagt wird.

Ich sehe mich völlig außerstande, die Klagen, die jetzt in Halle an mich herangetragen werden, sachlich zu prüfen, weil ich ein wildes Gemisch von strukturgemäßem und nicht strukturgemäßem Personal habe. Ich brauche doch erst einmal die Klarheit. Die erhalte ich dadurch, dass ich das nicht strukturgemäße Personal vor die Klammer ziehe und dann die Strukturen vergleichen kann. Danach weiß ich, ob die Vorwürfe, die in Halle erhoben werden, begründet oder nicht begründet sind.

Aber das alles scheint Ihnen egal zu sein. Sie scheinen bis zur nächsten Landtagswahl einen Schlingerkurs fahren zu wollen, indem keine wirklichen Entscheidungen getroffen werden. Das finde ich schade; denn auf diese Weise geht für unsere Hochschulentwicklung eine Menge Entwicklungszeit verloren.

Dass Sie die medizinischen Fakultäten aus diesem ganzen Komplex herausnehmen, kann ich nur als Ausdruck von Scham betrachten, Herr Minister. Was sich die Landesregierung damit geleistet hat, indem sie gesetzlich vorgeschriebene Investitions- und Personalkosten nicht eingehalten hat und die im Gesetz vorgesehene Nachfolgeregelung ab dem Jahr 2001 bis heute schuldig geblieben ist, lässt es doch berechtigt erscheinen, die Regelung für die medizinischen Fakultäten mit in den Blick zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Ich sage das zu den Antragstellern der PDS: Wir werden den Antrag mit Stimmenthaltung passieren lassen, wenn Sie unseren ablehnen. Das ist dann relativ egal. Nur, Ihr Verhalten in Bezug auf unseren Änderungsantrag zeigt mir, dass die Motivation Ihres Antrages eben nicht tätige Reue nach der Verweigerungshaltung in den Haushaltsberatungen ist, sondern vielmehr der Versuch der Flucht aus der Verantwortung. Sie haben die Misere an der MartinLuther-Universität mit zu verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt flüchten Sie mit solch scheinheiligen Anträgen. Das soll wenigstens deutlich gesagt werden. Wir werden es jedenfalls vor Ort so sagen.

Meine Damen und Herren! Seit geraumer Zeit verfolgen Damen des Frauenprojektes „40+ Magdeburg“ den Diskussionsbeitrag des Kollegen Dr. Bergner. Ich begrüße Sie herzlich in unserem Hause.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich teile mit, dass die DVU-FL-Fraktion auf einen Redebeitrag verzichtet hat. Ich frage Frau Dr. Sitte, ob sie noch einmal reden möchte. - Sie möchte das tun. Bitte, Frau Dr. Sitte.

Nur einige wenige Sätze. Als wir den Antrag gestellt hatten und er als Drucksache veröffentlicht worden ist,

sind Sie gestern Abend zu mir gekommen und haben gesagt, es wird schwierig, dazu einen Änderungsantrag zu stellen.

Herr Bergner, wir haben uns bei dem Antrag wirklich vorher mit dem Rektor zusammengesetzt. Wir waren auf den öffentlichen Veranstaltungen. Wir haben mit dem Studentenrat, mit dem Personalrat und mit der Gewerkschaft gesprochen und haben versucht, eine Kompromisslösung zu finden.

Sie haben offensichtlich, wenn Sie uns schon vorwerfen, dass wir damit nicht ernsthaft umgehen, noch weniger ernsthaft daran gedacht, für die Martin-Luther-Universität wirklich etwas zu tun, indem Sie einfach gestern Abend einmal darüber nachgedacht haben, wie man denn die Vorlage von der PDS noch ein bisschen aufstocken und gleich noch ein ganz anderes Problem hinzufügen könnte, nämlich das der medizinischen Fakultät. Ich meine, die medizinische Fakultät kann man in diesem Antrag nicht nebenbei als fünften Punkt beschließen.

(Beifall bei der PDS)

Darüber müssen wir extra verhandeln, daran muss extra gearbeitet werden.

Eine zweite Anmerkung, die ich mir gestatten möchte, ist: Ja, Sie haben den Antrag auf Geldaufstockung schon zu den Haushaltsverhandlungen gestellt, aber übrigens auch erst hier im Plenum, nicht etwa im Ausschuss. Schon damals habe ich Ihnen gesagt: Das Geld allein löst das Umstrukturierungsproblem nicht.

In der Wissenschaftslandschaft finden so tiefgreifende Veränderungsprozesse statt, dass sie sich nicht nur in den Personalentwicklungen niederschlagen, sondern auch im Verhältnis der einzelnen Fachbereiche zueinander. Das muss man mit in Rechnung stellen.

Wenn der Rektor der Auffassung ist: Frau Sitte, natürlich brauchen die Hochschuleinrichtungen dort etwas Druck, damit sich an der Stelle mit dem Engagement der Hochschulen, der Universitätsleitung und der Betroffenen wirklich nachhaltig etwas ändert, dann kann ich das zwar als Vorwand nehmen, um den Antrag zu verstärken, aber dann weiß ich natürlich ganz genau: Auch an der Universität findet ein Prozess der Auseinandersetzung um Ressourcen zwischen den Fachbereichen statt.

Dann kann ich mich nicht zurückziehen und sagen: Das muss die Universität für sich lösen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das habe ich nicht ge- sagt! Das hat der Minister geäußert!)

Ich weiß, dass der Beschluss, den wir im Dezember gefasst haben, schwierig ist. Die Beschlüsse zum Haushalt vom Dezember sind für jedes Ressort, für das Sozialressort ebenso wie für die Hochschulen, schwierig. Dass es sich dabei um einen Gesamtkompromiss gehandelt hat, wissen Sie ganz genau. Jetzt können wir nur versuchen, diese Vorgaben in den einzelnen Ressorts so umzusetzen, dass die ursprüngliche Zielstellung, die wir damit verbunden haben und die auch die Hochschulen teilen, letztlich umsetzbar bleibt.

Ich beantworte jetzt keine Frage mehr dazu. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zu den Drucksachen 3/4101 und 3/4134.

Es ist zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drs. 3/4134 abzustimmen. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung hat dieser Änderungsantrag keine Mehrheit gefunden.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Antrag in der Drs. 3/4101 in der ursprünglichen Fassung. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen ist dem Antrag in der Drs. 3/4101 zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der 27. Sitzungsperiode des Landtages angelangt. Ich berufe den Landtag zu seiner 28. Sitzungsperiode für den 1. und 2. März 2001 ein. Die nächste Sitzung des Ältestenrates findet am 22. Februar 2001 statt.