Nun, meine Damen und Herren, komme ich zum Schluss. Ich bin sehr darauf gespannt, ob sich die Landesregierung äußert oder ob sie es vielleicht nur die SPD-Fraktion ausputzen lässt, dass alles nicht so gemeint gewesen sei und man manches mal so und mal so sagen könne. Ich denke, hier stehen Grundentscheidungen darüber, wie wir das Land bewerten und wie wir das Land führen wollen, auf dem Spiel. Bei der PDS bin ich gespannt, ob sie wieder einmal springt und sehr kurz landen wird. - Danke.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion in der Reihenfolge SPD, FDVP, PDS, DVU-FL und CDU vereinbart worden. Auf Ihr Statement eingehend, hat sich als Erster Herr Minister Gabriel als Debattenredner zu Wort gemeldet. Am Ende der Debatte wird der Herr Ministerpräsident dazu sprechen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar für die Möglichkeit, hier ein paar Dinge darstellen zu können, die missverstanden worden sind, was auch auf eine verkürzte Wahrnehmung zurückzuführen ist. Diese entsteht, wenn etwas gedruckt wird und sich das Gedruckte verselbständigt,
Ich werde auch nicht der Versuchung erliegen, Herr Scharf, jetzt mit einem Zahlenpingpong anzufangen und Ihnen all die positiven Zahlen des Landes SachsenAnhalt entgegenzuhalten, deren Ursache nicht nur durch die Initiativen der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen gelegt worden ist, sondern auch durch die positiven Rahmenbedingungen, deren Schaffung die Landesregierung mit unterstützt hat.
Ich weiß, dass wir in Ostdeutschland eine große Infrastrukturlücke von rund 300 Milliarden DM haben. Mich stören immer die runden Zahlen. Mir ist egal, ob es 280 Milliarden DM oder 330 Milliarden DM sind. Dass es eine große Zahl ist, weiß ich.
Dass wir, bis die Infrastrukturlücke geschlossen ist, eine massive Förderung für den Osten brauchen, weiß ich
nicht nur, sondern ich habe dies auch erklärt. Dass wir eine besondere finanzielle Unterstützung für die Wirtschaftsförderung in den Kommunen und in einigen anderen Bereichen, die Sie aufgezählt haben, brauchen, ist mir schon klar.
Was die Wirtschaftsförderung betrifft, so habe ich auf der Wirtschaftsministerkonferenz in Halberstadt Ende letzten Jahres die Federführung für die Festlegung der langfristigen Rahmenbedingungen übernommen. Ich bin insoweit für die Abstimmung zwischen den ostdeutschen Bundesländern verantwortlich. Deswegen können Sie davon ausgehen, dass ich die Beschlüsse von Erfurt, die genau diese Vorarbeit zum Inhalt haben, vollinhaltlich mittrage. Die Wirtschaftsförderung muss fortgesetzt werden.
Im Übrigen ist in Halberstadt meine Anregung aufgegriffen worden - daran sehen Sie, wie weit wir beim Aufbau Ost zum Teil schon vorwärts gekommen sind -, die Wirtschaftsministerkonferenz Ost aufzulösen; denn wir haben von der Tagesordnung her nicht viel mehr als eine Stunde zu tun.
Dass wir spezifische Interessen haben, ist klar. Dies kann man aber auch im Rahmen von Kamingesprächen mit dem Bundeswirtschaftsminister bereden. Es ist viel wichtiger, dass wir unsere spezifischen Interessen, die auch ich sehe, im Rahmen der Gesamtwirtschaftsministerkonferenz einbringen. Das ist wirkungsvoller, als das in einer separaten Konferenz zu tun.
Die Solidarpaktverhandlungen haben den Baustein Wirtschaftsförderung ausreichend zum Inhalt. Daher fühle ich mich da mit meiner Meinung gut aufgehoben. Aber siehe Auflösung der Wirtschaftsministerkonferenz Ost: Ich glaube, wir müssen wegkommen von den Überschriften, die den Eindruck vermitteln, dass da die Separatisten aus dem Osten sind, und wir müssen endlich zu dem Eindruck hinkommen, dass wir im geeinten Deutschland angekommen sind.
Zum Thema Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt möchte ich noch Folgendes anmerken: Beim Landesförderinstitut liegen 943 Anträge auf GA-Mittel. Dahinter steht ein Investitionsvolumen von rund 11 Milliarden DM. Dabei geht es um die Sicherung und Schaffung von rund 32 000 Arbeitsplätzen im Land. Ich sage Ihnen: Ich werde alles tun, damit aus diesen Anträgen Investitionen und Arbeitsplätze werden, und zwar zeitnah. Sie werden das erleben.
Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, dass ich mir vor ziemlich genau fünf Jahren, als ich anfing, die Verlängerung der A 14 nach Norden gewünscht habe. Ich freue mich, dass wir in der Diskussion inzwischen dort angekommen sind.
Es gibt also noch Infrastrukturprojekte, für die wir noch in nennenswertem Umfang Geld brauchen, damit wir die Entwicklung der Wirtschaft in allen Regionen des Landes angemessen vorantreiben können.
Meine Damen und Herren! Unabhängig von der Diskussion über die Fördermittel muss es aber auch erlaubt sein, einmal darüber nachzudenken, wie lange wir den Aufkleber „Ost“ noch mit uns herumtragen wollen. Die derzeitigen finanziellen Anstrengungen sollen doch dazu führen, dass wir mittelfristig die Transferleistungen aus dem Westen nicht mehr benötigen.
Es gibt schon viel zu lange Überschriften wie: „Der Westen gibt, der Osten nimmt“, was im Übrigen an den harten Fakten vorbeigeht. Der Konjunkturschub für die westdeutsche Wirtschaft, der einmal 200 Milliarden DM im Jahr betragen hat, beläuft sich immer noch auf 100 Milliarden DM. Das heißt, die Wiedervereinigung war für alle Beteiligten ein gigantisches Geschäft.
In der öffentlichen Debatte werden immer nur die Transferleistungen für Ostdeutschland aufgeführt. Wo ist die Tabelle für die Westländer? Auch in München erhalten die Studenten Bafög und auch in Köln gibt es Kindergeld und Autobahnen werden auch im Westen gebaut. Ich will das nicht alles aufzählen; Sie kennen das.
Ich möchte schlicht dafür werben, dass wir mehr die Normalität im geeinten Deutschland sehen, statt die Unterschiede so darzustellen, als wäre der Osten nur schwach und gebrechlich.
Es ärgert mich auch ganz persönlich, wenn ich zehn, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch in dieser Ossi-Schublade sein soll. Jedenfalls müssen wir heraus aus der Rolle der Jammer-Ossis.
Die ersten zehn Jahre sind herum. Die Konzeption für die Förderung in den nächsten zehn Jahren liegt ziemlich klar auf dem Tisch. Wir reden jetzt schon über 2010, 2020. Zu jenem Zeitpunkt wird die Wiedervereinigung schon 30 Jahre her sein. Man muss sich einmal überlegen, mit welchen Überschriften wir dann unser eigenes Dasein beschreiben wollen. Ich will mich auch jetzt schon als vollwertiger Gesamtdeutscher fühlen.
Ich sage Ihnen eines: Wir können noch so viele Imagekampagnen für das Land Sachsen-Anhalt machen. Sie werden nur begrenzten Erfolg haben, wenn wir uns selbst gleichzeitig als unterentwickelte Region zweiter Klasse darstellen. Auch das Selbstwertgefühl der Menschen im Osten leidet darunter. Geben Sie es doch zu, dass uns diese Überschriften auch schaden.
Für die Investorenwerbung brauchen wir eine andere Ausstrahlung. Dafür müssen wir uns als normale Region in Deutschland mit besonderen Chancen - zugegeben, auch mit spezifischen Problemen - darstellen. Vor allem müssen wir eine Aufbruchstimmung und Dynamik vermitteln. Sonst locken wir niemanden hierher.
Ich scheue nicht davor zurück, auf die Probleme einzugehen. Aber ich würde, damit niemand den Eindruck hat, wir würden nur über die Probleme reden, das Benennen der Probleme auf eine kurze Zeit beschränken, egal was es ist, ob es darum geht, dass die jungen Leute weglaufen, ob es die hohe Arbeitslosigkeit ist, was auch immer. Es geht nur darum, dass jeder merkt: Ich kenne, wir kennen die Probleme.
Dann aber müssen wir in eine engagierte Diskussion darüber eintreten, wo Lösungen sind und aus welchen Lösungsansätzen man Zuversicht für die Zukunft schöpfen kann. Wir dürfen bei einem Problem nicht stundenlang darüber lamentieren, wie furchtbar das alles ist. Das führt uns keinen Schritt weiter.
Die Ausstrahlung, die wir nach außen haben wollen, brauchen wir im Übrigen auch nach innen, weil wir natürlich - ich komme gleich noch auf das Stichwort „Engagement“ zu sprechen - die Mitwirkung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger im Lande brauchen.
Wir müssen auch vordenken. Wir müssen über die aktuellen Solidarpaktverhandlungen hinausdenken. Die Zeit bleibt auch in zehn Jahren nicht stehen.
Ich weiß mich, was das Vordenken angeht, in guter Gesellschaft. Der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle und der Leipziger Oberbürgermeister haben sich auch dazu geäußert, Wolfgang Tiefensee zuletzt in einem Gastkommentar in einer überregionalen Tageszeitung. Dort hat er geschrieben:
„Eine starke Ostförderung ist weiterhin vonnöten, aber dies mit einer strikten Zielgenauigkeit und unter Einbeziehung der strukturschwachen Westregionen. Nur auf diesem Wege verschwindet die leidige Ost-West-Diskussion. Verlieren wir nicht aus dem Blick: Es geht um gesamtdeutsche Strukturpolitik im Konzert des weltweiten Wettbewerbs. Nur auf diesem Weg begreifen wir die gesamtdeutsche Aufgabe einer demokratischen, sozialen Neugestaltung unserer Lebens- und Arbeitsverhältnisse.“
Außer auf die Diskussion zum Thema Förderung möchte ich auf einen Punkt eingehen, der immer mit dem Thema Arbeitslosigkeit, ABM verbunden wurde. Es geht mir im Kern um etwas anderes. Ich stehe auch dazu, dass unsere Marktwirtschaft weiterhin eine soziale Marktwirtschaft bleiben soll.
Es geht mir nicht um die Abschaffung des Sozialsystems, sondern um dessen Stabilisierung. Aber das muss wirtschaftlich tragbar sein.
(Zustimmung bei der SPD - Herr Schomburg, CDU: Konsens! - Zuruf von der CDU: Zustim- mung! - Zurufe von der FDVP)
Ich wollte nicht diejenigen attackieren, die trotz persönlicher Anstrengungen keine Chance haben oder hatten. Dafür haben wir unser Sozialsystem und dafür müssen wir unser Sozialsystem weiterentwickeln.
Ich sehe aber einen Riss in unserer Gesellschaft, und zwar nicht nur zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die keine Arbeit haben, sondern auch zwischen denen, die sich engagieren, und denen, die sich nicht engagieren.
Wir haben Menschen, die sich engagieren, in den Verwaltungen, in den Betrieben, in den Vereinen und bei der Nachbarschaftshilfe, und zwar unter denen, die bezahlte Arbeit haben, und unter denen, die solche Arbeit nicht haben. Es gibt in diesen Gruppen aber auch Menschen, die sich nicht engagieren. Darüber muss auch geredet werden; denn Engagement ist wichtig für unsere Gesellschaft, und zwar in Gänze.
Wenn wir uns verdeutlichen, in welch hartem internationalen Wettbewerb wir stehen, dann wissen wir, dass wir keine Reserven verschenken können. Wir kämpfen um jedes einzelne Prozent, bei der Arbeitslosigkeit und auch bei der Bruttowertschöpfung.