Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Mindestens 3 600 Entlassungen sind in diesem Bereich vorprogrammiert. Weiterhin sollen die Kommunen geringere Zuschüsse vom Land erhalten. Die verbleibenden Erzieher müssen dann künftig mehr Kinder als bisher betreuen. Alles in allem sind mit diesem Kinderbetreuungsgesetz die Bedingungen für unsere Kinder in Sachsen-Anhalt schlechter geworden.

Vielerorts müssen die Eltern dafür auch noch tiefer in die Tasche greifen. Noch am 9. Januar 2001 erklärte Sozialministerin Frau Kuppe ganz energisch:

„Ich gehe davon aus, dass Beitragserhöhungen für Eltern im Jahr 2001 kein Thema sein werden.“

Ich bringe zwei Beispiele dafür, wie man sich selbst unglaubwürdig machen und ins Abseits stellen kann: In der Verwaltungsgemeinschaft Nördliche Börde im Ohrekreis müssen die Eltern seit dem 1. Januar 2001 einen Elternbeitrag von 330 DM monatlich statt bisher 180 DM zahlen. Ebenso ist es in der Saalkreisgemeinde Schochwitz. Ab dem 1. März 2001 kostet der Ganztagsplatz 220 DM statt bisher 180 DM, ab der elften Betreuungsstunde sogar 260 DM.

Auch die bestehende Volksinitiative „Für die Zukunft unserer Kinder“ in Sachsen-Anhalt stellte bereits Negativtendenzen in der Kinderbetreuung fest. So gehen die Folgen der Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes nicht spurlos an den Erziehern vorbei. Aufgrund der Entlassung von jüngeren Erzieherinnen und aufgrund des zu engen Personalschlüssels steigt der Krankenstand unter den Erzieherinnen dramatisch an. Es geht bereits an die Substanz. Damit verschärft sich die Betreuungssituation weiter auf Kosten der Kinder.

Meine Herren und Damen! So kann und darf es in unserem Land nicht weitergehen. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass primär Gelder in das Kinderbetreuungssystem und damit in die Zukunft unserer Kinder investiert werden müssen. Anderenfalls braucht sich

niemand darüber zu wundern, dass die Geburtenraten hierzulande immer niedriger werden.

Einerseits gibt die Landesregierung von Sachsen-Anhalt Unsummen für unwichtige Projekte aus, beispielsweise für die Landesvertretung in Berlin oder für unnötige und teuere Regierungskarossen. Andererseits spart die Landesregierung bei den Kleinsten. Das Verhältnis stimmt schon lange nicht mehr. Nicht zuletzt deshalb unterstützen wir das Volksbegehren der Initiative „Für die Zukunft unserer Kinder“ aus vollem Herzen. - Ich bedanke mich.

(Zustimmung von Herrn Büchner, DVU-FL, und von Herrn Preiß, DVU-FL)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Feußner, Ihre Aussagen sind verlogen.

(Frau Feußner, CDU: Wieso? Ich habe doch nur das vorgetragen, was in der Antwort steht!)

- Sie sind verlogen. Ich fange gleich damit an.

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)

- Wie schön, dass auch Herr Bergner reagiert. Ich kann mich an die letzten Jahre erinnern, in denen Sie ständig gefordert haben, die konsumtiven Ausgaben aufgrund des Leistungsgesetzes zur Kinderbetreuung herunterzufahren. Das war Ihre ständige Aussage.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Sie haben uns heftig widersprochen und das Gegenteil von dem ge- macht, was Sie im Wahlkampf gesagt haben!)

Jetzt sagen Sie, Frau Feußner, wir hätten viel zu wenig Mittel eingestellt. Das ist absolut verlogen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU, meldet sich zu einer Zwischen- frage)

- Ich bin froh, dass Sie sich melden. Ich beantworte Ihre Frage am Ende. Dann habe ich nämlich noch etwas Zeit.

Zweitens. Sie haben seit einem Jahr nicht einen einzigen Vorschlag dafür unterbreitet, wie die Kinderbetreuung im Land besser gestaltet werden könnte.

(Herr Scharf, CDU: Das ist schon wieder eine Lüge! - Frau Feußner, CDU: Sie haben wohl unsere Änderungsanträge nicht gelesen!)

Im Gegenteil. Man kann Ihnen nur den Text des Gesetzes vorlesen, das Sie einmal alternativ eingebracht haben. Auch der Vorschlag, Tagesmütter einzusetzen, ist mir noch gut in Erinnerung.

(Zustimmung bei der PDS)

Hiermit wäre die Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt auf dem Tiefpunkt angelangt.

Deshalb bin ich froh, dass es endlich Datenmaterial und Aussagen zur Kinderbetreuung von den Trägern im Land gibt. Wir brauchen uns nun nicht mehr hinter unseren eigenen Aussagen zu verstecken. Vielmehr lässt das von den Fachleuten vor Ort zur Verfügung gestellte Datenmaterial schon einige Rückschlüsse zu.

Erstens. Die Befürchtung - ich nenne einmal die Zahlen, weil Sie schon wieder darauf abgestellt haben -, dass

nach der Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes der Run auf die ganz großen Einrichtungen mit mehr als 120 Kindern einsetzen wird, ist von den Zahlen her nicht zu belegen. Der größte Teil der Einrichtungen verfügt über 30 bis 50 Plätze, nämlich 400 Einrichtungen. Das hätten Sie nachlesen können. Mit 50 bis 90 Kindern sind wiederum 400 Einrichtungen belegt. Das heißt, das betrifft insgesamt 800 von 1 000 Einrichtungen.

Lediglich 136 Einrichtungen haben mehr als 90 Plätze. Davon sind weit über die Hälfte Kinderkombinationen - diese sind Ihnen bekannt -, oder es sind die Zusammenschlüsse von kleinen Trägern, die es tatsächlich schwer haben. Ich will nicht verschweigen, dass es auch größere Einrichtungen gibt, aber nicht in der Häufigkeit, wie Sie es darstellen.

Zweitens. Die Betreuungszeit liegt bei ca. 90 % der Einrichtungen bei 50 bis 60 Stunden. Das heißt, die Eltern haben das neue KiBeG angenommen und wollen, dass ihre Kinder entsprechend betreut werden.

Drittens. Die Ferienbetreuung der Hortkinder ist gesichert. Ich habe das noch einmal nachgelesen. Das finde ich überaus wichtig. Besonders positiv ist - die Ministerin hat es gesagt -, dass wir es geschafft haben - das war eine Zielvorstellung -, der Integration Vorrang vor der Betreuung in Sondereinrichtungen einzuräumen. Das Ziel ist damit erreicht. Wir konnten auch die Finanzierung regeln, nämlich mit einer Zusatzpauschale für die integrative Betreuung. Damit konnte das leidige Problem der Zuständigkeit des KJHG oder des BSHG geregelt werden.

Fünftens. Ich finde es gut, dass das Land SachsenAnhalt so viele Bundes- und Landesmodelle durchgeführt hat und durchführt - beispielsweise auch gemeinsam mit dem Land Thüringen -, bei denen deutlich gemacht wird, dass Interesse daran besteht, dass die Betreuung der Kinder auf hohem Niveau weitergeführt wird. Dafür sage ich meinen herzlichen Dank an die Erzieherinnen, an die Eltern und an die Träger der Einrichtungen, die mit diesem Beitrag denen widersprechen, die sagen, die Kinder würden in Sachsen-Anhalt lediglich verwahrt.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Sechstens. Die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen mit anderen Trägern mit anderen Vorstellungen, beispielsweise der Einrichtung in Wolfen/Nord mit dem Projekt „Alt und Jung“, die sozusagen ein Generationen übergreifendes Haus betreiben, die Ökoprojekte für Umwelterziehung, die Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen, Schulkinderhäuser, die Kreativitätsschule in Halle, die Zusammenarbeit mit Jugendhilfe, Logopädie und Weiterbildungsträgern, mit dem Verein Brücke e. V. als Einrichtung der Jugendarbeit und der Familienhilfe, sind gute Ansätze im Land. Dabei machen sich die Träger tatsächlich Gedanken darüber, wie die Betreuung verbessert werden kann.

Den siebenten Punkt überspringe ich jetzt. Dazu werde ich am Ende meines Beitrages etwas sagen.

Achtens. Die Fortbildungsangebote durch das Landesjugendamt werden im Land Sachsen-Anhalt gut angenommen. Damit wird anerkanntes und qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung stehen. Daher sind die Kinder qualitätsgerecht untergebracht.

Es gibt tatsächlich einen Mangel. Dieser betrifft die benachteiligten Kinder. Das wird auch in den Aussagen

noch einmal deutlich gemacht. Für deren Betreuung haben wir nicht das geeignete Personal und auch zu wenige Fortbildungsmöglichkeiten. Das ist noch ein Defizit.

Ich ziehe ein Resümee:

Erstens. Die Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt ist ausgesprochen gut. Sowohl die Qualität der Betreuung als auch der verbesserte - der ist noch zu verbessern, darin gebe ich Ihnen Recht, Frau Feußner - bauliche Zustand zeigen deutlich, dass das Land mit den Kommunen und den Trägern auf dem richtigen Weg ist.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD, und von Herrn Sachse, SPD)

Zweitens. Das Engagement von Erzieherinnen, Eltern und Trägern in den Einrichtungen kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Ihnen gilt unser ausdrücklicher Dank.

(Zustimmung von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Drittens. Bei allem kritischen Hinterfragen und bei allen noch vorhandenen Problemen macht die vorliegende Erhebung deutlich, dass die Kinderbetreuung in SachsenAnhalt im Vergleich aller Bundesländer auf dem ersten Platz liegt.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Beantwortung der Fragen durch die Träger und die Kommunen zeigt deutlich, dass unsere Kinder in diesem Land sehr gut betreut und begleitet werden. Ein Schlechtmachen oder gar die Aussage, die Einrichtungen wären Verwahranstalten, wie es in den Pressemitteilungen zu lesen ist, wirft eher ein Licht auf diejenigen, die Fakten und Aussagen bewusst nicht wahrhaben wollen und alte Positionen wiederholen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD, bei der PDS und von der Regierungsbank)

Herr Bischoff, die Abgeordnete Frau Feußner und der Abgeordnete Herr Dr. Bergner möchten Ihnen Fragen stellen. - Herr Dr. Bergner, lassen Sie Frau Feußner den Vortritt? Sie hatten sich als Erster gemeldet.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ja!)

Bitte, Frau Feußner. Ladys first.

Ich möchte mehr als eine Frage stellen, wenn es recht ist.

Erste Frage. Herr Bischoff, Sie haben eben gesagt, ich ginge mit den Großeinrichtungen hausieren. Ist Ihnen bewusst - dazu möchte ich mit Ihrer Erlaubnis zitieren -, dass in der Antwort auf die Große Anfrage folgendes steht: