Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

Erste Frage. Herr Bischoff, Sie haben eben gesagt, ich ginge mit den Großeinrichtungen hausieren. Ist Ihnen bewusst - dazu möchte ich mit Ihrer Erlaubnis zitieren -, dass in der Antwort auf die Große Anfrage folgendes steht:

„Bedingt durch die veränderten Anteile bei den Leitungsstunden nach dem neuen KiBeG werden Einrichtungen zu einer Einrichtung zusammengelegt. Dadurch entstehen häufig Großeinrichtungen mit über 120 Kindern. Dies betrifft in der Regel die so genannten ehemaligen Kinderkombinationen.“

Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann stellen Sie fest, das dieser Trend zu verzeichnen ist. Ich wollte Sie fragen, ob Ihnen das bewusst ist.

Ich habe noch eine zweite Frage. Sie bezieht sich - darauf sind Sie in Ihrem Redebeitrag nicht weiter eingegangen - auf die Beteiligung der Eltern. Die Frau Ministerin hat festgestellt, dass die Einbeziehung von Eltern und Kindern in lobenswerter Weise vorangetrieben worden ist. Ich frage Sie: Wie ist es zu erklären, dass sich - wie aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht - die Kreis- und Stadtelternbeiräte nicht flächendeckend gebildet haben und diese Rechte wahrnehmen?

Zur ersten Frage: Ich habe sehr deutlich gesagt, dass es die Kinderkombinationen betrifft; das habe ich nicht verschwiegen. Ich habe auch zugegeben, dass es natürlich mit den Leitungsstunden zu tun hat, dass sich kleinere Einrichtungen mit größeren zusammentun, um eine einheitliche Leitung gewährleisten zu können und um die bestehenden Schwierigkeiten zu beseitigen.

Zur zweiten Frage ist zu sagen, dass es bei den Kreiselternbeiräten sicherlich ein Defizit gibt. In einigen Kreisen gibt es überhaupt keine Kreiselternbeiräte oder diese sind nicht arbeitsfähig.

Aber - darauf hat die Frau Ministerin hingewiesen - den Elternkuratorien der Einrichtungen - das können Sie übrigens nachlesen; die Antwort auf die Große Anfrage enthält mehrere Seiten zu dem Aufgabenkatalog - gehören engagierte Eltern an, die in den betreffenden Einrichtungen mitmachen, die sich überlegen, was in der Kindertagesstätte geschehen soll. Ich finde es ausgesprochen gut, dass sich Eltern vor Ort dort, wo ihre Kinder betreut werden, direkt einmischen. Das ist zu loben und sollte herausgestellt werden.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Das andere ist mehr eine Planungsgeschichte. Man kann die Eltern nur auffordern, in den Kreisen mitzu- machen.

Bitte, Herr Dr. Bergner.

Herr Kollege Bischoff, Sie haben in Ihren Ausführungen richtigerweise darauf hingewiesen, dass die CDU im Wahlkampf 1998 gesagt hat, dass angesichts der Haushaltslage bei den konsumtiven Ausgaben gespart werden müsse und dass deshalb Eingriffe in Leistungsgesetze, auch in das Kinderbetreuungsgesetz, nötig seien.

Sind Sie bereit zuzugestehen, dass Sie damals im Wahlkampf genau das Gegenteil behauptet haben und mit Aussagen wie: „Das Kinderbetreuungsgesetz muss unangetastet bleiben“ Wählerwerbung betrieben haben?

Ihnen fällt es offenbar recht leicht, den Vorwurf der Verlogenheit zu erheben. Ich habe mit SPD- und PDSWählern gesprochen, die Repräsentanten von SPD und PDS angesichts dieses gebrochenen Wahlversprechens als Lügner bezeichnet haben. Haben Sie im Hinblick darauf, dass es Ihnen so leicht fällt, den Vorwurf der Verlogenheit zu erheben, Verständnis dafür, dass dieser Vorwurf entsteht?

Als Zweites möchte ich Sie fragen, ob Sie Verständnis für Kommunalpolitiker haben - dazu gehören auch SPDBürgermeister -, die es als einen Ausdruck der Ver

logenheit betrachten, wenn die Landesregierung bei den konsumtiven Ausgaben auf die Weise spart, dass sie sie in die kommunalen Haushalte schiebt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Büchner, DVU-FL, und von Herrn Kannegießer, DVU-FL)

Zur ersten Frage. Wir haben im Wahlkampf die Aussage getroffen - das habe ich deutlich gemacht -, dass wir eine bestmögliche Kinderbetreuung wollen. Wir hätten sie uns auch so gewünscht, wie sie vorher war. Aber wir haben gesagt, dass wir im Rahmen des Gesamthaushalts das Möglichste für unsere Kinder tun wollen. Wir sind in dieser Hinsicht bundesweit und gegenüber allen neuen Bundesländern Vorreiter. Im Vergleich zu den Ländern Sachsen und Thüringen zahlt das Land mehr als das Doppelte.

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Wählertäuschung, mehr war es nicht!)

- Doch, das zahlen wir weiter. Sie sollten der Ehrlichkeit halber sagen, dass wir das auf einem hohen Niveau sichern. Sie streuen den Leuten Sand in die Augen, wenn Sie nicht die Wahrheit dazu sagen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Es geht um die Wahrheit eines Wahlversprechens, Herr Kollege! - Frau Stolfa, PDS: Wie bei Ihnen!)

Dass Sie die Landeszuwendungen anschließend durch Ihren Entwurf noch einmal kürzen wollten, sagen Sie nie dazu. Sie beharren hier auf Ihrem Standpunkt und sagen nie dazu, dass Sie bei der Kinderbetreuung noch um ein Vielfaches stärker kürzen wollten. In den CDU-regierten Ländern ist dieses Vorgehen sehr deutlich.

Das Zweite ist: Sie beklagen immer, dass sich die Kommunen jetzt mehr beteiligen müssen. - Das Land trägt bei der Finanzierung den größten Anteil. In anderen Ländern müssen die Kommunen den größten Anteil tragen oder die Elternbeiträge sind entsprechend hoch. Gucken Sie es sich doch an: In Sachsen belaufen sich die Elternbeiträge auf 400 DM oder 450 DM.

Angesichts dessen ist dieses Land doch Spitze. Es gehört zur Ehrlichkeit einer Opposition, auch einmal zu sagen, dass es gut ist, was die Regierung macht.

(Herr Schulze, CDU, lacht)

Wir können ja nicht alles leisten. Frau Wernicke hat gesagt, die Kommunen könnten sich manches nicht leisten, wenn sie 120 000 DM oder mehr dazugeben. Auch das Land kann sich manches nicht leisten, weil es so stark an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligt ist. Das können Sie auch einmal loben.

(Frau Wernicke, CDU: Deshalb müssen wir ein- gemeindet werden! - Frau Brandt, DVU-FL: Das ist doch das Wichtigste von allem!)

Herr Dr. Bergner, Sie waren vor einem Jahr bei uns im Ausschuss. Sie kommen ja selten dorthin, aber wenn es um solche Dinge ging, waren Sie laufend da. Ich habe es noch im Ohr, dass Sie uns gesagt haben, wir seien fast Gesetzesbrecher, als Sie auf die Klage vor dem Landesverfassungsgericht aufgesprungen sind. Als das Landesverfassungsgericht die Klage abgewiesen hat, habe ich von Ihnen nichts mehr gehört. Das war für Sie einfach erledigt. Vorher aber mussten wir uns im Ausschuss verteidigen, als hätten wir etwas Unmögliches

gefordert und wären nicht gesetzeskonform vorgegangen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das Thema wird Sie noch einmal beschäftigen! Dafür werden wir sor- gen!)

Bei der zweiten Sache springen Sie wieder auf. Was Ihr Angebot in Bezug auf eine Sanierungskoalition angeht, so bringt mich das zum Lachen. Sie verhalten sich wie ein Feuerwehrmann, der ein Feuer anzündet und gleich der Erste ist, der löscht.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Frau Fischer, Naumburg, SPD: Jawohl!)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Von den 15 Besuchergruppen, die heute zu uns kommen, können wir jetzt Gäste der Landeszentrale für politische Bildung begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion der FDVP erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Wiechmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir heute alles gehört haben, reicht von Schönreden bis zu Unverschämtheiten. Herr Bischoff, über Ihre Aussagen bin ich entsetzt gewesen.

(Beifall bei der FDVP - Zustimmung von Frau Wernicke, CDU - Unruhe bei der PDS)

Man braucht bei der Großen Anfrage gar nicht so sehr ins Detail zu gehen. Eigentlich reicht es schon, die Vorbemerkungen der Landesregierung in der Antwort zu lesen. Ich zitiere:

„Die Kinderbetreuung ist in Sachsen-Anhalt eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Sie stellt einen wichtigen Baustein der aktiven Kinder-, Frauen-, Jugend-, Familien- und Beschäftigungspolitik dar.“

An dieser Stelle steht schon die erste Unwahrheit, um nicht gleich mit dem Wort „Lüge“ zu provozieren.

(Zuruf von Herrn Bischoff, SPD)

Wenn Kinderbetreuung ein derart wichtiger Bestandteil der Aufgaben der Landesregierung ist, dann sei doch die Frage erlaubt, wieso das KiBeG zum Nachteil der Kinder, Eltern und Erzieher geändert worden ist. Den Kindern wird durch Zusammenlegung in vielen Einrichtungen eine Massenunterbringung zugemutet, der eine geringere Zahl an Erziehern gegenübersteht.

(Unruhe bei der SPD - Zuruf von Frau Linde- mann, SPD)

- Das ist nachzulesen.

Was ist durch die Novellierung für die Eltern dabei herausgekommen? - Nichts Positives zumindest. Im Gegenteil: Mehr Geld dürfen sie zahlen. Zugegebenermaßen nicht überall, aber doch in etlichen Städten und Gemeinden ist dies der Fall. Die Anhebung der Elternbeiträge ist nicht unerheblich.

Wie aber hieß es noch im Januar 2001 vonseiten der Landesregierung? Frau Ministerin Dr. Kuppe sagte: „Ich

gehe davon aus, dass Beitragserhöhungen für Eltern im Jahr 2001 kein Thema sein werden.“

Frau Ministerin, ich denke, da haben Sie sich kräftig geirrt. Laut Zeitungsbericht müssen zum Beispiel in Bebertal die Eltern in diesem Jahr wesentlich mehr bezahlen, nämlich fast 83 %. In anderen Orten ist es nicht besser. Genthin verzichtet auf eine Erhöhung der Elternbeiträge; aber die Stadt kommt selbst für die Differenz auf, was natürlich eine Kürzung an anderer Stelle bedeutet.

Andere ziehen völlig neue Wege in Betracht und erstellen eine Stundenstaffelung der Betreuung inklusive eines Bußgeldkataloges für Eltern, die ihr Kind verspätet abholen. Dann soll man auch noch dankbar dafür sein, dass die Kürzung im Haushalt 2001 doch nicht ganz so rabiat vollzogen wurde wie geplant.

Frau Ministerin, dich denke, der Dank der Eltern und Kommunen wird auf sich warten lassen. Von aktiver Beschäftigungspolitik kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, da die Novellierung eine große Zahl von Arbeitnehmerinnen den Arbeitsplatz gekostet hat.

Meine Damen und Herren! Leider bezieht sich die Große Anfrage hauptsächlich auf die inhaltlich-konzeptionelle Ausgestaltung der Arbeit sowie der Eltern- und Kinderbeteiligung. Das ist sicherlich ein wesentlicher Bestandteil einer optimalen Kinderbetreuung. Unseres Erachtens geht es aber an der eigentlichen Problematik vorbei.

Allerdings kann auch hier die Intention nicht verwundern, kennt man doch den Absender der Anfrage. Erstens, meine Damen und Herren von der PDS, geistert in Ihren Köpfen immer noch das staatliche Erziehungsmonopol herum. Das hat sich erst jüngst bei Ihrer Zustimmung zur zwangsweisen Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten gezeigt - quasi eine von innen abgeschlossene Schule mit abgezogenem Schlüssel.