Protokoll der Sitzung vom 02.03.2001

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass die PDS die Kritik und die Ablehnung der rot-grünen Rentenreform mit der CDU durchaus teilt. Aber die Dicke der Krokodilstränen, die heute hier geflossen sind, wundert mich schon sehr.

(Zustimmung bei der PDS, bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Ich muss kurz daran erinnern, dass es die CDU war, die das Rentenalter von Frauen auf 65 Jahre heraufgesetzt hat,

(Herr Dr. Bergner, CDU: Und wird es denn jetzt heruntergesetzt?)

und das wohl wissend, wie die Chancen von Frauen, zumindest ab dem 45. Lebensjahr, auf dem Arbeitsmarkt aussehen. Das heißt, es ging überhaupt nicht darum, dass Frauen länger arbeiten sollen, sondern es ging nur darum, dass sie später Rente kriegen, und nicht nur später, sondern auch wesentlich weniger; denn jede Frau, die zum frühestmöglichen Renteneintritt gezwungen wird, hat bekanntlich mit Abschlägen zu rechnen die Männer natürlich auch -,

(Zustimmung von Frau Krause, PDS)

und zwar mit Abschlägen von bis zu 18 %. Dies ist auch vor dem Hintergrund der im Vergleich zu den Männern anerkanntermaßen geringeren Renten zu sehen. Das alles, meine Damen und Herren von der CDU, musste einfach noch einmal gesagt werden, um die Relationen zu wahren.

Wesentlicher Kritikpunkt an der Rentenreform der rotgrünen Bundesregierung war, dass die Chance verpasst wurde, eine eigenständige Alterssicherung für Frauen durchzusetzen. Ich will nicht verhehlen, dass die PDS sieht, dass Schritte in die richtige Richtung gegangen werden. Aber es bleibt letztlich bei den vom Mann und seiner Erwerbstätigkeit abgeleiteten Ansprüchen und es bleibt damit bei der Abhängigkeit der Frau vom Mann. Daran wollte die CDU übrigens nie etwas ändern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie das jetzt ernsthaft behaupten will.

Wollte man tatsächlich Schritte hin zu einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen gehen, müsste man ernsthafter darüber nachdenken und vor allem konkrete

Maßnahmen dazu ergreifen, dass Männer sich mehr als bisher an der Familienarbeit und an der Kindererziehung beteiligen, beispielsweise durch eine verbindliche Festschreibung der Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten durch die Väter. Nur so wäre langfristig zu verhindern, dass die Geburt eines Kindes zum Karrierehindernis für die Mutter oder für den Vater wird.

Den Frauen müsste durch geeignete Maßnahmen eine Vollerwerbstätigkeit ermöglich werden. Die SPD geht den anderen Weg: Sie macht Müttern die Teilerwerbstätigkeit schmackhaft. Das ist immerhin ein Schritt in die Richtung, dass Frauen nicht ganz aus der Erwerbstätigkeit gedrängt werden. Die konkrete Ausgestaltung dieser Regelungen lässt allerdings einige Fragen offen. Ich will nur ein paar davon stellen:

Warum werden beispielsweise Kinder erziehende Frauen mit einem Verdienst oberhalb des Durchschnittseinkommens vom Bonus ausgeschlossen? Wir haben schon viel von der Doppelbelastung der Frauen gehört. Hinter dieser Regelung steckt die Auffassung, dass Frauen ohne Kinder in Vollzeit arbeiten, Frauen mit Kindern in Teilzeit und Frauen mit zwei oder mehr Kindern überhaupt nicht; denn ab dem zweiten Kind wird die Kindererziehung wie Erwerbstätigkeit mit einem Bonus aufgewertet, sodass Kindererziehung quasi als Ersatzerwerbstätigkeit gilt. Auch so kann man Frauen zurück an den Herd bringen.

Warum führt ein zweites und drittes Kind im Osten zu einer niedrigeren absoluten monatlichen Rentensteigerung als ein zweites oder drittes Kind im Westen?

(Zuruf von Frau Dr. Sitte, PDS)

Die geplante Regelung setzt die Diskussion zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West erneut auf die Tagesordnung.

Warum gilt die Höherbewertung bei den Berücksichtigungszeiten generell nur bei der Kindererziehung und nicht bei der häuslichen Pflege von erwachsenen pflegebedürftigen Personen?

(Zustimmung von Frau Bull, PDS)

Für solche Ungleichbehandlungen gibt es kaum nachvollziehbare Gründe. Konsequenter wäre es, Vätern und Müttern rückwirkend drei Jahre Kindererziehungszeit anzuerkennen, und nicht nur für die ab dem Jahr 1992 geborenen Kinder.

Das Rentensplittingmodell erhält nun endgültig die vom Mann abgeleiteten Ansprüche aufrecht, weil es im Ergebnis keinen großen Unterschied macht, ob bei einer Trennung ein Versorgungsausgleich stattfindet und dadurch zwei Rentenkonten entstehen oder ob von Anfang an zwei Rentenkonten geführt werden oder zumindest die Möglichkeit dafür besteht. Dieses gesplittete Rentenkonto kann nur dann aufgefüllt werden, wenn der Mann dafür sorgt. Die Frau bleibt damit vom Mann abhängig.

Das trifft im Übrigen auch auf die Hinterbliebenenrenten zu. Dass Alleinerziehende und Geschiedene dabei außen vor sind, hat eben mit dieser vom Mann abgeleiteten Rente zu tun.

Die PDS hat die Privatrente von Anfang an vor allem aus der Sicht der Frauen kritisiert, und zwar nicht nur in der Hinsicht, dass Frauen für gleiche Leistungen höhere Beiträge zahlen. Es ist nämlich auch eine Tatsache, dass die Privatrente anders als die gesetzliche Rente Zeiten von Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Kindererziehung und Pflege nicht absichert. Die Frauen

werden also einfach weniger Zeit haben, in diese Privatrente einzuzahlen. Wer anders als die Frauen leistet diese Arbeit?

Kollegin Dirlich, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie liegen außerhalb der Redezeit.

Eine Frage würde ich der CDU gern noch stellen. Können Sie mir sagen, wie die CDU die von ihr stets geforderte und stets begrüßte Privatrente ausgestaltet hätte, ohne den Banken und Versicherungen Zusatzgeschäfte in Milliardenhöhe zuzuschanzen? Diese Frage wollte ich Ihnen nicht ersparen. Ich bin auf Ihre Antwort gespannt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Frau Liebrecht, Sie haben noch einmal für die CDUFraktion das Wort.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass Ihr Bundeskanzler gesagt hat: Wir wollen nicht alles anders machen, aber wir wollen alles besser machen.

(Zurufe von der CDU: Vieles! - Lachen bei der SPD und bei der PDS - Herr Sachse, SPD: Da fängt der Fehler an! - Herr Dr. Fikentscher, SPD: Jetzt fängt der Fehler schon an! - Zurufe von der PDS - Herr Dr. Fikentscher, SPD: Jetzt fangen die Unterstellungen schon an! - Herr Metke, SPD: Das wäre gar nicht schwer gewesen! - Herr Sachse, SPD: Zitieren muss man können! - Wei- tere Zurufe von der SPD)

Dieses zweijährige Hin und Her bei der Rentenreform kommt wohl dadurch zustande, dass Ihnen, nachdem Sie angefangen haben, das Problem zu lösen, sehr wohl klar geworden ist, dass es gar nicht so einfach ist und dass man an manchen Prinzipien gar nicht vorbei kommt.

Es ist richtig, dass die CDU das Renteneintrittsalter für Frauen auf 65 Jahre angehoben hat. Auch die Frauen in der Union waren ganz massiv dagegen.

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

- Auch Sie waren dagegen. Aber ich kann mich bei alldem nicht daran erinnern, dass Sie gesagt haben: Wir nehmen das wieder zurück.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von Herrn Schulze, CDU, und von Frau Weiß, CDU)

Ich komme zu den Hinterbliebenenrenten. Frau Ministerin, Sie haben gesagt,

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

die CDU hätte das wesentlich schlechter gemacht, nämlich mit einer Absenkung auf 50 %. Wir haben gesagt:

Die Hinterbliebenenrente sollte von der Zahl der Kinder abhängen. Das hat nicht nur die Union gesagt, das hat auch der Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger gesagt.

Hinterbliebenenrenten fangen bei 50 % für diejenigen an, die keine Kinder haben. Dann kommen die Kinderkomponenten, gestaffelt nach der Anzahl der Kinder, hinzu, sodass schließlich eine Hinterbliebenenrente bis zu 70 % besteht. Das ist wohl ein kleiner Unterschied. Das muss man genau erläutern und differenzieren. Man kann nicht pauschal sagen, wir wollten eine Absenkung auf 50 %.

(Zustimmung bei der CDU - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Warum sagten Sie dann, die SPD würde die Hinterbliebenenversorgung abschaf- fen?)

- Es ist quasi ein Aus, wenn Sie den Freibetrag der Hinterbliebenenversorgung einfrieren.

(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Das ist doch nicht zu fassen!)

Es ist doch so, dass die Löhne noch steigen werden. Da der Freibetrag eine gewisse Größe hat - 40 % werden angerechnet -, wird der Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung immer geringer. Nach dem, was ich auch in dem Brief von Riester gelesen habe, wird davon ausgegangen, dass alle Frauen erwerbstätig sein wollen. Das bezweifle ich.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Wenn der Freibetrag der Hinterbliebenenversorgung eingefroren wird, wird diese bis zum Jahre 2030 auf die Hälfte abgeschmolzen werden. So geht das immer weiter zurück und eines Tages wird das für die junge Generation quasi das Aus sein.

Die Hinterbliebenenversorgung war zu Zeiten der Union auch immer ein Stück Anerkennung für die Kinder. Diejenigen, die außen vor bleiben, sind die Geschiedenen. Das ist nicht richtig.

Zum Rentensplitting haben Sie gesagt, es sei unabhängig. Neu war mir, dass es erst angerechnet wird, wenn der Tod des Partners eingetreten ist. Das war bisher nicht so.

(Frau Lindemann, SPD: Die Entscheidung! Sich zu entscheiden! - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Sich entscheiden!)

- Sich entscheiden. Vorher war das anders.

(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Vor zwei Jahren!)

Angefangen hat das bei der gesamten Rentendiskussion mit drei Modellen. Wir haben viel zu wenig Zeit, um das alles zu erörtern und darüber zu reden.