Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Leider wurde uns gesagt, dass der Zeitpunkt für die Anmeldung eines Modellprojektes bereits verstrichen sei; es gebe keine weitere Möglichkeit, in eine Modellphase einzusteigen.

Diese gute Zusammenarbeit macht es sogar möglich, nach einem Einsatz in „Hilfe zur Arbeit“, wenn es der Träger will und das Engagement des Betroffenen vorliegt, in eine AB-Maßnahme einzusteigen und anschließend vielleicht sogar einen festen Arbeitsplatz zu bekommen.

Ich denke, das ist ein Weg weg von dem Kästchendenken. Wenn das Arbeitsamt und das Sozialamt zusammenarbeiten, kommt man nachweislich zu recht guten Ergebnissen.

Als ich die Antworten auf die Große Anfrage las, habe ich mich gefragt, warum es von unserem Sozialamt keine Antworten gibt und warum dort so komische Zahlen enthalten sind. Wenn Sie sich die Zahlen über die Ausgaben anschauen, können Sie überhaupt keinen Zusammenhang feststellen. Ich habe deshalb danach gefragt. Offensichtlich wurde die Statistik bis 1996 sehr unvollständig geführt. Das mag teilweise an der Zusammenlegung der zwei Landkreise Merseburg und Querfurt gelegen haben. Manche Zahlen kann man jedenfalls nicht richtig nachvollziehen.

Bis heute ist es nicht möglich, sich im Zimmer der Stelle „Hilfe zur Arbeit“ per Mausklick einen Maurer oder eine Krankenschwester aus dem Computer herauszusuchen, weil die Vernetzung mit dem Programm, das es geben soll, noch nicht funktioniert. Die Arbeit erfolgt noch mit Karteikarten.

Wenn dann eine Große Anfrage gestellt wird, sind die Landkreise nicht in der Lage, eine entsprechende Antwort zu geben. Da eine Antwort mithilfe des Computers nicht möglich ist, verzichtet man lieber ganz auf die Antwort.

(Frau Bull, PDS: Das ist doch eine kommunale Angelegenheit!)

- Das ist richtig, es ist eine kommunale Angelegenheit, aber die Computertechnik in den Landkreisen und in den Stadtverwaltungen ist manchmal noch nicht auf dem modernsten Stand.

Frau Abgeordnete, schauen Sie bitte einmal auf das rote Lämpchen.

Ja. - Ich möchte abschließend auf ein Problem hinweisen. Wenn die Sozialämter Hilfeempfänger in Maßnahmen vermitteln, die mit Arbeitsverträgen verbunden sind, wie zum Beispiel Qualifizierungs-ABM oder Praktikumsmaßnahmen, wobei die Arbeitsverträge mit dem Bildungsträger oder dem Maßnahmeträger der Qualifizierungs-ABM abgeschlossen werden, fallen diese Personen aus der Sozialhilfestatistik heraus, obwohl das Sozialamt weiterhin die vollen Kosten trägt.

Kommen Sie bitte zum Ende!

Das führt dazu, dass das Land Geld einspart, weil der überörtliche Träger für jemanden, der nicht mehr in der Statistik geführt wird, kein Geld mehr zahlen muss.

Frau Abgeordnete, ich muss Sie darauf hinweisen, dass ich Ihnen laut der Geschäftsordnung nach der ersten Mahnung das Wort entziehen müsste.

Ich entschuldige mich.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDVP spricht die Abgeordnete Frau Wiechmann. Bitte, Frau Wiechmann.

Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier gar keine Diskussion führen, ob die Löhne zu hoch oder zu niedrig sind oder ob die Sozialhilfe zu hoch oder nicht niedrig genug ist - dazu haben wir von der FDVP-Fraktion doch eine ganz andere Auffassung als Sie, Frau Kollegin Stange. Unserer Auffassung nach ist das Hauptproblem ein ganz anderes.

Genau deswegen finden wir es gut, dass heute hier über ein solches Thema debattiert wird; denn diese Große Anfrage ist genau geeignet, auch wenn die Antworten der Landesregierung unserer Auffassung nach kaum erschöpfend geliefert wurden, eines der dringendsten Probleme dieser Landesregierung zur Sprache zu bringen, nämlich die wirtschaftliche und soziale Situation der Menschen in Sachsen-Anhalt, für die kein anderer die Verantwortung trägt als die rot-rote Landesregierung des Dr. Höppner samt seiner roten PDS-Genossen.

(Beifall bei der FDVP - Lachen bei der PDS)

Die Verantwortung kann auch nicht auf die betroffenen Menschen abgewälzt werden.

Die Sozialhilfe, meine Damen und Herren, hat die Funktion, den Menschen, die gar kein oder kein ausreichendes eigenes Einkommen haben, ein existenzsicherndes Mindesteinkommen zu sichern. Ob das immer ausreichend ist, darüber kann man trefflich streiten. Das haben wir eben auch gesehen, wie die Diskussion gezeigt hat.

Die zweite Aufgabe der Sozialhilfe beinhaltet die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, natürlich möglichst in den ersten Arbeitsmarkt. Doch die derzeitige wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt - damit sind wir beim Hauptproblem - lässt eine Wiedereingliederung vorrangig auf den ersten Arbeitsmarkt gar nicht zu. Genau das ist das Hauptproblem hier im Lande.

Eine Diskussion, ob die Menschen überhaupt arbeiten wollen, ob sie motiviert sind oder vielleicht gelangweilt aus dem Fenster schauen, wie es der ehemalige Minister Gabriel verkündet hat, brauchen wir nicht zu führen. Die Menschen in Sachsen-Anhalt sind motiviert und wollen arbeiten.

Meine Damen und Herren! Lohnkostenzuschüsse, Qualifizierungsmaßnahmen, befristete Arbeitsgelegenheiten oder auch gemeinnützige Arbeit in Sachsen-Anhalt sind unserer Meinung nach nur halbherzige Projekte. Ich will das auch begründen:

Lohnkostenzuschüsse werden nur für einen bestimmten Zeitraum gezahlt. Was passiert danach? Für den Arbeitnehmer bedeutet dies meist die Entlassung. Das ist gängige Praxis in Sachsen-Anhalt.

Selbst Qualifizierungsmaßnahmen sind oft hinausgeschmissenes Geld. Die Qualifizierungen erfolgen nicht zielgerecht, sondern immer wieder in Berufen, bei denen bereits ein Überhang besteht; das lässt sich nachweisen.

Befristete Arbeitsgelegenheiten sind auch nichts anderes als Gelegenheitsjobs. Sie bieten den Betroffenen nur ein vorübergehendes Aufatmen, bis sie dann wieder in die Arbeitslosigkeit entlassen werden und von diesem Sozialstaat abhängig sind.

Alle Programme, Projekte und von mir aus auch Modelle dieser Landesregierung sind bisher mehr oder weniger erfolglos gewesen; auch wenn sie noch so schöne Namen hatten. Auch das Rahmenprogramm der Landesregierung wird dieses Problem nicht lösen; denn es ist eben nicht der schöne Name eines neuerlichen Modellexperimentes, der Hilfe zur Arbeit für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger verheißt. Das ist für mich die wichtigste Aussage, die ich der Beantwortung der Großen Anfrage entnommen habe.

Nein, solange diese Landesregierung nicht in der Lage ist oder auch nicht gewillt ist, ihre desaströse Wirtschaftspolitik zu ändern - man gewinnt sogar den Eindruck, dass sie mit Macht alle roten Laternen verteidigt -, so lange werden wir im Landtag darüber debattieren müssen, wie unglaublich viele Menschen in SachsenAnhalt auf Sozialhilfe angewiesen sind, und die Landesregierung wird dazu auch weiter immer wieder Anfragen beantworten müssen.

Eine gut funktionierende Wirtschaft, meine Damen und Herren, schafft Arbeitsplätze. Dann können auch die sozial Schwächsten der Gesellschaft wieder etabliert werden.

Doch zum Glück - wer das vorher noch nicht gewusst hat, hat das auch der Großen Anfrage entnommen; das lenkt so schön ab - sind die Maßnahmen der Hilfe zur Arbeit Bestandteil des zweiten Abschnittes des BSHG und gehören somit zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt sind aber die örtlichen Träger der Sozialhilfe zuständig, das heißt die Landkreise und die kreisfreien Städte. Die Landesregierung ist also an dieser Stelle aus dem Schneider.

Dass den Kommunen die finanzielle Ausstattung fehlt, um geeignete und langfristige Maßnahmen umzusetzen, ist Ihnen bekannt und die Antwort auf die Frage 3 bestätigt dies auch. Auf der einen Seite versuchen Sie, den größten Teil der Verantwortung den Kommunen aufzubürden, und auf der anderen Seite ist natürlich auch Eigeninitiative des Sozialhilfeempfängers gefragt. Er steht sogar in der Pflicht, etwas gegen seine Arbeitslosigkeit und seine Bedürftigkeit zu tun.

Aber da sind sie wieder, Ihre vielen Probleme, meine Damen und Herren der Landesregierung: Wegdelegieren kann man das einfach nicht. Die Betroffenen haben in Sachsen-Anhalt doch gar keine Chance bei der der

zeitigen miserablen wirtschaftlichen Lage in diesem Land.

Eine besondere Zielgruppe sollen junge Menschen sein. Hierauf ist auch besonders Wert zu legen. Aber der Landesregierung fehlt auch an dieser Stelle das wirksame Konzept.

Allerdings scheint es vonseiten des Arbeitsamtes ein wirksameres Mittel zu geben, nämlich die Zahlung von Kopfgeld oder von mir aus auch Mobilitätshilfe für Jugendliche bis 25 Jahre, die außerhalb ihres Heimatortes eine Ausbildung oder Arbeit aufnehmen.

Meine Damen und Herren! So lässt sich natürlich auch die Arbeitslosenstatistik aufbessern. Aber die Zahlung von Kopfgeld an Jugendliche, die Sachsen-Anhalt verlassen, ist nichts weiter als eine wiederholte Unfähigkeitserklärung dieser Landesregierung, das Problem Jugendarbeitslosigkeit nicht beseitigen zu können.

Frau Abgeordnete, ich muss auch Sie ermahnen, zum Ende zu kommen. Sie haben überzogen.

Richtig. Ich sage den letzten Satz.

So wie die Jugendlichen ihre Koffer packen, meine Damen und Herren, werden auch die restlichen Bürger dieses Landes mit der von Ihnen geforderten Eigeninitiative den Notausgang Sachsen-Anhalt benutzen; sozusagen als Hilfe zur Arbeit.

Kommen Sie bitte zum Ende, Frau Wiechmann!

Der Letzte macht das Licht aus. Sie kennen den alten DDR-Witz, meine Damen und Herren der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen,

Ich entziehe Ihnen das Wort, Frau Wiechmann!

(Glocke des Präsidenten)

und das Ende der DDR kennen Sie auch. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

So etwas Undiszipliniertes!

Den Standpunkt der PDS-Fraktion trägt jetzt die Abgeordnete Frau Dirlich vor. Bitte, Frau Dirlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Richtung FDVP nur ein Satz: Sie verfährt wie schon so oft nach dem Motto: Zu viel Sachkenntnis stört in der Politik.

(Beifall bei der PDS)

Eine Vorbemerkung in Richtung CDU kann ich mir allerdings auch nicht verkneifen: Ich habe den Eindruck,