Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Eine Vorbemerkung in Richtung CDU kann ich mir allerdings auch nicht verkneifen: Ich habe den Eindruck,

dass der Fragenkatalog ein recht merkwürdiges - im wahrsten Sinne des Wortes - Staatsverständnis der CDU offenbart. Die Landesregierung wird so gefragt, als hätte sie sozusagen die Oberaufsicht über die Kommunen, über alle Entscheidungen der Kommunen oder als müsse sie sogar stets auf alle diese Entscheidungen Einfluss nehmen können.

Auf manche Frage hätte ich, wäre ich die Landesregierung - ich weiß gar nicht, ob ich den Satz hier sagen darf -, nicht geantwortet, selbst wenn ich die Antwort wüsste. Manche Antworten sind auch entsprechend. Einige Fragen offenbaren schlicht Unkenntnis.

(Herr Schomburg, CDU: Das passiert also, wenn Sie in der Landesregierung sind! - Zuruf von Frau Stange, CDU)

Aber Fragen sind auch dazu da, Wissenslücken zu schließen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Dann müssen Sie sich noch ein bisschen Konzilianz zulegen, ehe Sie in die Landesregierung gehen! - Herr Gürth, CDU: Das ist ein Demokratieverständnis!)

Die Frage nach der Kommentierung des BSHG durch die Landesregierung hat bei mir schon die Frage aufgeworfen, mit welchem Ziel sie gestellt wird. Vielleicht ist die CDU argwöhnisch und vermutet bei der SPDLandesregierung die Absicht, das BSHG zu ändern. Ich wüsste allerdings nicht, wodurch das zum Ausdruck gekommen wäre.

Die Frage nach den Änderungen des BSHG offenbart, dass auch beste Absichten scheitern, wenn ihnen enge Finanzspielräume entgegenstehen. Gesetzesänderungen sind - das haben wir schon vorher gewusst - zwar hilfreich, reichen aber als Rahmenbedingung offensichtlich nicht aus. Das meine ich überhaupt nicht ironisch.

Der Anteil der Empfängerinnen von Hilfe zum Lebensunterhalt im arbeitsfähigen Alter hat mich, muss ich ehrlich sagen, doch überrascht; das sind immerhin über 60 %. Der Eindruck, der bei Gesprächen mit den Sozialämtern entsteht, ist ein anderer. Allerdings ist klar und wird auch deutlich, dass höchstens 50 % der Sozialhilfeempfängerinnen im arbeitsfähigen Alter überhaupt eine Arbeit aufnehmen könnten.

(Frau Stange, CDU: Dann haben Sie wenigstens eine Ausrede!)

Dass die Variante, sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheiten für wesentlicher zu halten, von der Landesregierung bevorzugt wird, kann ich nur begrüßen. Das Rahmenprogramm des ESF ist auch entsprechend darauf abgestellt. Ich komme allerdings auf dieses Problem noch einmal zurück.

Die Umsetzung des BSHG und der entsprechenden Paragrafen für die Hilfen zur Arbeit in den Kommunen offenbart starke Differenzierungen. Das liegt im Wesen der Sache, ist für das Land aber natürlich interessant. Interessant sind die Vergleiche zum Beispiel zwischen dem Jerichower Land, das in fünf Jahren ca. 1 000 Menschen beschäftigt hat, dem Ohrekreis, der in vier Jahren ca. 160 Menschen in Arbeit gebracht hat, und dem Kreis Stendal, der in acht Jahren 4 290 Menschen in Arbeit gebracht hat. Nun kann man natürlich in Rechnung stellen, dass der Ohrekreis nur halb so viele Sozialhilfeempfängerinnen hat wie Stendal. Aber trotzdem ist diese Differenzierung sehr interessant und sollte auch die Kolleginnen und Kollegen von der CDU zu Fragen anregen.

Die Fragen 18 bis 20 haben aus meiner Sicht offenbar das Ziel - Sie können mich dann korrigieren, Frau Stange - nachzuweisen, dass die Regeln nicht restriktiv genug sind oder aber dass sie nicht restriktiv genug angewendet werden.

Die Frage ist: Was will die CDU? Eine Forderung nach Erhöhung der Arbeitseinkommen habe ich heute nicht gehört.

Ich möchte zu bedenken geben, dass wir aus der Antwort auf eine andere Frage erfahren haben, dass Leistungsentzug nicht in jedem Falle zur Arbeitsaufnahme motiviert. Das heißt, eine Verringerung der Sozialhilfe oder ein Leistungsentzug ist nichts als Strafe. Dazu müssten Sie sich auch einmal bekennen.

(Frau Bull, PDS: Genau! Das halten wir einmal fest!)

Die Fragen 66 bis 74 beziehen sich auf das Sofortprogramm für arbeitslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger und sind - entschuldigen Sie bitte - die 25. Auflage dieser Fragen. Ich wundere mich, dass die Landesregierung darauf überhaupt eingegangen ist.

(Herr Dr. Daehre, CDU, und Frau Weiß, CDU, lachen - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Sie haben 24 Kleine Anfragen gestellt, eine pro Kreis. Allerdings hatte die Landesregierung damals auf eine Frage nicht antworten können, weil die Verwendungsnachweise noch bearbeitet wurden; das hat sie damals zumindest so geschrieben. Das war im April/Mai 1999. Wenn sich die Landesregierung schon auf die Beantwortung dieser Fragen einlässt, dann sollte sie inzwischen auch auf diese Frage aus den Kleinen Anfragen antworten können.

Tatsächlich aufhorchen lassen die Antworten auf die Fragen zu Kombilohn und Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Bisher wurden die Kombilohnmodelle seitens der Landesregierung skeptischer bewertet. Die konkrete Ausgestaltung sollte Thema im Landtag bleiben. Ein zusammengeführtes System von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe steuerfinanziert zu gestalten, wie es im Übrigen bei den einzelnen Hilfearten bereits der Fall ist, ist aus unserer Sicht durchaus sachgerecht.

Aber es werden dann im Rahmen der Hilfe zur Arbeit keine versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse mehr entstehen. Nur so ist ein neuer Arbeitslosengeldanspruch zu verhindern. Dieser Satz findet sich in der Antwort auf die letzte Frage. Die Landesregierung hat an anderer Stelle aber den versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen eindeutig den Vorrang gegeben. Hierin sehe ich einen Widerspruch, über den wir sicherlich noch öfter reden müssen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Das Schlusswort hält nunmehr die Abgeordnete Frau Stange. Bitte, Frau Stange.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dirlich, dass Sie in der Demokratie noch nicht angekommen sind, ist kein Wunder.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP - Zuruf von Frau Dirlich, PDS)

Argwohn ist gegenüber unserer Großen Anfrage überhaupt nicht angebracht. Uns ging es darum, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und nach weiteren kleinen Maßnahmen für unser Land zu suchen, um Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern einen Weg zu bereiten. Ich finde Ihre Unterstellung unangemessen, was die Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in diesem Land angeht.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU und bei der FDVP - Zuruf von Frau Bull, PDS)

Wenigstens kann man froh sein, dass Sie aus den Antworten etwas gelernt haben. Vielleicht bringt das Sie und Ihre Partei ein Stückchen weiter.

(Frau Bull, PDS: Sparen Sie sich doch Ihre Re- den!)

- Sie haben die Aggressivität hineingebracht. Ich wollte sie bei diesem Thema überhaupt nicht haben.

Es würde mich freuen, wenn wir in dem Bereich die wissenschaftliche Untersuchung hinbekämen und möglichst viele unserer Landkreise und kreisfreien Städte motivieren könnten, dabei mitzumachen. Wir schlagen vor, die wissenschaftliche Untersuchung um die Abhandlungen von Herrn Dr. Herbert Jakobs aus Frankfurt am Main zu erweitern, der einige Ansatzpunkte geliefert hat, die Grundlage für eine solche Untersuchung sein können und die uns weiterbringen können.

Einen zweiten Schwerpunkt will ich anführen. Frau Kuppe, dass Sie in Ihrer Antwort geschrieben und in Ihrem Redebeitrag dreimal betont haben, dass Sie sich die kommunale Selbstverwaltung auf die Fahnen geschrieben haben, finden wir große Klasse. Bloß, tun Sie das bitte in allen Bereichen Ihrer Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Tun Sie das immer und geben Sie den Kommunen so viel Geld, dass sie ihren Aufgaben auch gerecht werden können; denn sie wollen dieses tun.

(Zuruf von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Sich einfach auf die kommunale Selbstverwaltung zurückzuziehen halten wir für unangemessen. Wir sollten darüber tatsächlich weiter diskutieren.

Sie haben gesagt, dass das Projekt sehr schlecht angenommen wird und dass Sie eine Werbeveranstaltung durchgeführt hätten, um die Kommunen anzuregen, sich an dem Versuch zu beteiligen, wie man Sozialhilfe und Arbeitslosigkeit in kommunaler Trägerschaft zusammenbinden kann. Ich kann Ihnen nur sagen: Werben Sie doch auch einmal bei den Abgeordneten. Wir haben das alle viel zu spät erfahren. Vielleicht ist der letzte Punkt noch nicht vorbei. Wenn wir die Informationen rechtzeitig gehabt hätten, hätten wir in unseren Wahlkreisen gemeinsam mit den Sozialämtern wirken können.

(Zustimmung von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Dies wollen wir sehr gerne tun. Deswegen wären wir sehr dankbar, wenn die Informationen in Zukunft rechtzeitig gegeben würden.

Auf keinen Fall wollen wir einen Schnellschuss. Ich bitte, unsere Forderung, dieses zusammenzuführen, nicht so zu verstehen, dass wir einen Schnellschuss wollen. Das ist eine Zukunftsaufgabe; denn es wäre wirklich eine Systemänderung, wenn man Arbeitslosenbereich und Sozialhilfebereich zusammenlegen würde. Diese Zukunftsentscheidung muss aber angegangen werden.

Dazu stehen wir. Es soll kein Schnellschuss werden; vielmehr geht es um die Schaffung einer gut fundierten Grundlage für die Kommunen, eventuell in diesem Sinne zu arbeiten.

Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, lassen Sie mich Folgendes sagen: Ich denke, wir sind mit der Großen Anfrage der CDU ein Stück weitergekommen. Wir haben Zahlenmaterial. Wir haben Informationen. Vor allem haben wir viel Stoff für die weitere Diskussion in den unterschiedlichsten Bereichen. Dies wollen unsere Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger auch von uns hören. Dies wollen wir in der Zukunft gemeinsam tun. Packen wir es an! - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren, da Beschlüsse zur Sache nicht gefasst werden, ist das zweite Thema beendet.

Ich rufe die dritte Aussprache zu einer Großen Anfrage auf:

Konsequenzen der Energieverteuerung für SachsenAnhalt

Große Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 3/3780

Antwort der Landesregierung - Drs. 3/4159

Für die Debatte werden folgende Redezeiten und die folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDVP fünf Minuten, PDS sechs Minuten, SPD acht Minuten, DVU fünf Minuten und CDU sechs Minuten. Ich erteile zunächst Herrn Gürth von der fragestellenden Fraktion das Wort. Bitte, Herr Gürth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat im Bundesrat der Einführung der so genannten Ökosteuer zugestimmt. Den von SPD und Grünen mit der Einführung angekündigten Zielen waren zwei positive Botschaften zu entnehmen:

Erstens sollte die höhere Besteuerung beim Energieverbrauch zu ressourcenschonendem Verhalten, insbesondere bei Industrie und Bürgern, führen. Zweitens sollten, da hierdurch Arbeitsplätze gefährdet würden, die Einnahmen aus der Ökosteuer zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden. Durch die Entlastung des Faktors Arbeit sollten sogar neue Arbeitsplätze in Größenordnungen entstehen.