Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Wenn man im Jahr 1998 einen unglaublichen Wahlkampf führt und Versprechungen hinsichtlich der Sicherheit und der Finanzierung der Rente macht, dann aber andererseits ein in sich geschlossenes System auf den Kopf stellt, die demografische Formel abschafft, um dann über die Hintertür wieder dem kleinen Mann in die Tasche zu greifen und über Steuern die Rentenbeiträge erneut zu stabilisieren, dann macht das keinen vernünftigen Sinn.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Das war nicht die Frage!)

Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Für die FDVP erteile ich der Abgeordneten Frau Helmecke das Wort.

(Zurufe)

- Entschuldigung, Frau Helmecke, nach dem Einbringer ist zunächst die Landesregierung am Zuge. - Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir eben gehört haben, ist die tausendste Wiederauflage eines Spruchs, den wir alle auswendig können: der von der schrecklichen, grauenhaften Ökosteuer.

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

Sie versuchen offenbar, dieses Thema die gesamte Legislaturperiode über am Kochen zu halten, obwohl es

eigentlich ein Bundesthema ist und längst entschieden ist. Trotzdem hören wir von Ihnen das, was Sie heute gesagt haben, immer wieder. Es ist nichts Neues darin,

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

außer rätselvollen Andeutungen, dass die Anfrage nicht korrekt beantwortet worden sei, was ich nicht verstanden habe. Sonst gab es inhaltlich nichts Neues.

(Herr Scharf, CDU: Lesen Sie doch mal die eige- nen Antworten!)

- Ja, eben. Die Antworten beziehen sich auf die Banalität mancher Fragen. Wenn man nach Selbstverständlichkeiten fragt,

(Zuruf von Herrn Schulze, CDU)

dann darf man sich nicht wundern, wenn man Antworten bekommt, die ebenso nichts sagend sind.

(Unruhe bei der CDU und bei der FDVP - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Herr Gürth, Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit besteht, ökologisch umzusteuern. Das Verhalten der USA in den letzten Tagen hat gezeigt, wie notwendig es ist, an diesem Ziel konsequent festzuhalten, gerade weil das Abkommen von Kyoto umgesetzt werden muss.

(Zustimmung bei der SPD)

Zu diesem Ziel gehört in Deutschland als Teil der nationalen Maßnahmen das Ökosteuerkonzept. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das zu Beginn betont haben. Aber das, was dann gekommen ist, hat das, was Sie dazu gesagt haben, wirklich konterkariert.

Wir haben Entlastungen - - Ich habe das aufgeschrieben. Es lohnt sich fast nicht, das vorzutragen, weil es Ihnen bekannt ist. Sie haben das auch aufgenommen. Es gibt nicht nur Belastungen. Es gibt auch Entlastungen, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen, für die Arbeitgeber und für die Arbeitnehmer. Wir bewirken eine ganze Menge auf dem Arbeitsmarkt und in der Rentenpolitik. Sie wissen das alles.

(Herr Scharf, CDU: Die Rechnungen gehen doch alle nicht auf!)

- Ihre Rechnung geht deshalb nicht auf, weil Sie immer dann, wenn es Belastungen gibt, schreien: grauenhafte Belastungen. Die ganze Anfrage ist von dem Willen getragen, einen Berg von kleinen Steinen vor die Tür zu schieben und zu sagen: Das kostet ja alles Geld und führt zu Mehrbelastungen für die verschiedenen Betroffenen. Natürlich kostet das Geld. Wenn ich eine Lenkungswirkung entfalten will, werde ich irgendwo ansetzen müssen.

(Herr Gürth, CDU: Es gibt ja keine Lenkungswir- kung!)

Ihre Fragen zielen darauf ab, dass es keine Lenkungswirkung gibt. Gleichzeitig beschreiben Sie aber, wie grauenhaft die Wirkungen sind.

(Herr Gürth, CDU: Die belastet nur!)

- Wenn es so wäre, wie Sie es beschreiben, dann müsste es Lenkungswirkungen geben, die weit über das hinausgehen, was wir erkennen können. Es ist aber gar nicht so.

(Frau Wiechmann, FDVP: Beantworten Sie doch einfach die Fragen!)

Es ist sehr viel schlichter. Es gibt Entlastungen; es gibt Belastungen. Was Sie machen, ist im Grunde genommen eine Wahlkampfgeschichte, und das seit zwei Jahren. Dazu hat Herr Trepte völlig richtig gesagt: Alles, was wir an Preisauftrieb haben, kommt doch nicht daher. Das wissen Sie ganz genau.

Der entscheidende Punkt bei der Energieverteuerung ist, dass die Ölpreisentwicklung der Grund für die Verteuerung ist und nicht die relativ maßvollen Erhöhungen, die sogar in mehreren Stufen erfolgen.

Ich habe mich gefragt: Welchen Zweck hat das Ganze? Welchen Zweck hat Ihre Anfrage, da Sie auf die Inhalte und auf die Antworten wenig eingegangen sind? Sie haben uns eine Viertelstunde lang ganz viel über das erzählt, was alles schlimm ist. Ich verstehe es wirklich nicht, Herr Gürth.

(Herr Gürth, CDU: Das merkt man!)

- Ich verstehe es deshalb nicht, weil Sie die Lenkungswirkung nicht bestreiten können. Wir haben nach den Pressemeldungen der letzten Wochen inzwischen ein Stagnieren - jedenfalls keinen nennenswerten Anstieg des Benzinverbrauchs. Das ist eine Wirkung der Ökosteuer, die in Kraft getreten ist.

Namhafte Wissenschaftler sprechen sich ausdrücklich dafür aus, mit dem Konzept fortzufahren. Herrn Walter stellen Sie schlicht in die Ecke. Sonst haben Sie ihn immer als Kronzeugen herausgezogen. Wenn es Ihnen nicht passt, dann sagen Sie: Er sitzt im Elfenbeinturm.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie stehen - ich möchte das einmal so sagen - bei der Bewertung der Ökosteuer mit Ihrer Position ein bisschen singulär da.

(Herr Gürth, CDU: Da täuschen Sie sich aber, wie so oft!)

Selbst die Unternehmen richten sich darauf ein. In den letzten Tagen haben wir - ich will das ausdrücklich dazunehmen, weil es aktuell ist; sonst ist fast nichts aktuell das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW gehört. Das war in der Presse zu lesen. Das kommt in seinem jüngst erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass durch die Ökosteuer in ihrer jetzigen Form bis zum Jahr 2010 bis zu 250 000 neue Arbeitsplätze entstehen werden.

(Herr Gürth, CDU: Wo sind die denn in Sachsen- Anhalt? - Herr Dr. Daehre, CDU: Dann müssen wir langsam anfangen!)

Es rät ausdrücklich, trotz hoher Rohölpreise weniger zaghaft vorzugehen und insbesondere die verschiedenen Ausnahmeregelungen zu streichen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Sehen Sie, Herr Gürth, das ist das, was ich wirklich für unseriös halte. Wenn es nur generelle Aussagen gibt man kann in diesem Bereich gegenwärtig nur generelle Aussagen treffen, da niemand sagen kann, in dem Handwerk xy hat es eine Stelle mehr gegeben -, dann lehnen Sie das schlicht ab und sagen: Die Leute sitzen im Elfenbeinturm.

Einerseits verlangen Sie konkrete Aussagen, andererseits fangen Sie selbst an, aus den kleinteiligen Geschichten irgendetwas vorzurechnen, was im Gesamtzusammenhang unzutreffend ist.

Was Sie machen wollen, ist am Ende immer noch eine Wahlkampfnummer. Ich kann es nicht anders sagen. Darauf kann man nur so reagieren, wie wir das in unserer Antwort getan haben, nämlich soweit es geht seriös darauf antworten. Im Übrigen kann man sagen, in vier Wochen werden wir von Ihnen wieder etwas zur Ökosteuer hören. Ich freue mich schon nicht mehr darauf.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten? - Bitte, Herr Gürth, stellen Sie Ihre Frage.

Ich möchte nur eine Frage stellen, weil ein gutes Dutzend Ihrer Antworten auf unsere Große Anfrage so lautete: Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse oder Daten vor.

Welche Kammern, Verbände und sonstigen Institutionen haben Sie befragt, um die Große Anfrage, die aus dem Raum des Parlaments zu den Folgen der Ökosteuer für Sachsen-Anhalt gestellt wurde, sachgerecht, wie das die Verfassung von Ihnen fordert, zu beantworten?

Herr Gürth, ich kann Ihnen nicht im Detail sagen, wen wir befragt haben.

Haben Sie die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, den VCI oder das ISW, das eine von uns geförderte hervorragende Datenbank erstellt hat, befragt?