Ich halte es für unverzichtbar, dass zu einem solchen Gesetz vor dem Hintergrund des eigentlichen gesetzgeberischen Anliegens auch auf Landesebene eine umfassende Anhörung durchgeführt wird, ehe es in das Parlament kommt. Deshalb werden wir die Überweisung in den Ausschuss ablehnen. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Damit ist die vereinbarte Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.
Bisher ist die Überweisung in den Innenausschuss beantragt worden. Ich frage: Gibt es den Antrag auf Überweisung in andere Ausschüsse? - Da das nicht angezeigt wird, lasse ich über den Antrag auf Überweisung in den Innenausschuss abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Stimmenthaltungen und bei einer großen Zahl von Gegenstimmen ist das mit der notwendigen Mehrheit beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt ist 10 abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Von Gewalt im häuslichen Bereich sind in der Regel Frauen und Kinder betroffen. Häusliche Gewalt ist in unserer Gesellschaft die am weitesten verbreitete Gewaltform überhaupt.
Sehr häufig will die Gesellschaft die im häuslichen Bereich vorkommende Gewalt nicht sehen. Staat, Nachbarn, Familie und Angehörige wollen sich nicht einmischen, frei nach den Mottos „Hinter der Haustür beginnt die Privatsphäre“ und „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“.
Viele Gewalttaten werden nie angezeigt oder als Familienstreit verharmlost. Statistiken und Experten weisen auf eine Dunkelziffer von ca. 90 % hin. Das Bundeskriminalamt wartet mit erschreckenden Zahlen auf. Fast jede dritte Frau in Deutschland ist Opfer von häuslicher Gewalt, jede siebente Frau hat sexuelle Gewalt erlebt.
Dabei wird festgestellt, wenn Frauen und Kinder zu Opfern von Gewalt werden, sind in 95 % der Fälle Männer die Täter. Der Täter ist meist der eigene Partner.
Jährlich suchen in der Bundesrepublik Deutschland 45 000 Frauen und Kinder Zuflucht in Frauenhäusern. In Sachsen-Anhalt finden jährlich ca. 1 000 Frauen mit ihren Kindern Zuflucht und Unterstützung in einem Frauenhaus.
Obwohl die Familie als Hort der Geborgenheit, Liebe und Fürsorge verstanden werden sollte, wird dort viel häufiger, als wir ahnen, körperliche Gewalt gegen Frauen und ebenso gegen Kinder ausgeübt. Die körperlichen und seelischen Folgen sind schlimm. Betroffen von der Situation, ob direkt oder indirekt, sind auch Kinder; denn miterlebte Gewalt beeinträchtigt die physische und psychische Gesundheit des Kindes.
Ich hoffe, wir sind uns alle darin einig, dass die Gesellschaft diesen Zustand nicht länger dulden kann. Unsere Aufgabe ist es, zu handeln und zum Schutz der Opfer einzugreifen. Häusliche Gewalt muss verhindert werden. Man darf diese Form von Gewalt nicht als ein Kavaliersdelikt betrachten. Es ist kriminelles Unrecht.
Bagatellisieren hilft angesichts der Zahlen nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Öffentlichkeit in noch viel stärkerem Maße zu sensibilisieren.
Schon im Jahr 1995 hat unter Verantwortung von Frau Nolte das Bundesfamilienministerium das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, genannt „BIG“, ins Leben gerufen. Dieses Projekt hat maßgebliche Vorarbeiten für die Reformierung im zivilrechtlichen Bereich geleistet. Wesentlich dazu beigetragen haben die Analysen, Untersuchungen und Vorschläge des Berliner Interventionsprojekts. Erfahrungen sind in das jetzige Bundesgesetzgebungsverfahren eingeflossen.
Durch die Polizei wurde häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Kindern lange nicht mit dem notwendigen Augenmerk verfolgt. 1980 schrieb die Zeitschrift „Deutsche Polizei“, die vorrangige Aufgabe der Polizei bei Familienstreitigkeiten sei die Gefahrenabwehr. Sie
sei grundsätzlich beschränkt auf Schlichten, Vermitteln und Verweisen an die zuständige öffentliche und geeignete private Institution.
Inzwischen hat sich auch bei der Polizei ein Bewusstseinswandel vollzogen. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei stellte im Januar dieses Jahres fest, dass die Polizei schnell Rechtsklarheit braucht, um wirksam eingreifen zu können.
Heute ist es so: In der Regel bleiben die Gewalttäter unbehelligt. Dagegen haben die betroffenen Frauen und Kinder einen beschwerlichen Weg vor sich. Regelmäßig müssen die Opfer, um sich zu schützen, ihre häusliche Umgebung verlassen, um Hilfe zum Beispiel in einem Frauenhaus zu suchen, oder das Jugendamt entfernt die Kinder und bringt sie unter. Dadurch werden den Opfern zusätzliche Belastungen und Stresssituationen aufgebürdet, während der Täter ohne Einschränkungen in der gemeinschaftlichen Wohnung verbleiben kann.
Wir, die CDU-Landtagsfraktion, wollen eine Umkehr dieser polizeilichen Praxis erreichen. Wir wollen diese Änderung jetzt.
Derzeit besteht für eine Wegweisung von Gewalttätern aus der gemeinsamen Wohnung keine Rechtsklarheit. Im Rahmen der unmittelbaren Gefahrenabwehr hat die Polizei die Möglichkeit des Platzverweises. Dieser Platzverweis ist aber nur als ein zeitlich und räumlich eng begrenztes Aufenthaltsverbot zulässig, weil Grundrechte des Adressaten betroffen sind.
Nach unserer Auffassung ist die Dauer des Platzverweises viel zu kurz. Die Wegweisung und das Rückkehrverbot müssen eine Zeitspanne umfassen, die lang genug ist, um den betroffenen Frauen Bedenkzeit zu geben und gegebenenfalls das zivilrechtliche Verfahren nach dem geplanten Gewaltschutzgesetz durchführen zu können.
Uns, der CDU-Fraktion, ist es wichtig, die polizeirechtlichen Änderungen jetzt vorzunehmen. Es ist ein Signal für die von Gewalt betroffenen Frauen und eine sichere Handlungsgrundlage für die Polizei. Unser Ziel ist ein lückenloser Schutz für die Opfer. Deshalb ist es der Landesregierung unbenommen, - wir fordern dies zugleich - ein flächendeckendes Netz an sozialer Betreuung und Beratung für Gewaltopfer aufzubauen. Baden-Württemberg beispielsweise führt bereits seit Juli des Jahres 2000 einen Modellversuch hierzu durch.
Die polizeirechtlichen Maßnahmen, die geplanten zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten und die soziale Betreuung der Opfer müssen zu einem schlüssigen Konzept zusammengefügt werden. Eine Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes ist daher notwendig.
Ein geeignetes Mittel zur Bereinigung der unmittelbaren Gefahrenlage vor Ort ist die Ermächtigung der Polizei, den Gewalttäter aus der Wohnung und aus einem zu bestimmenden Umkreis der Wohnung für die Dauer von sieben Tagen wegzuweisen. Dafür braucht die Polizei klare gesetzliche Handlungsanweisungen, wenn sie Gewalttäter schon vor einer Gerichtsentscheidung aus der Wohnung wegweisen will.
So wichtig wie das Mittel des Platzverweises gegen den Täter auch ist, es ersetzt das Schutzangebot der Frauenhäuser nicht. Diese sind mit ihren Beratungs- und Begleitungsangeboten für die betroffenen Frauen auch künftig unverzichtbar und ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept gegen häusliche Gewalt.
In diesem Zusammenhang rügen wir die unabgestimmten Erklärungen von Sozial- und Justizministerium. Während die Justizministerin nachdrücklich eine gesetzliche Regelung und damit eine Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes einfordert, bekennen sowohl die Sozialministerin wie der SPD-Fraktionsvorsitzende, dass das Sicherheits- und Ordnungsgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr geändert werden soll.
Hier wird offensichtlich, dass der Verzicht auf eine notwendige und schnelle Anpassung des Polizeigesetzes aus Angst vor neuem Streit mit der PDS-Fraktion geschieht. Diejenigen unter Ihnen, denen das Wohl der geschlagenen, misshandelten und von Gewalt bedrohten Frauen am Herzen liegt, bitten wir, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Vielen Dank. - Im Ältestenrat ist dazu eine Fünfminutendebatte vereinbart worden, und zwar in der Reihenfolge PDS, FDVP, SPD, DVU und CDU. Vorher hat jedoch Herr Minister Dr. Püchel um das Wort gebeten. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Opfer von häuslicher Gewalt können die Frauenministerin, die Justizministerin und den Innenminister an ihrer Seite wissen. Sachsen-Anhalt legt als erstes Bundesland ein umfassendes Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder auf.
Zu der Notwendigkeit, warum sich der Staat einmischen muss, hat die Einbringerin ausführlich Stellung genommen. Es besteht Handlungsbedarf. Wenn alle diesen Bedarf erkannt haben - einschließlich der CDU-Fraktion im Landtag -, überholen sich manchmal die Ereignisse.
Am 8. Mai 2001 hat die Landesregierung ein Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder und Frauen in Sachsen-Anhalt beschlossen, das unter anderem die Aufnahme einer ausdrücklichen polizeirechtlichen Befugnis zur erforderlichenfalls mehrtägigen Platzverweisung für Gewalttäter aus dem Wohnumfeld in das SOG vorsieht. Einen Tag später legte die CDU-Fraktion den Entwurf eines Gewaltschutzgesetzes im häuslichen Nahbereich vor, welcher eine entsprechende Regelung sofort fordert.
Inhaltlich befinden sich die Landesregierung und die CDU-Fraktion also durchaus auf einer Linie. Man könnte sich fast fragen, wer hier wen treibt. Die CDU-Fraktion will mit Hinweis darauf, dass die Novellierung des SOG nach den Vorstellungen der Landesregierung erst in der nächsten Legislaturperiode vorgenommen werden soll, für sich in Anspruch nehmen, Sieger im Hase-Igel-Spiel zu sein.
Für die Landesregierung will ich nur darauf hinweisen, dass der aus zwei Sätzen bestehende Novellierungsvorschlag der CDU-Fraktion kaum dem Anspruch einer umfassenden Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder Genüge tut.
Eine solche Gesetzesänderung muss sich inhaltlich und zeitlich in die Gesamtkonzeption von Maßnahmen einpassen, die den betroffenen Gewaltopfern mithilfe des Zivilrechts, des Aufbaus sozialer Beratungsstellen und der Polizei helfen sollen. Zwei schnell hingeschriebene Sätze, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, sind schlicht zu wenig.
In diesem Sinn sieht der Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung häuslicher Gewalt vor, dass zunächst das Gewaltschutzgesetz mit seinen vorgesehenen Verbesserungen des zivilrechtlichen Schutzes von Gewaltopfern verabschiedet wird und erst dann geprüft wird, welche Ergänzungen bzw. welche Anpassungen im Polizeirecht der Länder gegebenenfalls erforderlich sind. Das ist auch schlüssig, denn die äußere Konfliktregulierung im Sinne einer Wegweisung des gewalttätigen Mitbewohners oder einer Verfügung über die bisher gemeinsam genutzte Wohnung erfolgt durch zivilrechtliche Instrumentarien. Das Gewaltschutzgesetz wird dabei als ein Kernstück die Ermächtigung zu so genannten Schutzanordnungen durch die Zivilgerichte enthalten.
Beim lediglich subsidiär anzuwendenden Polizeirecht kann es nur darum gehen, seine Instrumentarien der zu schaffenden Zivilrechtslage insoweit anzupassen, als es für das Handeln der Polizei in Eilfällen erforderlich ist.
Aber Rechtsänderungen allein bewirken noch keinen ausreichenden Schutz für die Gewaltopfer. Ausschlaggebend ist die Ergänzung durch die erforderlichen Maßnahmen der Justiz zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes des Bundes. Ferner sind die Aus- und die Fortbildung aller Beteiligten abzusichern sowie effektive Beratungs- und Kooperationsstrukturen aufzubauen, um ein effektives und schnelles einheitliches Handeln sicherzustellen.
Alle diese Maßnahmen stehen in untrennbarem Zusammenhang miteinander. Zivilrechtliche und polizeirechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten müssen rechtlich und praktisch aufeinander abgestimmt werden. Umfang und Inhalt der zivilrechtlichen Regelungen und der Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens haben unmittelbaren Einfluss auf das, was polizeirechtlich zu veranlassen ist und was Gegenstand der Hilfe für die betroffenen Personen durch die zu schaffenden Beratungsstellen ist.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung verfolgt das Ziel, insbesondere Frauen aus der Gewaltspirale häuslicher Gewalt herauszubringen und ihnen wirkliche Hilfe anzubieten. Das ist nicht mit isolierten Einzellösungen erreichbar. In diesem Sinn sieht das Aktionsprogramm der Landesregierung ein Gesamtkonzept abgestimmter Maßnahmen vor. Diese ausgewogene Konzeption ist nach unserem Kenntnisstand bisher bundesweit einmalig. Sie beruht gerade darauf, dass in einem engen zeitlichen Zusammenhang zunächst der Zivilrechtsschutz verbessert wird, notwendige Maßnahmen der Justiz eingeleitet werden und ein ausreichendes Netz von Beratungsstellen aufgebaut wird.
Parallel dazu soll durch eine Präzisierung der polizeirechtlichen Befugnisse dafür gesorgt werden, dass polizeirechtliche Maßnahmen mit möglichst großer Entschiedenheit durchgeführt werden. Deshalb halte ich eine vorgezogene, isolierte Polizeirechtsänderung zum jetzigen Zeitpunkt für nicht nützlich. Sie passt sich nicht in das von der Landesregierung solide abgestimmte Gesamtkonzept ein und ist auch rechtlich nicht sinnvoll,