Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

In den Sonderbundesergänzungszuweisungen ist nun das ist eine Strukturänderung - das bisherige IfG enthalten. Damit fallen die Zweckbindung und die Kofinanzierungspflicht für diesen jährlichen Betrag von 6,6 Milliarden DM weg. Das stärkt den Handlungsspielraum der ostdeutschen Länder und Kommunen und vereinfacht das Fördergeschehen deutlich.

Sie werden sich daran erinnern, wie oft wir mit dem Bund darüber diskutiert haben, den IfG-Spielraum etwas auszuweiten. Wem aus den Kommunen bekannt ist, wie viel bürokratischer Aufwand damit verbunden gewesen ist, die einzelnen Nachweise zu führen, der weiß, dass dies eine außerordentlich große Erleichterung ist.

Im Gegenzug legen nun - dazu sind sie verpflichtet - die ostdeutschen Länder dem Finanzplanungsrat jährlich Fortschrittsberichte Aufbau Ost vor, die zeigen werden, dass der Osten kein Fass ohne Boden ist und die Mittel des Solidarpaktes bei uns gut angelegt sind. Ich sehe es übrigens nicht wie manche als einen Ausdruck des Misstrauens gegenüber den östlichen Bundesländern an, dass wir einen solchen Bericht vorlegen müssen. Im Gegenteil, ich finde es außerordentlich hilfreich, dass wir

mit solchen Berichten unter Beweis stellen können, dass wir die Mittel in der Tat gut und sachgerecht ausgeben.

Meine Damen und Herren! Ich bin außerordentlich froh darüber, dass es mir in der letzten Verhandlungsrunde noch gelungen ist, diese Zusammenführung von Sonderbundesergänzungszuweisungen und IfG bereits für das Jahr 2002 zu erreichen. Das gibt uns nämlich bereits bei der Haushaltsgestaltung für das Jahr 2002 größere Spielräume, vermutlich schafft uns das überhaupt die Möglichkeit, alle vom Bund und von der EU angebotenen Förderprogramme auch im nächsten Jahr gegenzufinanzieren. Dass uns Hans Eichel in diesem Punkt buchstäblich in letzter Minute - wir sind anschließend auseinander gegangen - noch entgegengekommen ist, hat mich jedenfalls sehr gefreut. Wir werden das noch dankbar vermerken, wenn wir über den Haushalt 2002 beraten.

Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zum außerordentlich wichtigen Korb 2 des Solidarpaktes machen, der ebenfalls 15 Jahre läuft und entsprechend dem vereinbarten Rahmen jährlich im Haushaltsplan des Bundes abgesichert werden muss. Dieser Korb 2 war von uns - nach dem jetzigen Stand - mit 10 Milliarden DM jährlich berechnet worden.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass darin drei Komponenten enthalten waren: Als Erstes nenne ich die überproportionalen Zuweisungen bei den Gemeinschaftsaufgaben, etwa Wirtschaftsförderung, Hochschulbau und Städtebauprogramme. Als Zweites war die Summe der Fördermittel, die wir über die EU bekommen, enthalten. Als Drittes waren die Mittel aus dem Investitionszulagengesetz enthalten.

Die Zusicherung von 100 Milliarden DM für diesen Zeitraum im Korb 2 hat Auswirkungen, von denen ich geglaubt habe, dass wir sie im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen überhaupt nicht festzurren könnten. Daran ändert übrigens auch die Tatsache nichts, dass diese 100 Milliarden DM für den Zeitraum von 15 Jahren mit Sicherheit degressiv ausgestaltet werden.

Was passiert jetzt? Bei allen vereinbarten Diskussionen über den Abbau von Mischfinanzierungen - darüber wird zwischen Bund und Ländern in Zukunft gesprochen werden; das ist vereinbart worden - steht eines jetzt fest: Die überproportionalen Zuweisungen in diesen Mischfinanzierungen für den Osten müssen weiter gewährleistet werden, sonst kann der Bund diese 100 Milliarden DM nicht erreichen.

Die Gemeinschaftsaufgabe wird also auch in den nächsten Jahren bis zum Jahre 2019 die Stärkung der Wirtschaftskraft im Osten befördern und dafür sorgen, dass die Nachholbedarfe, die wir an dieser Stelle haben, tatsächlich ausgeglichen werden.

Ich komme zum zweiten Punkt. Ich hatte gesagt, dass die EU-Fördermittel enthalten sind. Da sie dort enthalten sind, hat der Bund ein eigenes Interesse daran, dass wir - wie es auch im Protokoll heißt - bei der EU-Förderung nach dem Jahre 2006 zumindest den schwachen Ländern der bisherigen EU gleichgestellt werden. Ansonsten müsste der Bund die Mittel ausgleichen. Wir haben den Bund an dieser Stelle also fest an unserer Seite.

Ich komme zum dritten Punkt. Wenn das Investitionszulagengesetz geändert werden sollte oder wegfallen sollte, dann müsste ein Ausgleich geschaffen werden, damit wir die mit diesem Investitionszulagengesetz beabsichtigten Ziele auf einem anderen Weg erreichen

können. Es ist also nicht möglich, das Investitionszulagengesetz einfach abzuschaffen, ohne dass man über einen entsprechenden Ersatz nachdenkt; sonst würden 3 Milliarden DM jährlich in diesem Korb fehlen.

Mit dieser Vereinbarung über den Korb 2 sind nun auch die Leitplanken für die Haushaltsplanungen des Bundes im Blick auf den Aufbau Ost in den nächsten Jahren, und zwar bis zum Jahr 2019, eingezogen. Ich bin sicher, dass diese Beschlüsse bei den Haushaltsberatungen des Bundes in den nächsten Legislaturperioden - es sind noch einige - außerordentlich hilfreich sein werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel ist erreicht. Das Maßstäbegesetz kann ausformuliert und verabschiedet werden. Das Gesetz über den Länderfinanzausgleich wird durch eine Arbeitsgruppe, in der die Finanzminister von Bund und Ländern vertreten sein werden, im Einzelnen ausformuliert werden und sicherlich spätestens Anfang 2002 verabschiedet sein.

Die so rechtzeitig getroffenen Entscheidungen bilden ein verlässliches Fundament, auf dem wir in den nächsten Jahren aufbauen können. Das gilt für Ost und West gleichermaßen. Es liegt nun im Wesentlichen an uns, wie wir diese Chance nutzen.

Die Diskussion um die eine oder andere Milliarde und das Geben und Nehmen ist jetzt vorbei. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Darum denke ich, auch mit Blick auf den Mut, den wir im Osten brauchen, sollten wir die Botschaft dieses Solidarpaktes mit verbreiten, nämlich: Wir können es schaffen, wenn alle mitmachen, ihre Kreativität, ihre Beharrlichkeit und ihre Geduld einbringen. Wir können es schaffen, diese Lücke zwischen Ost und West tatsächlich zu schließen.

Wenn ich mir ansehe, wie viel wir in den letzten zehn Jahren geschafft haben, dann ist mir eigentlich nicht bange, dass wir mit der am letzten Wochenende zum Ausdruck gekommenen Solidarität im Rücken in den nächsten knapp 20 Jahren diese Lücke schließen werden. Ich habe die Hoffnung, besser gesagt, ich habe die Gewissheit, dass wir nach dem Ende der Finanzdiskussion den Aufbau Ost in ganz Deutschland wieder stärker als eine Aufgabe begreifen, die nicht nur den Geldbeutel, sondern vor allem Herz und Verstand fordert.

Meine Damen und Herren! Ich bin sicher: Die Menschen in Sachsen-Anhalt werden dabei sein. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat etwa 20 Minuten gesprochen. Mit Blick auf unsere Redezeittabelle schlage ich eine Debatte von 60 Minuten Dauer vor. Das heißt, der SPD-Fraktion stehen 24 Minuten, der CDU-Fraktion 14 Minuten, der PDS-Fraktion zwölf Minuten, der FDVP-Fraktion fünf Minuten und der DVU-Fraktion ebenfalls fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.

Bevor wir die Debatte beginnen, begrüßen wir Damen und Herren des Landesjugendwerkes der Arbeiterwohlfahrt Magdeburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bitte nunmehr, wie vereinbart, Herrn Professor Böhmer, für die CDU-Fraktion das Wort zu ergreifen. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich teile ausdrücklich Ihre Worte, mit denen Sie geschlossen haben. Die Chancen für uns sind kodifiziert. Wir wissen, womit wir zu rechnen haben. Jetzt liegt es an uns, was wir damit und was wir daraus machen werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin ziemlich sicher, dass das noch schwierig genug werden wird.

Zunächst sind Verhandlungen über den Solidarpakt und über das Finanzausgleichsgesetz in der Bundesrepublik immer Höhepunkte des Föderalismus. Dies war im Jahre 1993 schon so und dies ist offensichtlich jetzt wieder so gewesen. Wenn alle 16 Bundesländer und alle 16 Ministerpräsidenten völlig unabhängig davon, welcher Partei sie angehören und welche Koalition sie repräsentieren, mit dem Ergebnis zufrieden sind, dann kann es die Opposition in Sachsen-Anhalt auch sein.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD - Herr Kühn, SPD: Ja!)

Das sind wir auch. Wir haben inzwischen gehört, dass alle Möglichkeiten in diesem Geschäft nicht nur ausgelotet, sondern auch ausgepokert worden sind.

Wir sind insofern ein wenig im Nachteil, als wir während des Verfahrens, Herr Ministerpräsident, relativ wenig informiert worden sind. Wir haben aus der Staatskanzlei in Dresden die Informationen bekommen, die dort auch der Opposition zur Verfügung gestellt worden sind.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Jawohl!)

Wir waren somit wenigstens über diesen Weg einigermaßen über den aktuellen Verhandlungsstand informiert und wussten, welche Probleme gelöst waren, wo es Einvernehmen gab und welche Probleme noch offen waren.

Zunächst will ich daran erinnern, dass einige Geberländer aus dem süddeutschen Raum beim Bundesverfassungsgericht gegen die bestehende Regelung im Finanzausgleichsgesetz geklagt hatten. Sie kennen das Urteil und Sie wissen, wie unterschiedlich dieses Urteil politisch bewertet worden ist. Die einen haben gesagt: Sie sind beim Bundesverfassungsgericht abgeblitzt; es bleibt wie es ist. Die Klagenden haben gesagt: Wir haben Erfolg gehabt; es muss sich vieles ändern.

Wenn man sich jetzt das neue Ergebnis ansieht, dann kann man mit gutem Gewissen sagen: Es hat sich einiges Wesentliches geändert. Es ist festgeschrieben worden, dass der Steuerzuwachs, den die Länder aus eigener Kraft zu erwirtschaften glauben, nicht vollständig umverteilt wird, dass es eine Umverteilungsobergrenze gibt, die bei etwa 72 % liegt, sodass die Länder von ihrer eigenständigen politischen Entscheidung und wirtschaftlichen Tätigkeit auch selbst etwas haben und nicht alles in Deutschland umverteilt werden muss.

Das ist aus der Sicht eines Nehmerlandes zunächst nicht die sympathischste Feststellung, aber damit ist der Grundsatz umgesetzt worden, dass sich Leistung in der Politik eines Bundeslandes lohnen muss und zukünftig lohnen wird.

(Beifall bei der CDU)

Es ist für uns, für alle neuen Bundesländer, eine Chance, dass die kommunale Finanzkraft nicht mehr nur zu 50 %,

sondern, wie es jetzt vereinbart wurde, zu 64 % in den Finanzausgleich eingeht. Das heißt, diejenigen, deren Kommunen eine schlechtere Finanzkraft haben, werden mehr bekommen. Jeder, der sich jetzt darüber freut, dass er mehr bekommt, der muss auch dazu sagen, weshalb er mehr bekommt. Das ist nun einmal so.

Der Zuwachs bei den einzelnen neuen Bundesländern ist recht unterschiedlich. Ich habe gelesen, dass Thüringen zum Beispiel deutlich weniger bekommt - ich glaube, 68 Millionen DM -, während wir mehr als 100 Millionen DM zusätzlich bekommen. Das hängt nicht mit der veränderten Bevölkerungszahl zusammen, sondern mit den Berechnungsmaßstäben und auch mit der Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft. Trotzdem denke ich, dass dies eine sachgerechte Lösung ist, eine Lösung, die uns helfen kann, wenn wir die Fähigkeit behalten, dies als Chance zu nutzen und das Geld so anzulegen, dass unsere eigene Steuerkraft und das Steueraufkommen im eigenen Land dadurch kontinuierlich wachsen werden.

Ich habe - Sie, Herr Ministerpräsident, haben das auch aufgeführt - mit Interesse gehört - das gab es bei den letzten Solidarpaktverhandlungen noch nicht, vielleicht kannte man sich damals in Deutschland noch zu wenig -, dass jetzt eine spezielle Verfahrensregelung festgeschrieben wurde, nach der die ostdeutschen Länder - nicht alle Bundesländer - einschließlich Berlins dem Finanzplanungsrat jährlich einen Fortschrittsbericht Aufbau Ost vorzulegen haben, in dem ihre Fortschritte bei der Schließung der Infrastrukturlücke, die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt II und die finanzwirtschaftliche Entwicklung der Landes- und Kommunalhaushalte einschließlich der Begrenzung der Nettoneuverschuldung dargelegt werden müssen. Der Bund wird aufgefordert, dem Finanzplanungsrat in der gleichen Sitzung seine Bewertung der jeweiligen Fortschrittsberichte Aufbau Ost vorzulegen.

Das heißt, meine Damen und Herren, - ich will nicht sagen: ab jetzt gibt es Zensuren - dass die Finanzpolitik der neuen Bundesländer jetzt unter der strengen Beobachtung durch den gesamtdeutschen Finanzplanungsrat steht.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann das verstehen. Ich halte das sogar für angemessen; denn wir sind denen, von denen wir Geld bekommen, auch rechenschaftspflichtig darüber, was wir mit diesem Geld machen. Dies alles halte ich für sachgerecht.

Ich will eines ganz deutlich sagen: Wir werden im Herbst dieses Jahres Haushaltsverhandlungen führen. Dabei stehen wieder die Nettokreditaufnahme und viele Wünsche, die wir uns gern erfüllen möchten, zur Diskussion. Ich denke, wir sollten uns jetzt schon versprechen, uns an diese Vereinbarungen zu erinnern; denn über den Haushalt wird im Parlament entschieden. Die Landesregierung kann sich noch auf die Aussage zurückziehen: Eigentlich wollten wir gar nicht so hoch gehen, aber beim parlamentarischen Verfahren hat man uns das doch aufgedrückt. Wer sich erinnern kann, der weiß, dass es all das bei uns in Sachsen-Anhalt schon gegeben hat.

(Herr Kuntze, CDU, lacht)

Demzufolge halte ich es für wichtig, dass wir uns solche Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern

auch selbst verdeutlichen und uns klar machen, dass die Möglichkeiten größer werden, wenn die Zweckbindung nicht mehr so eng ist, wie sie bisher war, wenn Finanzmittel mehr als bisher im Rahmen der eigenen Entscheidung zur Verfügung gestellt werden. Damit wird aber auch die Verantwortung dafür größer, wie wir damit umgehen und wie locker wir auch mit der Neuverschuldung umgehen; denn die Maastricht-Kriterien, die Sie kennen, gelten nach wie vor. Es ist die erklärte Absicht aller Finanzminister in Deutschland, dass diese Kriterien eingehalten werden.

In Bezug auf den Abbau der Mischfinanzierung und die Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben sage ich ausdrücklich - Herr Ministerpräsident, ich habe gehört, Sie sehen das auch so -: Dies vergrößert unseren Entscheidungsspielraum und erhöht unsere Verantwortung. Ich denke, es wird an uns liegen, wie wir damit umgehen. Wenn wir diese Mittel zur Finanzierung von Personalkosten oder ähnlichen Dingen einsetzen würden, dann - das wissen wir alle - würden wir etwas falsch machen. Deswegen halte ich es für wichtig, auch zukünftig ausdrücklich auf die investive Verwendung dieses Geldes zu orientieren

(Beifall bei der CDU)

und darauf, dass dadurch die Steuerkraft bei uns steigt.