Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

und darauf, dass dadurch die Steuerkraft bei uns steigt.

Damit werden wir nicht gleich Geberland werden. Die Regelung, nach der ein überproportionaler Zuwachs der eigenen Steuerkraft nicht sofort in den Finanzausgleich eingerechnet wird, sodass jedes Bundesland von seinen eigenen Erfolgen etwas haben kann, bevor alles verrechnet wird, gilt für alle Länder, auch für uns. Ich denke, es ist unsere Aufgabe, uns dies deutlich zu machen.

In Bezug auf die Solidarpaktgesetzgebung ging die Diskussion in der Öffentlichkeit lange Zeit durcheinander. Eine Opposition, die nur auf Medienmeldungen angewiesen ist, braucht dann gelegentlich lange Zeit, um eine Orientierung zu bekommen.

Wir wissen, dass die Landesregierung in Sachsen bei der Vorbereitung dieser Verhandlungen und auch bei der Dimensionierung der Körbe, die dann zu dem Ergebnis in den Solidarpaktverhandlungen geführt haben, federführend war. Dass die Mittel degressiv eingesetzt werden, ist sachgerecht. Das ist so. Wir müssen unsere Probleme in zunehmendem Maße mit weniger fremdem Geld lösen. Das hat nicht nur einen pädagogischen Effekt; ich denke vielmehr, dass dies ausgesprochen sachgerecht ist.

Dass die EU-Finanzierung und die EU-Mittel zukünftig über diesen Weg eingerechnet werden, habe ich jetzt von Ihnen, Herr Ministerpräsident, zum ersten Mal gehört. Mir fehlt schlicht und einfach noch das Hintergrundwissen, um dies interpretieren zu können. Wir werden uns darüber noch informieren müssen.

Ich will auch daran erinnern, dass ursprünglich die gleiche Finanzmasse für einen Zeitraum von zehn Jahren gedacht war. Mittel in Höhe von 300 Milliarden DM für zehn Jahre sind mehr als Mittel in Höhe von 306 Milliarden DM für 15 Jahre, das weiß jeder. Der Bund hat sich auf diese Konzeption eingelassen, weil die neuen Bundesländer und die Länder überhaupt erklärt haben, dass nach Ablauf dieser Zeit alle teilungsbedingten Sonderlasten in Deutschland ausgeglichen sein sollen. Das heißt, mit dieser Vereinbarung haben die Bundesländer, insbesondere die neuen Bundesländer, erklärt, dass aus dem Umstand, dass sie Beitrittsgebiet sind, dann keine

neuen Forderungen mehr aufgemacht werden können. Ich halte dies für sachgerecht.

Ich bin so ehrlich zu sagen: Ich hätte nicht gedacht, dass wir dazu fast 30 Jahre brauchen werden. Das muss man sich einmal deutlich machen. Jetzt ist praktisch festgeschrieben, dass nach 30 Jahren innerdeutscher Solidarität und Finanzhilfe alle Rückstände und Schäden - wie man es auch nennen mag - in den neuen Ländern, die durch die unterschiedliche Entwicklung in den 40 Jahren der Teilung eingetreten sind, ausgeglichen sein werden.

Meine Damen und Herren! Eines muss man sich auch klar machen: Wir hatten als Beitrittsgebiet, das heißt die neuen Bundesländer, ehemals DDR, immerhin noch das Glück, dass wir einem potenten Wirtschaftsgebiet beigetreten sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt auch andere Gegenden in der Welt, wo die Probleme völlig anders liegen. Wenn man berücksichtigt, dass ein Drittel zu mehr als zwei Dritteln eines wirtschaftlich potenten Staatsgebildes hinzugekommen ist und trotzdem 30 Jahre Solidarpakt und Finanzhilfe notwendig sind, um diesen Unterschied, der in 40 Jahren entstanden ist, auszubügeln, erst dann kann man sich klar machen, dass Welten zwischen den beiden Teilen Deutschlands lagen, die sich wieder vereinigt haben. Ein so erheblicher Unterschied in Bezug auf die Infrastruktur und die Wirtschaftskraft kann eben nicht in fünf oder zehn Jahren, wie wir es alle einmal illusionär geglaubt haben, ausgeglichen werden.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Dies, meine Damen und Herren, sollten wir deswegen nicht vergessen, weil die illusionären Zukunftsvorstellungen mit Sozialismusversuchen unter uns noch nicht ausgestorben sind.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Weich, FDVP)

Dass einzelne Bundesländer dabei auch spezielle Probleme berücksichtigt haben wollten, das ist in diesem Geschäft immer so. Und wenn der Erste Bürgermeister von Hamburg die Sache besonders aufmerksam verfolgt hat, dann sage ich: Er hat natürlich auch auf seine Hafenlasten und auf ähnliche andere Sachen aufgepasst.

(Herr Bischoff, SPD, lacht)

Das ist aber immer so, das ist normal.

Es ist jetzt, denke ich, eine Lösung entstanden, mit der alle Bundesländer in Deutschland leben können. Dabei wollen wir nicht übersehen - das war beim letzten Mal aber genauso -, dass diese Lösung und die Einigung zwischen den Bundesländern letztlich erst möglich geworden ist, nachdem der Bund noch einiges draufgelegt hat. Das war auch bei den Solidarpaktverhandlungen im Jahr 1993 so. Damals ist bei der Verteilung der Umsatzsteuerpunkte deutlich nachgegeben worden. Dadurch sind die Länder in eine Situation versetzt worden, die es ihnen ermöglicht hat, zu dem Ergebnis zu kommen, das damals vereinbart worden ist. Auch jetzt hat der Bund draufgelegt und hat damit erst jenen Konsens ermöglicht, der im Föderalismus unverzichtbar ist.

Das ist auch eine Regel, deren allgemeiner Wahrheitsgehalt nicht verschwiegen werden soll: Es wäre wahrscheinlich kein Ergebnis denkbar gewesen, bei dem

auch nur ein einziges Bundesland hätte Abstriche machen müssen, sodass es ihm schlechter gegangen wäre als vorher. Da eine Lösung gefunden wurde, nach der es niemandem schlechter geht, bei der fast alle etwas zugelegt bekommen haben, allerdings unterschiedlich hoch, ist jetzt für lange Zeit der innerdeutsche Finanzausgleich, wie ich denke, abschließend geregelt.

Wenn allerdings - das gilt in der Finanzpolitik allgemein Vereinbarungen für 15 oder 19 Jahre getroffen werden, muss jeder wissen, dass die Zahlen dann nicht mehr das Gleiche bedeuten wie heute. Finanzpolitiker haben längst ausgerechnet, dass 1 Milliarde DM im Jahr 2001 möglicherweise 700 bis 750 Millionen DM im Jahre 2019 an Kaufkraft bedeuten werden.

Kommen Sie bitte zum Ende, Professor Dr. Böhmer.

Jawohl, Herr Präsident. - Dies muss bei so langfristigen Vereinbarungen hingenommen werden. Die Planungssicherheit für die einzelnen Bundesländer dürfte wenigstens schwerer wiegen als die durch die inflationäre Entwicklung eintretenden Kaufkraftverluste.

Ich möchte mit den gleichen Aussagen schließen, mit denen der Ministerpräsident geschlossen hat. Wir kennen unsere Chance. Es wird an uns liegen, wie wir sie nutzen. Die Chance dazu haben wir. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Dr. Püchel)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fortgesetzt. Zuvor begrüßen wir jedoch Seniorinnen und Senioren aus Bitterfeld.

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte, Herr Fikentscher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einigung beim Solidarpakt II und im Länderfinanzausgleich ist eine gute Nachricht für Sachsen-Anhalt. Sie ist so gut, dass wir uns nicht darauf beschränken sollten, nur sachlich und nüchtern bestimmte Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. Wir müssen auch begreifen und im Lande erklären, was hinter diesen Zahlen steckt, was sie also für Sachsen-Anhalt und Deutschland insgesamt tatsächlich bedeuten. Das ist nicht so leicht, wie man zunächst denken mag, insbesondere weil es sich um viel Geld und lange Zeiträume handelt. Die heute von unserem Ministerpräsidenten vorgetragenen Zahlen und Zeiträume sind vermutlich die bedeutendsten, die je in unserem Landtag genannt wurden.

Es ist gelungen, die Finanzierung der deutschen Einheit, die Frage der Kosten der Beseitigung der teilungsbedingten Rückstände in den neuen Bundesländern im Grunde abschließend zu regeln, und zwar einvernehmlich und gut. Davon war zunächst keineswegs auszugehen, obgleich sich alle Beteiligten einig waren, dass ein Scheitern der Verhandlungen nicht akzeptiert werden würde.

Aber da bekanntlich beim Geld die Freundschaft aufhört und die Verhältnisse außerordentlich kompliziert waren, wusste lange Zeit niemand, wie eine Einigung über solche grundsätzlichen Fragen des Miteinanders in unserem föderalen Staat aussehen könnte.

Bund und Länder standen sich in den unterschiedlichsten Konstellationen gegenüber. Gemeinsame Interessen bzw. Interessengegensätze gab es nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd, nicht nur zwischen Flächenstaaten und Stadtstaaten, sondern auch zwischen Reichen und Armen, also zwischen Geberländern und Nehmerländern, sowie zwischen CDU-geführten und SPD-geführten Ländern. Damit stand in unterschiedlichen Konstellationen nahezu jedes Land zu jedem anderen Land einmal miteinander und einmal gegeneinander. Die Ausgangsposition war also denkbar schwierig.

Das nun positive Gesamturteil über das Ergebnis wird gestützt von zahlreichen Einzelmeinungen, die noch in der vorigen Woche zum Teil ganz anders klangen. Ich zitiere aus Zeitungen vom 25. Juni.

Erwin Teufel: Einstieg in ein gerechtes System. - Kurt Biedenkopf: Der neue Finanzausgleich verdient nicht gerade den Preis für die hübscheste Problemlösung des Jahres, ist aber ein robuster Kompromiss, der auch klagesicher ist - auf die Klagen, die ins Haus standen, wurde heute schon hingewiesen -, da alle 16 Länder am Ende zustimmen konnten, ein 17:0-Erfolg. - Bei den 17 ist also auch der Bund mit drin.

Gerhard Schröder: Es ist ein großer Tag für den deutschen Föderalismus und ein wichtiger Tag für die neuen Bundesländer. - Im gleichen Sinne Edmund Stoiber: Der Föderalismus ist der wahre Gewinner. Man habe sich auf ein Ausgleichsmodell verständigt, das sowohl Anreize zum Erzielen zusätzlicher Steuereinnahmen schaffe, als auch für die Geberländer eine Grenze der Belastung beinhalte.

Meine Damen und Herren! Wann haben wir so etwas schon einmal gehört? Was ist geschehen oder, besser ausgedrückt, was ist geleistet worden?

Das Ergebnis ist uns bekannt. Ich nenne bewusst keine einzige weitere Zahl. Unser Ministerpräsident hat das dazu Notwendige vorgetragen. Doch darüber hinaus fragen wir uns bei solchen Gelegenheiten, wer an der Aushandlung eines allgemein so anerkannten Kompromisses einen besonderen Anteil hat und wem wir Dank schulden. Dank gebührt allen Beteiligten im Bund und in den Ländern.

Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, muss ich hinzufügen: Besonders hervorzuheben sind neben dem Bundeskanzler und dem Bundesfinanzminister auf der Seite des Bundes die Ministerpräsidenten Sachsens und Sachsen-Anhalts, Kurt Biedenkopf und Reinhard Höppner, und ihre Finanzminister Thomas de Maizière und Wolfgang Gerhards, die die neuen Bundesländer zu Gemeinsamkeit und damit die Verhandlungen zu ihrem Durchbruch geführt haben.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Sommerfeld, CDU)

Eine solche Leistung ist aller Ehren wert und verdient Anerkennung.

Natürlich ist mir klar, dass Anerkennung oder gar Lob für unsere Landesregierung aus den Reihen der eigenen Fraktion als selbstverständlich und weniger gewichtig

angesehen wird. Doch bin ich deswegen nicht bereit, nur die Leistungen aus unserem Nachbarland hervorzuheben. Ein so gutes Ergebnis sollte von allen und bei allen, die es erreicht haben, anerkannt werden. Denn wer auch immer während der nächsten Jahrzehnte in diesem Landtag sitzt, wer auch immer in den nächsten Regierungen sitzt, wer auch immer in den Kommunen Politik verantwortet, wird darauf aufbauen können, nämlich auf einer soliden, dauerhaft geregelten Grundlage, auf finanzieller Planungssicherheit.

Es muss nun keinen Solidarpakt III mehr geben. Das System der Degression ist so angelegt, dass es die Möglichkeiten der Haushaltsverkleinerung nicht überfordert, und so lang gestreckt, dass man nach insgesamt 30 Jahren nicht mehr von teilungsbedingten Unterschieden zwischen den Ländern sprechen kann. Die verbliebenen Unterschiede zwischen den Ländern werden dann über den normalen Länderfinanzausgleich zu regeln sein.

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht von allen Sorgen befreit. Wir haben noch schwere Auseinandersetzungen vor uns - denken wir nur an den nächsten Haushalt, der ohne Zweifel schwierig wird. Wir wissen uns jedoch eingebettet in ein funktionierendes und bewährtes föderales System des geeinten Deutschlands, das uns Sicherheit zum einen und Gestaltungsspielräume zum anderen bietet. Wir sind wie alle anderen Bundesländer aufgefordert, beides zu nutzen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke sehr. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt Herr Professor Dr. Trepte. Zuvor begrüßen wir Damen und Herren des Institutes für berufliche Bildung aus Quedlinburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte, Herr Professor Trepte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch verblüffend: Es gibt nur Sieger nach der Nacht des Milliardenpokers. Da kommt ein Verdacht auf: Es kann doch wohl nicht sein, dass sowohl Geber- als auch Nehmerländer zufrieden sind.

Die Erklärung ist verblüffend einfach: Der Bund springt in die Bresche. Er zahlt die Differenz im horizontalen Finanzausgleich, auf die die Länder sich nicht einigen konnten. Insgesamt hat das geschickte Management in Bezug auf die Zins- und Tilgungszahlungen des Fonds Deutsche Einheit einen Beitrag dazu geleistet, dass kein Land mit einem Minus abschließt.

Man muss aber auch sagen - das ist an dieser Stelle noch nicht zur Sprache gekommen, meine Damen und Herren -, auch der Wettbewerbsföderalismus hat bei der Einigung einen partiellen Sieg errungen. Die Geberländer sollen von ihren überdurchschnittlichen Steuereinnahmen mehr behalten können als bisher - ein sicher notwendiger Anreiz für diese Länder zur Erzielung von mehr Steuereinnahmen, ein notwendiger Anreiz - das werden Sie von der PDS nicht so oft hören - auch aus der Sicht der PDS; denn der Wettbewerb hat bei der Einigung keine Übermacht über die Solidarität zwischen den Ländern erreicht.