Entnormativierung des Denkens, des Fühlens, Wollens und Wünschens eingestellt, die mit einem stark vermehrten Bedürfnis nach einer nur persönlicher Entscheidung und Gestaltung entspringenden Lebensführung auf allen Gebieten Hand in Hand geht. Gesellschaftliche Konformitätsansprüche, die nur durch Herkommen, Brauch, Sitte oder gewohnheitsmäßige Übungen und Regeln begründet sind, werden heute vielfach als persönlichkeitseinengend und -beeinträchtigend erlebt und verfallen somit leicht der Ablehnung.
Worin liegt diese Entwicklung begründet? - Das Christentum war in den letzten Jahrhunderten die einzige verbindende Kraft in den europäischen Staaten und gleichzeitig die wesentlichste Grundlage für die Herausbildung der ethischen Wertvorstellungen der europäischen Kultur. Die Geschichte der Neuzeit ist auch eine Geschichte der Loslösung der Menschen von der Religion.
Eine Ethik, Moral oder Werte kann man aber letztlich nicht begründen, wenn man den Menschen nicht als Geschöpf Gottes begreift, das als dessen Ebenbild seinem Schöpfer gegenüber verantwortlich ist. Wenn der Glaube schwindet, besteht die Gefahr, dass die mit diesem Glauben gewissermaßen transportierten Werthaltungen schwinden, weil sie weder von einer anderen Weltanschauung aufgenommen oder vermittelt noch als in sich selbst einsichtig empfunden werden. Das ist naturgemäß nicht zwangsläufig so, kann aber so sein.
Die Werte wachsen nicht auf Bäumen, sondern müssen vielmehr von Generation zu Generation durch Wort und Beispiel weitergegeben werden. Hier kommt die Erziehung ins Spiel.
Erziehung orientiert sich in der Regel am Wohl des Kindes und ist uneingeschränktes Recht und in erster Linie auch Pflicht und Aufgabe der Eltern. Staatliche und private Erziehungs- und Bildungseinrichtungen haben dieses Elternrecht zu respektieren und können nur von diesem abgeleitet unterstützende und ergänzende Funktionen wahrnehmen.
Erziehung ist Hilfe zum Selbständigwerden. Sie setzt zielgerichtetes Handeln voraus. Wer erzieht, muss wissen, was er will. Was ist Erziehung denn anderes als Vermittlung von Werten und der von diesen Werten abgeleiteten Tugenden und Normen?
Orientierung an Werten ist notwendig für Schule und Elternhaus. Kann der Staat speziell über seine Institution Schule zur Wertebildung beitragen? Wenn wir dies nicht grundsätzlich für möglich hielten, hätten wir die Unterrichtsfächer Religion und Ethik nicht in die Landesverfassung aufgenommen. Aber leicht hat es das staatliche Schulwesen mit dieser Aufgabe nicht.
Das liegt zunächst gar nicht an einer bestimmten Bildungspolitik und auch nicht an einer bestimmten Lehrerschaft. Das Grundproblem liegt in dem Selbstverständnis des Staates. Der weltanschaulich neutrale Staat kann Verhaltensweisen mit Zwang durchsetzen, aber er kann keine Werthaltungen gleichsam aus dem Nichts erzeugen, auch nicht diejenigen Werthaltungen, die er in seiner Verfassung vertritt.
Natürlich können Lehrer versuchen, die Geltung von Werten und Normen aufzuzeigen; aber das tun sie dann streng genommen als Personen und nicht als Staatsorgane.
Wie gesagt, damit negiere ich keineswegs den Auftrag der Wertevermittlung an staatlichen Schulen und auch nicht den Sinn von Religions- und Ethikunterricht. Den
noch könnten diese Überlegungen ein neues Licht auf die Bedeutung von Schulen in freier Trägerschaft werfen.
Wenn es richtig ist, dass in der heutigen Zeit immer mehr Menschen immer weniger Sinn in ihrem Leben zu entdecken vermögen, wenn es stimmt, dass immer mehr Eltern immer weniger Zeit für ihre Kinder aufwenden können, dann brauchen wir ein breiteres Angebot an Erziehungsinstanzen, die jede für sich auf der Basis unterschiedlicher Überzeugungen Werteangebote vorhalten.
Dies können kirchliche oder anders orientierte Werteangebote sein. Das Wichtige ist, dass der Wertkonsens aller an diesem Ort Versammelten vermittelt wird. Dies bedeutet eine viel größere Anzahl und Vielfalt von Schulen in freier Trägerschaft.
Die Niederlande können uns ein Vorbild sein. - Herr Präsident, ich folge Ihrer aufmerksamen Ermahnung.
Ich plädiere für ein umfassendes und qualitativ hoch stehendes Angebot von Religions- und Ethikunterricht an staatlichen Schulen und sage, dass dieser Antrag der Überschrift in keiner Weise gerecht wird, wir aber dem Inhalt dieses Antrages trotzdem unsere Zustimmung nicht verweigern werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Weitere Wortbeiträge waren nicht angemeldet. Für die FDVP-Fraktion kann nun Frau Wiechmann noch einmal Ihre Redezeit nutzen. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte in meiner Begründung zum Antrag ausgeführt, dass Bedingungen existieren, die Werte in der Gesellschaft festigen oder sie auch demontieren. Wenn Werte zu dauerhaften Orientierungen des Individuums in Bezug auf das sozial Wünschenswerte führen und auch verhaltenssteuernd wirken, dann schließt das natürlich auch einen Wertewandel ein. Es war schon immer ein wesentlicher Unterschied, ob bestimmte, in der Gesellschaft gegebene Werte und Orientierungen sich bestimmten Veränderungen anpassen und deren Entwicklung entsprechen, zum Beispiel im Rahmen des Wertewandels im Bereich der Familie, der Erwerbstätigkeit von Frauen, von Präferenzen erstrebenswerter Ziele oder Erwartungen.
Uns bewegen vor allem Werteverluste und leichtfertig vorsätzlich aufgegebene Werte. Und das ohne Not, meine Damen und Herren.
Wenn im kinder- und jugendpolitischen Programm auf Gewalt, auf den Schutz vor körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt hingewiesen wird und weitere entsprechende rechtliche und tatsächliche Regelungen avisiert werden, dann ist das auch gut. Wenn aber
Demonstrationen in Orten stattfinden und wir sie dort erleben, wo Regierende so etwas nicht nur tolerieren, sondern sogar mitmachen, dann lehnen wir das kategorisch ab. Das sind Orte, die Sie möglicherweise vom Globus kennen. Ich darf nur den letzen Ort nennen, wo die Spur der Gewalt zu verfolgen war, und zwar Naumburg; das ist in Sachsen-Anhalt.
Fragen Sie auch in den vielen betroffenen Orten - jetzt komme ich auf die Regierenden - nach Angela Marquardt von der PDS und Sie erleben die Empörung und das Entsetzen der Bürger.
Ich sage noch deutlicher: Wer in diesem Parlament die Mauer rechtfertigt, den Unrechtsstaat DDR schaumgebremst-milde als vormundschaftlichen Staat kennzeichnet, wer die Enteignungskeule schwingt, wer die Graffiti-Schmierereien gutheißt - das haben wir eben wieder erlebt -, wer also Eigentum nicht achtet, dem sprechen wir als FDVP-Fraktion einfach das Recht ab, sich über die Erziehung von Kindern und Jugendlichen auszulassen.
Ich merke natürlich auch Ihr Desinteresse hier und heute. Sie haben sich zu diesem Antrag wieder nicht geäußert. Ich denke, mit meinen Schlussfolgerungen liege ich genau richtig, dass ich Ihnen dieses Recht abspreche, sich darüber auszulassen.
Wer Kinder und Jugendliche einst in den Schulen der Margot Honecker indoktrinierte und Andersdenkende denunziatorisch bedrohte und unter Druck setzte, dem sprechen wir es einfach ab, hier und heute den großen Pädagogen zu spielen.
Nein, meine Damen und Herren, das sind nicht nur die Äußerungen von ein paar „merkwürdigen Mitgliedern“ der SED-Nachfolgepartei - auch das sollten wir wissen -, sondern es ist programmatisches Ziel der linksextremistischen PDS, diese Gesellschaft mit ihren Werten und Orientierungen zu zerstören.
Da mögen politische Sanierer das Verhältnis von SPD und PDS bildhaft und schmeichelnd als Verlöbnis umschreiben; aber wer sich mit dieser geschichtsschuldigen, verdorbenen PDS-Verlobten in das Lotterbett begibt, hat auch längst die Unschuld verloren, meine Damen und Herren.
So wird die Politik in diesem Lande immer unglaubwürdiger und die Verdrossenheit der Bürger immer größer. Deshalb verwundert es nicht, wenn ein Werteverfall unaufhaltsam scheinend voranschreitet.
Meine Damen und Herren, wehren wir uns dagegen. Lassen wir es nicht zu, dass unsere Gesellschaft zerstört wird. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke.
Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wer diesem Antrag, Ihnen vorliegend in der Drs. 3/4666, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit einer großen Zahl von Gegenstimmen abgelehnt worden und damit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, meinen Redebeitrag mit einem Zitat Tucholskys zu beginnen: „Wer seinen Staat kennen lernen will, muss seine Gefängnisse gesehen haben.“
Nachdem sich für mich im Herbst 1994 durch meine Tätigkeit als Abgeordnete der Zugang zum Strafvollzug eröffnet hat, wurde ich zur aktiven Beobachterin. Gespräche mit Inhaftierten, Anstaltsleitern, Vollzugsbeamten und Sozialmitarbeitern halfen mir, den Blick von innen, die Lebenswelten zu sehen, die mir vorher fern waren. Das besondere Phänomen Frauenvollzug hat mich fortan gefangen genommen.
Weil Kriminalität immer noch als eine Art Männerdomäne angesehen wird, haben es strafgefangene Frauen besonders schwer, mit ihren spezifischen Problemen wahrgenommen zu werden. Richtlinien oder verbindliche Standards, die speziell auf die Bedürfnisse inhaftierter Frauen ausgerichtet sind bzw. auf die Arbeit mit ihnen, gibt es bis heute weder auf Bundes- noch auf Landesebene.
Anstatt die gängige Strafvollzugspraxis zu hinterfragen, ist es notwendiger, neues Denken zuzulassen, welches aus dem Teufelskreis herausführt, den Ausgrenzungsmechanismus nur zu verfeinern. Solange der Umgang mit straffällig gewordenen Männern nur schematisch auf straffällig gewordene Frauen übertragen wird, somit frauenspezifische Belange und Interessen vernachlässigt werden, führt das im Ergebnis zu einer zusätzlichen Diskriminierung von Frauen.
Ziel der beantragten Berichterstattung ist es, durch eine kritische Bestandsaufnahme einen ersten Überblick zu schaffen, welcher Veränderungen und Neustrukturierungen im Frauenvollzug nach sich ziehen kann. So könnten Anregungen gegeben werden, die Fragen nach den frauenspezifischen Bedingungen im Strafvollzug neu zu stellen und neu zu beantworten.
Nur wenn die spezifischen Merkmale des Frauenvollzuges im Vergleich zum Männervollzug detailliert ausgearbeitet und bekannt gemacht werden, kann ein gezieltes Handeln ermöglicht werden. Und, sehr geehrte Damen und Herren, es muss gehandelt werden.
Der Frauenvollzug in Sachsen-Anhalt entspricht in keiner Weise dem normalen Frauenvollzug. Eine eigene