Protokoll der Sitzung vom 29.06.2001

Meine Damen und Herren! Bereits im September des letzten Jahres haben wir im Landtag auf Antrag der PDS-Fraktion über die Rückführung von Kosovo-Albanern debattiert. In der Folge begrüßte der Landtag in einer Entschließung am 14. Dezember 2000 die von meinem Haus vorgesehene Regelung zur Rückführung der Flüchtlinge. Mit dem uns heute vorliegenden Antrag steht die Rückkehr der Kosovo-Flüchtlinge erneut im Mittelpunkt.

Eines will ich an dieser Stelle auch in Bezug auf das, was eben zu hören war, deutlich sagen: Die Beachtung humanitärer Grundsätze in der Flüchtlingspolitik ist ein Anliegen, das die Landesregierung im Rahmen ihrer liberalen Ausländerpolitik seit Jahren verfolgt. Diese Grundsätze werden in Abstimmung mit den anderen Bundesländern natürlich auch bei der Rückführung der kosovarischen Flüchtlinge angewendet.

Die Innenminister haben sich anlässlich ihrer Konferenz im Frühjahr in Schierke in Fortsetzung ihrer bisherigen Beschlüsse über aufenthaltsrechtliche Regelungen für Ausreisepflichtige aus Jugoslawien einschließlich dem Kosovo verständigt. Auf dieser Grundlage wurde mit dem Erlass meines Hauses vom 30. Mai dieses Jahres die Rückführung von Kosovo-Albanern geregelt.

Bei der eingangs erwähnten Debatte im September des letzten Jahres hatte ich auf die Schwerpunkte bei der Rückführung hingewiesen. Sie gelten im Wesentlichen unverändert fort. Zur Erinnerung möchte ich sie kurz nennen:

Alle Kosovo-Albaner ohne ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland haben sich auf eine freiwillige - ich betone: freiwillige - Rückkehr vorzubereiten. Die freiwillige Rückkehr hat Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung. Die freiwillige Rückkehr wird insbesondere im Rahmen der Programme Reag und Garp gefördert, die vom Bund und vom Land jeweils zur Hälfte finanziert werden.

Zurückgeführt werden nur Albaner aus dem Kosovo. Andere Volksgruppen, wie zum Beispiel Serben, Roma und Aschkali - übrigens eine Gruppe von rund 1 000 Personen bei einer Anzahl von ca. 2 300 kosovarischen Flüchtlingen einschließlich der Asylbewerber -, bleiben vorerst bis zum 30. November von der Rückführung ausgenommen. Wir nehmen also eine Gruppe von 1 000 bis zum 30. November erst einmal aus. Unbeschadet des Vorgangs der freiwilligen Ausreise sind, sofern die Ausreisepflicht nicht beachtet wird, Maßnahmen zur zwangsweisen Rückführung einzuleiten. Dies betraf in diesem Jahr, bis Ende Mai, wie gesagt vier Personen.

Von der Rückkehrpflicht sind bestimmte Personengruppen vorerst ausgenommen, zum Beispiel traumatisierte Personen, Zeugen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, Familien unterschiedlicher Ethnien, Auszubildende und unbegleitete Minderjährige. Neben diesen Personengruppen räumt der Beschluss der IMK auch erwerbstätigen Kosovo-Albanern unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht ein.

In Sachsen-Anhalt haben 250 Kosovo-Albaner eine Arbeitserlaubnis. Das ist eine beachtliche Größenordnung. Wie viele davon Arbeit haben, wissen wir nicht genau, aber 250 haben eine Arbeitserlaubnis.

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, habe ich in diesem Jahr den Vorsitz der IMK inne. Nicht zuletzt in dieser Eigenschaft habe ich mich nachhaltig und wiederholt für eine Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Regelungen für ausreisepflichtige Kosovo-Albaner sowie für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina eingesetzt. Die Verhandlungen mit meinen Kollegen gestalteten sich sehr schwierig. Waren meine Bemühungen bei der IMK im November letzten Jahres zunächst noch erfolglos, so zeichnete sich bereits im Februar dieses Jahres ein erster Erfolg ab.

Auf einer von mir einberufenen Sondersitzung der Innenminister am 15. Februar 2001 auf dem Flughafen in Frankfurt am Main konnten wir uns auf ein Bleiberecht für Erwerbstätige aus Bosnien-Herzegowina einigen. In der Folge ist es auf der Tagung im Mai auf dem Brocken gelungen, diese Regelung auch auf die kosovarischen Flüchtlinge auszudehnen. Ich werte dieses Ergebnis als einen außerordentlichen Erfolg.

Aufgrund dieser Beschlusslage können Ausreisepflichtige, die sich unter anderem seit mindestens sechs Jahren in Deutschland aufhalten und seit zwei Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, ein Aufenthaltsrecht erhalten. Damit wird den Flüchtlingen, die sich sozial und wirtschaftlich in Deutschland integriert haben und die im Falle einer Rückkehr eine eigenständig geschaffene Lebensgrundlage aufgeben müssten, die Möglichkeit des Verbleibs eingeräumt.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass für weitergehende Regelungen im Rahmen der IMK kein Verhandlungsspielraum besteht. Ein erneuter Vorstoß in der IMK im Sinne des vorliegenden PDS-Antrages hätte keinerlei Aussicht auf Erfolg - so klar muss ich das hier sagen.

Ich verkenne nicht, dass nur ein Teil der kosovarischen Flüchtlinge in Deutschland aufgrund der Beschlusslage der IMK ein Aufenthaltsrecht erhalten wird. Auch meiner Ministerkollegin und den -kollegen war dieser Umstand bewusst. Dieser Beschluss stellt jedoch den einzig möglichen Kompromiss dar, mit dem die verschiedenen Auffassungen der Länder unter einen Hut gebracht werden konnten.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS verfolgt das Ziel, über die bisherigen aufenthaltsrechtlichen Regelungen hinauszugehen und auch den ausreisepflichtigen Flüchtlingen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit sichern können, ein zumindest vorübergehendes Aufenthaltsrecht einzuräumen. Eine solche humanitäre Regelung hätte zur Folge, dass dem Land und - nach Ablauf der zweijährigen Erstattungsfrist - den Kommunen erhebliche zusätzliche Kosten entstehen würden. Im Übrigen bedürfte eine solche Regelung außerhalb der IMK-Beschlüsse des Einvernehmens des Bundesministers des Innern. Er müsste zustimmen, wenn wir eine solche Sonderregelung wählen würden.

Bereits jetzt tragen Land und Kommunen die Kosten in den Fällen, in denen aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt wird und Sozialhilfebedürftigkeit besteht. Unabhängig von einer weiteren erheblichen Kostenbelastung für Land und Kommunen besteht aber keine Notwendigkeit für eine solche Entscheidung; denn, wie auch der UNHCR betont, es ist eine sichere Rückkehr der ehemaligen Flüchtlinge gewährleistet.

Zur arbeitsrechtlichen Seite ist zu bemerken, dass die Möglichkeit der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit mit gültiger Arbeitserlaubnis für alle Kosovo-Albaner bestand und nicht durch eine entsprechende Weisung meines Hauses eingeschränkt wurde. Auch erging zu keiner Zeit die Anweisung, nur auf einen Monat befristete Duldungen auszusprechen. Sollte dies in Einzelfällen geschehen sein, werden die Gründe dafür im Rahmen der Fachaufsicht geprüft werden. Duldungen haben normalerweise eine Frist von sechs Monaten.

Es ist aber auch nicht erkennbar, dass den Betroffenen dadurch erhebliche Nachteile entstanden sein könnten. Die Arbeitsverwaltung erteilt auch geduldeten ehemaligen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern Arbeitserlaubnisse, wenn im Rahmen einer Arbeitsmarktprüfung festgestellt wird, dass für die beabsichtigte Tätigkeit keine deutschen oder bevorrechtigten ausländischen Arbeitslosen zur Verfügung stehen.

Die Arbeitslosenquote in den ostdeutschen Bundesländern ist zwar höher als in den westdeutschen; aus diesem Ungleichgewicht kann jedoch kein Verbleib für die Kosovo-Albaner in Sachsen-Anhalt hergeleitet werden.

Meine Damen und Herren! Bund und Länder sind sich darin einig, dass eine gefahrlose Rückkehr in das Kosovo möglich und zumutbar ist und dass die Verhältnisse vor Ort eine Rückkehr zulassen. Angesichts der zwischenzeitlich erreichten Ergebnisse der zivilen Friedensimplementierung bestand in der IMK im Mai Einvernehmen hierüber.

Die Rückführungen aus Deutschland erfolgen in Abstimmung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes mit der UNMIK, der zivilen Verwaltung der Uno im Kosovo, dem UNHCR - Sie sprachen es selbst an - sowie der IOM.

Im Frühjahr hatte ich - das ist erst kurze Zeit her - in meiner Funktion als IMK-Vorsitzender die Gelegenheit, mit dem Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland Herrn Wetterwald in Magdeburg insbesondere über die Rückführungspraxis zu sprechen. In diesem Gespräch, Herr Gärtner, hat er ausdrücklich die Rückführungspraxis der deutschen Seite gelobt, insbesondere auch die des Landes Sachsen-Anhalt. Ein Lob aus solchem Munde hat, glaube

ich, besondere Bedeutung und ist Beleg für ein verantwortungsbewusstes Handeln der IMK und auch dieses Innenministers.

Die derzeitige Situation vor Ort gibt keinen Anlass, von der Rückführung Abstand zu nehmen. Das Auswärtige Amt hat mir bestätigt, dass die Rückkehrer durch die Auseinandersetzungen der mazedonischen Truppen mit den albanischen Rebellen nicht gefährdet sind. Der Flughafen in Pristina/Kosovo, der sowohl für zwangsweise als auch für freiwillige Rückführungen angeflogen wird, ist sicher. Als ich im Kosovo war, war dies noch nicht der Fall; jetzt ist er sicher.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassend deutlich sagen: SachsenAnhalt hat sich stets dafür eingesetzt, Flüchtlinge, die sich in akuter Not befinden, aufzunehmen, solange es die Situation in ihren Heimatländern erfordert. Nach Beruhigung der Situation müssen sie allerdings in ihre Heimat zurückkehren. Das war bei den Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina so; dies ist auch bei den Flüchtlingen aus dem Kosovo so.

Nach übereinstimmender Auffassung von Bund und Ländern ist eine gefahrlose Rückkehr von KosovoAlbanern möglich und zumutbar. Die medizinische und soziale Grundversorgung ist gewährleistet. Für einen weiteren Verbleib in Deutschland durch die Einräumung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts oder durch die Aussetzung der Abschiebung sehe ich daher keine Notwendigkeit.

Es besteht auch keinerlei Aussicht darauf - ich betone: keinerlei Aussicht -, das erforderliche Einvernehmen und die Zustimmung des Bundes für eine Ausweitung der beschlossenen Regelung zu erreichen. Somit besteht auch keine Veranlassung für eine besondere Initiative unseres Landes.

Insgesamt sehe ich keine Notwendigkeit für den vorliegenden Antrag der PDS-Fraktion. Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Antrag abzulehnen. Ich bin gern bereit, im Sinne des Änderungsantrages der SPD-Fraktion im Innenausschuss über den Vollzug der durch die IMK beschlossenen Bleiberechtsregelungen zu berichten. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Schulze.

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik Deutschland engagiert sich bei der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus humanitären Gründen in überdurchschnittlichem Maße. Diese Hilfsaktionen können nur dann in dem genannten Umfang aufrechterhalten werden, wenn die Bürgerkriegsflüchtlinge nach Beendigung der Bedrohungssituation in ihre Heimatländer zurückkehren.

Meine Damen und Herren! Von diesem Grundsatz wird es immer Ausnahmen geben. Die Innenministerkonferenz hat sich am 10. Mai 2001 in Schierke mit derartigen Ausnahmeregelungen für Kosovo-Albaner befasst. Erst vor wenigen Tagen, am 20. Juni dieses Jahres, hat sich der Innenausschuss des Landtages im Rahmen der

Selbstbefassung erschöpfend mit dieser Thematik auseinander gesetzt.

Die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union im Landtag sieht keinen Anlass, ausgerechnet in SachsenAnhalt von dem im Kanon mit allen anderen Bundesländern gefassten Beschluss der Innenministerkonferenz abzuweichen. Sie wird deshalb den SPD-Änderungsantrag unterstützen.

Der Ursprungsantrag, der das Grundanliegen einer vernünftigen Bürgerkriegsflüchtlingspolitik ins Gegenteil verkehren möchte, ist aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Weich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie gravierend ist die Situation denn nun wirklich? Es hat jüngst wieder Unruhen in Mazedonien am Rande der Hauptstadt Skopje gegeben. Der Abzug der Albanerrebellen ist vollzogen. Die EU fordert die Ausdehnung des Waffenstillstandes auf das ganze Land und keine weitere Bewaffnung. Die Situation ist also nicht so dramatisch, wie sie die Landtagskommunisten sehen.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Kommunisten ist ein Unsinnsantrag. Er widerspricht dem Bundesrecht und kann nur mit beißendem Spott bewertet werden. Herr Fikentscher hat den Frieden im Kosovo herbeibomben lassen, und da Frieden im Kosovo eingetreten ist, ist es Pflicht der Kosovo-Albaner, das Gastland zu verlassen und in der Heimat Aufbauhilfe zu leisten.

Deutschland kann nicht die gesamte Welt aufnehmen und der Finanzrahmen ist ausgeschöpft. Eine Kuh kann nur so lange gemolken werden, wie sie im Futter steht. Dem deutschen Arbeitnehmer wird zwischenzeitlich das Futter entzogen. Damit ist es eine Frage der Zeit, wann das Sozialsystem in Deutschland zusammenbricht.

Ich schlage vor, anstelle des kommunistischen PDSAntrages folgenden Antrag zu beschließen:

„Der Landtag fordert alle PDS-Mitglieder auf, Kosovo-Albaner aufzunehmen, sie zu hegen und zu pflegen, Rentenansprüche aus eigenem Vermögen zu sichern und für den Import von Rauschgift zu sorgen.“

Mit diesem Antrag wäre den Interessen der PDS-Kommunisten entsprochen und sie hätten alle Möglichkeiten, wahrhaftige Samariterdienste zu leisten. Soweit dennoch eine Rückführung der Kosovo-Albaner auf der Grundlage des Bundesrechts unumgänglich ist, wird vorgeschlagen, dass bei einer Ausreise der Kosovo-Albaner die PDS-Genossen diese zu begleiten, im Kosovo ihren Wohnsitz zu nehmen und das gemeinsame Vermögen aufzubrauchen haben.

(Herr Dr. Süß, PDS: Setzen Sie sich endlich hin! Das ist nicht zu ertragen! Der ist ja unmöglich, der Mensch!)

Eine Rückführung der Begleitpersonen nach Deutschland wird ausgeschlossen.

Am interessantesten wird es im vierten Absatz Ihres Antrages. Wieso soll denn nur den in den ostdeutschen Ländern lebenden Kosovo-Albanern ein Aufenthaltsrecht eröffnet werden? Wieso wird hier eine Differenzierung zwischen Ost- und Westdeutschland vorgenommen? Aber wahrscheinlich, nein, mit Sicherheit geht es hierbei nur um eine Sicherstellung von potenziellen Wählern.

Daher ist der Unsinnsantrag der Kommunisten abzulehnen. Außerdem ist es Zeit, dass Sie sich um Ihre Opfer kümmern und Ihre eigenen Verbrechen nicht herunterspielen.

(Zustimmung bei der FDVP)

Herr Weich, würden Sie eine Frage von Herrn Siegert beantworten?

Leider nein.

(Herr Dr. Süß, PDS: Das kann der doch nicht!)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Leppinger.