Protokoll der Sitzung vom 29.06.2001

Die Landesregierung hat im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema „Tourismusentwicklung in Sachsen-Anhalt“ ausführlich zu den Komplexen Tourismusstrukturen/Tourismusmarketing, Perspektiven der Tourismuspolitik und Vernetzung von Tourismus- und Standortmarketing Stellung genommen. Damit ist der Weg für die Zukunft der Tourismuspolitik aufgezeigt. Die Landesregierung kann daher das Ziel Ihres Antrages nicht nachvollziehen. Die von Ihnen geforderten Statistiken sind nicht wegweisend für die Tourismuspolitik und unserer Ansicht nach überflüssig.

Die FDVP-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag.

(Unruhe - Herr Rahmig, SPD: Das ist aber scha- de!)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kasten.

(Oh! bei der CDU und bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Man kann im Harz auch mit dem Schiff fah- ren! - Der Abgeordnete hält eine Broschüre hoch)

- Ich weiß nicht, ob die Abgeordnete Frau Kachel auf ihren Redebeitrag verzichtet. Deshalb wäre ich bei der SPD-Fraktion erst einmal vorsichtig.

Jetzt kommt ein entscheidendes Kriterium auf das Papier. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte meine kurze Rede zu Protokoll geben, wenn die Verwaltung die Korrekturen lesen kann.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der PDS, bei der SPD und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Wir haben in Bezug auf die Überweisung folgenden Vorschlag: Da der Tourismus ein Querschnittsthema ist, schlagen wir eine Überweisung in den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Europaangelegenheiten zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Raumordnung und Umwelt sowie in den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr zur Mitberatung vor.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

(Zu Protokoll:)

Die Tourismusentwicklung in einem deutschen Binnenland zu untersuchen, insbesondere rund zehn Jahre nach großen Veränderungen in vielen Bereichen, ist ein interessanter Arbeitsauftrag.

Wenn sich die CDU-Fraktion in ihrem Antrag zu einer Bilanz des Tourismus in Sachsen-Anhalt auf die Tourismusförderung beschränkt, ist das einseitig. Vom Zeitpunkt her könnte man es als Reaktion auf die bisher im Plenum nicht diskutierte Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Tourismusentwicklung in Sachsen-Anhalt in Drs. 3/4497 verstehen. In dieser ist zwar die Rolle der Landesmarketinggesellschaft ausreichend gewürdigt, aber unter anderem Zielgruppen und Effektivität des Mitteleinsatzes deutlich unterbelichtet.

Der CDU-Antrag beachtet des Weiteren nicht, dass Tourismus nicht in Landkreisgrenzen, sondern in Regionen stattfindet. Städtetourismus, Vernetzung oder die Rolle der Tourismusverbände bleiben unbeachtet. Die Einbeziehung von Aspekten der Nachhaltigkeit oder die touristische Bewertung von Großschutzgebieten werden gleichfalls ausgeklammert.

Ebenso nicht existent für die CDU-Fraktion sind Menschen, die trotz Mobilitätsbehinderung oder anderen Einschränkungen Urlaubsangebote nutzen wollen. Die hierbei offenkundige Ausgrenzung von mehr als 10 % der Bevölkerung - hier von der CDU mal wieder nicht mitgedacht - verkennt diesen real existierenden Wachstumsmarkt. Es unterstreicht aber auch die Notwendigkeit des von der PDS-Landtagsfraktion initiierten Antidiskriminierungsgesetzes. Bekanntlich ist der Kuchen im Inlandstourismus schon lange verteilt, nur die Erschließung neuer Marktsegmente kann diese Verteilung mittelfristig verändern.

Dieser Antrag kann, da er das Thema nicht ausreichend erfasst, abgelehnt werden. Das würde allerdings dem Thema nicht gerecht und so gibt es eine Alternative: Wir überweisen diesen Antrag in die zuständigen Ausschüsse und qualifizieren ihn dort nach der Debatte zur Großen Anfrage der SPD zur Tourismusbilanz SachsenAnhalts. Da Tourismus ein Querschnittsthema ist, schlagen wir den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie federführend sowie die Ausschüsse für Umwelt und Raumordnung sowie für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vor.

Das bedeutet, da der Antrag im Wesentlichen eine Ausschussbefassung vorsieht, den Antrag der CDU-Fraktion zu verändern, das heißt, in die Präambel den Ausschuss für Raumordnung und Umwelt und den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr zusätzlich einzufügen. Akzeptiert die CDU-Fraktion diese Änderung?

(Zurufe von der CDU: Ja! - Herr Dr. Daehre, CDU: Der ist im Zug geschrieben!)

- Das ist akzeptiert. Sie akzeptieren, wenn ich Ihre Äußerungen richtig verstehe, auch, dass der Redebeitrag zu Protokoll gegeben wurde.

Die DVU-Fraktion verzichtet ebenfalls auf einen Redebeitrag. Frau Kachel spricht jetzt für die SPD-Fraktion. Jetzt bin ich gespannt.

(Heiterkeit)

Das ist ja fast Erpressung. - Es freut mich, dass die CDU das Wirtschaftsfeld Tourismus fast am Ende der Legislaturperiode endlich entdeckt hat.

(Widerspruch bei der CDU)

Besser spät als gar nicht.

Ein Teil der Fragen, die Bestandteil des Antrages sind, wurde bereits von Ihnen selbst beantwortet, was mich wundert.

Ich gebe natürlich meine Rede auch zu Protokoll, weil man mich anderenfalls vielleicht steinigen würde.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Webel, CDU, und von Frau Dr. Sitte, PDS)

Ich möchte aber darum bitten, das Thema Tourismus, falls es wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden sollte, nicht als Letztes zu behandeln. Dazu ist es viel zu wichtig.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Das lag nicht an uns!)

Wir wollten ursprünglich die Aussprache zur Großen Anfrage auf die Tagesordnung setzen, aber da Frau Budde nicht da ist, haben wir das auf September verschoben. Das ist auch im Ältestenrat bekannt gegeben worden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zustim- mung bei der PDS - Herr Dr. Daehre, CDU: Hauptsache, wir machen alle in Sachsen-Anhalt Urlaub!)

(Zu Protokoll:)

Wer sich mit dem Thema Tourismus befasst, weiß, dass der Tourismus, wie die Dienstleistungswirtschaft insgesamt, zu den wichtigen Wachstumsbranchen in Deutschland gehört. Die zunehmende Freizeit und die hohe Priorität, die Ausgaben für Reisen in privaten Haushalten haben, lassen noch Wachstumspotenziale erwarten.

Aber auch das Reiseverhalten deutscher, insbesondere ostdeutscher Bürgerinnen und Bürger richtet sich tendenziell wieder stärker auf die traditionellen Feriengebiete in den neuen Ländern. Kurztrips, Zweit- und Dritturlaube werden zunehmen. Darüber hinaus wurde eingeschätzt, dass die Zahl der internationalen Ankünfte in Europa zwischen 1995 und 2010 um 57 % zunehmen werden. Der Tourismus im Land Sachsen-Anhalt ist im Aufwind, wie jeder in aktuellen Pressemitteilungen, aber auch auf der Internetseite der LMG lesen kann.

Charles Aznavour hat einmal gesagt, Urlaub ist eine Mehrkampfdisziplin mit dem Nachbarn. Es gibt keine Konkurrenz zwischen Kreisen oder Ländern, sondern zwischen Ferienregionen.

Die Rahmenbedingungen für die Infrastruktur und Tourismusentwicklung zu schaffen, ist Länderangelegenheit. Hierzu hat die Landesregierung ausgiebig auf die Große Anfrage meiner Fraktion geantwortet. Wir haben die Aussprache dazu noch nicht auf die Tagesordnung setzen lassen, da unsere zuständige Ministerin zurzeit in den USA für unser Land wirbt.

Des Weiteren wundert mich der Inhalt des Antrages der CDU, der an eine Kleine Anfrage erinnert, denn fast alle Antworten findet man im Handbuch des Tourismus in LSA, bei der DEHOGA, in den letzten Pressemitteilungen der LMG sowie in der Antwort des MW zu unserer Großen Anfrage. Einen guten Überblick über die bis-herige Entwicklung, auch im Ländervergleich, gibt das Tourismusbarometer, das jährlich auf der ITB veröffentlicht wird und jedem Interessierten zugänglich ist.

Wer aber denkt, dass Tourismuserfolge nur von Förderpolitik sowie von Schwerpunkten abhängen, der hat keine Ahnung, wovon er spricht. Die Tourismuspolitik orientiert sich, ebenso wie die übrige Wirtschaftspolitik, am Grundsatz der unternehmerischen Eigenverantwortung, klugem Marketing und findigen Initiativen.

Fest steht, Fördergelder für die unterschiedlichen Bereiche zielgerichtet zur Verfügung zu stellen, ist die eine Sache. Aber die geförderten Projekte mit Leben zu füllen, sie richtig zu vermarkten, ein Angebotsgeflecht in der Region zu erstellen, denn der Gast kommt nicht in einen Ort, sondern in die Region, ist die andere Seite weit schwieriger.

Wichtig sind die Menschen vor Ort. Sie können mir glauben, ich bin viel in der Angelegenheit Tourismus unterwegs und oft höre ich, man müsse über den Tellerrand hinweg sehen. Aber wenn es konkret wird, hat man Sorge, der Gast könne beim Nachbarn unterschlüpfen und dort sein Geld lassen.

Eine weit verbreitete Meinung ist, das Land müsse alles richten. Für mich steht fest, touristisch interessierte Anbieter, einschließlich Kommunen, müssen verstärkt in die Verantwortung genommen werden.

Vielfältige Konsumgewohnheiten, Lebensstile der Bevölkerung und ein rascher Wandel des Verbraucherverhaltens stellen hohe Anforderungen an die Gestaltung des touristischen Produktes. Das sich verändernde Nachfrageverhalten erfordert eine schnelle und flexible Reaktion der Anbieter, die Entwicklung neuer Marktsegmente sowie eine stärkere Berücksichtigung emotionaler Elemente bei der Angebotsgestaltung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu gestalten bzw. zu erhalten und möglichst zu verbessern. Die Vermarktungsstrategie liegt dann auf einer anderen Ebene.

An drei aktuellen Beispielen will ich erklären, was ich mit Verantwortung vor Ort meine.

Erstens. Auf Initiative der CDU-Landesregierung ist die Straße der Romanik ins Leben gerufen worden - ein gutes Projekt. Aber es kann doch nicht Sache des Landes sein, die Werbeschilder, die auf Sehenswürdigkeiten hinweisen, zu warten bzw. zu erneuern. Das ist zu Beginn verpasst worden.

Zweitens. Die Buga in Magdeburg war 1999 ein voller Erfolg, aber die Stadt hat es bisher kaum verstanden, für einen erneuten Besuch zu werben. 2,5 Millionen Kontakte wurden nicht ausreichend genutzt.

Drittens. Ein Projekt, das zeigt, was man erreichen kann, wenn alle an einem Strang ziehen, ist das Harzfest in Elend, einer 600-Seelen-Gemeinde. Vom Kindergarten bis zur Seniorengruppe haben alle mitgeholfen, das größte Brauchtumsfest vorzubereiten. Ja, die gesamte Region konnte eingebunden werden, einschließlich Nie

dersachsen und Thüringen. Es waren 30 000 Besucher zu verzeichnen.

Gleichzeitig sind solche Feste eine Möglichkeit, sich mit seiner Heimat zu identifizieren. Sie sind ein Aushängeschild für unser Land und tragen zur Verständigung bei.

Wir stimmen der Überweisung zu mit der Bitte, zukünftig dem Tourismus einen angemesseneren Platz auf der Tagesordnung zukommen zu lassen. Tourismus ist eine gute Werbung für unser Land.

Der Beifall beweist, dass auch in Ihrem Fall akzeptiert wird, dass Sie Ihre Rede zu Protokoll geben.

Ich möchte dennoch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Reihenfolge der Behandlung der Anträge nicht von der Wichtigkeit, die eine Fraktion einem Thema zumisst, abhängig gemacht wird, sondern nach