Wir kommen damit zur Abstimmung über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? - Auch das ist nicht der Fall. Dann ist das Gesetz einstimmig so beschlossen.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung tierkörperbeseitigungsrechtlicher und tierseuchenrechtlicher Vorschriften
Das Gesetz wird vom Minister für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt Herrn Keller eingebracht. Es folgt dann eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion. Ich darf zunächst Herrn Minister Keller das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ändert das aus dem Jahre 1991 stammende Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz und enthält darüber hinaus notwendig werdende Folgeänderungen des ebenfalls bereits 1991 erlassenen Gesetzes zum Aufbau der Tierseuchenkasse im Lande Sachsen-Anhalt.
An den bisher allein von den Landkreisen und kreisfreien Städten getragenen Kosten der Beseitigung von Tierkörpern von Vieh sollen sich zukünftig das Land und die Tierseuchenkasse jeweils zu einem Viertel beteiligen. Diese Absicht macht eine Erweiterung des gesetzlichen Auftrages der Tierseuchenkasse erforderlich.
Aus den vollzogenen Verwaltungsreformschritten ergibt sich darüber hinaus die Notwendigkeit behördlicher Zuständigkeitsveränderungen, und schließlich soll eine tierseuchenrechtliche Ermächtigungsnorm geschaffen werden, die die Übertragung der Durchführung der Kennzeichnung und Registrierung von Vieh auf Dritte ermöglicht.
Bundesweit ist nur noch in Sachsen-Anhalt und in Nordrhein-Westfalen die öffentliche Hand allein Kostenträger bei der Beseitigung von Tierkörpern von Vieh. In Sachsen-Anhalt sind dies bisher die Landkreise und die kreisfreien Städte. Bis zum In-Kraft-Treten der zum Schutz des Verbrauchers vor BSE erlassenen Bundesvorschriften im vierten Quartal des Jahres 2000 sind von den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh Defizite in Höhe von ca. 6 Millionen DM jährlich auszugleichen gewesen. Dieses Defizit hat sich aufgrund der Risikomaterialentnahme ab dem 1. Oktober 2000 um ca. 3 Millionen DM jährlich und aufgrund des generellen Verfütterungsverbotes von Tiermehl und Tierfett - durch den Erlösausfall und durch die Verbrennungskosten - um weitere 3 Millionen DM erhöht.
Auch angesichts der betriebswirtschaftlichen Stabilisierung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe im Land ist der Einstieg in das Verursacherprinzip zu rechtfertigen. Darüber hinaus steht auch das Land dazu, sich mit einem Beitrag an den finanziellen Folgen der BSE-Krise zu beteiligen.
Das insgesamt voraussichtlich pro Jahr entstehende Defizit von ca. 12 Millionen DM allein für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh soll nunmehr auf das Land, die Landkreise und kreisfreien Städte sowie auf die Tierseuchenkasse aufgeteilt werden. Die Tierseuchenkasse soll dafür von den Tierhaltern Beiträge erheben. Damit würde konsequenterweise auch auf die Beseitigung von verendetem Vieh das Verursacherprinzip angewendet.
So entstehen für das Land und die Tierseuchenkasse jeweils 3 Millionen DM neue Belastungen. Für die Landkreise und kreisfreien Städte bleibt es bei der Belastung von ca. 6 Millionen DM jährlich.
Kohärent zur vorgenannten Neuregelung der Kostentragungspflichten muss der Auftrag der Tierseuchenkasse um die Aufgabe der Beteiligung an den Beseitigungskosten erweitert werden. Zugleich bedarf es einer Ermächtigungsregelung, dafür Beiträge von den Viehhaltern zu erheben.
Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung der Länder vom 30. September 1998 über die Einrichtung einer zentralen Datenbank zur Registrierung von Rindern hat sich Sachsen-Anhalt verpflichtet, für die Umsetzung der entsprechenden EU-Verordnung Sorge zu tragen. Mit dieser Vereinbarung hat sich Sachsen-Anhalt unter anderem dazu verpflichtet, eine regionale Stelle zu bestimmen, die die sich aus der EU-Verordnung ergebenden Aufgaben im Land erledigt. Dazu bedarf es einer Ermächtigung im Gesetz.
Das Gesetz soll zum 1. Januar 2002 in Kraft treten, um einerseits die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit für die Tierseuchenkasse und andererseits ein möglichst schnelles In-Kraft-Treten der Regelungen zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass der Gesetzentwurf bei den Verbänden nicht gerade Begeisterung ausgelöst hat, da diese gern die bisherige Freistellung der Besitzer von den Kosten der Beseitigung von Tierkörpern von Vieh als Besitzstand der Landwirte in Sachsen-Anhalt erhalten würden. Dies wird vor allem mit der schon jetzt überproportionalen Belastung durch die BSEFolgekosten begründet.
Die kommunalen Spitzenverbände haben dagegen die Gesetzesinitiative begrüßt, fordern aber vom Land die
vollständige Übernahme der Beseitigungskosten für das spezifische Risikomaterial und der erhöhten Aufwendungen aufgrund des Tiermehlverfütterungsverbotes. Ferner wurde von den kommunalen Gebietskörperschaften unter anderem vorgeschlagen, dass das Land und die Tierseuchenkasse Sachsen-Anhalt den Landkreisen und kreisfreien Städten jeweils ein Drittel dieser Kosten erstatten. Die Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh, die wegen belastender Rückstände nicht verwertbar sind, sollten die Besitzer tragen.
Die Tierseuchenkasse als Dritter im Bunde hat vorgeschlagen, die Besitzer von Vieh nach dem Verursacherprinzip direkt mit den Kosten zu belasten und auf deren Antrag die Kosten zu 75 % durch das Land und die Landkreise und kreisfreien Städte zu erstatten, es sei denn, die Beiträge der Tierhalter würden deutlich erhöht.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass wegen der gegensätzlichen Interessenlagen eine uneingeschränkte Zustimmung der Wirtschaftsbeteiligten zu diesem Gesetzentwurf von vornherein nicht zu erwarten war. Die Landesregierung ist aus den von mir dargelegten Gründen der Auffassung, dass der vorliegende Gesetzentwurf der aktuellen Entwicklung, insbesondere im Ergebnis der BSE-Krise, angemessen Rechnung trägt. Ich bitte Sie daher um eine zügige Beratung in den Ausschüssen und letztendlich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat ziemlich lange gedauert, aber jetzt liegt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Tierkörperbeseitigungsrechts vor. Ich verhehle nicht, dass meiner Ansicht nach die Regelung, die wir seit Anfang 1991 haben, nämlich dass die Landkreise und kreisfreien Städte allein die Kostenträger für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh sind, von Anfang an nicht ganz fair war, auch mit Blick auf Regelungen in anderen Bundesländern und in anderen EU-Mitgliedstaaten.
Die neue Regelung kommt aus meiner Sicht mindestens ein Haushaltsjahr zu spät. Denn schon vor einem Jahr war erkennbar, dass sowohl wegen der Regelung zur Beseitigung von spezifiziertem BSE-Risikomaterial als auch wegen der Verbote der Tiermehlverfütterung und des Exports von Tiermehl die Kosten exorbitant steigen werden. Inzwischen wissen wir, dass sich die Kosten nahezu verdoppelt haben.
Insoweit ist ein ganzes Haushaltsjahr verloren. Mit Blick auf die Haushaltskasse des Herrn Finanzministers könnte man auch sagen: Man hat ein Jahr lang die Kommunen bezahlen lassen und das Land war fein heraus.
Nunmehr liegt eine Regelung vor, die aus meiner Sicht immer noch nicht befriedigt. Ich kann mir vorstellen, dass die Landwirte das anders sehen. Aber ich spreche hier ausdrücklich für die kommunalen Gebietskörper
Der Innenausschuss hatte sich im Wege der Selbstbefassung im Dezember vergangenen Jahres und im März dieses Jahres mit diesem Thema schon einmal befasst. Im Dezember ist uns vom Ministerium ganz normal mitgeteilt worden: Jawohl, Sie haben Recht. Wegen der Regelung seit dem 1. Oktober 2000 sind Kostensteigerungen zu erwarten. Wir müssen handeln. Im März hat uns das Ministerium mitgeteilt: Wir handeln jetzt. Wir streben die Drittelregelung an.
Jetzt liegt das Gesetz vor und die Drittelregelung ist nicht enthalten: 50 % bei den Gebietskörperschaften, 25 % bei den Tierhaltern bzw. bei der Tierseuchenkasse und 25 % beim Land.
Auf die gegensätzlichen Forderungen hat Herr Minister Keller eben hingewiesen. Dazu brauche ich nichts zu sagen. Den Dissens kenne ich. Ich kann ihn aus dem Blickwinkel der einzelnen Beteiligten auch verstehen.
Wir müssen das Gesetz zügig beraten, damit wenigstens ab dem Jahr 2002 eine vernünftige Regelung gelten kann. Die Beratungen in den Ausschüssen werden spannend sein, nämlich im Hinblick auf die Frage, ob die Interessenquoten, wie sie hier geregelt sind, sachgerecht sind oder nicht. Ich kann jedenfalls zusagen, dass wir uns im Innenausschuss - und zwar federführend - bemühen werden, zügig zu beraten.
Stimmen Sie mir zu, Herr Jeziorsky, dass das jetzt noch gültige Gesetz von der Landesregierung eingebracht bzw. von der Fraktion beschlossen worden ist, zu der Sie auch gehören?
Herr Rehhahn, damit habe ich überhaupt kein Problem. Deshalb bleibe ich dabei: Von Anfang an war das nicht ausgewogen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Minister Keller eine umfangreiche Einführung in die geplanten tierkörperbeseitigungsrechtlichen und tierseuchenrechtlichen Änderungen gegeben hat, möchte ich mich in meinem Redebeitrag auf einige Detailfragen bzw. -überlegungen beschränken.
Im Wesentlichen geht es um die zukünftige Gestaltung der Finanzierung der Tierkörperbeseitigung. Schaut man
über die Landesgrenzen hinweg - der Minister hat es auch schon getan -, so gibt es dort eine große Bandbreite bei der Kostenverteilung. So wird nur in den Bundesländern Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen die Tierkörperbeseitigung vollständig nach dem Gemeinlastprinzip geregelt.
Auch wenn einige Kommunalpolitiker das anders sehen, so ist nach meiner Auffassung die Frage, ob die Landkreise oder das Land die Kosten trägt, erst einmal sekundär. Primär stellt sich doch die Frage, ob die Tierkörperbeseitigung nach dem Gemeinlast- oder nach dem Verursacherprinzip geregelt werden soll. Diese Frage ist meiner Auffassung nach nicht unabhängig von den gegebenen Rahmenbedingungen zu sehen.
Da wir heute den Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2002 auf der Tagesordnung hatten, möchte ich nur darauf verweisen, dass die Sparzwänge eine Nichtausschöpfung der Bundesmittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund komme ich selbst als Landwirtschaftslobbyist nicht umhin, über die Notwendigkeit der Einführung des Verursacherprinzips nachzudenken. Dabei sollte aber im Vordergrund stehen, welche Kosten vom Tierhalter beeinflussbar sind und welche nicht. Leider gibt es auf diese Frage keine konkrete Antwort, da jeder Fall einzeln zu betrachten wäre.
Bedenklich erscheint mir jedoch, dass gerade im Seuchenfall die Landkreise aus der Verantwortung genommen werden, wodurch sich die Kostenübernahme der öffentlichen Hand halbiert. Andererseits erscheint mir die Überlegung, was man im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe mit zusätzlichen Geldern vom Bund zielgerichtet auf tierhaltende Betriebe anfangen könnte, durchaus diskussionswürdig. Für 2002 sind diesbezüglich die Messen aber gesungen; denn es bedarf einer nicht zu unterschätzenden Vorlaufzeit, um akzeptable Lösungen zu finden.
Festhalten möchte ich aber, dass wir, wenn wir in Zukunft Politik gestalten wollen, knappe Ressourcen zielgerichteter einsetzen und politische Verlässlichkeit garantieren müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend bleibt festzustellen, dass der eingebrachte Gesetzentwurf einen Kompromiss zwischen ökonomischen Zwängen und dem kurzfristig politisch Machbaren darstellt.