Protokoll der Sitzung vom 13.09.2001

Dass es auch Professoren und Professorenverbände gibt, die dies mit äußerster Skepsis sehen, ist doch gar nicht verwunderlich. Es ist doch eine außerordentlich komfortable Situation, dass die Wissenschaftlerqualifizierung derzeit bis an das 40. Lebensjahr heran oder darüber hinaus in Abhängigkeit von dem einzelnen Lehrstuhl gestaltet wird.

Wenn wir diesbezüglich einen Systemumstieg wollen, dann erfordert das in der Tat auch eine Umgewöhnung in der Mentalität bei den Professoren und die Akzeptanz neuer Schritte.

Wenn Sie sagen, dieser neue Weg wäre nicht wettbewerbsfähig, dann sage ich Ihnen, ich glaube schon, dass dies wettbewerbsfähig ist. Sie müssen nur an dieser Stelle deutlich die Kumulation von Anforderungen ausschließen. Diesbezüglich besteht die Sorge, und

diese wird in der Tat von vielen Kolleginnen und Kollegen geteilt.

Andererseits sehen wir das Problem, dass das derzeitige System, das auf der Habilitation aufbaut, in verschiedenen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig ist und auch an vielen Stellen durchbrochen wird. Wir haben ein durchaus inkonsistentes System. Umfragen belegen, dass nicht weniger als 50 % aller Postdoktoranden in Deutschland mit den Möglichkeiten, eigene Ideen zu verwirklichen und in der Forschung kreativ tätig zu werden, nicht zufrieden sind.

Der Abstand zwischen der Selbständigkeit des Hochschullehrers und der Abhängigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses ist in unserem Lande zu groß und führt zu einem anderen bemerkenswerten Problem. Diejenigen, die in der Wissenschaftslandschaft nicht den Weg in die Professur finden - dieses sind gerade in den Kulturwissenschaften Größenordnungen -, werden dann in einem hohen Alter erstmalig der Situation des Arbeitsmarktes ausgesetzt. Möglicherweise führt das auch zu einem beruflichen Desaster, das wir an einigen Stellen kennen lernen und, so denke ich, mit Bedauern zur Kenntnis nehmen.

Die lange Habilitationsphase mindert gerade in kreativen Bereichen die Attraktivität des Hochschullehrerberufs außerordentlich und verhindert auch den Wechsel zwischen Hochschule und Wirtschaft, der an dieser Stelle erleichtert werden soll.

Die Habilitation wird für einen Übergangszeitraum weiterhin ermöglicht werden. Begonnene Habilitationen werden in Ruhe abgeschlossen werden können, aber dann soll die Juniorprofessur Regelerfordernis werden. Ich halte aber auch die Frage für klärungsbedürftig - die Diskussion hierüber muss fortgesetzt werden -, ob man hier mit einem Verbot arbeiten muss oder ob nicht andere Formulierungen hilfreicher sein könnten.

Die Reform der Professorenbesoldung ist von drei Kernelementen gekennzeichnet.

Erstens wird es zukünftig nur noch zwei Ämter, nämlich W 2 und W 3, mit festem Gehaltsbestandteil als Ausgangsbetrag und variablen und befristeten bzw. unbefristeten Leistungsbezügen für Professoren an Fachhochschulen und Universitäten geben.

Zweitens wird es möglich sein, die bisherige Obergrenze in der Besoldung, die C4-Professur, auf maximal B 10, also vergleichbar der Beamtenbesoldung, in besonderen Fällen zu überschreiten.

Drittens ist im bisherigen Gesetzgebungsverfahren auch ein Vergaberahmen eingeführt worden. Ich teile die Kritik daran völlig. Dieser Vergaberahmen ist eine der Schwachstellen des Gesetzgebungsverfahrens. Ich habe das auch gemeinsam mit anderen Ländervertretern an verschiedenen Stellen erwähnt.

Unter „Vergaberahmen“ ist zu verstehen, dass der jeweilige Rahmen der Besoldung für Professuren innerhalb des Folgejahres jeweils um 2 % überschritten werden kann; ich kann das hier nur grob skizzieren.

Ihre Vermutung, dass die Problematik der Besoldung in Ost und West damit zusammenhängt, ist falsch. Tarifsteigerungen und damit auch Ost-West-Anpassungen sind hiervon unbenommen, werden also im Gesetzentwurf der Bundesregierung getrennt davon geregelt.

Aber es gibt ein anderes Problem. Diese 2 % stellen natürlich für Länder mit besserem finanziellen Rahmen

einen Erweiterungsspielraum dar, der Länder im Osten Deutschlands und damit auch Sachsen-Anhalt unter einen erheblichen Druck bringen kann und uns vor dem Hintergrund der im Westen zu erwartenden großen Pensionierungswellen erhebliche Konkurrenznachteile bringen kann. Hinsichtlich dieses Punktes unterscheiden sich unsere Auffassungen von denen Bayerns und Nordrhein-Westfalens, um zwei idealtypische große Länder herauszugreifen. An diesem Punkt müssen wir von unserer Seite nachbessern.

Die individuelle Leistungsbewertung muss notwendigerweise bei den Hochschulen selbst liegen, die hierfür im Rahmen von Globalhaushalten die Möglichkeit der Steuerung haben müssen.

Insgesamt sehe ich in einer stärker leistungsorientierten Besoldung einen wesentlichen Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Herr Dr. Bergner, Sie haben gesagt, keine andere Beamtengruppe wird so sehr evaluiert und auf Leistung hin untersucht wie die Professoren. Das ist richtig - bis zur Ernennung; dann ist Schluss damit. Das ist genau das Problem, das an dieser Stelle angepackt werden soll. Sie haben Recht: Es gibt keine Beamtengruppe, die so stark Leistungskriterien unterliegt; aber sobald der Professor seine Urkunde hat, ist die Sache erledigt.

Herr Minister, Sie sind sehr klug, dass Sie Ihr Papier auf die Lampe gelegt haben. Ich erinnere Sie deshalb an die Redezeit.

(Heiterkeit)

Ich dachte, Sie könnten mir nicht durch den Rücken schauen, aber Sie haben es gemerkt. Ich komme damit auch zum Ende.

Die wesentlichen zu diskutierenden Punkte liegen offen auf dem Tisch. Es gibt eine Reihe von offenen Fragen, bei denen wir übereinstimmend der Meinung sind, dass wir uns darauf konzentrieren müssen. Aber die grundsätzliche Zustimmung seitens der Landesregierung zu diesem Reformvorhaben habe ich wohl deutlich gemacht. Wir kommen im Hochschulrecht damit einen großen Schritt voran. - Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke, Herr Minister, für Ihre Einsicht. - Meine Damen und Herren! Es spricht jetzt für die PDS-Fraktion die Abgeordnete Frau Dr. Sitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass sich die Debatte ebenso wie der Antrag selbst, wenngleich Sie es nur als „insbesondere“ bezeichnet haben, zu sehr auf die Problematik der Professoren einengt und damit der Komplexität der Materie nicht gerecht wird.

Das Gesetzgebungspaket der Bundesregierung weist aus unserer Sicht sehr wohl in die richtige Richtung, denn es bringt tatsächlich Bewegung in ein ziemlich

erstarrtes System. Es weist auch ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den Forderungen der Gewerkschaften und den Reformkonzepten der PDS auf. Zugleich - das nun wiederum ist bedauerlich - weist die Reform weniger Konsequenz auf und betrachtet sich mit ihren Lösungsansätzen durchaus nicht als umfassend. Das Vorhaben verzichtet beispielsweise auf eine explizite Abschaffung der Habilitation.

So besteht die Gefahr, dass an den Universitäten von Juniorprofessoren und -professorinnen weiterhin stillschweigend erwartet wird, dass sie sich habilitieren. Zwar sind keine Altersgrenzen für Juniorprofessoren enthalten, aber es wird verlangt, dass deren vorausgegangene Promotions- und Beschäftigungsphase zusammen nicht mehr als sechs bzw. neun Jahre in der Medizin umfasst.

Juniorprofessoren und -professorinnen werden weiterhin als Zeitbeamte beschäftigt. Die Begründung eines Angestelltenverhältnisses ist zwar ebenfalls möglich; aber rechtssystematisch - so ist das von vielen kritisiert worden - erscheint diese Möglichkeit eher als Ausnahmefall. Für den Wechsel von der Juniorprofessur auf Professorenstellen oder Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen im Anschluss an eine Juniorprofessur ist überhaupt keine geordnete Laufbahn konzipiert.

Die Einführung der Juniorprofessur bedarf eines Sonderprogramms zur Bewältigung der Personalkosten. Der Bund will in den Jahren 2002 bis 2005 dafür 180 Millionen Euro bereitstellen. Das klingt nach einer Menge Geld, aber dieser Betrag wiederum soll für für Forschungszwecke benötigte Sachausstattungen der Professuren bereitgestellt werden.

Die Personalkosten sind also offensichtlich entweder von den Hochschulen selbst oder eben von den Ländern zu tragen; deshalb greift dieses Reformvorhaben sehr wohl in unsere Hoheit ein. Allerdings sind diese Mittel aktuell für Assistentinnen und Assistenten sowie für Dozenten gebunden und damit blockiert. Es gibt also im Grunde genommen gar keinen Raum für Juniorprofessuren.

Bleibt es bei der gegenwärtig geplanten Anschubfinanzierung der Bundesregierung, besteht daher eben die Gefahr eines Modellversuchs auf Dauer.

Die PDS begrüßt grundsätzlich das Anliegen einer Stärkung der Leistungsorientierung des wissenschaftlichen Personals - das ist der zweite große Bereich -, aber die Bundesregierung hält in diesem Zusammenhang eben doch am Beamtenstatus und damit an einer einseitigen staatlichen Regulierung der Vergütungsstrukturen fest, statt endlich die Ausgestaltung den Tarifpartnern zu überlassen.

Die Reform der Professorenbesoldung leidet unter dem Verdikt - Herr Dr. Bergner hatte das ausgeführt - der Kostenneutralität und dem gleich bleibenden Vergaberahmen. Zudem beschränkt sich die Reform ausschließlich auf Professoren und Professorinnen. Die anderen Beschäftigten, insbesondere jene, die die Hauptlast der Lehr- und Forschungsaufgaben tragen, bleiben außen vor.

Die Regelung der Kriterien, Verfahren und Entscheidungszuständigkeiten bei der Vergabe variabler Einkommensbestandteile bleibt nun wiederum den Ländern überlassen. Es ist daher weitergehend zu befürchten, dass finanzschwache Bundesländer im Wettbewerb um

renommierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen benachteiligt werden.

In den Gesetzentwürfen werden zwar Fachhochschulen und Universitäten formal gleichgestellt, aber das Festhalten an zwei Ämtern für Professorinnen und Professoren mit unterschiedlichen Grundgehältern, also W 2 und W 3, wird unter den gegenwärtigen Bedingungen die Ungleichbehandlung der Hochschularten reproduzieren. Wir haben daher eine einheitliche Grundvergütung für alle Professorinnen und Professoren gefordert.

Ich komme zum letzten Komplex. An der Regelung der Befristung von Arbeitsverträgen ist zu kritisieren, dass die Bundesregierung nach wie vor das Grundrecht der Tarifautonomie im Wissenschaftsbereich missachtet. Es bleibt bei einer einseitigen staatlichen Festsetzung. Das von den Gewerkschaften geforderte Modell der Funktions- und Qualifikationsstellen wird leider nicht aufgegriffen.

Wenn die Bundesregierung meint, eine zukunftsfähige Dienstrechtsreform einzuführen, so muss unbedingt die Differenzierung in der Besoldung der Professoren, der wissenschaftlichen Mitarbeiter und des Personals in wissenschaftlichen Institutionen nach alten und neuen Bundesländern fallen, da es für diese Unterschiede nach elf Jahren überhaupt keine Begründung mehr gibt.

Nicht zuletzt - das will ich ausdrücklich anfügen - wäre die ursprünglich zugesagte Festschreibung der Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums im Hochschulrahmengesetz unverzichtbar gewesen. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Ernst, SPD)

Das lobe ich mir: Der Redebeitrag war auf die Sekunde genau zu Ende. - Die DVU-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Ernst.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Bergner, ich teile Ihre Befürchtungen. Was die Besoldung angeht, glaube ich tatsächlich, dass es zu einer Benachteiligung der Hochschulen in den Ostländern kommen könnte. Die anderen Befürchtungen teile ich nicht. Ansonsten, denke ich, ist alles Wichtige gesagt worden. Über den Rest können wir tatsächlich im Ausschuss beraten. Wir stimmen einer Direktabstimmung zu.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Dr. Bergner verzichtet auf einen Redebeitrag. Das wird von den Kolleginnen und Kollegen dankend angenommen.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen über den Antrag in der Drs. 3/4870 ab. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Enthaltungen? - Das sehe ich ebenfalls nicht. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen. Wir haben den Tagesordnungspunk 15 beendet.

Ich rufe als letzten Tagesordnungspunkt für heute den Tagesordnungspunkt 16 auf.

(Zuruf von der SPD)

- Wollen Sie noch mehr? Das kommt auf Sie an.