Protokoll der Sitzung vom 13.09.2001

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Sparkassen und Landesbanken - bald private Kreditinstitute

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/4878

Der Antrag wird durch den Abgeordneten Herrn Professor Dr. Trepte eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem Antrag sollte eigentlich hinter der Überschrift „Sparkassen und Landesbanken - bald private Kreditinstitute“ ein Fragezeichen stehen; denn der Weg der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute ist nach der EU-Entscheidung durchaus offen.

Nach der Entscheidung der EU-Wettbewerbskommission, die Gewährträgerhaftung für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aufzuheben und die Anstaltslast entscheidend einzuschränken, ist der Weg dieser Institute in die Zukunft weitgehend offen. Mit der Entscheidung konnte eigentlich gerechnet werden. Die De-factoPleite der Berliner Bankgesellschaft hat die Entscheidung wesentlich beschleunigt, wenn nicht gar stark beeinflusst.

In der Begründung zu dem Antrag ist das Wesentliche gesagt. So kann ich mich recht kurz fassen.

Meine Damen und Herren! Bisher haften die Länder und die Kommunen als Eigentümer für die Einlagen bei den Landesbanken und Sparkassen. Außerdem sind die Träger bzw. die Eigentümer verpflichtet, finanzielle Lücken der Kreditinstitute zu stopfen. Letzteres soll nunmehr den Beihilfebestimmungen des EU-Vertrages unterliegen und wird damit wesentlich eingeschränkt.

Eine Übergangsfrist von vier Jahren ist gewährleistet. Ab dem 18. Juni 2005 gelten die neuen Regelungen. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der EU-Entscheidung zeigen sich die Auflösungsabsichten des bisher einheitlichen deutschen Sparkassensystems, zurzeit noch bestehend aus knapp 550 Sparkassen.

Wenn die Grundlagen der öffentlichen Kreditwirtschaft beseitigt werden, besteht die Gefahr, dass ohne die Rückendeckung der öffentlichen Hand viele der Sparkassen selbständig nicht werden überleben können. Vonseiten der Frankfurter Sparkasse beispielsweise wurde bekannt, dass die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ins Auge gefasst wird. Weitere Rechtsformen, wie Genossenschaften oder Stiftungen, werden erwogen.

Damit steht aus der Sicht der PDS-Fraktion eine der grundsätzlichen Aufgaben des öffentlichen Kreditwesens infrage, nämlich der öffentliche Auftrag der Sparkassen, der in unserem Land in § 2 des Sparkassengesetzes festgeschrieben ist. Dieser öffentliche Auftrag verpflichtet die Sparkassen, die Bevölkerung, die Privatkunden, und insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen in der Fläche - ich betone: in der Fläche - mit Finanzdienstleistungen zu versorgen.

Nachdem sich die Privatbanken nunmehr sowohl aus der Fläche als auch aus dem Privatkundengeschäft so

wie aus der Versorgung des Mittelstandes mit Dienstleistungen zunehmend zurückziehen, ist das Festhalten an diesem öffentlichen Auftrag nach unserer Meinung besonders bedeutungsvoll. Ohne die Rückendeckung der öffentlichen Hand sind die Sparkassen dem Wettbewerbsdruck der Privatbanken vollständig ausgesetzt. Verdünnungen im Filialnetz, Rückzug aus der Fläche, Ausgrenzung der Klein- und Privatkunden und der kleinen Unternehmen sowie massiver Arbeitsplatzabbau werden mögliche Folgen sein.

Um dies zu verhindern, meine Damen und Herren, und um mögliche Gegenstrategien zu entwickeln, wurde der Antrag der PDS-Fraktion notwendig. Deshalb soll der Herr Minister im Finanzausschuss berichten und deshalb soll der Gegenstand in diesem Ausschuss beraten werden. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke, Herr Professor Dr. Trepte, für die Einbringung. - Die vereinbarte Fünfminutendebatte verläuft in der Reihenfolge FDVP, CDU, DVU, SPD, PDS. Zunächst erteile ich für die Landesregierung Minister Herrn Gerhards das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist nicht das erste Mal und nicht das letzte Mal, dass wir über die Veränderung der Sparkassenlandschaft reden vor dem Hintergrund der Beschlüsse der Brüsseler EUKommission und der Kompromisse, die dort gefunden worden sind.

Die zentrale Grundlage der Sparkassen waren bislang die Gewährträgerhaftung, das heißt die Sicherung der Einlagen, und die Anstaltslast, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Sparkassen. Dieses Haftungssystem betrachtet die Europäische Kommission als eine mit dem EG-Vertrag nicht vereinbare Beihilfe. Die Länder haben sich hingegen sowohl in der Koch-Weser-Arbeitsgruppe als auch im Bundesrat für die Interessen der Sparkassen stark gemacht. Der weitgehende Wegfall beider Rechtsinstitute war jedoch nicht zu verhindern.

Am 17. Juli 2001 ist deshalb mit dem EU-Kommissar Monti ein Kompromiss vereinbart worden. Im Wesentlichen wurde Folgendes festgelegt: Die Gewährträgerhaftung wird abgeschafft und die Anstaltslast wird durch eine marktwirtschaftliche Eigentümerbeziehung ersetzt. Jegliche Verpflichtung und jeglicher Automatismus zur wirtschaftlichen Unterstützung des Instituts durch seine Träger wird ausgeschlossen.

Des Weiteren ist eine Übergangszeit mit differenzierenden Folgeregelungen vorgesehen, die weniger für die Sparkassen, sondern eher für die Landesbanken von Bedeutung sein werden.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband hat in Aussicht gestellt, bis Ende September bzw. Anfang Oktober umsetzbare Vorschläge zur erforderlichen Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens vorzulegen. Die Erörterung von Vorschlägen des DSGV in der Koch-Weser-Arbeitsgruppe am 27. August dieses Jahres, an der ich teilgenommen habe, hat deutlich werden lassen, dass umsetzbare Vorschläge für alle Sparkassengesetze der Länder noch erhebliche Zeit benötigen.

Ich spreche von allen Sparkassengesetzen, weil wir vereinbart haben, dass in den weiteren Bund-LänderGesprächen sowie in Gesprächen gemeinsam mit der Sparkassenorganisation möglichst bundeseinheitliche Regelungen getroffen werden, damit wir gegenüber der Brüsseler Kommission deutlich machen können, dass es auch künftig für die öffentlichen Sparkasseninstitute einen gemeinsamen Kernbestand an Rechtsregelungen geben wird.

Vor allem die Rechtsform der Sparkassen und die daran anknüpfende Ausgestaltung wird in einigen Ländern unterschiedlich betrachtet. Insbesondere bei den Großsparkassen besteht ein Interesse an einer Privatisierung. Es ist aber deutlich geworden, dass alle, jedenfalls die in der Koch-Weser-Arbeitsgruppe vertretenen Länder, an der öffentlich-rechtlichen Rechtsform von Sparkassen festhalten wollen. Das ist die Grundlage für die Aufrechterhaltung der heutigen Sparkassenstruktur. Ich sage aber ausdrücklich, ich bin nicht sicher, dass das in kurzer Zeit bundeseinheitlich wird erreicht werden können.

Ein Beschluss des Landtages noch in dieser Legislaturperiode zur Anpassung des Sparkassengesetzes an die Monti-Vereinbarung könnte aus den genannten Gründen schwierig werden, weil keineswegs bundeseinheitlich Klarheit über allgemein festzulegende Punkte besteht.

Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf zur Änderung des Sparkassengesetzes, den wir in der letzten Sitzungsperiode besprochen haben, wird von der Vereinbarung mit dem EU-Kommissar Monti nicht berührt und sollte daher ohne die EU-rechtlich notwendigen Regelungen abschließend beraten werden.

Die EU-rechtliche Anpassung muss im Rahmen einer separaten Novellierung umgesetzt werden. Aus den genannten Gründen glaube ich, dass uns dies erst in der neuen Legislaturperiode gelingen wird. Dann muss es allerdings sehr schnell gehen.

Die Landesregierung stellt die öffentliche Rechtsform der Sparkassen in Sachsen-Anhalt nicht infrage und beabsichtigt keine Privatisierung. Es muss sichergestellt werden, dass der Träger der Sparkasse ein Interesse am Bestand der Sparkasse und somit an der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung hat. Daher müssen nach der Abschaffung der Gewährträgerhaftung und nach der Modifizierung der Anstaltslast neue Formen der Bindung von Träger und Anstalt gefunden werden. Ob dazu die bisher vorliegenden Vorschläge des DSGV ausreichen, wird in weiteren Gesprächen noch zu klären sein.

In diesem Zusammenhang ist auch der Vorschlag des DSGV zur Ausgestaltung des öffentlichen Auftrages und seine Übertragbarkeit auf die individuell gewachsenen Sparkassenstrukturen in den Ländern zu prüfen. Die Formulierung des öffentlichen Auftrags im Sparkassengesetz unseres Landes kommt dem Vorschlag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes weitestgehend entgegen.

Unser Sparkassengesetz enthält bereits heute einen besseren Ausgleich zwischen den kommunalen Interessen und den kreditwirtschaftlichen Erfordernissen der Sparkasse. Das liegt daran, dass wir ein relativ neues, junges Sparkassengesetz haben, in dem die Forderungen des DSGV schon weitgehend umgesetzt sind. Es gibt alte Sparkassengesetze in westdeutschen Ländern, in denen das alles noch fehlt. Deshalb tun sich die Länder zum Teil sehr schwer damit, dies zu übernehmen.

Es sollte allerdings nicht übersehen werden, dass zwischen den Ländern ein breiter Konsens besteht, dass die Formulierungsvorschläge zum öffentlichen Auftrag nicht zwingend mit der EU-rechtlich notwendigen Anpassung zu verbinden sind. Ich sage es noch einmal: Wir könnten damit leben. Wir haben nämlich das Wesentliche in unserem Gesetz bereits formuliert.

Die Sparkassen in Sachsen-Anhalt und die Genossenschaftsbanken stehen unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck, der sich auch bei den Genossenschaftsbanken in einer spürbaren Verschlechterung der Ertragslage niederschlägt. Wir werden prüfen müssen, ob und wie eine Zusammenarbeit der Sparkassen und Genossenschaftsbanken über die heutigen Formen hinaus möglich ist und ob wir dazu noch rechtliche Regelungen schaffen müssen. Die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Sparkassen wird hierbei jedoch von der Landesregierung nicht infrage gestellt.

Die Neuausrichtung der Sparkassen und Landesbanken wird uns alle in den nächsten Jahren in erheblichem Umfang beschäftigen. Das Land wird diesen Prozess sowohl in konzeptioneller Hinsicht als auch bei der Umsetzung unterstützen und begleiten. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Die FDVP-Fraktion wird ihren Redebeitrag nicht halten. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Scharf.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einigung zwischen dem EU- und Wettbewerbskommissar Mario Monti und der Koch-Weser-Kommission vom 17. Juli 2001 hat uns schon ein wenig überrascht. Ich hatte erwartet, dass mehr herauszuverhandeln gewesen wäre.

Wie dem auch sei, man hat sich darauf verständigt, dass man die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung nach der herkömmlichen Rechtsform im Wesentlichen beseitigt und in ein neues Rechtssystem einpasst. Das wird die neue Handlungsgrundlage sein, nach der wir uns zu richten haben. Sich darüber weiter zu beschweren und zu jammern, wird uns nicht viel nützen. Ich wollte nur zum Anfang sagen: Ich finde es schade, dass wir diesen Weg gehen müssen.

Auf alle Fälle müssen wir aber aufpassen, dass wir den öffentlich-rechtlichen Charakter der Kreditinstitute und der Sparkassen aufrechterhalten, weil nach meiner Auffassung hier ganz existenzielle Elemente der deutschen Kreditwirtschaft auf dem Spiel stehen, die es unbedingt zu erhalten gilt.

Man soll nicht denken, wenn der öffentlich-rechtlich Charakter der Sparkassen in Deutschland aufgehoben würde, würde das nicht in erheblichem Maße die Kundenlandschaft sowohl für den einzelnen Verbraucher, für den Privatkunden, als auch für die kleinen und mittleren Betriebe negativ verändern. Es ist schon jetzt in vielen Bereichen auch in Sachsen-Anhalt die Tatsache festzustellen, dass die eigentlichen regionalen Wirtschaftsförderer vor Ort die Sparkassen sind.

Viele Privatbanken haben sich aus vielen Geschäftsfeldern zurückgezogen. Ich muss sagen: Ich finde das unanständig. Es nützt aber gar nichts, wenn ich das hier sage. Es hilft nur, zu versuchen, Strukturen aufrecht

zuerhalten, mit denen man in gewisser Weise einen Riegel vorschieben kann.

Um deutlich zu machen, was auf dem Spiel steht, möchte ich kurz aus einem Bericht zitieren. Dabei handelt es sich um die Stellungnahme des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Nun kann man sagen: Die sind parteiisch in dieser Frage. Aber ich glaube, die Situationsbeschreibung ist schon richtig. Und zwar geht es darum, wie die Entwicklung in Großbritannien verlaufen ist. Ich zitiere:

„Die Bedeutung eines intensiven kreditwirtschaftlichen Wettbewerbs sowie die Notwendigkeit von Kreditinstituten mit Aufgaben- und Gemeinwohlorientierung zeigen Entwicklungen auf dem ausschließlich von privaten Geschäftsbanken dominierten britischen Bankenmarkt wie folgt:

Nach einer aktuellen Untersuchung im Auftrag der britischen Regierung sind etwa drei Millionen Briten sowie weite Teile des gewerblichen Mittelstandes nicht oder nur unzureichend kreditwirtschaftlich versorgt. Rund drei Millionen erwachsene Briten leben ohne feste Kontenverbindung.“

Ich sage: Wer kein Konto hat, ist im wirtschaftlichen Verkehr ein Nichts, ein Niemand. Das geht nicht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass wir es zulassen würden, dass in Deutschland Menschen ohne Konto zu leben gezwungen wären.

(Unruhe bei der PDS - Zurufe von der CDU und von der PDS)

- Ich möchte es deutlich sagen: Die Privatbanken müssen keine Kunden annehmen. Die Sparkassen sind die Letzten, die dazu gezwungen werden können, dass man bei ihnen ein Konto eröffnen kann. Man kann nicht einmal mehr die Miete vernünftig bezahlen und man kann keinen vernünftigen Zahlungsverkehr machen, wenn man nicht mehr bankfähig ist und kein Konto eröffnen kann.

Das heißt, wir haben hier ganz elementare Versorgungsaufgaben, die wir aufrechterhalten müssen. Ich bin der Auffassung, dies wird nur gelingen, wenn wir eine rechtssichere Form der Sparkassen organisieren, die dieses auf Dauer garantiert. Das ist Daseinsvorsorge pur. Deshalb haben wir hier wirklich eine Aufgabe, die wir umsetzen müssen.

Im Übrigen wird moniert, dass in Großbritannien offensichtlich eine deutliche Überteuerung von Finanzdienstleistungen für Privatpersonen und für kleine und mittlere Unternehmen eingetreten ist und nicht die große Verbilligung und dass sich insgesamt der Umgang mit den Kundengruppen nicht verbessert hat, dass sogar eine Unterversorgung eingetreten ist.

Also, kurz und gut, wir fordern die Landesregierung auf, alles daranzusetzen, dass die Arbeitsgruppen, die eingesetzt worden sind, möglichst bald entsprechende Vorschläge machen, sodass wir zügig an die Novellierung des Sparkassengesetzes herangehen können, so wie es nun einmal die Einigung mit Kommissar Monti erfordert. Darum kommen wir nicht herum.

Wir müssen sicherstellen, dass wir den öffentlichrechtlichen Auftrag der Sparkassen und den Sicherstellungsauftrag, den sie in Sachsen-Anhalt haben, ohne Abstriche erhalten. Die Sparkassen selbst haben die Hoffnung, dieses hinzubekommen. Wir warten auf die Vorschläge.