Protokoll der Sitzung vom 12.10.2001

nen Jahren gute Erfahrungen gemacht haben, werden Aufgaben und Befugnisse der oder des auf Landesebene tätigen Behindertenbeauftragten verbindlich von Gesetzes wegen festgeschrieben.

Darüber hinaus werden der Runde Tisch für behinderte Menschen und der Behindertenbeirat ihre erfolgreiche Arbeit künftig auf einer gesetzlichen Grundlage fortsetzen können. Das bringt nicht nur ihren hohen Stellenwert zum Ausdruck, sondern unterstreicht auch ihre Funktion als beratende Gremien der Landesregierung in allen Angelegenheiten, welche für die Belange behinderter Menschen von Bedeutung sind. Das sind nahezu alle Belange.

Die Bestellung von hauptamtlichen kommunalen Behindertenbeauftragten in den Landkreisen und in den kreisfreien Städten soll ab 2005 bzw. nach dem Abschluss der Kreisgebietsreform verbindlich sein.

Für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf stehen integrative Schulformen und Angebote im Vordergrund. Das gilt auch für den Einsatz und die Vermittlung der Gebärdensprache, die analog zur deutschen Lautsprache von Gehörlosen, von Hörbehinderten und Stummen jetzt gegenüber allen öffent- lichen Stellen rechtmäßig genutzt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Fassung ist meiner Ansicht nach ein gelungener Kompromiss und stellt einen Quantensprung in der Behindertenpolitik in unserem Land dar. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen Abgeordneten, die sehr engagiert in den Ausschüssen über die Vorlagen beraten haben und zu diesem Ergebnis gekommen sind. Ich bedanke mich bei allen Verbänden, die sich ebenso engagiert in die Diskussion eingebracht haben.

Ich hoffe, dass wir jetzt gemeinsam sehr konstruktiv an der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes in Sachsen-Anhalt arbeiten können. Daher bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS und von Minister Herrn Dr. Heyer)

Danke schön, Frau Ministerin. - Für die PDS-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Eckert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Besucherinnen und Besucher, die extra wegen der Beratung des Gesetzes heute in unseren Landtag gekommen sind.

(Frau Stange, CDU: Frau Präsidentin, da müssen Sie mal einschreiten! Das machen Sie doch sonst auch immer! - Zurufe von der PDS)

- Entschuldigung. - Ich freue mich, die Rede für die PDSFraktion halten zu dürfen. Ministerin Frau Dr. Kuppe sprach von einem beispielgebenden Signal aus Sachsen-Anhalt für den Bund und für andere Bundesländer auf dem Gebiet der Behindertenpolitik.

Die PDS-Fraktion hat an diesem Gesetz nicht nur mitgewirkt, sie hat es initiiert und maßgeblich die Inhalte des Gleichstellungsgesetzes bestimmt.

(Zustimmung von Frau Tiedge, PDS)

Mit der Hilfe der Behindertenverbände gelang es uns, anfängliche Hemmnisse in der Landesregierung und

auch in Teilen der SPD-Fraktion zu überwinden und Bedenken auszuräumen.

Heute setzen wir mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs einen vorläufigen Endpunkt, der allerdings zugleich ein neuer Ausgangspunkt für unser Ringen um die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben sein wird.

Meine Damen und Herren! Beinahe auf den Tag genau vor zehn Jahren, im Oktober 1991, habe ich am Düsseldorfer Appell mitgewirkt, am Appell der Behindertenverbände. In diesem Appell wurde zu einer Ergänzung des Grundgesetzes in Artikel 3 sowie zur Schaffung von Gleichstellungsgesetzen im Bund und in den Bundesländern aufgerufen.

Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, zehn Jahre später im Landtag von Sachsen-Anhalt mit einer Rede für das Gesetz zur Gleichstellung behinderter und nichtbehinderter Menschen werben zu dürfen. Rückblickend kann ich sagen, die Anstrengungen und das Ringen haben sich gelohnt.

(Zustimmung bei der PDS)

Im Ergebnis der Beratungen in den Ausschüssen - sie fanden, wie ich schon sagte, auf der Grundlage des PDS-Entwurfes statt - können wir konstatieren:

Erstens. Die rechtliche Gleichstellung behinderter mit nichtbehinderten Menschen wird mit den Vorschriften dieses Gesetzes erheblich gestärkt. Das ist festzumachen am Verbandsklagerecht, an den Vorschriften zur Beweislastumkehr und an einem Behindertenbegriff, der den angestrebten Paradigmenwechsel beispielhaft manifestiert.

Behinderung reduziert sich danach nicht mehr nur darauf, dass ein Mensch eine körperliche, geistige oder sensorische Schädigung oder Einschränkung hat, sondern erfasst auch die gesellschaftliche Verantwortung, gesellschaftliches Tun oder Unterlassen. Diese drei Aspekte hat vor allen Dingen die PDS-Fraktion als substanzielle Bestandteile eines Gleichstellungsgesetzes in die Gesamtberatungen eingebracht. Dies fand nach vielen kontroversen Diskussionen zunehmend Resonanz bei der SPD-Fraktion.

Zweitens. Mit dem Gesetz werden die Instrumentarien und Grundlagen zur Umsetzung des Gesetzes zur Sicherung der Mitwirkung behinderter Menschen und ihrer Organisationen an diesem emanzipatorischen Prozess erheblich verbessert.

Das wird sichtbar in der nunmehrigen Anbindung des Behindertenbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt an herausgehobener Stelle im zuständigen Ministerium und seinen gesetzlich fixierten Aufgaben und Rechten sowie an dem nach diesem Gesetz noch zu schaffenden Netz hauptamtlicher Behindertenbeauftragter in den mit der Gebietsreform zu bildenden neuen Landkreisen und kreisfreien Städten. Der Runde Tisch der Behinderten und der Behindertenbeirat des Landes erhalten mit diesem Gesetz eine rechtliche Grundlage.

In diesem Komplex gab es die meisten Berührungspunkte und Übereinstimmungen zwischen SPD- und PDSFraktion und deren ursprünglichen Entwürfen. Es gelang in den Beratungen, diesbezüglich zu einer sinnvollen Abstimmung zu kommen.

Drittens. Ausgewählte Landesgesetze werden mit diesem Gesetz vorsichtig - die PDS hätte gern größere Schritte gemacht - dahin gehend novelliert, behinderten Menschen in wichtigen Lebensbereichen verbesserte

Teilhabe und größere Partizipationsmöglichkeiten und damit auch größere Chancen zu eröffnen. Zu nennen sind hier die Änderungen im Schulgesetz sowie im Denkmalschutzgesetz. Erwähnen möchte ich auch die Landesbauordnung, die in engem Zusammenhang mit diesen Diskussionen im Dezember 2000 novelliert wurde.

Wie kompliziert nach wie vor die Gemengelage ist, zeigen die mit der zum 1. Oktober veröffentlichten Verordnung auftretenden Verunsicherungen bei behinderten Menschen. Ich gehe davon aus, dass die in der AG Bauen und Wohnen des Runden Tisches vor einer Woche geäußerten Bedenken hinsichtlich dieser Verordnung tatsächlich gegenstandslos sind.

Des Weiteren sind die neuen Vorschriften zu Fragen der Vermittlung und des Unterrichts in der deutschen Gebärdensprache hervorzuheben, wo es der PDS gelang - immer in unmittelbarem Kontakt zu den Verbänden -, den Ihnen vorliegenden Kompromiss zu erreichen. Auch hierbei ist der Hinweis notwendig, dass vor allem die PDS dieses Thema in die Ausschussberatungen eingebracht hat.

Meine Damen und Herren! Mit der Beschlussempfehlung liegen Ihnen auch Entschließungsanträge vor. Aus meiner Sicht betreffen sie sehr wesentliche Punkte. Insofern werbe ich bei Ihnen um Zustimmung zu diesen Entschließungsanträgen. Beispielsweise würden wir als Land mit der Umsetzung der im Entschließungsantrag zum öffentlichen Personennahverkehr genannten Aufgaben einen Sprung in Fragen der Barrierefreiheit vollziehen, der in seinen Auswirkungen auf die Lebensqualität und in seiner Bedeutung für den Wirtschaftsstandort kaum zu unterschätzen ist.

In diesem Zusammenhang sind die Änderungsanträge der CDU-Fraktion wenig hilfreich. Die Intentionen zum Schulgesetz habe ich in mindestens drei Ausschüssen dargelegt, sodass ich es mir sparen kann, noch einmal darauf einzugehen.

Auch die erneut vorgetragenen Anträge zur Änderung der Gemeindeordnung bzw. der Landkreisordnung kann die PDS so nicht mittragen. Natürlich hat es einen gewissen Charme, wenn man das Geld für die Behindertenbeauftragten nach unten reicht, aber ich glaube, damit wird verkannt, dass es eine Aufgabe sowohl für die Landkreise als auch für das Land ist, diesbezüglich für Veränderungen zu streiten. Insofern müsste sich diese gemeinsame Aufgabe auch in den Finanzierungen widerspiegeln.

Ich möchte mich noch einmal bei den Verbänden bedanken und bitte um Zustimmung sowohl zu den Entschließungsanträgen als auch zu dem Gesetz. Ich bitte um namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Eckert, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es in der Tat Aufgabe des Präsidiums ist, die Besucherinnen und Besucher zu begrüßen. - Kollegin Stange, ich denke, ich weiß, wann ich das zu sagen habe.

(Zuruf von Frau Stange, CDU)

Für die DVU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Brandt.

Frau Präsidentin! Werte Herren und Damen! Herr Bischoff, zu Ihnen: Ich möchte die letzten Worte, die Sie hier abgelassen haben, nicht im Raum stehen lassen. Sie können sich dabei ruhig unterhalten; ich werde das trotzdem vortragen. Eine Nachrückerin ist dann eine Abgeordnete, wenn der Landeswahlleiter dies bestätigt. Wenn Frau Spors eine Abgeordnete gewesen wäre, hätte sie selbstverständlich die Sitzungen ihres Ausschusses besucht. Vielleicht sollten Sie sich darüber erst einmal kundig machen, bevor Sie hier Wahlwerbung betreiben.

(Herr Bischoff, SPD: Es war doch gar keiner da!)

- Doch, es ist ein Referent da gewesen.

(Lachen bei der SPD)

Außerdem möchte ich mich hier im Plenum nicht über solche Angelegenheiten unterhalten. Ich finde, es ist unter dem Niveau dieses Hauses, sich darüber zu unterhalten,

(Herr Metke, SPD: Hat ein Referent auch ein Mandat?)

wer in welchem Ausschuss gewesen ist. Das ist Populismus pur.

(Herr Bischoff, SPD: Das ist Mitarbeit, die ich er- warte!)

Zum Thema. Das in Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes postulierte Benachteiligungsverbot bezweckt eine Stärkung der Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft. Diesen grundgesetzlichen Auftrag gilt es sowohl auf Bundes- wie auch auf Länderebene umfassend in die Rechtswirklichkeit umzusetzen. Die hier eingebrachten Gesetzentwürfe von PDS und SPD sind augenscheinlich beide von der Intention getragen, diesem Auftrag der Verfassung in landespolitischer Hinsicht Rechnung tragen zu wollen.

Doch möchte man meinen, dass ein verbrieftes Grundrecht wie das Benachteiligungsverbot die Gleichstellung und vor allem die Gleichbehandlung der Betroffenen wirksam zu gewährleisten vermag, was aus diesem Grund einen Leerlauf weiterführender einfachgesetzlich ausgestalteter Regelungen zur Folge hätte. Rechtstheorie und Lebenspraxis sind aber bedauerlicherweise nicht immer deckungsgleich, wie man von behinderten Menschen hören kann, einmal mehr auch dadurch bedingt, dass sich gerade die Rechtsprechung auf dem Gebet des Zivilrechts, des Verwaltungsrechts und auch des Sozialrechts mit einer Anwendung des Benachteiligungsverbotes sehr zurückhält.

Wenn wir damals den Gesetzentwurf der PDS kritisierten - so fair waren wir -, dann zur Vermeidung möglicherweise leer laufender Gesetzesregelungen, die zwar niemandem schaden, aber auch niemandem den bezweckten Nutzen bringen würden.

Zur Wahrung der Interessen und zur Verwirklichung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erachten wir die Berufung einer oder eines Landesbeauftragten für die Belange von Behinderten sowie die Einrichtung eines so genannten Runden Tisches für behinderte Menschen als sinnvoll.

(Zuruf von der SPD: Das ist schön!)

Dadurch könnten Schwerpunktproblematiken der Betroffenen effektiver erfasst und koordiniert werden. Der