Dadurch könnten Schwerpunktproblematiken der Betroffenen effektiver erfasst und koordiniert werden. Der
Durchsetzbarkeit einer gleichzeitigen Verpflichtung der kreisfreien Städte und späterhin auch der Landkreise zur Bestellung eines Behindertenbeauftragten stehen wir hingegen skeptisch gegenüber, weil wir meinen, dass das Land mit dieser Maßnahme in die kommunale Selbstverwaltung eingriffe und sich damit auf verwaltungsrechtlich dünnes Eis begäbe.
In der Einführung eines Verbandsklagerechtes für die auf Landesebene tätigen Interessenverbände der behinderten Menschen sehen wir eine erhebliche Stärkung der Rechtsposition eines jeden einzelnen betroffenen Behinderten, der sich durch einen Eingriff nach Maßgabe des hier in Rede stehenden Gesetzentwurfes in seiner Rechtssphäre verletzt fühlt. Als ein positiver Nebeneffekt wäre mit der Einführung eines Verbandsklagerechtes durch die Vermeidung von Massenklagen gleichzeitig eine Entlastung der Verwaltungsgerichte verbunden.
Die DVU-Fraktion tritt auch für die Belange der Hörgeschädigten ein, wie wir es bereits im Jahr 1999 gefordert haben. Wir würden von daher eine Regelung begrüßen, die die Wahrnehmung der Gebärdensprache als Kommunikationsform für die Betroffenen in den einzelnen Behörden und Ämtern möglich machte. Des Weiteren wurde insbesondere die Schaffung von Voraussetzungen für die Einführung der Gebärdensprache für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt begrüßt.
Einziger Knackpunkt des gesamten Entwurfspakets vom Behindergleichstellungsgesetz ist und bleibt die Frage, ob diese wohl gemeinten Maßnahmen unter finanziellem Aspekt tatsächlich realisierbar sind. Auch steht aus unserer Sicht zu befürchten, dass durch diese Gesetzesmaßnahmen den Kommunen erhebliche Zusatzlasten aufgebürdet werden könnten. Es wäre nämlich mit einem großen Schaden an Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Landespolitik verbunden, bei den behinderten Menschen zunächst übersteigerte Erwartungen zu wecken, die man nachher aufgrund von Nichtfinanzierbarkeit nicht zu erfüllen vermag. - Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Rund 10 % der Menschen in Sachsen-Anhalt leben mit einer Behinderung. Als schwerbehindert anerkannt sind knapp 168 500 Menschen. Bei uns leben zum Beispiel mehr als 13 000 anerkannte Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen „AG“, das sie als außergewöhnlich gehbehindert ausweist, die in ihrer Fortbewegung auf das Schwerste eingeschränkt sind. Mehr als 26 000 Personen besitzen einen Behindertenausweis mit dem Merkzeichen „H“, weil sie hilflos sind und täglich fremder Hilfe bedürfen.
Ich habe dies vorausgeschickt, um deutlich zu machen, dass wir heute im Zusammenhang mit dem Behindertengleichstellungsgesetz über eine große Gruppe von Menschen in unserer Gesellschaft sprechen.
Die Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens will ich hier nicht rekapitulieren. Es ist aber festzustellen, dass heute ein Gesetz beschlossen werden soll, das unter zwei ungünstigen Sternen steht. Zum einen hat Frau Ministerin Dr. Kuppe im Zusammenhang mit den Haus
haltsberatungen bereits festgestellt, dass dieses Gesetz nur das gesetzlich fixiere, was bereits bisher als freiwillige Leistung seitens der Landesregierung erbracht werde. Die bereits erhobenen Forderungen bezüglich der Finanzierung widerlegen diese Aussagen jedoch.
Zum anderen verändert der sei dem 31. August dieses Jahres vorliegende Entwurf eines Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen die Ausgangssituation; denn auch dieses Gesetz hat zum Ziel, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern. In über 40 Artikeln sollen umfangreiche Neuregelungen vorgenommen werden. Es wird nicht ausbleiben, dass dieses Gesetz unmittelbare Auswirkungen auf das heute zu beschließende Gesetz haben wird.
Das zeigt, dass wir uns mit der Bundesgesetzgebung nicht im Einklang befinden, so wie es Frau Ministerin Dr. Kuppe soeben ausgeführt hat.
In den Beratungen über den vorliegenden Gesetzentwurf hat sich die CDU-Landtagsfraktion an dem seit dem 17. Mai 1999 im Land Berlin geltenden Gleichberechtigungsgesetz für Menschen mit und ohne Behinderung orientiert, das dort mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen wurde.
Wir haben dieses Gesetz für notwendig und gut befunden und daher eine Anhörung von Vertretern aus Berlin beantragt. Das Ergebnis dieser Anhörung bestand darin, dass die Vertreter aus Berlin einhellig ihr Gesetz begrüßt, gelobt und im Großen und Ganzen für sachdienlich gehalten haben.
Die CDU-Landtagsfraktion hat daher im Rahmen der Beratungen insgesamt 16 konstruktive Änderungsanträge und sechs Entschließungsanträge vorgelegt sowie weitere Anträge mündlich gestellt. Obwohl sich unsere sämtlichen Anträge im Rahmen dessen bewegten, was CDU und SPD in Berlin gemeinsam beschlossen haben, wurden diese, sofern sie nicht reine Formalien betrafen, weggestimmt.
Herr Dr. Eckert, selbst bei den Anträgen der CDU, bei denen die PDS, wie bei dem Antrag zu § 3 - Diskriminierungs- und Benachteiligungsverbot -, einräumte, dass diese zu bedenken seien, blieb man im Ergebnis bei den vorher zwischen SPD und PDS getroffenen Absprachen.
Wie die SPD für die Behinderten gekämpft hat, ist in den Ausschussberatungen offenbar geworden. Ich habe noch in den Ohren, wie Herr Abgeordneter Bischoff zum Beispiel den SPD-Änderungsantrag Nr. 4 in den Ausschuss einbrachte und auf Nachfrage mitteilte - ich entnehme das meinen Notizen -: Wir dachten, das ist die weicheste Formulierung, die es gibt.
Hierzu bemerkte Kollege Dr. Nehler, mit den eingefügten §§ 3, 4 und 5 in der Fassung des SPD-Entwurfes würden keine Verpflichtungen, sondern nur Zielvorstellungen formuliert. Kollege Professor Böhmer brachte es auf den Punkt, indem er bemerkte, dass das Gesetz in weiten Teilen mit dem Ausdruck des Bedauerns nur Trost kodifiziere.
Aus rechtssystematischen Gründen lehnen wir die im Gesetzentwurf vorgesehene Beweislastumkehr ab. Weitere Punkte sind aus unserer Sicht kritikwürdig und werden in der Praxis zu erheblichen Problemen führen.
Daher hat die CDU-Landtagsfraktion einen Änderungsantrag zur Finanzierung der Behindertenbeauftragten eingebracht, dem im Innenausschuss einstimmig zugestimmt worden ist.
Herr Dr. Eckert, Sie haben gesagt, dieser Antrag sei richtig. Die Beschlussempfehlung in der jetzigen Fassung widerspricht jedoch dem Verfassungsgrundsatz.
Auch im Innenausschuss ist eindeutig festgestellt worden, dass die Regelung im Vorschaltgesetz das betrifft, was bisher vom Land finanziert worden ist und auf die Kommunen übertragen wird. Aber hierbei schafft das Land neue Aufgaben und deshalb trifft das Vorschaltgesetz nicht zu.
(Frau Bull, PDS: Das ist aber eine Aufgabe der Kommunen, Frau Liebrecht! Das dürfte Ihnen be- kannt sein!)
Des Weiteren haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die absehbaren Mehrausgaben, die aufgrund dieses Gesetzes entstehen, bei den laufenden Haushaltsberatungen durch eine Haushaltsergänzungsvorlage zu berücksichtigen.
Obwohl die Ministerin bereits im Ausschuss erklärt hat, das Gesetz werde keine Mark kosten, darf ich jedoch auf die Ausführungen zu den Kosten im Gesetzentwurf der PDS in der Drs. 3/2536 hinweisen, wonach ein jährlicher Finanzmehrbedarf von ca. 40 Millionen DM in der Anfangsphase erwartet wird. Auch wenn der ÖPNV entfällt, bleibt noch eine Menge übrig.
Sofern man den Worten des Kollegen Bischoff Gehör und Glauben schenken darf, soll allein bei den Kosten für Gebärdensprachdolmetscher mit einem Aufwuchs von 5 Millionen DM zu rechnen sein.
Hieran wird deutlich, dass unser Entschließungsantrag berechtigt ist, die durch das Behindertengleichstellungsgesetz entstehenden voraussichtlichen Mehrausgaben in den jetzigen laufenden Haushaltsberatungen zu berücksichtigen.
Letztlich ist die CDU-Fraktion auch der Auffassung, dass bei einem sonderpädagogischen Förderbedarf eine integrative Beschulung vorrangig unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Förderung der individuellen Entwicklung erfolgen muss.
Es gibt leider jene Fälle, in denen der Wunsch nach einer integrativen Beschulung größer ist, als es dem Kind förderlich wäre. Vor einer einseitigen Idealisierung der integrativen Beschulung müssen wir daher warnen.
Kollegin Liebrecht, Sie liegen weit außerhalb der Redezeit. Ihre Redezeit wird verlängert, wenn Sie noch Fragen beantworten.
Ich bin fertig. - Die CDU-Landtagsfraktion beantragt die Einzelabstimmung über die Artikel und Paragrafen des Gesetzes. Sollten auch diesmal unsere Änderungs- und Entschließungsanträge abgelehnt werden, wird sich die CDU bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf insgesamt der Stimme enthalten.
Frau Liebrecht, können Sie mir sagen, aufgrund welcher Regelungen im Bundesgleichstellungsgesetz Konsequenzen im Hinblick auf unseren Gesetzentwurf zu erwarten sind?
Ich meine, es gibt keine Konsequenzen; denn es handelt sich um eine eindeutige Abgrenzung im Hinblick auf die Kompetenzen, was Bundesseite und was Landesseite ist.
Zweitens. Könnten Sie mir bestätigen, dass in den Beratungen neben anderen gerade die von der PDS aus dem Berliner Gesetz übernommenen Regelungen zur deutschen Gebärdensprache bei Ihnen keine Zustimmung gefunden haben?
Herr Dr. Eckert, wir hatten einen ganz anderen Ansatz. Wir hatten ganz andere Formulierungen. Da die insgesamt weggestimmt worden sind, konnten wir den Einzelheiten nicht mehr zustimmen. Aber insgesamt stehen wir zu dem, was im Berliner Gesetz steht.
Frau Liebrecht, ich habe Ihren Änderungsantrag gesehen, der bestimmen soll, dass das Land die Kosten für die Behindertenbeauftragten in den Kommunen vollständig übernehmen soll. Frau Liebrecht, stimmen Sie nicht doch mit mir darin überein, dass hierbei durch einen solchen Änderungsantrag zumindest der Eindruck erweckt werden kann, dass die Kommunen mit den Belangen von Behinderten und damit auch mit dem Behindertenbeauftragten eigentlich nichts zu tun haben?