Protokoll der Sitzung vom 12.10.2001

Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen, dass die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang es im Zuge der Kommunalreform zu Eingemeindungen in Ober- und Mittelzentren kommen wird, nach dem Zweiten Vorschaltgesetz dem Entscheidungsvorbehalt des Landtages unterliegt.

Trotz des Gesetzesvorbehalts sind auch für die Gemeinden, die von der Stadt-Umland-Analyse im Bereich der Ober- und Mittelzentren betroffen sind, Zusammenschlüsse in der freiwilligen Phase grundsätzlich möglich. Lediglich stadtferne Lösungen, das heißt, kommunale Zusammenschlüsse, an denen Gemeinden beteiligt sind, die enge Verflechtungsbeziehungen zu einem Ober- oder Mittelzentrum aufweisen, sind derzeit nicht genehmigungsfähig und unterliegen dem Entscheidungsvorbehalt des Landtages.

Soweit der Landtag nach Vorlage des Gutachtens für betroffene Gemeinden keine gesetzliche Eingemeindung vorsieht, werden auch für diese Gemeinden keine Einschränkungen mehr bestehen.

(Herr Becker, CDU: Dann ist die freiwillige Phase vorbei!)

Diese Regelung führt zwangsläufig zu einer Einschränkung der freiwilligen Phase für die betroffenen Gemeinden, Herr Kollege Becker.

(Frau Feußner, CDU: Es ist also keine freiwillige Phase!)

Allerdings lässt es die Sollvorschrift des § 3 Abs. 4 des Zweiten Vorschaltgesetzes zu, Frau Feußner, dass Gemeinden, die in der freiwilligen Phase aus Gründen, die sie nicht selbst zu vertreten haben, bisher zu keiner abschließenden Regelung gekommen sind, auch nach dem 31. Oktober 2002 noch freiwillige Lösungen verfolgen können.

Ein solcher Ausnahmetatbestand dürfte für die Gemeinden, die von der Stadt-Umland-Problematik betroffen sind, in der Regel gegeben sein, sodass hierbei insofern eine gewisse Verlängerung der freiwilligen Phase eintreten wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die gesetzliche Phase zum 30. September 2003 abgeschlossen sein soll.

Um den Kreis der von diesen Einschränkungen betroffenen Gemeinden möglichst klein zu halten, habe ich mich entschlossen, den Gemeinden im Umland der Mittelzentren, die nach der Analyse der Daten für eine gesetzliche Eingemeindung nicht in Betracht kommen und bei denen stadtferne Lösungen nach § 17 der Gemeindeordnung genehmigungsfähig wären, dies im Vorfeld der Entscheidung des Landtages mitzuteilen.

Meine Stabsstelle ist zurzeit dabei, die bereits von den betroffenen Gemeinden auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit überprüften und mit dem Raumordnungsministerium vorausgewerteten Datenerhebungen vor Ort mit dem Landkreis und den betroffenen Gemeinden sowie Verwaltungsgemeinschaften auszuwerten.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Was? Davon wissen wir aber nichts! - Herr Jeziorsky, CDU: Na klar! - Herr Dr. Daehre, CDU: Da haben wir noch etwas vor uns!)

- Ich komme gleich noch dazu, wo wir zurzeit sind, Herr Kollege Dr. Daehre. - In diesen Beratungen werden auch Aussagen dazu gemacht, welche Umlandgemeinden nicht für eine Eingliederung in das jeweilige Mittelzentrum durch Gesetz in Betracht kommen.

Für die wenigen verbleibenden Gemeinden kann derzeit im Hinblick auf § 17 der Gemeindeordnung keine Genehmigung der stadtfernen Gebietsänderung erfolgen. Ich betone ausdrücklich, dass diese Verweigerung der Genehmigung nichts darüber aussagt, ob die betroffenen Gemeinden eingemeindet werden sollen. Es werden lediglich die Gemeinden benannt werden, für die eine Entscheidung des Landtages abgewartet werden muss und die sich daher derzeit in einer Warteschleife befinden.

Dieses Verfahren wurde sowohl schriftlich als auch mündlich vor Ort deutlich gemacht. Bereits jetzt ist absehbar, dass dies bei den meisten Mittelzentren für keine oder jedenfalls nur für wenige Umlandgemeinden der Fall sein wird. Betroffen sind beispielsweise im Raum Stendal eine, im Raum Salzwedel zwei, im Raum Halberstadt eine, im Raum Wernigerode zwei sowie im Raum Quedlinburg und Burg gar keine Gemeinden.

Angestrebte Gebietsänderungen der anderen Umlandgemeinden sind demnach im Rahmen eines Verfahrens nach § 17 der Gemeindeordnung von keinem Vorbehalt aufgrund der Stadt-Umland-Problematik betroffen. Das

heißt natürlich nicht, dass diese Gemeinden nicht auch das Ziel einer freiwilligen Eingemeindung in die Stadt verfolgen können, wofür es in Einzelfällen auch gute Argumente geben kann.

Meine Damen und Herren! Mein Ziel ist es, diese Aussagen je nach dem Stand der Datenerhebungen bis Ende des Jahres für alle 22 Mittelzentren und ihre Umlandgemeinden zu machen. Bis jetzt haben bereits acht Termine stattgefunden. Weitere drei Termine sind für die nächste Woche geplant. Hieraus wird sich für den Großteil der Umlandgemeinden der Mittelzentren schon vor dem Vorliegen des Gutachtens und dessen Auswertung ergeben, dass die Stadt-Umland-Problematik sie nicht hindert, ihre gebietlichen Neuordnungen in der freiwilligen Phase umzusetzen.

Eine andere Vorgehensweise hätte dazu geführt, dass es für alle 456 untersuchten Gemeinden im Umfeld der Mittelzentren zu einer zeitlichen Verzögerung der freiwilligen Phase gekommen wäre. Da insgesamt gesehen eine Vielzahl von Verwaltungsgemeinschaften direkt oder indirekt von dieser Problematik betroffen ist, wären freiwillige Zusammenschlüsse bis zum 31. Oktober 2002 dadurch in einem nicht zu vertretenden Maße erschwert worden.

Für diese aus meiner Sicht offene und auch transparente Herangehensweise wurde im Übrigen in den Auswertungsgesprächen vor Ort von den betroffenen Gemeinden und Landkreisen viel Verständnis gezeigt, wobei insbesondere die solide und auf objektiven Daten beruhende Herangehensweise anerkannt wurde.

Ich darf an dieser Stelle auch feststellen, dass es sich bei diesem Vorgehen keineswegs um ein Geheimnis handelt; denn ich habe bereits am 25. Mai 2001 den Landkreistag und den Städte- und Gemeindebund in einem entsprechenden Schreiben darüber informiert. Wer will, kann dies auch auf den dortigen Internetseiten nachlesen. Die meisten von Ihnen lesen ja häufig auf den Seiten der Spitzenverbände.

Ich bin im Übrigen gern bereit, auf einer der nächsten Sitzungen des zeitweiligen Ausschusses über den Stand und die Ergebnisse der Analyse zu den Mittelzentren detailliert zu berichten.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die in dem Antrag der PDS-Fraktion zum Ausdruck kommende Befürchtung einer Verkürzung von Rechten des Parlaments unberechtigt ist. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister- präsident Herrn Dr. Höppner)

Danke schön, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache fort. Vereinbart ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Das Wort erhält der Abgeordnete Becker für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Paschke, wir werden Ihrem Wunsch nachkommen und mehrheitlich den Antrag mittragen, wenngleich wir das Gefühl haben, dies hätte sich auch im Wege der Selbstbefassung lösen lassen. Aber ich kenne natürlich den Hintergrund. Ihre Frau Kollegin und meine Kollegin Bürgermeisterin muss demnächst nach Grana. Dort will sie natürlich mit einem Antrag aufwarten können. Dafür hat man Verständnis.

Die Behandlung dieses Antrages gibt uns zu zwei Anmerkungen Gelegenheit. Wir können zum einen etwas Grundsätzliches zum Stadt-Umland-Problem sagen und zum Zweiten auf einige Brüche in der Argumentation der Regierung hinweisen.

Grundsätzlich müssen wir sagen, die Stadt-UmlandProblematik wird bald 200 Jahre alt. Sie ist mit dem Beginn der Industrialisierung aufgebrochen; seitdem haben wir in Deutschland diese Problematik. Wir wissen auch, dass wir vorsichtig damit umgehen müssen, weil nämlich im Interesse der kommunalen Selbstbestimmung nach Möglichkeit die Gemeinden, die im Umland liegen, erhalten werden müssen.

Im Klartext heißt das, dass die Begehrlichkeit einer Stadt in Richtung auf das Gewerbesteueraufkommen einer angrenzenden Gemeinde, dass das Aneinanderstoßen von Bebauungen oder die Abwanderung der Bevölkerung in das flache Land als Grund für den zwangsweisen Anschluss einer Gemeinde nicht ausreichen. Es müssen schon andere Probleme vorliegen. Solche anderen Probleme lassen sich im Grunde genommen in drei Punkten zusammenfassen.

Erstens. Es muss eine vernünftige gemeinsame Raumplanung existieren. Funktioniert sie nicht, dann kann das ein Anlass sein.

Zweitens. Es muss eine Flächenbevorratung in der Kernstadt für Gewerbegebiete und Wohngebiete erreichbar bleiben.

Drittens. Es muss zu einer gewissen finanziellen Abfederung der Kosten kommen, die der Kernstadt für das Vorhalten von Einrichtungen entstehen, die von den umliegenden Gemeinden mitbenutzt werden.

Das aber scheint in diesem Lande weitgehend geregelt zu sein. Insoweit verweise ich auch auf die Ausführungen des Herrn Ministers, der im Dezember 1999 in seinem Leitbild geschrieben hat:

„Die vorstehend genannten Gründe können aber dennoch einen staatlichen Eingriff zur Lösung des Stadt-Umland-Problems nach überwiegender Auffassung der Verwaltungswissenschaften nicht rechtfertigen. Der Erlass eines entsprechenden Gesetzes zur zwangsweisen Eingemeindung der Umlandgemeinden kann lediglich als Ultima Ratio und damit als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden, nämlich dann, wenn mildere Mittel, etwa vertragliche Vereinbarungen, diesen Konflikt nicht aus dem Wege räumen können.“

Folgerichtig kam damals der Herr Innenminister zu dem Ergebnis: Selbst in Halle ist in Bezug auf die umliegenden Gemeinden kein Handlungsbedarf gegeben. - Ich füge hinzu: Das, was er in Bezug auf Halle gesagt hat, gilt selbstredend auch für alle anderen Verflechtungsgebiete. Natürlich gibt es Probleme. Die Probleme lassen sich aber mit der milderen Regelung auffangen.

Bedauerlicherweise ist die Landesregierung insoweit dann ihrer eigenen Argumentation aber nicht gefolgt. Es traten Widersprüchlichkeiten auf. Die erste Widersprüchlichkeit bestand darin, dass diese Landesregierung, obwohl sie keinen Handlungsbedarf sah und es also mit Vereinbarungen hätte geregelt werden können - ich verweise nur auf § 31 der Landkreisordnung aus dem Jahr 1993 -, in der letzten Zeit eine Verflechtungsanalyse in Auftrag gab. Wir fragen uns: Hätte die Verflechtungsana

lyse nicht am Beginn der ganzen Diskussion stehen müssen?

(Beifall bei der CDU)

Wenn das jetzt nachgeschoben wird, muss man sich fragen: Will man das zur Legitimation?

(Herr Dr. Daehre, CDU: Richtig!)

Möchte man irgendjemandem, der ein entsprechendes Institut hat und gern wieder einmal von sich reden machen möchte, einen Auftrag zukommen lassen?

(Zustimmung von Herrn Dr. Daehre, CDU, und von Frau Stange, CDU)

Der zweite Bruch besteht darin, dass - obwohl dieses Gutachten noch nicht vorliegt - nun schon - insofern haben Sie völlig Recht, Frau Dr. Paschke - ganz konkrete Orte genannt werden, die entweder für die Eingemeindung infrage kommen oder nicht dafür infrage kommen. Man fragt sich wiederum: Wozu braucht man denn dann dieses Gutachten?

Der dritte Punkt, der mir Schwierigkeiten bereitet - Herr Minister, Sie haben es zart angedeutet -, ist, dass damit die freiwillige Phase, von der Sie sich fälschlicherweise so viel erhofft haben,

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Püchel)

im Umfeld dieser Mittelzentren und Oberzentren im Grunde genommen ausgesetzt ist. Das ist doch der Fakt. Das bereitet uns natürlich Schwierigkeiten

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Preiß, DVU)

Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Deshalb also, Herr Minister, kann man nicht davon sprechen, dass draußen Klarheit besteht, wo es langgeht. Auch der kleine Hinweis, man könne alles im Internet nachlesen, ist realitätsfern, Herr Minister. Die Welt sieht eben anders aus, als dass ehrenamtlich tätige Bürgermeister im Internet nachlesen. Meistens können sie leider noch gar nicht damit umgehen, weil das noch eine andere Generation ist. Das müssen Sie einmal ganz deutlich sehen, Herr Minister.

(Minister Herr Dr. Püchel: Ich habe mit dem In- ternet Sie gemeint! Mit den Bürgermeistern reden wir doch! - Herr Gallert, PDS: Können Sie damit nicht umgehen? - Heiterkeit bei der PDS)

- Ich kann damit umgehen, lieber Herr Gallert. Ich habe damit keine Probleme. Ich habe mich schon weitergebildet.

Klarheit besteht nicht; das bedauern wir sehr. Insoweit ist dieser Antrag der PDS hilfreich, in diesem Punkt zu ein klein wenig Klarheit zu kommen - Vielen Dank.