Sie wird bei einer Bewerbung in den alten Bundesländern viel Mühe und Überzeugungskraft aufbringen müssen, dem Betrieb die wundersame Einteilung von A und B in der Schule des Landes Sachsen-Anhalt zu erklären. Schwer fallen wird ihr dann auch die Erklärung, warum der Kultusminister Dr. Harms die Einführung von Kopfnoten, egal ob für A- oder B-Kurs, mit fadenscheinigen Begründungen abwiegelte.
Aber wenn meine Tochter dann dem Betrieb in den alten Bundesländern mitteilt, dass dieser Dr. Harms ein Grüner in der rot-roten Kungelpolitik des MP Höppner ist, dann wird auch der letzte „Wessi“ ein Einsehen mit der Bewerberin aufbringen, mit ihr weinen und voller Erbarmen, glaubend an ihre Schuldlosigkeit, den Lehrvertrag unterzeichnen.
Ja, der letzte Satz, Herr Präsident. Jawohl. - Die Schulpolitik in Sachsen-Anhalt bedarf keiner kosmetischen Eingriffe, sie bedarf grundlegender Veränderungen. - Ich danke Ihnen.
Danke schön, Frau Helmecke. - Bevor wir in der Debatte fortfahren, darf ich Schülerinnen und Schüler der Gutenberg-Schule in Wolmirstedt begrüßen, die auf der aus unserer Sicht rechten Tribüne Platz genommen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der PDS greift in der Tat auch aus der Sicht der SPDFraktion ein Schlüsselthema der neuen Sekundarschule auf, die Frage der Abschlüsse.
Die notwendige Abschlussverordnung befindet sich gegenwärtig als Entwurf im Anhörungsverfahren. Der Minister wies darauf hin, dass er sie nach Beteiligung der Mitwirkungsgremien voraussichtlich Ende des Jahres erlassen wird.
Ist damit der Pflicht Genüge getan und der Antrag überflüssig? - Hierauf muss man mit einem klaren Nein antworten.
Zur Begründung: Es ist notwendig, sich mit den Zielstellungen der neuen Sekundarschule zu beschäftigen. Mit der Aufhebung der Trennung der Bildungsgänge
in einen Hauptschul- und einen Realschulbildungsgang zum Schuljahr 1999/2000 sollten die individuellen Anlagen, Lerninteressen und Besonderheiten der Schülerinnen und Schüler in einzelnen Fächern zukünftig stärker berücksichtigt und gefördert werden.
Anstelle einer stigmatisierenden Zuordnung zu einem Hauptschulbildungsgang erhalten die Schülerinnen und Schüler bzw. die Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, in den Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch und Physik entsprechend den Neigungen zwischen niveaudifferenzierten A- und B-Kursen zu wählen. Dabei sind beide Kursniveaus so angelegt, dass ein Abschluss der Sekundarschule nach zehn Schuljahren möglich ist.
Dieses Hauptziel der neuen Sekundarschule erachtet die SPD-Fraktion nach wie vor für wichtig und unterstützt die eingeleitete inhaltliche und strukturelle Entwicklung der neuen Sekundarschule. Eine Rückkehr zu getrennten Bildungsgängen stellt aus unserer Sicht keine pädagogisch sinnvolle Alternative dar.
Man muss sicherlich auch erwähnen, dass die Nachfrage nach dem Hauptschulbildungsgang vor dem Zeitpunkt der Einführung der neuen Sekundarschule derart gering war, dass nur noch an wenigen Schulen die zur Bildung von Hauptschulklassen erforderliche Mindestschülerzahl erreicht wurde.
Wie wurden die beschriebenen Ziele in den ersten zwei Jahren umgesetzt? - Hierzu muss kritisch eingeschätzt werden, dass die neue Sekundarschule den in sie gesetzten Erwartungen noch nicht gerecht wird. Leider wird die äußere Fachleistungsdifferenzierung mitunter mit den bisher getrennten Bildungsgängen gleichgesetzt. Übrigens, Frau Helmecke, so etwas gibt es auch in den alten Bundesländern.
Durch die starke Belegung der B-Kurse besteht die ernst zu nehmende Gefahr eines Absinkens der Quote des mittleren qualifizierenden Bildungsabschlusses an den Sekundarschulen. Es ist noch nicht gelungen, zunächst die Lehrer, aber auch die Eltern und die Schüler in dem erforderlichen Maß über die Zielstellungen, Möglichkeiten und Chancen dieses Systems aufzuklären.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt hierbei die bisher fehlende Abschlussverordnung, kommt ihr doch im Hinblick auf die Information und Beratung der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen durch die Lehrkräfte im Hinblick auf die Ausgestaltung des besuchten Bildungsgangs sowie die möglichen Abschlüsse und Berechtigungen eine besondere Bedeutung zu. Diesbezüglich kommt die neue Abschlussverordnung sehr spät. Sie kann im Hinblick auf Schulabgänger des gegenwärtig erstmals im System lernenden 9. Schuljahrgangs nur noch bedingt vorbereiten.
Im Jahr 2002 wird erstmals der Abschluss der Berufsbildungsreife vergeben werden. Bei den Lehrkräften, Eltern und Schülern bestehen Unsicherheit und Unkenntnis im Hinblick auf die Wertigkeit und die Verwertbarkeit des neuen Abschlusses.
Nichtsdestotrotz kommt die Verordnung nicht z u spät. Es kann nunmehr nur darum gehen, die zweifellos erkannten Probleme aufzugreifen und Lösungsansätze zu entwickeln. Hierbei wird die Abschlussverordnung hilfreich sein.
Erstens. Die Fortbildung von Lehrkräften im Hinblick auf die Zielstellungen, Möglichkeiten und Umsetzungsmodalitäten des neuen Systems der Sekundarschule muss intensiviert werden.
Zweitens. Die Information und Beratung der Erziehungsberechtigten sowie der Schülerinnen zur Ausgestaltung des besuchten Bildungsgangs, den möglichen Abschlüssen und insbesondere den sich daraus ergebenden Berechtigungen zum Besuch weiterführender Bildungsgänge muss verbessert werden.
Drittens. Die Erziehungsberechtigten müssen durch die Schulleitung und die Lehrkräfte intensiv darüber aufgeklärt werden, welche Auswirkungen die Kursbelegung für die spätere Berufswahl der Schülerinnen hat. Gerade diesbezüglich ist dringender Handlungsbedarf gegeben, da die Kurswahl derzeit noch über Erwarten zugunsten des B-Kurses ausfällt, was auch organisatorische Probleme nach sich zieht.
Viertens. Das Kultusministerium sollte die Voraussetzungen für einen Wechsel in den A-Kurs flexibler gestalten.
Fünftens. Einzelne organisatorische Hindernisse im Hinblick auf die Arbeit der Klassenleiter und die Größe der Kurse sollten beseitigt werden. Das Ziel muss darin bestehen, dass auch künftig unter Wahrung einer hohen Bildungsqualität die Anzahl mittlerer qualifizierter Sekundarabschlüsse nicht unzulässig stark sinkt.
Die SPD-Fraktion stimmt daher dem Antrag der PDS in Direktabstimmung zu; allerdings plädiert sie im Hinblick auf Punkt 5 für eine Unterrichtung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft anstelle des Landtages und erhebt dies zum mündlichen Änderungsantrag, ergänzt durch den Terminvorschlag des Ministers im Hinblick auf zusätzliche Informationen aus einer Schülerbefragung. Den Änderungsantrag der CDU lehnen wir ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Es steht wohl außer Frage, dass angesichts der vor drei Jahren realisierten Aufhebung der Unterteilung in Haupt- und Realschüler an Sekundarschulen und der am Ende des Schuljahres 2000/2001 erfolgten letztmaligen Vergabe von Hauptschulabschlüssen der Erlass einer neuen Abschlussverordnung für die neue Sekundarschule nicht erst seit gestern überfällig ist.
Weiterhin steht außer Frage, dass für dieses eklatante Versäumnis die oberste Schulbehörde und somit das durch das Schulgesetz zum Erlass von schulbezogenen Rechtsverordnungen ermächtigte Kultusministerium in vollem Umfang verantwortlich zeichnet.
Diese Problematik wird außerdem verstärkt durch die Anwendung der seit dem Schuljahr 1999/2000 für die Sekundarschulen übernommenen äußeren Fachleistungsdifferenzierung. Deren Segnungen haben die Schüler, Eltern und Lehrer dem Kultusminister unseres Landes infolge des Hamburger Abkommens der Kultusministerkonferenz zu verdanken.
Wenn ich von Segnungen spreche, dann meine ich damit, dass es einerseits klar ist, dass der Kultusminister mit der Unterzeichnung des Hamburger Abkommens seiner Gewährleistungspflicht für eine bundesweite Anerkennung der in den neuen Sekundarschulen SachsenAnhalts erworbenen Abschlüsse nachzukommen suchte. Andererseits hätte ihm eine selbstbewusste Durchsetzung landeseigener Interessen bezüglich der Aufrechterhaltung des zunächst für die neue Sekundarschule vorherrschenden Innovationsgedankens allemal besser zu Gesicht gestanden, insbesondere deshalb, weil die bundesweite Erfahrung zeigt, dass die Anwendung der äußeren Fachleistungsdifferenzierung nur einem gegliederten Schulsystem ausreichend Rechnung zu tragen vermag, was auch dem Herrn Kultusminister vorab nicht ganz unbekannt gewesen sein dürfte.
Da es sich jedoch bei der neuen Sekundarschule gerade nicht um eine gegliederte Schulform, sondern vielmehr um ein integriert angelegtes Schulsystem handelt, erzeugt das ihr übergestülpte Zwangskorsett der Fachleistungsdifferenzierung gleich zwei schwerwiegende und nicht ohne weiteres ausräumbare Problemfelder. Als Erstes ist hierbei das Problem der praktischen Umsetzung einer Unterrichtung in zwei und später in vier differenzierten, abschlussbezogenen Anforderungsniveaus aus A- und B-Kursen zu nennen. Dass aufgrund dieser Defizite an den Sekundarschulen zumeist schon zur Klassen übergreifenden Kursunterrichtung übergegangen worden ist, was größtenteils zur Auflösung der bisherigen Klassenverbände und zu einer starken Einschränkung der Klassenlehrertätigkeit führte, spricht wohl eher für Pragmatismus seitens der betroffenen Lehrer und Schüler.
Der zweite und aus der Sicht der DVU-Fraktion gravierendste Negativaspekt der Einführung der äußeren Fachleistungsdifferenzierung besteht jedoch in den ab der Klassenstufe 7 bisher durchgängig zu verzeichnenden hohen Belegungszahlen der B-Kurse. Aufgrund dieser Tendenz ist anhand von bisherigen Erhebungen ein Trend dahin gehend zu konstatieren, dass künftig nur noch etwa ein Drittel der Schülerschaft einer Jahrgangsstufe an den Sekundarschulen des Landes die Fachoberschulreife, also den Realschulabschluss, erreichen wird.
Demnach ist für die überwiegende Mehrheit der Schüler eines Schuljahrgangs der neuen Sekundarschule zu erwarten, dass sie künftig bestenfalls die erweiterte Berufsbildungsreife, den Hauptschulabschluss nach der 10. Klasse, erzielen wird, was eine komplette Umkehrung des in den zurückliegenden Jahren vorherrschenden Trends bedeuten würde.
Mir und meiner Fraktion bleibt daher nur noch einmal der eindringliche Appell an die Landesregierung, dieser Negativentwicklung durch geeignete Maßnahmen mit Nachdruck umgehend zu begegnen. Ein nochmaliges Überdenken des Gesamtkonzepts der neuen Sekundarschule unter sorgfältigster Abwägung der Interessen aller Beteiligten, getragen vom selbstbewussten Gedanken der Reversibilität der bestehenden Sekundarschulstrukturierung, wäre wünschenswert. - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! In der Bildungspolitik scheint sich zumindest eine der regierungstragenden Fraktionen - die andere schließt sich weitestgehend an, habe ich eben bemerkt - dieses Landes derzeit in Offenbarungseiden zu üben.
Vor nicht allzu langer Zeit startete die PDS ihre Rückrufaktion in Sachen 13. Schuljahr. Während die Industrie mangelhafte Produkte meist zurückruft, bevor nennenswerter Schaden entstanden ist,
werden bis zu einer pädagogisch verantwortlichen Wiedereinführung des Abiturs nach zwölf Jahren Zehntausende Schülerinnen und Schüler beklagen können: Allein der Umstand, dass ich Sachsen-Anhaltiner bin, hat mich ein Jahr gekostet, und zwar ohne Bewährung.
Nun geht es aber heute nicht um das 13. Schuljahr, sondern um die so genannte neue Sekundarschule. In einem Punkt stimme Ihnen von der PDS-Fraktion und auch der SPD-Fraktion ausdrücklich zu:
Dass eine Abschlussverordnung nach mehr als fünf Jahren noch immer nicht vorliegt, ist eigentlich nicht zu fassen und ist ein Skandal. Man stelle sich vor, eine Hochschule begänne den Lehrbetrieb in einem neuen Studiengang, für den noch keine Studien- und Prüfungsordnung vorliegt.
Ist die Fachebene des Kultusministeriums für das unentschuldbare Fehlen der Abschlussverordnung verantwortlich zu machen? - Ich denke, es ist eher anzunehmen, dass die politische Ebene dieses Hauses aus politischen Gründen nicht in der Lage war, rechtzeitig eine solche Verordnung vorzulegen. Das ist allerdings auch kein Wunder und es erklärt sich auch, weshalb sich die PDS wieder einmal auf Distanz zu einer maßgeblich von ihr mitgestalteten Regelung begibt.
Sie spielen immer das gleiche Spiel: Erst Reformen schnell und unvorbereitet einführen, ohne sämtliche Beteiligten darauf vorzubereiten - ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Förderstufe -, und dann leisten Sie den Offenbarungseid, haben plötzlich nichts mehr damit zu tun und kritisieren in diesem Hause.
Die neue Sekundarschule droht nämlich geradezu zu einem bildungspolitischen Bumerang zu werden. Erstaunlich dabei ist weniger, dass Sie wieder einmal genau das Gegenteil dessen bewirken, was Sie eigentlich wollten. Das ist bei Ihnen häufiger der Fall.