Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuss für Inneres lag und liegt der Erhalt des Grenzdenkmals in Hötensleben sehr am Herzen. In dieser Legislaturperiode befasste sich der Ausschuss für Inneres bereits im Rahmen der Selbstbefassung mit dem Erhalt des Grenzdenkmals und informierte sich am 12. April 2000 vor Ort im Rahmen einer Anhörung beim Bürgermeister der Gemeinde Hötensleben sowie beim Vorstand des Grenzdenkmalvereins Hötensleben e. V. Ebenso schilderten auch das Landratsamt des Bördekreises und die Landesregierung bei dem Vor-Ort-Termin ihre Sicht zum Erhalt des Grenzdenkmals.
Nach dieser Anhörung haben die Vertreter aller Fraktionen ihren Willen bekundet, sich wegen der überregionalen Bedeutung dieses Grenzdenkmals für eine dauerhafte Erhaltung einzusetzen und dieses Thema im Ausschuss nochmals aufzugreifen.
Nun wurde seitens der CDU in der 39. Sitzung des Landtages am 4. Mai 2000 diesbezüglich ein Antrag eingebracht und vom Landtag federführend in den Ausschuss für Inneres überwiesen.
Sowohl während der auswärtigen Sitzung als auch während der ersten Befassung des Innenausschusses mit dem Antrag am 31. Januar 2001 wurde von der Landesregierung vorgetragen, dass die Eigentumsverhältnisse im Bereich des Grenzdenkmals Hötensleben außerordentlich kompliziert seien und dies von grundlegender Bedeutung für eine Trägerschaft sei. Eine Klärung sei noch in diesem Jahr zu erwarten.
Am 21. November 2001 wurde der in Rede stehende Antrag erneut im Ausschuss aufgerufen und es wurden die notwendigen Schritte für einen Erhalt des Grenzdenkmals in einem Änderungsantrag der SPD-Fraktion aufgegriffen. Für diesen Änderungsantrag, der Ihnen wörtlich in der Beschlussempfehlung vorliegt, votierte der Ausschuss einstimmig.
Meine Damen und Herren, der Ausschuss für Inneres empfiehlt Ihnen die Annahme der vorliegenden Beschlussempfehlung, um die in Hötensleben noch vorhandenen Grenzanlagen für künftige Generationen als Erinnerung und zugleich als Mahnung zu erhalten. - Ich danke Ihnen.
Danke schön, Frau Leppinger. - Wir kommen dann zur Debatte, für die jeder Fraktion fünf Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. Zunächst hat aber Herr Minister Dr. Püchel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als für die Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt zuständiger Minister habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten betont, wie wichtig es für den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik ist, die heute lebenden Menschen über die Menschenrechtsverletzungen während der verschiedenen Diktaturen des 20. Jahrhunderts auf deutschem Boden zu informieren.
Gerade vor einigen Tagen habe ich in der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge die neue Dauerausstellung eingeweiht. Die neue Ausstellung hat den Mief der DDR in Langenstein-Zwieberge verscheucht und berichtet erstmals auf wissenschaftlicher Grundlage über das Rüstungsprojekt „Malachit“ der Nazis und das dadurch verursachte Leid der RKZ-Sklaven.
Die neue Ausstellung und die wissenschaftlichen Forschungen bieten die Voraussetzung dafür, dass in Langenstein-Zwieberge - wie auch in anderen Gedenkstätten des Landes - eine an den historischen Tatsachen orientierte kritische Gedenkstättenarbeit durchgeführt wird. In diesem Sinne sind Gedenkstätten offene Lernorte, deren Ziel es ist, aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen.
Meine Damen und Herren! Obwohl die zweite deutsche Diktatur des 20. Jahrhunderts nicht zu solchen Folgen führte wie die Zeit des Nationalsozialismus, ist es unsere Verpflichtung, auch über die während der Jahre 1945 bis 1989 begangenen Menschenrechtsverletzungen an den authentischen Orten zu berichten.
In diesem Zusammenhang betreibt und unterhält das Land Sachsen-Anhalt die Gedenkstätten „Moritzplatz“ Magdeburg und Deutsche Teilung Marienborn. Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn erinnert an die nach 1945 erfolgte Teilung unseres Vaterlandes und an das unmenschliche Abschottungssystem der DDR. Die Einrichtung thematisiert Mauer und Stacheldraht, die quer durch Deutschland verliefen.
Durch das abscheuliche Grenzregime nahm die SEDFührung den Menschen das Recht auf Freizügigkeit und erzeugte vielfaches Leid. Zwischen 1945 und 1989 verloren an der innerdeutschen Grenze fast 1 000 Menschen, deren Ziel es war, von Deutschland nach Deutschland zu gelangen, ihr Leben.
Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1996 haben über 440 000 Besucherinnen und Besucher die Gedenkstätte besucht und sich über dieses unmenschliche Grenzregime informiert. In der Euphorie der Wendezeit wurden Minen, Stacheldraht und Betonelemente innerhalb kürzester Zeit beseitigt. Nur an ganz wenigen Stellen der ehemaligen Grenze fanden sich weitsichtige Menschen, die zu der Überzeugung gelangt waren, dass auch dieser Bereich deutscher Geschichte durch dingliche Hinterlassenschaft zu dokumentieren ist. Sie setzten sich dafür ein, dass bei Hötensleben ein Stück der verhassten Mauer nicht demontiert und beseitigt, sondern im Ge
heute zum Teil im Grenzdenkmalverein Hötensleben e. V. organisierter Menschen und durch die Gemeinde Hötensleben das Grenzdenkmal in Hötensleben entstanden. Hier kann der Besucher das Abschottungssystem an der grünen Grenze anhand des Sonderfalls der Befestigung in unmittelbarer Ortslage besichtigen und bildhaft erfahren, was die Teilung Deutschlands für die Menschen auf beiden Seiten der Mauer bedeutete.
Die Bedeutung dieses Grenzdenkmals für das Land war schon immer hoch. Das Land hat dem Grenzdenkmal, vor allem der Kommune seit Mitte der 90er-Jahre materiell in erheblichem Ausmaß bei der Unterhaltung und Sanierung des Denkmals unter die Arme gegriffen und Fördermaßnahmen in Höhe von ca. 250 000 DM finanziert.
Über den Verein „Grenzenlos - Wege zum Nachbarn e. V.“ wurde im Rahmen der „Grenzenlos-Fahrten“ Tausenden Menschen neben dem Museum Helmstedt und der Gedenkstätte Marienborn auch das Grenzdenkmal Hötensleben gezeigt. Da ich mich persönlich für das Zustandekommen dieser Kooperation stark gemacht hatte, freut es mich natürlich besonders, dass dieses Angebot von so vielen Menschen aus Ost und West, aber auch aus dem Ausland angenommen wird.
Meine Damen und Herren! Seit mehreren Jahren wurde von verschiedenen Seiten der Wunsch an mich herangetragen, dass das Land nach Klärung der Grundstücksangelegenheiten die Trägerschaft über das Grenzdenkmal übernehmen und es in die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn eingliedern möge. Nach einem VorOrt-Termin im Frühjahr des letzten Jahres hat der Innenausschuss vor kurzem eine dahin gehende Beschlussempfehlung gefasst. Diese Empfehlung findet meine volle Zustimmung.
Bereits im Rahmen der Beratungen im Finanz- und im Innenausschuss zum Haushalt 2002 habe ich erklärt, dass ich die Übernahme des Grenzdenkmals Hötensleben durch das Land befürworte. Durch eine Übernahme des Denkmals in die Verantwortung des Landes könnte eine noch bessere und vor allem auch kontinuierliche Präsentation des Denkmals erreicht werden. Inhaltlich könnte der Unrechtscharakter des SED-Regimes der heutigen Generation noch detaillierter und gezielter vermittelt werden.
Meine Damen und Herren! Für die Übernahme des Grenzdenkmals durch das Land ist aber die Klärung der schwierigen Eigentumsproblematik erforderlich. Die betreffenden Flurstücke wurden 1976 katastermäßig in das Hoheitsgebiet der ehemaligen DDR übernommen, ohne dass das Grundbuch in Schöningen bereinigt worden wäre und ein Eigentumswechsel stattgefunden hätte. Die Grundstücke, auf denen sich das Grenzdenkmal Hötensleben befindet, sind deshalb derzeit sowohl im Grundbuch von Hötensleben als auch in Schöningen (Niedersachsen) gebucht. Den Mitgliedern des Innenausschusses wurde dieses mehrfach berichtet.
Nachdem in den zurückliegenden Monaten umfangreiche Recherchen betrieben wurden, hat vor wenigen Tagen das für die Gemarkung Hötensleben zuständige Amtsgericht Oschersleben das Amtsgericht Helmstedt um Schließung der betroffenen Grundbücher und um Herreichung der entsprechenden Grundbuchakten ge
beten. Mittlerweile wurde durch das Amtsgericht Helmstedt signalisiert, dass dem Anliegen stattgegeben wird.
Nach dem Vorliegen der Unterlagen können dank der Übernahme der in den Grundbüchern von Schöningen erhaltenen Einträge neue Grundbuchblätter in der Gemarkung Hötensleben angelegt werden. Die Grundstückssituation könnte in absehbarer Zeit geklärt sein. Dann können die Gespräche mit den Eigentümern der Flurstücke mit dem Ziel der Übernahme der Grundstücke geführt werden und der Vollzug des heutigen Beschlusses erfolgen. Selbstverständlich werde ich dem Hohen Haus zu gegebener Zeit darüber berichten. Ich gehe davon aus, dass dies zum 1. Januar 2003 erfolgen wird. Dann sehen wir uns auch wieder, Herr Daehre.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS - Herr Dr. Daehre, CDU: Ohne den letzten Satz hätten wir sogar geklatscht!)
Danke schön, Herr Minister. - Die Debatte wird von der Abgeordneten Frau Leppinger für die SPD-Fraktion fortgesetzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl der Innenausschuss einstimmig, wie von mir in der Berichterstattung vorgetragen wurde, der vorliegenden Beschlussempfehlung zugestimmt hat und man insofern auf eine Debatte nach der Geschäftsordnung hätte verzichten können, habe ich es für angemessenen gehalten, zu diesem doch sehr wichtigen Thema nicht sprachlos zu sein.
Sprachlos ist man allerdings, wenn man die „Volksstimme“-Ausgabe des Bördekreises vom 26. November dieses Jahres aufgeschlagen hat und dort nachliest, dass ausgerechnet die PDS der Presse die Entscheidung des Innenausschusses verkündet.
Wissen Sie, meine Damen und Herren von der PDS, es ist nun einmal so, dass Ihre Partei zwar für den Aufbau der Mauer zuständig war; um den Erhalt der Mauer als Mahnmal für die kommenden Generationen - da können Sie ganz sicher sein - kümmern sich allerdings diejenigen, die unter der Mauer und Ihrem Regime gelitten haben.
(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Beifall bei der DVU und bei der FDVP - Herr Dr. Daehre, CDU: Sehr gut!)
Aber eigentlich hätten Sie schon erkennen müssen, dass Sie mit Ihrer Kranzniederlegung zum 40. Jahrestag des Mauerbaus in Hötensleben einen Eklat hervorgerufen haben. Sie haben damit die Betroffenen erneut gedemütigt.
Mit diesen Worten ist eines der Opfer mit Tränen in den Augen und zitternder Stimme an das Mikrofon getreten.
Aber anscheinend verfolgt die PDS auch hierbei eine Strategie des Vergessens und der Gewöhnung; denn mit
Ihrer Liste für die Landtagswahl haben Sie eine dementsprechende Botschaft in das Land gesandt. So konnte schließlich auf Ihrer Liste eine IM der Staatssicherheit einen vorderen Listenplatz bekommen, während der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, der eher für Aufarbeitung und für Erneuerung stand, abgestraft wurde.
(Zustimmung bei der DVU und bei der FDVP - Frau Bull, PDS: Was denn nun? Der war doch in Hötensleben! - Frau Stolfa, PDS: Es reicht!)
Wenn sich jemand Verdienste um das Grenzdenkmal Hötensleben erworben hat, dann sind es die Leute, die sich im Grenzdenkmalverein engagiert haben. An der Spitze wäre insbesondere der Vorsitzende Herr Walter zu erwähnen, dem ich an dieser Stelle besonders herzlich danken möchte.
Aber auch das Engagement der Gemeinde und des Bürgermeisters Herrn Buchwald waren sehr wichtig. Jedoch kann man nicht erwarten, dass der Erhalt eines Mahnmals von solcher nationaler Bedeutung auf den Schultern von einigen Ehrenamtlichen lastet. Vielmehr ist an dieser Stelle der Staat in der Pflicht. Genau dafür sind mit dem Antrag die Rahmenbedingungen geschaffen worden.
Das Land verpflichtet sich, zügig an der Klärung der Eigentumsverhältnisse mitzuwirken, um dann die Trägerschaft des Grenzdenkmals Hötensleben als Außenstelle von Marienborn zu übernehmen. Das ist schließlich sinnvoll; denn so wichtig Marienborn als Gedenkstätte auch ist, so war doch Marienborn eher die Stätte, mit der die westdeutschen Ein- und Ausreisenden konfrontiert wurden. Für die Ostdeutschen war die Grenze hingegen höher und unüberwindbarer als die chinesische Mauer. Dafür steht heute symbolisch das Grenzdenkmal Hötensleben.
Dagegen spricht allein die Tatsache, dass alle Sicherungsmaßnahmen gegen das eigene Volk gerichtet waren. Gnadenlos wurden Menschen, die das Land verlassen wollten, niedergeschossen oder durch Selbstschussanlagen oder Minenfelder getötet.