Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Es sei daran erinnert, dass Finanzminister Eichel die Einnahmen aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen in Höhe von 100 Milliarden DM fast vollständig für sich genutzt hat und im Wesentlichen die kommunale Ebene die Ausfälle zahlen muss. Das war eine riesige Umverteilungsaktion, die dem Bundeshaushalt genutzt hat, den Kommunen aber erhebliche Kopfschmerzen bereitete.

Unter dem Strich muss man sagen, dass es schon ein Akt von großer Bedeutung ist, dass unter einer SPDRegierung die Großindustrie keine Steuern mehr zahlt, der Mittelstand und die Bürger aber weiterhin kräftig Steuern zahlen müssen und durch die Ökosteuer nochmals zusätzlich belastet werden. Was ist das für eine Steuerentlastung, wenn sich die Großindustrie zum großen Teil die Steuern vom Finanzamt wieder abholt, aber nicht einzahlt?

Dieser Webfehler, meine Damen und Herren, muss wirklich ausgemerzt werden. Diesen Webfehler, Herr Doege, können Sie nun auch nicht den Steuerreformvorschlägen der CDU/CSU zuschieben. Das war unter Eichel beschlossen und unter Eichel sind die Wirkungen auch eingetreten.

Ich selbst bin mir immer noch etwas unsicher und ich weiß nicht, ob der Finanzminister an dieser Stelle sicher ist, ob es nicht gemerkt wurde oder ob es fahrlässig in Kauf genommen wurde, sodass wir jetzt mit dieser schlimmen Situation umzugehen haben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte in meiner Einführung nicht auf alles eingehen. Wir könnten auf der Ausgabenseite auch noch in gehörigem Maße aufzählen, welche zusätzlichen Ausgaben den Kommunen durch Bundesgesetze auferlegt worden sind. Das fängt an bei der Grundrente, die beschlossen worden ist. Das geht über die Neustrukturierung der Sozialhilfe.

Ich meine, dass wir zum Ende dieser Legislaturperiode gut beraten sind, die Landesregierung jetzt aufzufordern darzulegen, was wir innerhalb der laufenden Legislaturperiode noch machen können. Wir brauchen jetzt, auch wegen des Diskontinuitätsprinzips, keine Aufforderungen mehr zu einer Berichterstattung durch die Landesregierung für die nächsten Jahre. Das soll der nächste Landtag regeln. Dann werden wir auch sehen, wer wen beauftragt. Jetzt brauchen wir eine Abrechnung für diese Legislaturperiode. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

Danke, Kollege Scharf, für die Einbringung. - Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihen

folge: DVU, PDS, FDVP, SPD, CDU. Als erstem Redner erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Gerhards das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben hier zwei verschiedene Arten von Anträgen vor uns liegen. Das eine sind der SPD-Antrag und der darauf bezogene Änderungsantrag der PDS. Die Anträge befassen sich mit dem Sachthema. Das andere ist der Antrag der CDU, der dadurch gekennzeichnet ist, dass man zu der Sache nichts gewusst hat und sich deshalb in den Ausweg flüchtet, im Verfahren schnell einmal etwas zu fordern, was nicht geleistet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie betrachten, was Sie von uns bis zum 20. März 2002 vorgelegt haben wollen, dann wissen Sie ganz genau, dass das nicht in vier oder sechs Wochen und auch nicht in zwei Monaten geht. Sie verlangen nämlich, dass wir sämtliche Kommunen nach vielen Daten abfragen, die sie selbst noch nicht präsent haben, weil zum Teil die Haushalte noch gar nicht fertig sind. Bis zum 20. März 2002 sollen wir aber über das alles berichten.

Das heißt, weil Ihnen in dieser Sache nichts eingefallen ist, haben Sie sich in einen Verfahrensantrag, der unrettbar ist, weil man ihn gar nicht durchführen kann, geflüchtet. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist, dass Sie, Herr Scharf, in Ihrer Rede auf den Antrag überhaupt nicht eingegangen sind.

(Herr Dr. Eckert, PDS, lacht)

Vielmehr sind Sie auf etwas völlig anderes eingegangen. Sie haben ein Konglomerat von Dingen genannt, die etwas mit Landespolitik, mit bundesdeutscher Steuerpolitik und ganz wenig mit der Gemeindefinanzreform zu tun haben. Deshalb werde ich - Entschuldigung - auf Ihren Antrag nicht weiter eingehen. Er hat sich selbst disqualifiziert. Ihr Redebeitrag war auch nicht an der Sache orientiert.

Ich werde versuchen, es knapp zu machen. Das mache ich schon deshalb, weil ich im Anschluss an diese Sitzung in eine weitere Sitzung muss, in der der Bundesfinanzminister und ein paar Länderfinanzminister genau zu diesen Fragen weiterführende Vereinbarungen zu treffen versuchen werden.

(Frau Weiß, CDU: Mann o Mann, so eine Arro- ganz hier!)

- Das ist überhaupt nicht arrogant. Ich stelle fest, worauf sich Ihr Antrag bezieht und was die SPD und die PDS dazu sagen.

Wir machen uns seit langer Zeit Sorgen um die Gemeindefinanzen. Da können Sie jetzt sagen, Herr Scharf, das ist uns erst kürzlich eingefallen. Dass Sie es nicht verstanden haben, liegt daran, dass Sie zwei Sachen miteinander vermengen.

Das eine ist, dass es den Kommunen insgesamt bundesweit und auch im Land nicht gut geht. Das wissen wir alle. Das andere ist, dass es ganz unterschiedliche Verhältnisse gibt. Es gibt nach wie vor Kommunen, die schwimmen im Geld, machen Plus und haben ihre Schulden abgebaut. Die Gesamtheit der Kommunen hat auch im letzten Jahr trotz aller Schwierigkeiten eine Null erreicht; ein Teil hat sogar schwarze Zahlen geschrie

ben. Es gibt andere Kommunen, die erheblich belastet worden sind und die ein dramatisches Minus machen. Die sind schon deshalb gekniffen, weil sie noch für zurückliegende Jahre Steuern zurückzahlen müssen. Das wissen wir auch.

Das hat unterschiedliche, komplizierte Ursachen. Die haben Sie ein wenig angesprochen. Das kann man aber nicht über einen Kamm scheren. Das macht übrigens das Problem so schwierig. Das hat aber zum Teil mit dem jetzigen Thema nichts zu tun.

Wir machen uns darüber seit langem Gedanken. Das ist aber völlig verschieden davon, dass die Leistungen des Landes an die Kommunen in den vergangenen Jahren strukturell zu hoch gewesen sind, weshalb wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2002 rund 200 Millionen € für die Zukunft herausgenommen haben, weil es nämlich nicht richtig ist, die strukturellen Einnahmendefizite damit zu verkleistern, dass das Land, das seinerseits auch Einnahmeverluste hat, nun überproportional leistet. Das ist eine völlig andere Geschichte. Das sollte man auseinander halten. Das ist einer Ihrer Kardinalfehler.

Zweiter Punkt. Die Gemeindesteuern sind aus vielfältigen Gründen in den vergangenen Jahren eingebrochen. Da ist einiges zusammengekommen, was im Zusammenhang mit dem Systemwechsel in der Körperschaftsteuer Einmaleffekte hat. Das wird auch im Jahr 2002 in abgeschwächter Form noch einmal der Fall sein. Dann ist es aber erledigt. Im Übrigen ist ein Teil von Effekten dabei, die wir alle gewollt haben, als wir die Steuerreform beschlossen haben. „Wir“ heißt jedenfalls die Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat.

Nun weiß ich, dass sowohl Sie von der CDU als auch die PDS mit manchen dieser Punkte Schwierigkeiten gehabt haben. Ich stehe aber dazu, dass es im Kern ein richtiges Konzept gewesen ist, das dazu geführt hat, dass wir weniger Steuern eingenommen haben. Es war auch gewollt, dass ab dem Jahr 2002 rund 45 Milliarden DM an Einnahmen weniger vorhanden sein werden, um die Unternehmen in diesem Umfang zu entlasten, und zwar gerade die mittelständischen Unternehmen.

Ob der Betrag inzwischen nicht sogar höher geworden ist, wissen wir nicht genau, weil nämlich zu diesen Systemeffekten und möglicherweise auch zu dem einen oder anderen Webfehler ein massiver Konjunktureinbruch gekommen ist, den wir alle nicht vorhersehen konnten.

Wie hoch die Anteile der Steuermindereinnahmen sind, die durch die Steuerreform verursacht worden sind, und wie hoch die Mindereinnahmen gewesen sind, die durch Einmaleffekte und durch die Konjunktur verursacht worden sind, weiß niemand.

Das Ergebnis ist aber in der Tat, dass jedenfalls für die Kommunen die Einnahmensituation in vielen Bereichen kaum zu kalkulieren ist. Kämmerer, die jahrelang gut davon gelebt haben, dass sie einen guten Gewerbesteuerzahler und Körperschaftsteuerzahler hatten, gucken jetzt in die Röhre. Das wissen wir alles. Das muss auch repariert werden.

Deshalb gibt es drei Ziele, die bei dieser Gemeindefinanzreform angegangen werden müssen. Auf diese drei Ziele möchte ich mich beschränken.

Wir werden künftig nicht mehr allein auf die Gewerbesteuer als die zentrale Einnahmequelle bauen können.

Wir werden darüber reden müssen, ob bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere bei der Verbindung von Sozial- und von Arbeitslosenhilfe, die Kommunen nicht unters Messer geraten.

Das Dritte ist, dass wir die Möglichkeiten erweitern müssen, dass die Kommunen bei der Gesetzgebung mitwirken können, und dass das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz möglicherweise sogar noch ausgebaut werden muss.

Das sind die drei großen Themenbereiche mit vielen Unterpunkten, die wir heute nicht einmal alle haben anschneiden können, weil wir sonst noch stundenlang diskutieren könnten.

Dazu wird der Bundesfinanzminister eine Kommission einberufen. Das macht er jetzt nicht getrieben, sondern es ist ein Projekt, das seit längerem vorgesehen gewesen ist. Der Bundeskanzler hat auch nicht etwa versucht - ich weiß nicht, woher Sie das haben -, das Ganze in die nächste Legislaturperiode zu verschieben.

Wir reden heute unter anderem darüber - heute Abend in dem Gespräch mit dem Bundesfinanzminister auch -, wie man diese Kommission möglicherweise schlank oder in größerem Rahmen macht. Vielleicht muss man die Dinge abschichten. Es kann nämlich sein, dass man über eine Reform der Gewerbesteuer oder über eine künftige gleichwertige Einnahmequelle sehr schnell entscheiden muss und dass man grundlegende Fragen der Gemeindefinanzierung bis hin zur Änderung von Mischfinanzierungen, von Grundgesetzänderungen, zur Verquickung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, erst in späteren Zeiten angehen kann und dass man das in der nächsten Legislaturperiode in mehreren Jahresschritten machen muss. Das muss man möglicherweise trennen. Man muss dafür auch die Organisationsform möglicherweise unterschiedlich gestalten.

In der Sache hat der Abgeordnete Doege alles Wesentliche gesagt - das muss ich nicht wiederholen -, was die Zielsetzungen sind und worum es im Kern geht. Ich möchte nur zu den vorliegenden Anträgen noch ein paar Bemerkungen machen, um meine Redezeit nicht unnötig auszuweiten.

Es ist nun versucht worden - ich finde, das ist im Großen und Ganzen auch gelungen -, die Position der PDS, die zum Teil von der der SPD abweicht, zusammenzubringen mit der von der SPD. Da gibt es noch zwei, drei Punkte, die man sich anschauen muss. Darauf geht aber, glaube ich, Herr Bullerjahn gleich ein.

Ich möchte nur zu einem Punkt etwas sagen, der unmittelbar die Landesregierung, nicht jedoch die Inhalte betrifft. Das ist die Frage, wie man in die Kommission hineinkommt. Da herrscht bei der PDS offenkundig die Auffassung vor, das ist alles schon festgelegt und wir sollen jetzt einmal die Vertreter und möglichst auch Kommunalvertreter bestimmen.

Das Verfahren zur Bildung der Kommission ist noch nicht festgelegt, und die Frage, ob man große oder kleine Kommissionen mit Experten und Unterkommissionen einrichtet, ist noch nicht geklärt. Darüber reden wir heute Abend noch.

Erst danach kann man sagen, inwieweit wir in der Lage sind, Vertreter zu entsenden oder wie weit das Ganze ausgeglichen werden muss, indem man Innenminister wegen der eigenständigen Vertretung der Kommunen, die Kommunalvertreter, die Finanzminister und wie man

auch die gesellschaftlichen Partner im Übrigen, also Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und dergleichen, einbindet. Erst dann kann man sagen, inwieweit wir in der Lage sind, uns daran zu beteiligen.

Ich schließe damit, weil wir noch ein paar Redner haben und die Zeit drängt. Alles andere wird sich in den nächsten Monaten ergeben. Wir werden unabhängig von Ihrem Antrag in der Sache berichten, wie das weitergeht. Aber Ihre Aufträge - entschuldigen Sie, die sind ein wenig wie Schaufenster - werden wir so nicht erledigen können.

Ich bitte deshalb, den SPD-Antrag in der Form des Änderungsantrages mit Modifikationen zuzustimmen und den CDU-Antrag abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Theil.

Wo sitzt der verehrte Kollege Doege? Hallo!

(Herr Doege, SPD, winkt - Heiterkeit bei der SPD)

Ihre Ausführungen heute Abend waren Balsam für die Seelen der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen unseres Landes, auch für meine Seele.

(Herr Schomburg, CDU: Was?)

Die Schlussfolgerungen daraus lassen wir heute einmal weg; ich meine nur, dass man erkannt hat, was dringend notwendig ist.