Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Frau Wiechmann, FDVP, an Schriftführerin Frau Helmecke gewandt: Guck mal auf die Uhr!)

Ich zitiere aus Ihrem letzten Antrag, den wir heute behandeln. Darin schreiben Sie:

„Wir sind auf einem abschüssigen Pfad zur ‚geschächteten‘ Verfassung auch in Sachsen-Anhalt.“

Am Schluss Ihres Antrages heißt es - dem kann ich mit Blick auf den Wahltag als Schlussfolgerung nur zustimmen -:

„Im Interesse der Kreatur ist Handlungsbedarf geboten. Die hier einsetzende Verrohung kann nicht hingenommen werden.“

Das finde ich auch.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustimmung von Ministerpräsi- dent Herrn Dr. Höppner und von Minister Herrn Dr. Heyer)

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Debatte fort. Es spricht jetzt der Abgeordnete Herr Gärtner von der PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Meinungen über das Schächten von Tieren gehen in der Öffentlichkeit auseinander. In einer Atmosphäre, in der das andere, das Fremde nicht angstbesetzt als Feindliches gesehen würde, wäre eine sachliche Debatte auch darüber möglich, inwieweit wir uns der Freiheit anderer Kulturen verpflichtet sehen.

Um eine solche Debatte allerdings geht es in der Tat der FDVP nicht. Mit dem vorliegenden Antrag verfolgt die FDVP vielmehr und nicht zum ersten Mal - Kollege Rothe hat es erwähnt - das Ziel, gerade anderes und Fremdes als Feindliches darzustellen, diesmal unter dem Mantel des Tierschutzes. Es entspricht der Strategie der FDVP, Tierschutz zu benutzen, um menschenfeindliche Ablehnung anderer Kulturen, um menschenfeindliche Ablehnung von anderem und Fremdem zu propagieren.

Aber was ist das für ein Tierschutz, der zu Menschenfeindlichkeit benutzt wird? Es geht der Rechtsaußenpartei nicht um eine sachliche Debatte zum Tierschutz, der im Übrigen auch die Tierschlachtungsmethoden der eigenen Kultur betrachten müsste.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Es geht der FDVP um Fremdenangst und Fremdenhass.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich in den letzten vier Jahren mehrfach auch von dieser Stelle aus mit der Menschen verachtenden, kulturlosen Politik der DVU und der FDVP auseinander gesetzt. Das gilt auch für meine Fraktion wie auch für die anderen demokratischen Fraktionen in diesem Hause. Bei vielen Anträgen der Rechtsaußenfraktion war ich es gelegentlich schon leid, mich immer und immer wieder mit dieser Borniertheit, mit der Kulturlosigkeit und dem rassistischen Gelabere zu befassen.

Aber wir sind auch gewählt worden, um uns immer und immer wieder damit auseinander zu setzen, auch wenn diese Rechtsaußenfraktionen hier nicht mehr vertreten sein werden. Gerade weil es um Mitmenschlichkeit geht, weil es um politische Kultur und um demokratische Gestaltung geht, werden wir dieser Auseinandersetzung nicht ausweichen. Ich denke, darin sind wir uns einig.

Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich von dieser Stelle aus zu einem Antrag der FDVP spreche.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Wie viele andere gehe auch ich davon aus, dass uns nach der Aprilwahl die Anwesenheit dieser Rechtsaußenfraktion erspart bleibt.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

So wichtig dies ist, unser Einsatz für Zivilcourage, für demokratisches Miteinander statt rassistischer Ausgrenzung wird auch weiterhin notwendig sein, auch im Landtag der nächsten Legislaturperiode und auch im Wahlkampf.

Als am Wahlabend 1998 der Einzug der rechtsextremistischen DVU bekannt wurde, haben viele junge und alte Magdeburgerinnen und Magdeburger mit einer Spontandemonstration auf dem Domplatz reagiert. Sie trugen Plakate mit der Aufschrift „Nazis raus!“. Ich will zum Abschluss von dieser Stelle aus sagen: Wir bleiben bei dieser Forderung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Danke. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Sommerfeld das Wort. Bitte, Herr Sommerfeld.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Du redest jetzt zur Sache, ja? - Herr Wiechmann, FDVP: Hoffent- lich!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Problem Schächten. Was ist Schächten? Beim Schächten wird das Tier gefesselt und es wird ihm mit einem langen Messer die Kehle durchgeschnitten.

(Herr Wiechmann, FDVP: Bei vollem Bewusst- sein, Herr Sommerfeld!)

- Ja, bei vollem Bewusstsein. Aber ich meine, so wird das gehandhabt, und wir müssen auch der Tatsache ins Auge sehen, dass bei vielen Völkern geschächtet wurde. Lesen Sie im alten Testament nach. Schon bei Mose wurde geschächtet.

(Frau Wiechmann, FDVP: Deshalb muss es nicht in Deutschland sein! - Herr Wiechmann, FDVP: Aber Moses lebt nicht mehr! - Lachen bei der SPD und bei der PDS)

- Ja, er lebt nicht mehr, aber trotzdem muss ich Ihnen sagen: Als praktizierender Tierzüchter - ich bin mein Leben lang Tierzüchter gewesen - lehne ich jede Tierquälerei ab, ganz gleich wie sie aussieht. Alles, was Tieren wehtut, würde Menschen auch wehtun. Das lehne ich ab. Ich bin auch von meiner Einstellung und Erziehung her nicht bereit, Tiere ohne Betäubung zu töten.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU - Beifall bei der FDVP)

Andere sehen das natürlich ganz anders.

Die CDU ist im Gegensatz zur Bundesministerin Frau Künast der Auffassung, dass mit dem Urteil die Integration nicht erleichtert, sondern im Gegenteil erschwert

wird, weil aufgrund einer lange gewachsenen Tradition die hier Aufgewachsenen diese Prinzipien nicht akzeptieren.

Bei dem Studium des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes hat mich überrascht, dass das Gericht seine Urteilsfindung in erster Linie mit der Berufsfreiheit des Klägers begründet.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist der Punkt!)

Ich kann aber aus dem Urteil nicht schließen, dass das Urteil anders hätte ausfallen können, wenn der Tierschutz im Grundgesetz verankert wäre, obwohl dies heute von vielen Tierschützern behauptet wird.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, in der Bundesrepublik wurde in der Vergangenheit ein guter Kompromiss ausgehandelt. Ihm zufolge durfte nur nach vorheriger Betäubung, ob mit Elektroschock oder wie auch immer, geschächtet werden. Damit wurden die notwendigen Rahmenbedingungen für die Integration einer bestimmten Gruppe ausländischer Mitbürger geschaffen.

Nach dem Urteil ist nun zu prüfen, wie den Interessen des Tierschutzes weiterhin Rechnung getragen werden kann. Unter anderem haben einige unionsgeführte Länder bereits angekündigt, dass sie auch in Zukunft sehr restriktiv mit Ausnahmegenehmigungen für das Schächten von Tieren umgehen werden. Aber was heißt „sehr restriktiv mit Ausnahmegenehmigungen umgehen“?

Diese Länder haben außerdem die Bundesregierung aufgefordert, die Anforderungen zur Durchführung des Schächtens im Rahmen einer bundesweiten Rechtsverordnung zu regeln, um den Vorgang des Schächtens so schonend und tierschutzkonform wie möglich nach unserem Verständnis ablaufen zu lassen.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Parlamentarier auf Bundesebene die Frage des Schächtens und die Argumente und Erkenntnisse der letzten Jahre noch einmal sehr genau prüfen.

Tierschutz kann aber nicht allein durch Rechtsetzungen gewährleistet werden. Es kommt ganz entscheidend darauf an, wie sich der einzelne Mensch zum Tier verhält. Das betrifft Verbraucher ebenso wie Tierhalter.

Frau Wiechmann, zu dem Beispiel, das Sie genannt haben: Ich weiß nicht, wo das gewesen ist. Sie sagten, es sei im Spreewald gewesen. Das klang mir so nach einer Schwarzschlächterei.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Bei Schwarzschlachtungen ist es sicherlich so, dass auch bei Leuten, die unserem Kulturkreis angehören oder in ihm aufgewachsen sind, Sachen passieren, die zu verurteilen sind.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Meine Damen und Herren! Die Forderung der FDVP in dem Antrag, das Schächten den Strafnormen des Tierschutzgesetzes zu unterstellen, geht nach meinem Dafürhalten zu weit. Eine Ausübung der Religionsfreiheit im Rahmen des Kompromisses, der eine vorhergehende Betäubung vorsieht, und nicht eine strafrechtliche Einordnung sollte das Ziel der anstehenden parlamentarischen Bemühungen sein. Nur dies gewährleistet die Integration von ausländischen Zuwanderern in unserem Lande.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDVP wird daher von der CDU-Fraktion abgelehnt.

In eigener Sache noch zwei Sätze. Meine Damen und Herren! Das ist mein letzter Auftritt vor diesem Hohen Hause. Ich bedanke mich bei allen Abgeordneten für die gute Zusammenarbeit in den letzten acht Jahren. Sollte ich irgendjemandem weh getan haben, bitte ich das zu entschuldigen. Ich bedanke mich vor allem bei den Mitgliedern des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bei Herrn Minister Keller und seinen Leuten, die uns immer sachlich zur Seite standen.

Ich möchte mich ansonsten dem anschließen, was Frau Leppinger sehr treffend gesagt hat. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD, von Herrn Gebhardt, PDS, und von der Regie- rungsbank)