Das Thema hat sich nicht verändert. Wenn Sie über aktive Arbeitsmarktpolitik sprechen, dann sagen wir dazu seit Jahren das Gleiche: Aktive Arbeitsmarktpolitik heißt Arbeitsplätze schaffen. Und das ist Wirtschaftspolitik.
Wir können nicht sagen, dass wir dabei erfolgreich gewesen sind. Seit 1994, seit die jetzige Regierung in diesem Land die Verantwortung trägt, hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse in Sachsen-Anhalt um 90 000 vermindert. Das ist das Gegenteil von aktiver Arbeitsmarktpolitik.
Ich kann Frau Fischer sogar Recht geben, wenn sie von hier aus sagt, dass man aktive Arbeitsmarktpolitik und die Probleme, die damit zusammenhängen, nicht dadurch vernebeln kann, dass man sich über organisationspolitischen Aktionismus hinsichtlich der Arbeitsverwaltung unterhält. Damit lösen wir genau diese Probleme nicht. Reformen sind notwendig, aber Arbeitsmarktpolitik heißt erst einmal Arbeitsplätze schaffen.
Das, was Sie hier thematisiert haben, die Erörterung der Fragen: Wie gehen wir mit der Verwaltung der Arbeitslosigkeit um und wie gehen wir damit um, dass wir den Arbeitslosen - um das Problem zu beseitigen - wieder Arbeitsplätze vermitteln?,
(Frau Dr. Sitte, PDS: Das war der Hauptteil mei- ner Rede, dass das keine Arbeit schafft! Sie müs- sen einmal hinhören! - Herr Dr. Süß, PDS: Herr Professor Böhmer hat da gerade nicht hingehört! Das will er nicht hören!)
Dann ist es allerdings richtig und zu begrüßen, dass Bewegung in diese Diskussion gekommen ist; denn die Bundesregierung hat mit ihrer Erklärung vom 22. Februar 2002 Veränderungen in der Bundesanstalt für Arbeit angekündigt, die sie bis 1998 aktiv bekämpft hat.
Wenn ich auch nicht alle Vorstellungen des neuen designierten Präsidenten dieses Amtes teile, empfinde ich es doch als wohl tuend, dass erst einmal Bewegung in die Diskussion gekommen ist und dass wir jetzt wieder ziemlich freimütig darüber reden können, was wir besser machen könnten.
Eines will ich dazu ganz deutlich sagen: Wer jeden Reformvorschlag, der als Beitrag zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit gemeint ist, als Mittel im Kampf gegen Arbeitslose diffamiert,
der vernebelt das Problem, um nicht auf den eigentlichen Punkt zurückkommen zu müssen: die fehlenden Arbeitsplätze in Deutschland.
Es ist richtig, dass wir mit hohen Investitionen auch neue Arbeitsplätze geschaffen haben, dass in einer modernen Technologiegesellschaft die Zahl der industriellen Arbeitsplätze zurückgeht und dass sich das Spektrum der Arbeitsplätze insgesamt ändern wird. All das ist richtig. Aber darauf müssen wir reagieren, zum Beispiel durch eine Ausweitung des Dienstleistungssektors - darüber wurde tausendmal berichtet - und dadurch, dass wir mit öffentlichen Aufträgen mehr Arbeitsvolumen anbieten. Darauf dürfen wir aber nicht damit reagieren, dass wir einen dritten öffentlich finanzierten Beschäftigungssektor schaffen.
Wenn wir jetzt davon sprechen, welche neuen Methoden der Arbeitsmarktvermittlung umgesetzt und organisiert werden müssen, dann ist es völlig richtig, auch über die Reform der Strukturen der Arbeitsverwaltung zu sprechen. Dazu möchte ich sagen, dass ich mich sehr darüber gewundert habe, wie locker Ministerin Frau Kuppe das Landesarbeitsamt für unnötig erklärt hat.
Denen, die dort arbeiten und das gelesen haben, muss es eiskalt den Rücken hinuntergelaufen sein; denn ihnen
wurde von der Ministerin bescheinigt, dass sie eigentlich umsonst dort sitzen, Geld kosten und nichts bieten.
So, denke ich, kann man das Problem beim besten Willen nicht händeln. Im Gegenteil: Ich bin sehr für Regionalisierung. Wir haben schon immer eine Erhöhung der Autonomie der Arbeitsämter gefordert.
Ihnen standen bisher schon 10 % des Finanzvolumens für Modellvorhaben zur Verfügung. Diese Kompetenz hatten sie bereits. Wir fordern bereits seit langem, dies auszuweiten.
Allerdings sind wir auch der Meinung, dass zentrale Bündelungsbehörden für diejenigen Regionen vorgehalten werden müssen, die durch ein bestimmtes Niveau der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind. Das Arbeitsamt für Thüringen und Sachsen-Anhalt hat jährlich ein geschätztes Volumen von 7 Milliarden DM umzusetzen. Dieses Volumen ist abhängig von der Höhe der Arbeitslosenquote. Wenn wir versuchen, das nur noch mit einer Bundeszentrale und regionalisierten Arbeitsverwaltungsämtern zu bewerkstelligen, dann - das ist meine Sorge wird dieser Finanztransfer in die neuen Bundesländer systematisch vermindert werden. Vor allen Dingen dagegen müssen wir unsere Einwände geltend machen.
Deswegen sind wir dafür, dass es eine Regionalisierung der Arbeitsverwaltung gibt und dass deren finanzielle Ausstattung auch weiterhin von der Höhe der Arbeitslosigkeit in der Region abhängig bleibt. Man kann viel über die Effizienz nachdenken, aber nicht über eine grundsätzliche Veränderung der Strukturen.
Unsere Partei hat sich - wir mussten in der letzten Zeit mit furchtbar vielen Diffamierungen und Vorwürfen leben, die durch nichts gerechtfertigt sind - natürlich auch darüber Gedanken gemacht, wie man manches besser machen könnte. Von uns ist niemals der Vorschlag unterbreitet worden, AB-Maßnahmen abzuschaffen, niemals. Wir würden uns ins eigene Fleisch schneiden.
(Herr Dr. Rehhahn, SPD, lacht - Frau Dirlich, PDS: Bitte? - Herr Tögel, SPD: Hat er doch gerade gesagt!)
- Ich will genau darauf hinaus. Es gibt in einem Nebensatz die Diskussion, dass man darüber nachdenken muss. Als Herr Florian Gerster das gesagt hat, haben alle Kameraden von der SPD beschämt auf ihre Fußspitzen gesehen und gewartet, bis der Wind sich dreht. Inzwischen sagen sie nur noch: Er hat eine Botschaft an die Wirtschaft verbreitet. Wir haben es heute gerade gehört.
Wenn das aber jemand von uns in einem Nebensatz sagt, dann schießen sich alle darauf ein und wir bekommen das als parteipolitischen Vorschlag vorgehalten, obwohl es genauso war - das gibt es Gott sei Dank auch bei Ihnen -, nämlich dass jemand in Varianten gedacht hat.
Deshalb müssen wir offen sein, auch für eine Variantendiskussion. Ich wehre mich aber dagegen, dass wir uns dann in der öffentlichen Diskussion darüber, wie wir etwas verbessern können, die Vorschläge gegenseitig vorwerfen und so tun, als ob wir damit der ganzen Sache schaden wollten. Das ist die gegenwärtige Diskussionslage. Sie ist ungesund und schädigt alle, die tatsächlich in diesem Land etwas bewegen wollen.
Wir brauchen diese Reformen. Wir brauchen eine Reform der Qualifizierung der Arbeitsuchenden. Wir müssen den Menschen die Möglichkeit für eine Qualifizierung - auch durch Maßnahmen der Arbeitsverwaltung eröffnen, bevor sie arbeitslos sind.
- Nein. Das gibt es zurzeit nur als Modellvorhaben, Verehrteste. Das ist im Moment noch nicht die Regel.
Bis vor kurzem mussten die Arbeitsämter einem Betriebsinhaber, der seine eigenen Leute mit Unterstützung der Arbeitsverwaltung umqualifizieren wollte, sagen: Sie müssen erst Insolvenz anmelden, dann können Sie wiederkommen. - Das ist falsch. Zur Prophylaxe muss es auch gehören, dass schon vor einer Insolvenz, das heißt, bevor die betroffenen Personen tatsächlich de jure arbeitslos sind, solche Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden können.
(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Das fördern wir doch als Land, Herr Böhmer, das müssten Sie doch wissen!)
- Ja gut, ich hatte ja gesagt, dass es dies als Modellvorhaben gibt. Dies muss gesetzlich ermöglicht werden.
(Ministerin Frau Dr. Kuppe: Wir fördern als Land auch aus dem Europäischen Sozialfonds! Das seit Jahren!)