Vor der Neuregelung zum Jahreswechsel 2001/2002 wurde auf gesetzlicher Basis vermutet, dass bei einer ehrenamtlichen Betätigung von mehr als 15 Stunden pro Woche die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt nicht gegeben war. Das Gesetz unterstellte damit, dass das ehrenamtliche Engagement die berufliche Wiedereingliederung - das ist der Zweck des Arbeitsförderungsgesetzes SGB III - nicht gewährleisten würde, und schloss jeden Anspruch auf Leistungen des Arbeitsamtes aus. Für das Ehrenamt war diese Regelung fatal.
Jetzt ist die gesetzliche Voraussetzung für die Anerkennung des Ehrenamtes Arbeitsloser geschaffen und anfangs auch von allen gesellschaftlichen Gruppen begrüßt worden. Nun ist aber wieder eine neue Problemlage entstanden: die Anrechnung der Entschädigung auf Leistungen des Arbeitsamtes.
Ob und wie man eine alles klarstellende Regelung findet, die allen Fassetten von Arbeitslosengeld über zeitliche Verfügbarkeit bis hin zum Ehrenamt und dessen Aufwandsentschädigung gerecht wird, sollte sach- und lösungsorientiert im Ausschuss diskutiert werden. Deshalb bitte ich, den Änderungsantrag anzunehmen und in den Ausschüssen für Wirtschaft und für Inneres eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten, die eine endgültige Lösung bringt.
Es gibt natürlich auch in der SPD, auch unter SPD-Kommunalpolitikern, die gleiche Diskussion wie in den anderen Parteien. Wir könnten es uns jetzt natürlich einfach machen und jeweils sagen, die anderen seien schuld, weil in Berlin die einen regieren und die anderen könnten das genüsslich ausnutzen. Uns geht es aber darum, eine Lösung zu finden. Deswegen die Bitte und das Angebot, das im Ausschuss gemeinsam hinzubekommen.
Ich habe schon gehört, dass es da zeitliche Probleme gibt. Wie auch immer das Parlament entscheidet, es ist ein Problem und letztlich ein Thema für alle Parteien in diesem Land. Sie haben Recht, Kommunalpolitiker werden natürlich auch danach schauen, wie ihr Ehrenamt entgolten wird. Das ist nicht nur eine Frage der Bezahlung, sondern da steckt sehr viel Arbeit dahinter. Ich war im Kreistag und ich weiß, dass Leute, die nicht wie wir das Geld mit anderer Arbeit verdienen, schon danach
schauen, was unter dem Strich wenigstens für ihre Aufwendungen bleibt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Herr Bullerjahn. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Steinecke das Wort. Bitte sehr, Herr Steinecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesen Auftrag wird die Landesregierung mit Sicherheit gern übernehmen. Demokratie lebt vom Ehrenamt und freiwilliges Engagement ist mehr denn je gefragt; denn Aufgaben, die in der Gesellschaft zu erfüllen sind, könnten ohne Ehrenamt überhaupt nicht funktionieren. Die Vielfalt und die Menge freiwillig übernommener Aufgaben bestimmen auch, wie gut wir in Deutschland leben.
Daher danken wir allen, die sich aus freien Stücken für diese Angelegenheit einsetzen und sich ihrer annehmen. Ehrenamtlich engagierte Menschen zeigen aber auch Solidarität mit denen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens leben.
Frau Dirlich hat schon den Personenkreis beschrieben und Minister Kley hat vor allem auf den Sportbereich hingewiesen. Ich bin Vorsitzender des Stadtsportbundes und weiß, was an ehrenamtlicher Arbeit geleistet wird. Alle ehrenamtlich engagierten Menschen gehören zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft. Schade, meine Damen und Herren, dass dieses Thema am Ende einer Parlamentssitzung behandelt wird. Ich hätte mir gewünscht, über das Ehrenamt ganz am Anfang zu sprechen.
Meine Damen und Herren! Manchmal macht ein Ehrenamt auch viel Mühe und viel Verdruss. Denken Sie an Wilhelm Busch, der uns das eindrucksvoll vor Augen geführt hat: „Wie viel Mühe, Sorgen, Plagen, wie viel Ärger muss sie tragen, gibt viel Geld aus, opfert Zeit. Und der Lohn? - Undankbarkeit.“ Wie wahr, wie wahr, meine Damen und Herren.
Was überall dort, wo Ehrenamtliche hilfreich wirken, im Stillen geschieht, soll heute einmal ganz öffentlich werden. Die vielen, vielen Tausende und Millionen Ehrenamtlichen haben das mehr als verdient.
Meine Damen und Herren! Jetzt kommt das Problem, worum es eigentlich geht. Wenn man dann vielleicht noch arbeitslos ist und sich trotzdem ehrenamtlich engagiert - ich könnte Ihnen dazu viele Frauen und Männer nennen -, riskiert man womöglich noch die Zuwendungen vom Arbeitsamt. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass es schon so ein Beispiel gibt. Ist das gerecht, meine Damen und Herren?
Natürlich in Anführungsstrichen. - Wollen wir all das aufs Spiel setzen, was wir so dringend brauchen, bürgerliches Engagement?
Ich sage, meine Damen und Herren, diese Bundesverordnung muss abgeschafft werden. Wir erwarten, dass sich die Landesregierung unverzüglich dafür einsetzt, dass dies geregelt wird. Ich sage: Wehret den Anfängen!
Die SPD hat natürlich auch gut in die gleiche Richtung gedacht, aber wir verlieren doch nur Zeit, wenn wir das noch in den Ausschüssen diskutieren. Wer hindert uns daran, das heute hier zu entscheiden? Deshalb lehnen wir den Änderungsantrag der SPD-Fraktion ab - Vielen Dank.
Besten Dank, Herr Steinecke. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Röder das Wort. Bitte sehr, Frau Röder.
Es sieht so aus, als ob ich jetzt keine Chance hätte, dies zu überbieten. Deshalb mache ich es auch ganz kurz.
Auch für die FDP-Fraktion ist das Ehrenamt unglaublich wichtig. Es ist wichtig, dass sich Menschen als Einzelne für die Gesellschaft engagieren. Es gilt, das Ehrenamt zu fördern. Aus diesem Grunde werden auch wir dem Antrag der PDS-Fraktion zustimmen und den Antrag der SPD-Fraktion leider ablehnen, weil er uns auch nicht weit genug geht.
Vor allem geht es uns um den Grundsatz. Auch wenn bei einer Beratung im Wirtschaftsausschuss herauskommen sollte, dass es nur eine geringe Zahl an Menschen im Lande betrifft, geht es uns um den Grundsatz, das Ehrenamt auf keinen Fall zu gefährden. Deshalb müssen wir den Änderungsantrag leider ablehnen.
Die Bundesverordnung über die ehrenamtliche Tätigkeit von Arbeitslosen legt zum einen fest, dass eine Person,
die ehrenamtlich tätig ist und dafür eine Aufwandsentschädigung von mehr als 154 € erhält, nicht als arbeitslos gilt und somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Zum anderen legt sie fest, dass bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die über 18 Stunden pro Woche hinausgeht, der Arbeitslose nachweisen muss, dass er dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung steht.
Für die FDP stellt das Ehrenamt einen wichtigen Beitrag des Einzelnen für die Gesellschaft dar. Ehrenamtliches Engagement ist zu fördern und nicht zu behindern. Die Bundesverordnung über die ehrenamtliche Tätigkeit von Arbeitslosen weist genau in die falsche Richtung.
Der ehrenamtliche Bürgermeister, der für seine Tätigkeit 200 € Aufwandsentschädigung pro Monat erhält, muss sich in dem Moment, in dem er arbeitslos wird, zwischen seinem Ehrenamt und dem Arbeitslosengeld entscheiden. Man muss nicht lange nachdenken, um herauszufinden, wie sich ein Betroffener in dieser Situation entscheiden wird.
Was ist mit dem Trainer im Sportverein, der ein-, zweimal pro Woche mit Kindern und Jugendlichen trainiert und am Wochenende zum Auswärtsspiel fährt? Solange er Arbeit hat, kann er diese Tätigkeit in jedem Umfang wahrnehmen, den seine Freizeit zulässt. Wird er arbeitslos, dann muss er entweder sein Engagement einschränken oder er läuft Gefahr, vom Arbeitsamt als „dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehend“ eingestuft zu werden.
Sie sehen, dass auf diese Weise eine Gruppe von Menschen - und diese ist in Sachsen-Anhalt keine unbedeutende - aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt wird. Zusätzlich wird das Ehrenamt als solches geschwächt.
Da die FDP das Engagement des Einzelnen auf jedem gesellschaftlichen Feld ausdrücklich begrüßt, kann sie dieser Verordnung nur ablehnend gegenüberstehen. Und da es hier um eine grundsätzliche Ansicht geht, die wir völlig unabhängig von der quantitativen Verbreitung in Sachsen-Anhalt haben, werden wir den SPD-Antrag ablehnen und dem PDS-Antrag zustimmen.
Besten Dank, Frau Röder. - Meine Damen und Herren! Ich muss im Interesse der Geschäftsordnung doch etwas sagen. Dies ist heute während des ganzen Tages passiert. Es geht laut Geschäftsordnung nicht, dass Sie anmoderieren, eine halbe Rede halten und den Rest zu Protokoll geben. Ich bitte das in Zukunft so zu handhaben wie Herr Koch, dass man also möglicherweise lediglich sagt, was mit dem Antrag geschehen soll, und dann die Rede sofort zu Protokoll gibt. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, diesbezüglich wieder geschäftsordnungsgerecht zu verfahren, so gut Sie es auch gemeint haben mögen.
Meine Damen und Herren! Ich erteile jetzt als letztem Redner noch einmal der Abgeordneten Frau Dirlich das Wort.
Ich verzichte, möchte aber etwas berichtigen: Ich wäre nicht der letzte Redner, sondern die letzte Rednerin gewesen!
Meine Damen und Herren! Dann könnten wir in das Abstimmungsverfahren eintreten. Zuvor hat der Abgeordnete Herr Bullerjahn noch einmal um das Wort gebeten. Bitte sehr.