Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Schauen Sie sich doch den Anteil der Steuern auf Eigentum an, dann stellen Sie fest: Er beträgt in Deutschland ganze 0,9 % am Bruttoinlandsprodukt. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was in anderen Ländern üblich ist. Was soll also das Geschrei, die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde die Vermögenden in den Ruin treiben? Sie würde den Anteil auf 1,9 % erhöhen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Einnahmen aus der Vermögensteuer betrugen im Jahre 1995 etwa 4,5 Milliarden €. Eine Studie des DIW vom Oktober dieses Jahres gibt das Vermögensteueraufkommen bei unterschiedlichen Steuersätzen und hohen Freibeträgen mit Werten zwischen 8 Milliarden € und 24 Milliarden € an. Sachsen-Anhalt könnte bei Zugrundlegung des Wertes von 8 Milliarden € über den Länderfinanzgleich Mittel im Umfang von 200 bis 300 Millionen € zusätzlich erhalten, wie Kollege Dr. Püchel freundlicherweise in seiner Pressemitteilung vom 30. November dieses Jahres errechnet hat. Wir hoffen, Sie stehen auch weiterhin dazu.

Herr Tullner, da Sie Umfrageergebnisse angeführt haben, möchte ich dazu auch ein Beispiel bringen: 67 % der Bevölkerung sind für die Einführung der Vermögensteuer. Eine Unterstützung durch Sachsen-Anhalt im Bundesrat für die Wiedereinführung der Vermögensteuer wäre also nur logisch. Die unionsgeführten Länder sollten endlich ihre Blockadehaltung aufgeben. Unter Kohl gab es deswegen auch keine Massenflucht.

Fazit: Ihre gesamte Diskussion zum Thema rot-grüne Finanzpolitik ist absolut unehrlich.

(Beifall bei der PDS)

Sie beschimpfen Rot-Grün wegen der Steuerreform. Insofern sind wir durchaus einer Meinung, wenngleich wir dies aus unterschiedlichen Gründen tun. Sie werfen der Bundesregierung Wahlbetrug vor. Sie beklagen die schlechte finanzielle Situation des Landes und wollen am liebsten einen Freibrief für tiefe unsoziale Einschnitte in den nächsten Jahren. Sie verschweigen, dass Ihr

Wahlprogramm keinen Deut besser gewesen wäre und an der jetzigen Situation nichts geändert hätte.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind nicht bereit, Änderungen auf Bundesebene mitzutragen bzw. zu initiieren, die die Einnahmesituation der Länder und der Kommunen wirklich verbessern würden. Die PDS-Fraktion fordert Sie auf, sich dem Entschließungsantrag zum Haushaltsplanentwurf anzuschließen und sich auf der Bundesebene für eine tatsächliche Änderung konstruktiv einzusetzen - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Herzlichen Dank, Frau Dr. Weiher. - Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung des Landtages werden Beschlüsse zur Sache nicht gefasst. Damit ist die Beratung des ersten Themas im Rahmen der Aktuellen Debatte abgeschlossen.

Bevor wir nun, wie anfangs beschlossen, zum ersten Tagesordnungspunkt kommen, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne rechts von Ihnen Gäste der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalts und auf der linken Tribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Förderstedt.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Wahl des Präsidenten des Landesrechnungshofes

Wahlvorschlag der Landesregierung - Drs. 4/405

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemäß Artikel 98 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des Landesrechnungshofgesetzes wird der Präsident des Landesrechnungshofes vom Landtag auf Vorschlag der Landesregierung mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten, mindestens jedoch mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtages auf die Dauer von zwölf Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist nicht zulässig.

Vor fast zwölf Jahren ist Herrn Horst Schröder mit der Zustimmung des Landtages dieses Amt übertragen worden. Nun liegt in der Drs. 4/405 der Vorschlag der Landesregierung vor, für die Neubesetzung des Amtes des Präsidenten des Landesrechnungshofes für das Land Sachsen-Anhalt ab dem 1. März 2003 Herrn Ministerialdirigenten Ralf Seibicke zu wählen, den ich nebst dem Präsidenten des Landesrechnungshofes Horst Schröder recht herzlich auf der Tribüne begrüße.

(Beifall bei der CDU, bei der PDS und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben sich in der Sitzung des Ältestenrates darauf verständigt, die Wahl gemäß § 77 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtages geheim, also mit Stimmzetteln durchzufüh

ren. Eine Debatte ist dazu nicht vorgesehen. Zum Wahlablauf werde ich vor dem Beginn der Wahlhandlung einige Bemerkungen machen.

Zunächst bitte ich die Landesregierung, den Wahlvorschlag zu begründen. Ich erteile dazu dem Ministerpräsidenten Herrn Professor Böhmer das Wort. Bitte sehr, Herr Professor Böhmer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident des Landesrechnungshofes Herr Horst Schröder hat mich in einem Schreiben vom 4. November dieses Jahres darüber informiert, dass er aus beamtenrechtlichen Gründen zum 28. Februar 2003 aus seinem jetzigen Amt ausscheiden wird. Damit stehen wir vor der Aufgabe, für die Zeit ab dem 1. März nächsten Jahres einen neuen Präsidenten für den Landesrechnungshof zu wählen.

Der Landtagspräsident hat Ihnen soeben vorgetragen - das hätte ich ebenfalls gesagt -, dass wir uns damals, im Jahr 1992, als die Verfassung unseres Landes beschlossen wurde, darauf geeinigt haben, dass der Präsident des Landesrechnungshofes vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit zu wählen ist. Dazu hat die Landesregierung Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten.

Ich will die Gelegenheit nutzen, um an dieser Stelle dem noch amtierenden Präsidenten des Landesrechnungshofes Herrn Schröder für seine für das Land SachsenAnhalt geleistete Arbeit zu danken. Ich werde dies später an anderer Stelle wiederholen.

(Beifall bei der CDU, bei der PDS und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD)

Wir haben in Vorbereitung der heutigen Entscheidung selbstverständlich eine größere Zahl von Gesprächen geführt, zunächst mit den Koalitionsfraktionen, dann aber auch mit den Vorsitzenden der anderen Fraktionen. Im Ergebnis dieser Gespräche hat die Landesregierung am 3. Dezember 2002 beschlossen, dem Landtag Herrn Ministerialdirigenten Ralf Seibicke als Nachfolger im Amt des Präsidenten des Landesrechnungshofes für das Land Sachsen-Anhalt vorzuschlagen.

Sie wissen, dass es nicht üblich ist, an dieser Stelle Einzelheiten zur Person zu erörtern. Sie haben mit dem Wahlvorschlag einen tabellarischen Lebenslauf von Herrn Seibicke erhalten. Herr Seibicke ist seit dem 1. Februar 2002 Mitglied des Landesrechnungshofes. Er ist - viele kennen ihn aus zahlreichen Ausschussberatungen persönlich - ein in Haushaltsangelegenheiten seit Jahren ausgewiesener Fachmann. Ich kenne ihn bereits seit 1991. Damals war er noch Mitarbeiter im Finanzministerium. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen sehr guten Kandidaten für dieses Amt vorschlagen.

Es sollte darauf hingewiesen werden, dass der jetzige Präsident des Landesrechnungshofes seinerzeit noch mit der Zustimmung des Landtages von der Landesregierung ernannt wurde, damals nach dem Gesetz über den Landesrechnungshof. Die Landesverfassung ist erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft getreten. Es ist damit für uns das erste Mal, dass diese Funktion nach Maßgabe der Landesverfassung durch eine Wahl im Landtag besetzt wird.

Ich habe mir auch berichten lassen, dass es das erste Mal wäre, dass ein Bürger aus einem der neuen Bundesländer in eine solche Funktion gewählt würde, wenn

Sie unserem Vorschlag - worum ich Sie ausdrücklich bitte - folgen werden. Ich wollte dies eigentlich nicht besonders hervorheben, weil ich hoffe, dass dies in Deutschland bald zur Normalität gehören wird; aber beim ersten Mal, so denke ich, sollten wir uns diesen Umstand verdeutlichen.

Alles Weitere, was dazu zu sagen wäre, möchte ich mir an dieser Stelle aus guten Gründen sparen, weil Sie den Kandidaten, den wir Ihnen vorschlagen, persönlich kennen. Ich bitte Sie ausdrücklich um Ihre Zustimmung zu unserem Vorschlag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung bei der PDS - Herr Dr. Püchel, SPD, mel- det sich zu Wort)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren! Ich erläutere Ihnen sogleich den Wahlvorgang. Zunächst hat jedoch Herr Dr. Püchel als Fraktionsvorsitzender um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Dr. Püchel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landesrechnungshof ist eine der Landesregierung gegenüber selbständige, in der „Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängige und nur dem Gesetz unterworfene oberste Landesbehörde. Im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben unterstützt der Landesrechnungshof den Landtag und die Landesregierung bei deren Entscheidungen.“ - So steht es im Gesetz über den Landesrechnungshof für das Land Sachsen-Anhalt.

Der Präsident des Landesrechnungshofes wird für eine Amtszeit von zwölf Jahren gewählt. Das heißt, dass er in dieser Zeit nicht nur mit einer Regierung, sondern mit mindestens drei Regierungen zusammenarbeiten muss. Der amtierende Präsident des Landesrechnungshofes begleitete sogar die Arbeit von sechs Landesregierungen.

Er ist jedoch nicht nur der Landesregierung, sondern dem gesamten Parlament gegenüber verantwortlich. Er nimmt ein sehr wichtiges Amt im Lande wahr und sollte das Vertrauen der großen Mehrheit des Landtages besitzen; denn in seiner Kontrollfunktion müsste er eigentlich ein Verbündeter des Parlaments sein.

Meine Damen und Herren! So wie der Vorlauf zur heutigen Wahl vonstatten ging, steht der Start des neuen Präsidenten unter keinem guten Stern. Die Art, in der vonseiten der Landesregierung und der Koalition vorgegangen wurde, ist dem Amt in keiner Weise angemessen.

Der Koalitionsausschuss der Fraktionen der CDU und der FDP entschied sich in einer seiner Dienstagsrunden für Herrn Seibicke als neuen Präsidenten. Dies erfuhr die Opposition aus der Presse. Am Freitag der gleichen Woche informierte mich der Ministerpräsident über die Entscheidung der Koalition. Am vergangenen Mittwoch wurde im Ältestenrat ein Antrag der Landesregierung vorgelegt, der heute zur Abstimmung gestellt wird.

Der Lebenslauf, der dem Antrag als Anlage beigefügt sein soll, ist nicht Bestandteil der Drucksache und liegt den Abgeordneten, zumindest denen unserer Fraktion, nicht vor. Herr Seibicke hat sich darüber hinaus nicht in

allen Fraktionen vorgestellt, wie es sein Vorgänger seinerzeit noch getan hatte.

Auch lotete der Ministerpräsident vor einer Entscheidung des Koalitionsausschusses nicht aus, wie die Oppositionsfraktionen, deren Stimmen für die Wahl benötigt werden, zu dem Vorschlag stehen würden. Wenn ich „Oppositionsfraktionen“ sage, meine ich zumindest die SPD-Fraktion. Vielleicht gab es im Vorfeld entsprechende Absprachen mit der PDS-Fraktion, sodass man auf ein positives Votum der Abgeordneten der SPD-Fraktion nicht mehr angewiesen war.

Meine Damen und Herren! Damit wir uns nicht missverstehen: Die Mehrheitsverhältnisse in diesem Landtag sind uns wohl bewusst. Wir sind auch nicht etwa beleidigt, weil unsere Stimmen für die Wahl offensichtlich nicht benötigt werden. Es geht einzig und allein um die Frage, wie ein überparteiliches Amt in diesem Land besetzt wird, und darum, dass der Amtsinhaber nicht in den Verdacht gerät, parteipolitisch begünstigt worden zu sein.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, war Ihre Vorgehensweise der Bedeutung dieses Amtes nicht zuträglich. Vor allen Dingen entspricht es nicht dem, was Sie, Herr Böhmer, in Ihrer Regierungserklärung geäußert haben. Wie sagten Sie damals? - „Ich biete allen Fraktionen in diesem Hohen Hause die Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes an; denn es ist schließlich unser gemeinsames Land.“ Wenn Sie diese Ankündigung auch auf Ihre Vorgehensweise bei der Wahl des Präsidenten des Landesrechnungshofs bezogen haben, dann muss ich Sie damals leider missverstanden haben.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, ich bin gern bereit, demjenigen, der es wissen möchte, am Beispiel der Wahl der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen zu erläutern, wie die CDU-Fraktion in der Opposition vorgegangen ist, wenn ihre Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit benötigt wurden.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Fraktion intensiv über die heute anstehende Entscheidung diskutiert und sind aufgrund ihrer Vorgeschichte zu der Auffassung gekommen, dass jedes Fraktionsmitglied für sich entscheiden soll, wie es zu der Wahl von Herrn Seibicke steht. Sollte Herr Seibicke gewählt werden, geht die SPD-Fraktion trotz des verunglückten Starts von einer guten Zusammenarbeit mit ihm aus.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Sitte möchte sich ebenfalls als Fraktionsvorsitzende äußern. Bitte sehr, Frau Dr. Sitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es etwas schade, dass dieser Wahlakt von diesem Redebeitrag begleitet wird. Wir haben effektiv einen Vorlauf von mehr als zwei Jahren zur Wahl des neuen Landesrechnungshofpräsidenten. Es hat heftige Auseinandersetzungen um die Besetzung dieses Amtes gegeben. Man konnte das auch in den Zeitungen verfolgen. Es gab dazu auch ähnliche Vorschläge bzw. Verfahrensweisen wie die, die Sie, Herr Püchel, jetzt heftig kritisieren.

Ich habe mich immer ausdrücklich dafür eingesetzt - diese Auffassung wurde innerhalb unserer Fraktion ein