Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

(Zustimmung von Herrn Bullerjahn, SPD)

Immer wieder kam die Meldung: Wir erhöhen die Nettoneuverschuldung nicht; nein, wir suchen einen alternativen Weg. - Das stimmt nicht. Es wird lediglich über die

eine oder die andere Form der Nettoneuverschuldung diskutiert.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Nun muss man darüber diskutieren, ob die vorgeschlagene Variante möglich ist.

Mein erster Gedanke war: Oh, das ist ein dicker Hund, was die da vorhaben! Die dann folgende Situation gestaltete sich etwas anders. Unsere Fraktionsvorsitzende kam in mein Büro und fragte mich: Wulf, sei mal ehrlich: Wärst du auch auf so eine Idee gekommen? - Daraufhin bin ich 30 Sekunden in mich gegangen und habe dann gesagt: Diese Frage möchte ich lieber nicht beantworten.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Insofern bin ich dafür, diese Diskussion hier und da etwas unaufgeregter zu führen. Wir haben sie in unserer Fraktion unaufgeregt geführt. Ich spreche jetzt ausdrücklich auch im Namen des Kollegen Herrn Dr. Köck, der sich in unserer Fraktion vor allen mit der Thematik der Altlastensanierung beschäftigt hat.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

Das Argument der Differenz zwischen den Soll- und den Habenzinsen ist stichhaltig, soweit man nachweisen kann, dass es dabei tatsächlich einen signifikanten Unterschied gibt. An dieser Stelle muss ich das Finanzministerium ausdrücklich loben - unabhängig davon, wer dort gerade Minister ist.

Ich habe schon manchmal den Eindruck gehabt, dass sich das Land längst als Bank betätigt. Wenn Sie sich die durchschnittlichen Habenzinsen und die durchschnittlichen Sollzinsen des Landes anschauen, besteht schon fast eine Verwechslungsgefahr. Wenn ich hier und da aus dem Finanzministerium einmal etwas über die Höhe einiger Zinssätze gehört habe, entstand bei mir oftmals der Eindruck, dass das Land seine Guthaben zum Teil zu Konditionen anlegt, die besser sind als die, zu denen es Kredite aufnimmt.

Insofern müsste man das Argument der Differenz zwischen den Soll- und den Habenzinsen prüfen. Für jeden Privathaushalt ist es richtig. Ob es bezogen auf das Land so stimmt, weiß ich nicht. Ich will es aber nicht ausschließen.

Abgeordneter Herr Gallert, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Rothe zu beantworten?

Am Ende, Herr Rothe.

Am Ende.

Möglicherweise existiert diese Zinsdifferenz wirklich. Möglicherweise sind es 0,1 oder 0,2 %. Allerdings sage ich Ihnen auch eines, Herr Böhmer: Wenn wir, wie Sie gesagt haben, tatsächlich Guthabenzinsen in Höhe von 4,5 bis 5 % bekommen würden - die Zinsen für unsere Kredite sind nicht so hoch -, würden wir viel Geld verschenken. Nehmen wir einmal an, im Finanzausschuss könnte nachgewiesen werden, dass es eine signifikante

Zinsdifferenz gibt. Selbst bei einer Zinsdifferenz von 0,1 % würde es sich im Jahr um einen Betrag von 300 000 € handeln. Darüber muss man reden.

Was wäre allerdings der Preis dafür, dass man darüber redet? - Erstens ist deutlich festzuhalten, dass es sich um eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung handelt. Jede Aussage, man könnte die Nettoneuverschuldung auf diesem Wege auf 750 Millionen € begrenzen, ist falsch. Die Entleihung von Mitteln aus diesem Fonds für die Altlastensanierung stellt eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung dar.

Zweitens muss geklärt werden, ob dem Land vonseiten des Bundes ein Vertragsbruch vorgeworfen werden könnte. Sollten durch ein solches Vorgehen Rückforderungen gegen das Land erhoben werden oder anderweitige juristische Folgen nicht auszuschließen sein, dann hätten wir ein Problem. Das würde auf jeden Fall teurer werden, weil die dann zu zahlenden Beträge die Differenz zwischen den Soll- und den Habenzinsen übertreffen würden. In den Beratungen des Finanzausschusses muss nachgewiesen werden, dass solche Folgen definitiv ausgeschlossen werden können.

Drittens brauchen wir einen gesicherten Rückzahlungsmodus für diese Mittel, um die Verwendung für den vereinbarten Zweck sicherstellen zu können. Der Vorschlag, das Geld erst dann zurückzugeben, wenn es benötigt wird, ist nicht akzeptabel. Derart viele Hosen kann man sich nicht mit der Kneifzange anziehen. Schließlich ist klar, was in diesem Fall geschehen würde: Das Finanzministerium und nicht mehr das Umweltministerium würde festlegen, wann und in welchem Umfang die Mittel gebraucht würden.

Wenn dieser Weg beschritten werden soll, ist vorher eindeutig festzulegen, nach welchem Modus das Geld zurückgezahlt werden soll. Dabei ist sicherzustellen, dass die Mittel rechtzeitig und in ausreichendem Maße für den vereinbarten Verwendungszeck in den Fonds zurückgeführt werden.

Das ist ein relativ schwieriges Problem, über das wir uns in der PDS-Fraktion schon Gedanken gemacht haben. Die einzige Lösung, die uns dazu eingefallen ist, ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen dem Land und der Anstalt für Altlastensanierung. Dieser ist jedoch nicht ganz unproblematisch, weil die Anstalt eine 100-prozentige Tochter des Landes ist und deshalb die Rückzahlung der Mittel nicht ohne weiteres einklagen könnte.

Wir sind daran interessiert zu erfahren, wie die Landesregierung diese Probleme bewältigen will. Wenn sie diese Probleme bewältigen will, dann wird die PDS-Fraktion dieses Verfahren prüfen und, sofern die erforderlichen Nachweise erbracht sein werden, ihre Position überdenken. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Herr Rothe möchte Ihnen eine Frage stellen. Wenn Sie bereit sind zu antworten, möchte auch Herr Oleikiewitz eine Frage stellen. - Bitte, Herr Rothe.

Herr Gallert, Ihre tolerante Haltung gegenüber der Landesregierung in Ehren, aber würden Sie auch so weit gehen, dem Herrn Finanzminister zu empfehlen, von seiner öffentlichen Ankündigung abzurücken, der zufolge

er beabsichtigt, im Zuge der Verbeamtung von Lehrkräften Pensionsrückstellungen vorzunehmen? Auch dort greift das Argument, dass das Land weniger Habenzinsen einnähme, als es Sollzinsen aufzubringen hätte.

Sie haben insofern Recht, dass ich gegenüber einem Vorschlag der Landesregierung eine relativ tolerante Haltung zum Ausdruck bringe. Ich verstehe den Ärger in der SPD-Fraktion sehr wohl; das möchte ich deutlich sagen.

Ich verstehe Ihren Ärger deshalb, weil ich die Antrittsrede von Herrn Paqué noch im Ohr habe. Damals hat er all die Dinge, die er jetzt zum Teil skrupellos selbst vorschlägt, in einer Art und Weise charakterisiert, die implizierte, dass hier nur Menschen am Ruder gewesen seien, die das Land kontinuierlich und willentlich in den Ruin getrieben hätten. Jetzt bedient er sich genau dieser Instrumente, die er noch vor einem halben Jahr verteufelt hat. Insofern verstehe ich die Erregung vollkommen.

Aber man kann dem gegenüber tolerant sein; denn die Frage, die sich die PDS-Fraktion gestellt hat, war eine andere: Was hätten wir selbst getan, wenn wir in dieser Situation gewesen wären? An dieser Stelle sage ich ehrlich, wir hätten auch über eine solche Variante diskutiert. Allerdings wäre für uns der Schattenhaushalt Verbeamtung nicht infrage gekommen. Das ist richtig, Herr Rothe.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Die Anleihe sozusagen aus der eigenen Gesellschaft ist der nächste Schattenhaushalt, der aufgemacht wird. Den Schattenhaushalt Verbeamtung hätten wir nicht in Erwägung gezogen.

Klar ist auch, dass der Finanzminister seine politischen Ziele nur erreichen kann, indem er einen Schattenhaushalt nach dem anderen auftürmt. In den nächsten Jahren wird es weitere derartige Ideen geben, weil sonst die Halbierung der Verschuldung nicht zu erreichen sein wird. Der Finanzminister steht aber im Wort. Deswegen wird es weiterhin zu solchen Methoden kommen.

Wir schauen zu und denken: Himmel Herrgott, er hat uns innerhalb eines halben Jahres übertroffen. Aber das ist eben Politik. Mit etwas Gelassenheit kann man damit umgehen. Aber es ist richtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Danke, Herr Rothe.

(Zustimmung bei der PDS)

Herr Oleikiewitz, bitte.

Herr Gallert, ich bin froh, dass Sie nun nicht mehr uns tolerieren, sondern die anderen; jedenfalls in Bezug auf - - -

(Heiterkeit bei der SPD)

Mein Gott, das ist so eine Mentalität. Man hat sich bei Ihnen an viele Dinge gewöhnt. Dann kann man jetzt auch das tolerieren.

(Heiterkeit bei der PDS)

Ich schränke meine Aussage ein auf den Umgang mit der Sanierung der Altlasten im Lande.

Ich frage Sie, Herr Gallert: Können Sie sich wirklich ernsthaft vorstellen, dass die Landesregierung, wenn sie diese Aktion, die es offensichtlich immer noch in den Köpfen gibt und die Sie offensichtlich befürworten, durchführt, das Geld, das entnommen werden soll, in den nächsten Jahren tatsächlich wieder in den Fonds zurückführen wird? Meinen Sie, die Landesregierung wird den Fonds wieder auffüllen und auch die Zinsen, die dann ausgefallen sein werden, sowie die Landesmittel, die in dieser Zeit möglicherweise nicht in den Fonds eingezahlt werden, zur Verfügung stellen? Können Sie sich wirklich vorstellen, dass das funktioniert?

Herr Oleikiewitz, Sie haben mich an einer Stelle missverstanden. Ich habe nicht gesagt, dass wir mit diesem Verfahren einverstanden sind. Vielmehr sagte ich, wir werden damit einverstanden sein, wenn die Landesregierung uns einen Weg aufzeigt, bei dem genau für die Punkte, die Sie eben in Zweifel gezogen haben, eine juristisch einwandfreie Lösung nachgewiesen wird.

Nur wenn uns die Landesregierung klar sagt: Wir machen folgende juristische Konstruktion, die ausschließt, dass die Gelder nicht zurückfließen, die ausschließt, dass die Zinsen nicht zurückfließen, diese Konstruktion zeigen wir euch auf, dass diese Gelder inklusive der Landesanteile sozusagen rechtzeitig zurückfließen - nur wenn die Landesregierung in der Lage ist, uns einen solchen Weg aufzuzeigen, dann sind wir bereit, über diese Dinge zu reden, aber nur dann.

Wenn Sie jetzt 100-prozentig sicher sind, dass es diesen Weg nicht geben wird, den wir übrigens auch noch nicht kennen - - Wir haben einmal überlegt, wie man das machen kann; wir haben keinen solchen Weg gefunden. Die Kreativität sitzt sozusagen auf der Regierungsbank; soll uns also die Regierung einen Weg aufzeigen. Dann kann man darüber reden. Wenn das nicht ausgeschlossen werden kann, dann wird die PDS dagegen sein; dann wird sie sagen: Geh auf den Kreditmarkt und hol es dir dort. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Gallert. - Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Tullner das Wort. Bitte, Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen von Herrn Gallert, die sozusagen von einem hohen Maß an Toleranz geprägt waren,

(Unruhe bei der PDS - Zuruf von Herrn Buller- jahn, SPD)

bin ich geneigt, dieses Prinzip ebenfalls zum Inhalt meiner Rede zu erheben. Ich möchte nicht die Punkte wiederholen, die der Herr Ministerpräsident vorgetragen hat und die auch von Frau Dr. Hüskens und von den Kollegen der Oppositionsfraktionen angesprochen worden sind, weil die Fakten auf dem Tisch liegen. Ich denke, die Frage wird sein - das hat Herr Gallert eben auch an

geführt -, wie wir das technisch umsetzen. Dazu, denke ich, ist der Finanzausschuss das Fachgremium, das dies am besten kann, und nicht das Plenum.