Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

(Zuruf von der SPD: Wir warten auf Ihre Vor- schläge! - Herr Dr. Püchel, SPD: Es gibt doch keine!)

Statt hier Vorsorge zu treffen, wird blindlings abkassiert. Ihr berühmtes Forum Ost lässt auch nichts mehr von sich hören.

In der Konsequenz führt die Kopplung der Ökosteuerbelastung an die geplante Sozialabgabenentlastung zu

dem absurden Fakt, dass Arbeitsplätze tendenziell vernichtet und nicht neu geschaffen werden.

Im Zusammenhang mit der Ökosteuer möchte ich auch noch an die vielen Immobilienbesitzer unter den Flutopfern erinnern, die viel Energie benötigen, um ihre Immobilien trocken zu bekommen. Sie werden aufgrund der gestiegenen Ökosteuer auch noch fröhlich abkassiert. - All das ist Ihre Politik, die Sie im Bundestag vollführen.

Wie verhält es sich denn - um ein anderes Beispiel zu nehmen - mit der Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft vor dem Hintergrund vieler noch mit Verlust fahrender Tochtergesellschaften in Sachsen-Anhalt? Die Unternehmen werden, wenn sie überhaupt noch in Deutschland investieren, dieses nur noch an ihren Hauptsitzen tun, und die liegen bekanntlich in den westlichen Bundesländern. Wie oft haben wir den Spruch vom „Anwalt der kleinen Leute“ gehört, der die SPD sein will, gepaart mit der Aussage - Zitat -:

„Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig und deshalb ziehen wir sie auch nicht Betracht.“

O-Ton Gerhard Schröder - vor der Wahl, wohlgemerkt.

Stattdessen rollt eine Kostenlawine auf die Bürgerinnen und Bürger zu. Die Zahnersatzleistungen werden höher besteuert. Selbst vor Überraschungseiern machen Sie ja nicht halt.

Die Steuererhöhungen, die Rot-Grün auf den Weg gebracht hat, erschließen sich sachlogisch überhaupt nicht mehr. Für Hundefutter bleibt die Mehrwertsteuer bei 7 %; was die Kuh frisst, wird mit einem höheren Steuersatz versehen. Ich weiß nicht, ob Sie das irgendwie systematisch verstehen können.

Bei den Krankenkassen kommt man kaum noch hinterher, so schnell steigen die Lücken und die Beiträge. Man darf spekulieren, wo zwischen 14 und 15 % sie liegen werden.

Bei der Rente ist eines sicher: Der Anstieg des Beitragssatzes kann nur mithilfe von Tricksereien an der Schwankungsreserve bei gleichzeitiger Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze auf 19,5 % begrenzt werden. Aber laut Generalsekretär Scholz ist die Rente ja sicher - nachzulesen in der „FAZ“. Vielleicht hat er in seinem Kampf um die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ - ein ganz übler Spruch übrigens - den Überblick verloren. Denn die Wahrheit sieht anders aus.

Private Altersvorsorge, deren richtige, wenn auch völlig unzureichende Förderung als Systemkomponente von Rot-Grün einzuführen begonnen wurde, wird nunmehr steuerlich diskreditiert. Wer seine Altersvorsorge mit privatem Kapital - sei es in Wertpapieren angelegt, sei es in Immobilien investiert - sichern wollte, sieht sich jetzt einem massiven Abkassieren ausgesetzt. Dies ist vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland und ihrer Auswirkungen auf die öffentlichen Rentenkassen ein Vertrauensbruch par excellence.

Die radikale Kürzung des Ansatzes der Bundesanstalt für Arbeit - darauf will ich jetzt nur ganz kurz eingehen, das stand ja alles in der Zeitung - bringt auch sehr positive Nachrichten, um das einmal sarkastisch auszudrücken, für unser Land. Das bedeutet für Sachsen-Anhalt eine Verminderung um ein Viertel auf 1,25 Milliarden €. Das stand gestern alles in der Zeitung. Sollten diese Pläne tatsächlich umgesetzt werden, würde die Arbeits

losigkeit in Sachsen-Anhalt schlagartig um 1,5 Prozentpunkte ansteigen. Das nennt sich dann sozial ausgewogene Politik von Rot-Grün!

Und dann - dies ist mein letztes Beispiel; es wird im Laufe dieser Sitzungstage auch noch intensiver diskutiert werden - die Sache mit der Eigenheimzulage. Gerade wir in Sachsen-Anhalt mit unserer niedrigen Quote an Wohneigentum haben davon bekanntlich stark profitiert. Und jetzt? - Die Krise der Bauwirtschaft wird weiter verschärft. Allein in Sachsen-Anhalt rechnet die Bauwirtschaft mit einem Wegfall von weiteren 2 000 Arbeitsplätzen. Familien mit Kindern erhalten deutlich weniger als vorher.

Es ist geradezu widersinnig - so die ostdeutschen Unternehmerin Dauro -, wenn einerseits Immobilien als die sicherste und beste Lösung zur Altersvorsorge von der Regierung hervorgehoben werden und andererseits durch Kürzung der Eigenheimzulage die Finanzierung dieser Immobilien für viele Menschen unmöglich wird. Niemand wird der Bundesregierung das Recht absprechen, Subventionen zu streichen, - Zitat - „aber bitte nur dann, wenn zur gleichen Zeit die hohen Einkommensteuern gesenkt werden“.

Das, meine Damen und Herren, lässt uns zu des Pudels Kern kommen. Der Sachverständigenrat setzt sich in seinem Jahresgutachten gleich im ersten Punkt damit auseinander, warum wir in Deutschland eine Wachstumskrise haben, warum sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt und infolgedessen unsere sozialen Sicherungssysteme ungeachtet der demografischen Probleme in einer Schieflage befinden.

Nur ein konsequenter Steuersenkungskurs wird - so das Gutachten - die Not in unserem Lande wenden. Dieser Steuersenkungskurs müsste sicherlich mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einhergehen, aber eben gleichzeitig mit einer Senkung der Steuersätze. Aber was macht die Bundesregierung? Sie verbreitert die Bemessungsgrundlage, erhöht aber zugleich die Steuern.

Herr Abgeordneter Tullner, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja, noch eine Minute.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich frage Sie angesichts einer solchen Politik der stetig steigenden Kostenbelastungen: Wie sollen Unternehmer neue Arbeitsplätze schaffen? Gerade der Mittelstand - das sind 90 % unserer Arbeitgeber - schafft ja die meisten Arbeitsplätze, und er wird angesichts der enormen Belastungen davon absehen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Nur dann, wenn Sie den Menschen durch grundlegende Steuerstrukturreformen die Freiheit und die Möglichkeiten erleichtern und garantieren, eigenverantwortlich etwas zu unternehmen, werden Sie auch eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und der Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland und in SachsenAnhalt erreichen. Dazu gehören der Abbau bürokratischer Hemmnisse, eine niedrige Belastung mit Steuern und Abgaben und ein gesellschaftliches Klima, das innovationsfreundlich und konsumfördernd ist.

Die geringen Spielräume, die ein föderaler Gliedstaat wie Sachsen-Anhalt hat, sind von uns seit dem 21. April auf den Weg gebracht worden.

Herr Tullner, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja wohl, noch ein Satz. - Doch bleibt der Erfolg nur partiell, wenn nicht auch in Berlin diese elementaren Voraussetzungen garantiert sind. Durch Ihre Steuer- und Finanzpolitik sind nahezu alle Länder in eine Schieflage gerutscht.

Meine Damen und Herren! Wir sind in der Lage, dies anders zu machen. Ich kann aufgrund der Zeit nicht auf das Programm eingehen.

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Herr Tullner, bitte brechen Sie Ihre Rede ab. Sie haben Ihre Redezeit um eineinhalb Minuten überschritten.

Die Instrumentarien sind bekannt. Wir als Union sind fest entschlossen, sie anzuwenden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Tullner. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Walbeck.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Zunächst hat für die Landesregierung der Minister der Finanzen Herr Professor Dr. Paqué um das Wort gebeten. Bitte, Herr Professor Paqué.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung hat den Entwurf für ein so genanntes Steuervergünstigungsabbaugesetz vorgelegt. Erlauben Sie mir, aus der Sicht der Landesregierung zu einigen Kernpunkten dieses Entwurfs Stellung zu nehmen; denn eines ist klar: Dieser Entwurf würde, wenn er Gesetz würde, unserem Land schwer schaden.

Schon der Name des Gesetzentwurfes ist viel sagend. Bis vor kurzem hießen die steuerlichen Initiativen der Bundesregierung Steuerentlastungsgesetz oder Steuersenkungsgesetz. Sie waren zwar in ihrer Ausgestaltung im Einzelnen höchst fragwürdig, zielten zumindest aber in die Richtung der Senkung der Abgabenlast.

Mit dieser Philosophie macht das nun vorgelegte Steuervergünstigungsabbaugesetz Schluss, und zwar gründlich. Angeblich geht es dabei um die Beseitigung von ungerechtfertigten Steuervergünstigungen. Dies klingt plausibel und es fehlt in dem Entwurf der Bundesregierung auch nicht an schneidigen Begründungen.

Über die Beseitigung von zweifelhaften Steuervergünstigungen - die es tatsächlich gibt - ließe sich vom Grundsatz her auch politisch reden. Dies kann und darf aber

nur im Rahmen einer Diskussion geschehen, die eine grundlegende Vereinfachung des Steuerrechts bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze auf breiter Front zum Ziel hat. Es muss allein darum gehen, auf dem Weg zu einer fairen, leistungsgerechten Besteuerung die Bemessungsgrundlage zu verbreitern, die Tarife zu senken und natürlich auch so genannte Vergünstigungen abzuschaffen. Es darf aber nicht darum gehen, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Die Philosophie einer fairen, leistungsgerechten und einfachen Besteuerung liegt einer Reihe von Papieren zugrunde, die bereits in der Wissenschaft und in der Politik kursierten. Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat ein solches Papier vorgelegt, in dem er einen Dreistufentarif vorschlägt. Meine eigene Partei, die freien Demokraten, haben das auch getan. Von diesen Entwürfen ist der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung aber Lichtjahre entfernt. Es liegt ein Gesetzentwurf zur Senkung der Nettoeinkommen der Bürger vor, aber kein echtes Steuerreformgesetz.

Ein großer Teil der jetzt geplanten Belastungen entfällt - das ist das Dramatische an diesem Gesetz - auf den unternehmerischen Bereich, der erst vor kurzem noch entlastet werden sollte. Damals hieß es: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. - Damit wird jetzt Schluss gemacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Steuerrecht ist Wirtschaftsrecht. Wir Deutschen stehen mit unserer Unternehmensbesteuerung im internationalen Wettbewerb; wir sind nicht allein auf der Welt. Die von der Bundesregierung geplante Mindestbesteuerung, die Einschränkungen bei der steuerlichen Organschaft und die Einschnitte bei der steuerlichen Berücksichtigung von Verlusten treffen die Wirtschaft außerordentlich hart. Dies gilt in besonderem Maße für Mittel- und Ostdeutschland und allenthalben für Sachsen-Anhalt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung unternimmt selbst alle Anstrengungen, um Unternehmensgründungen und Investitionen in SachsenAnhalt zu fördern und zu forcieren. Wenn wir die Bereitschaft zu unternehmerischer Initiative unterstützen wollen, dann ist es alles andere als hilfreich, die Anlaufschwierigkeiten von Existenzgründern durch die Einführung einer Mindestbesteuerung noch zu vergrößern. Junge Unternehmen können dann die Verluste, die in der schwierigen innovativen Anfangsphase der unternehmerischen Tätigkeit anfallen, in späteren Jahren nicht mehr in vollem Umfang ausgleichen.

Wir wissen doch aber, dass gerade in Mittel- und Ostdeutschland die Startphase für junge Unternehmen besonders schwierig ist, weil es noch an kräftig wachsenden industriellen Ballungszentren wie im Westen fehlt. Die Bundesregierung wirft mit diesem Steuergesetz jungen Unternehmen in Mittel- und Ostdeutschland Knüppel zwischen die Beine. Dies wird die Landesregierung nicht mitmachen.

Die vorgesehene Einschränkung der Verlustanrechnung macht es unattraktiv, Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu übernehmen und weiterzuführen. Wir haben in Sachsen-Anhalt viele Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Bundesregierung die Zahl der Insolvenzen in den neuen Bundesländern noch weiter nach oben trei

ben. Das kostet Arbeitsplätze und dies werden wir als Landesregierung nicht hinnehmen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält schließlich auch Änderungen bei der Gewerbesteuer, die sich für Sachsen-Anhalt und die anderen mittel- und ostdeutschen Länder als äußerst nachteilig erweisen können. Es geht vor allem um die geplante Abschaffung der so genannten gewerbesteuerlichen Organschaft. Wichtig ist dies bei Unternehmen mit Sitz in den alten, aber Produktionsstätten in den neuen Ländern; und davon gibt es nun einmal eine Menge.

Die Neuregelung könnte dazu führen, dass bei solchen Unternehmen die Gewerbesteuer nur noch dem Sitz des Unternehmens zugerechnet wird, also den alten und nicht den neuen Ländern. Auch an dieser Stelle wird die Landesregierung Sachsen-Anhalts nicht mitmachen. Im Übrigen nimmt dieser Teil des Gesetzentwurfes Elemente einer Reform der Kommunalfinanzen vorweg. Dies ist schlechter politischer Stil.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Während sich noch Expertenkommissionen über die Ausgestaltung einer Reform der Kommunalfinanzen Gedanken machen, erklärt die Bundesregierung die Diskussion jedenfalls teilweise schon für beendet. Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung der Kommunalfinanzreform für Länder und Kommunen in Deutschland nicht gerecht. Wir lehnen dies ab.