Immer wieder ist von der Abschaffung des Rechtsanspruchs auf einen Kinderkrippenplatz die Rede. Dies ist nicht der Fall. Weder im Kindergarten noch im Hort soll der Rechtsanspruch verändert werden.
Lediglich in der Kinderkrippe wird er künftig an einen besonderen Betreuungsbedarf geknüpft sein. Dieser richtet sich danach, ob die Eltern berufstätig sind, ob sie in Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung sind oder spezielle familiäre, erzieherische oder soziale Gründe vorweisen können. Ebenfalls gegeben ist dieser besondere Betreuungsbedarf bei einer Aussicht auf Ausbildung oder einen Arbeitsplatz. Somit kann allenfalls von einer Modifizierung, keinesfalls aber von einer Abschaffung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz die Rede sein.
Durch das enge Zusammenspiel von Arbeitsamt und Jugendamt wird nicht eine einzige Frau und auch kein einziger Mann zukünftig daran gehindert werden, arbeiten zu gehen, seine Ausbildung fortzusetzen oder sich weiterbilden zu lassen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht dabei im Mittelpunkt; denn die Chancen auf eine Arbeit werden sich nicht verschlechtern. Für sachsen-anhaltische Eltern besteht damit eine echte Möglichkeit der Wahl zwischen Berufstätigkeit und Familientätigkeit entsprechend ihren persönlichen Möglichkeiten zum Wohle der Kinder unseres Bundeslandes.
Lassen Sie mich ganz deutlich sagen, meine Damen und Herren: Wir können die Eltern nicht völlig aus ihrer Verantwortung entlassen. Auch sie haben eine Verantwortung, einen Erziehungs- und Bildungsauftrag, den sie nicht allein dem Staat überlassen können.
Es ist überhaupt befremdlich, wenn derzeit in der öffentlichen Darstellung der Eindruck erweckt wird, als könne angemessene Kindererziehung ausschließlich - ausschließlich! - in Krippen - nur um diesen Bereich geht es bei dieser Veränderung - gewährleistet werden. Damit wird der Eindruck erweckt, als wären die Eltern nicht in der Lage, ihre Kinder selbst zu erziehen.
Fast hat man schon das Gefühl, es seien Rabeneltern, die bisher ihre Kinder zu Hause erzogen haben. Wenn wir uns die Auslastungszahlen anschauen, sehen wir, dass 46 % der Kinder eines Jahrgangs Gebrauch davon machen, in die Krippe zu gehen.
Es wird doch aber wohl keiner ernsthaft behaupten, sage ich einmal, dass es nicht in Ordnung sei, wenn Kinder zu Hause bei ihren Eltern erzogen werden. Ich will gar nicht bewerten, welche Form der Betreuung besser oder weniger gut ist. Das hätte nämlich eine Reihung zur Folge und um die geht es mir gerade nicht.
Dort, wo es erforderlich ist und ein entsprechender Bedarf besteht, muss selbstverständlich ein entsprechendes Betreuungsangebot vorhanden sein. Die CDU-Fraktion wird es allerdings nicht unwidersprochen lassen, wenn behauptet wird, dass die Erziehung durch die Eltern die schlechtere Form der Erziehung sei.
Es gibt eine Vielzahl von jungen Müttern und eine wachsende Zahl an jungen Vätern, die sich zumindest für eine gewisse Zeit selbst um ihre Kinder kümmern wollen. Deren Arbeit in der Familie ist als der Arbeit in der Wirtschaft und in der Gesellschaft gleichwertig anzusehen. Es ist unerträglich, wenn ein Klima erzeugt wird, in dem sich Eltern, die sich entschieden haben, ihr Kind selbst zu erziehen, für diese Entscheidung stets und ständig rechtfertigen müssen. So sieht es doch aus!
Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich kurz auf die soziale Komponente des Anspruchs auf einen Krippenplatz zurückkommen. Allen Unkenrufen zum Trotz sichert der Gesetzentwurf auch Kindern, die aus besonderen erzieherischen oder anderen sozialen Gründen nach Entscheidung durch das Jugendamt eine Unterbringung in der Krippe nötig haben, eine solche Unterbringung zu. Allen Unkenrufen zum Trotz grenzen wir also keine Kinder aus. Es kann keine Rede davon sein, dass diese Kinder ausgegrenzt und bereits in diesem frühen Stadium ihres Lebens in ihren Entwicklungschancen benachteiligt werden; denn das Jugendamt kann das entscheiden und kann nach dem neuen Gesetz diese Zusage machen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, nun zu wesentlichen Änderungen kommen. Im Zuge der Änderung des Kinderbetreuungsgesetzes sollen bei den Raumflächen, beim Mindestpersonalschlüssel, bei den Öffnungszeiten, bei der Betreuungsdauer den jeweiligen für die Kinderbetreuung Verantwortlichen vor Ort mehr
Dazu zählt, dass künftig bestimmte festgeschriebene Raumflächen entfallen. Vielmehr ist es den Entscheidungsträgern vor Ort überlassen, die Räumlichkeiten ausreichend und kindgerecht zu bemessen. Auch beim Mindestpersonalschlüssel für das Fachpersonal sollen künftig der Träger der Einrichtung, das Elternkuratorium und der örtliche Träger der Jugendhilfe gemeinsam über eine Abweichung vom Personalschlüssel entscheiden können, nach oben wie nach unten.
Ebenso sollen Betreuungs- und Gesamtöffnungsdauer der Kindertageseinrichtungen vor Ort festgelegt und an die Bedürfnisse angepasst werden. Hierbei ist zukünftig sicherlich ein Umdenken erforderlich. Kommunen und Einrichtungsträger werden zukünftig flexibler als bisher auf die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger eingehen müssen. Die Landschaft der Kinderbetreuung wird vielfältiger werden.
Es werden sich weitere Wahlmöglichkeiten der freien Träger eröffnen. Durch das Angebot von Tagespflegestellen kann besonders im ländlichen Raum mit dünner Besiedlung und entsprechend geringer Kinderzahl sinnvoll auf die Bedürfnisse der Eltern reagiert werden. Zur Qualitätssicherung dieses neuen Angebotes müssen sicherlich die Tagespflegepersonen unter anderem auch eine Qualifikation nachweisen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vollkommen neu in dem Gesetzentwurf ist, dass den Kindertagesstätten ein eigener pädagogischer Auftrag erteilt wird, mit dem die Kinder auf die bevorstehende Schule vorbereitet werden. Die Kinder sollen zukünftig mindestens im letzten halben Jahr des Kindergartens auf die Schule vorbereitet werden, indem sie altersgerechte Bildungselemente und Übungsphasen durchführen können und damit auf die Ernsthaftigkeit der Schule vorbereitet werden. Hiermit reagieren wir auf Pisa.
Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich abschließend, Frau Bull, noch einiges sagen. SachsenAnhalt wird auch nach dieser Novellierung
eines der qualitativ besten Kinderbetreuungsgesetze in Deutschland haben. Diese bundesweite Vorbildfunktion Sachsen-Anhalts, deren Fundament wir in der ersten Wahlperiode gelegt haben, wird es weiterhin geben und sie wird weiterhin ein klarer Standortvorteil für SachsenAnhalt sein.
Ein letztes Wort, ehe die Sekunden verstreichen. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich will an dieser Stelle mein Angebot vom 11. Oktober wiederholen - das habe ich ernst gemeint -, dass wir uns gemeinsam und konstruktiv dieser Sache annehmen. Das biete ich Ihnen heute nochmals an. Bei allem Streit um die Sache sollten wir uns gegenseitig nicht absprechen, dass uns gemeinsam die Zukunft unserer Kinder am Herzen liegt.
Uns allen wäre es sicherlich am liebsten, wenn die Finanzlage unseres Landes so wäre, dass die Novellierung des Kinderbetreuungsgesetzes nicht notwendig wäre. Aber, meine Damen, meine Herren, im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens werden wir alle konstruktiven Vorschläge aufnehmen, bedenken und, wenn nötig, in das Gesetz einarbeiten. - Herzlichen Dank.
Herr Abgeordneter Kurze, Sie hatten schon Fragen von Herrn Bischoff und von Frau Dirlich zugelassen. Es gibt inzwischen weitere Meldungen. Soll ich die jetzt gleich alle zulassen?
Herr Kurze, eigentlich war es ein bisschen schade. Dem Thema wäre eigentlich eine andere Reaktion angemessen gewesen. Ich dachte, ich sei im Theater.
Aber meine Frage: Ich gehe davon aus, dass Sie das Gesetz im Februar verabschieden wollen. Sie haben angekündigt, Sie wollten eine ausführliche Beratung machen. Als wir das Gesetz im Jahr 1998 novelliert haben, hatten wir von Oktober bis Februar Zeit. Damals hat die CDU von einem Durchpeitschen gesprochen und Dr. Bergner hat gesagt, wir würden das Parlament zur reinen Akklamationsbude verkommen lassen. Meine Frage: Wie glauben Sie zu einer guten Beratung zu kommen, wenn Sie berücksichtigen, dass wir jetzt gerade vier Wochen oder, wenn wir die Weihnachtszeit abrechnen, sogar weniger Zeit haben?
Herr Bischoff, ich denke, dass wir diesen Gesetzentwurf in den letzten Wochen angefangen vom Referentenentwurf und vom Eckpunktepapier hoch und runter diskutiert haben.
- Darf ich ausreden? - Ich denke, dass im Grunde genommen diejenigen, die es betrifft, über diesen Entwurf informiert sind und dass wir in den nächsten Wochen darüber in der Expertenanhörung konstruktiv diskutieren werden. Wenn es dort Vorschläge gibt, die diesen Gesetzentwurf abrunden oder qualitativ verbessern, werden wir als Koalitionsfraktionen sicherlich nicht diejenigen sein, die sagen, das bleibt draußen. Wir werden diejenigen sein, die sagen, das nehmen wir auf.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie folgendes Beispiel kennen: Der Sohn meiner Schwester - ich nehme ein persönliches Beispiel, damit Sie nicht sagen, ich sauge mir das aus den Fingern - hatte einen schweren Unfall und befand sich zwischen Leben und Tod auf der Intensivstation. Meine Schwester, arbeitslos, hat ihn je
den Tag besucht, ihn betreut, gewaschen und gefüttert - alles, was möglich war. Daraufhin wurde ihr vom Arbeitsamt mitgeteilt, dass sie nunmehr dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung steht - da sie ihr Kind betreut - und ihre Arbeitslosenhilfe gestrichen wird.