Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Des Weiteren wurde bereits die Stärkung der inhaltlichen Kontrollmöglichkeiten der Vormundschaftsgerichte angesprochen, ferner die Schaffung einer Verpflichtung für die Betreuer, die aus Anlass einer Betreuung entstandenen wesentlichen Teile ihrer Akten innerhalb bestimmter Fristen aufzubewahren. Schließlich gilt es, die gegenwärtige Praxis der Einsetzung von Verfahrenspflegschaften zu überprüfen.

Dies hätte man sicherlich noch in den Antrag aufnehmen können. Ich wollte es jetzt zu Protokoll geben, damit wir diese Gesichtspunkte nicht aus den Augen verlieren. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke. - Es wurde der Wunsch auf eine Direktabstimmung signalisiert. Dann treten wir jetzt in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/393 und zur Drs. 4/423 ein.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag in der Drs. 4/423 ab. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Änderungsantrag einstimmig angenommen.

Somit stimmen wir jetzt über die Drs. 4/393 in der soeben geänderten Fassung ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei gleichem Abstimmungsverhalten ist der Antrag angenommen. Somit ist der Tagesordnungspunkt 19 abgeschlossen.

Wir treten in die Beratung zum Tagesordnungspunkt 20 ein:

Beratung

Vorgesehene Änderung der Umsatzbesteuerung der Bundesregierung in Landwirtschaft und Gartenbau

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/394

Änderungsantrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/424

Einbringer ist für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Herr Daldrup.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ein Gesetz oder ein Verfahren zur Besteuerung in regelmäßigen Abständen immer wieder zur Diskussion steht, dann zeigt das, dass die Bundesregierung an dieser Stelle eine neue Regelung anstrebt. Im Jahr 1999 hatte bereits Herr Lafontaine versucht, die Pauschalierung für landwirtschaftliche Betriebe zu verändern. Damals ist es aber nur zur Absenkung der Umsatzpauschalierung um einen Prozentpunkt gekommen.

Jetzt will die Bundesregierung im so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz die Umsatzbesteuerung für Landwirtschaft und Gartenbau neu zu regeln. Besonders davon betroffen werden die Land- und Forstwirte sein. Es geht um eine Absenkung der Umsatzpauschalierung gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes bei gleichzeitiger Anhebung der Umsatzsteuer für landwirtschaftliche Vorprodukte wie Nutzvieh, Futtermittel etc.

Schlagen die Erhöhungen in der Landwirtschaft nicht direkt bis zum Endverbraucher durch, so sind die Auswirkungen auf den Bereich des Gartenbaus bei Blumen und bei Baumschulprodukten sofortige Preiserhöhungen für die Bürger in unserem Land. Natürlich werden sich diese Preiserhöhungen nicht ohne weiteres durchsetzen lassen, sodass diese Erhöhung der Steuersätze von heute 7 % auf 16 % eine echte Kostenbelastung für die Gartenbaubetriebe ist.

Im Landwirtschaftsbereich ist es natürlich auch eine Kostenerhöhung zusätzlich zu den ohnehin geplanten Mehrbelastungen im Energiebereich, welche die Bundesregierung am 4. November 2002 bei der Strom- und Erdgasbesteuerung beschlossen hat.

Bei der Umsatzbesteuerung handelt es sich um ein EUkonformes, rechtlich zulässiges Vereinfachungsverfahren für die Landwirtschaft, das bis auf Dänemark und Portugal alle EU-Mitgliedstaaten anwenden. Mit diesem bewährten Vereinfachungsverfahren werden den Betrieben seit dem Jahr 1968 Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten für Zwecke der Umsatzsteuer erspart. Dies führt zu einer Erleichterung für die Finanzverwaltung und für die Landwirte.

Wichtig ist dabei vielleicht zu sagen, dass es tatsächlich auch eine Erleichterung für die Finanzverwaltung ist. Bundesweit werden 90 % und in Sachsen-Anhalt immerhin 60 % aller Betriebe nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes behandelt. Welche Mehraufwendungen auf die Finanzämter zukommen, kann sich jeder vorstellen, weil dann jeder Betrieb monatlich eine Umsatzsteuervoranmeldung einreichen muss, wie das bei den Gewerbebetrieben heute auch der Fall ist.

Es wird immer vorgebracht, dass dieses Gesetz eine Subventionierung darstellt. Das ist aber nicht der Fall, da dieser Punkt im 18. Subventionsbericht der Bundesregierung gar nicht auftaucht und darin auch vorher nie aufgetaucht ist.

Auch von Mehreinnahmen für den Staat ist nicht auszugehen, da bei Überprüfungen von insgesamt 50 000 ausgewerteten Betrieben ein Vorteil von maximal 20 € je Betrieb errechnet worden ist, was aus meiner Sicht eine Umstellung in keiner Weise rechtfertigt.

Formal soll die Pauschalierung nicht aufgehoben werden. Durch die Absenkung des Pauschalisierungssatzes von 9 % auf 7 % bei gleichzeitiger Verteuerung der Vor

produkte gleicht die Pauschalierung die sektorale Vorsteuerbelastung aber nicht mehr aus. Die Folge ist ein Unterausgleich, also eine tatsächliche Belastung, die die landwirtschaftlichen Betriebe auf ihre Vorsteuern selbst zahlen müssten. Sie müssten sozusagen einen Teil der Vorsteuer selbst tragen. Damit werden die Betriebe faktisch aus der Pauschalierung getrieben und werden in Zukunft optieren.

Berechnungen ergeben für unsere landwirtschaftlichen Betriebe Mehraufwendungen von mindestens 1 000 € je Betrieb und Jahr. Da das Gesetz frühestens im März 2003 in Kraft treten kann, müsste für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2002 eine Zwischenbilanz erstellt werden, weil eine Umstellung innerhalb des Wirtschaftsjahres erfolgt. Auch das würde erhebliche Mehraufwendungen für die Betriebe bringen, da sie die Kosten dieser Zwischenbilanz selbst bezahlen müssten.

Unter dem Aspekt der Entbürokratisierung ist die Pauschalierung geradezu ein Musterbeispiel für Vereinfachungseffekte. Warum sollten wir deshalb eine bürokratischere Regelung anstreben?

Dass das Vorhaben schlecht durchdacht ist, zeigt auch die Tatsache, dass überhaupt noch nicht geklärt ist, wo denn eigentlich die Schnittstelle zwischen Futtermitteln und Lebensmitteln ist. Lebensmittel sollen nach wie vor mit 7 % besteuert werden, Futtermittel mit 16 %.

Es war beispielsweise bislang so, dass für Weizen ein einheitlicher Steuersatz gegolten hat. Heute müssen wir aber feststellen, dass wir nicht genau wissen, wann der Weizen, wenn er als Backweizen verkauft wird und zu Nahrungszwecken dient, als Lebensmittel gilt und mit 7 % besteuert wird. Das Gleiche gilt für Tiere. Lebende Tiere werden mit 16 % besteuert, Schlachtvieh und Fleisch mit 7 %. Wo ist die Schnittstelle? Das ist nicht geklärt. Das weiß niemand genau. Das konnte mir bislang auch niemand erklären.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es ist ein Schnellschuss, der ohne Not Vereinfachungen aufgibt und zu einem Wettbewerbsnachteil für die deutsche und damit auch für die sachsen-anhaltinische Landwirtschaft wird, der zu Mehrkosten sowohl bei den Landwirten als auch bei der Finanzverwaltung und zu einer Verkomplizierung des Steuerrechts führt.

Im Gartenbaubereich und bei den Holzprodukten ist die Situation deshalb besonders schlimm, weil zu erwarten ist, dass durch die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 7 % auf 16 % ein erheblicher Anteil der Betriebe in seiner Existenz gefährdet wird.

Die betroffenen Produkte werden in der Regel entweder zum Endverbraucher oder zur öffentlichen Hand verkauft. Die öffentliche Hand kann, da sie in der Regel diesen Bereich budgetiert, nicht mehr ausgeben. Das führt dann zu Umsatzverlusten, welche den Betrieben insgesamt angelastet werden.

Der Endverbraucher wird sich eine Preissteigerung um 9 % nicht ohne weiteres gefallen lassen. Auch das wird zu Umsatzverlusten oder dazu führen, dass die 9 % von den Gartenbaubetrieben und von den Floristen selbst getragen werden müssen, was die Gewinnchancen mindert. Unsere Gartenbaubetriebe sind nun einmal nicht in der Lage, solche Kosten und solche Wettbewerbsnachteile problemlos aufzufangen, da sie noch jung sind und es ihnen in der Regel an Eigenkapital mangelt.

Der Zentralverband Gartenbau rechnet mit Einkommensrückgängen von 12 000 bis 25 000 € je Betrieb. Das muss dazu führen, dass verschiedene Betriebe entweder aufgegeben oder aber zumindest in erheblichem Ausmaß Arbeitsplätze abgebaut werden. Das kann hier niemand wollen. Es ist auch nicht sinnvoll.

Ich befürchte, wenn das Gesetz, so wie es jetzt angedacht ist, Wirklichkeit wird, wird ein großer Teil unserer jungen Gartenbaubetriebe aufgegeben werden. Was mich wirklich ärgert, ist die Tatsache, dass das alles unter dem Titel „Vergünstigungsabbau“ abgehandelt wird. In Wirklichkeit ist es eine tatsächliche Steuererhöhung und kein Abbau von Subventionen oder Begünstigungen.

Nein, es trägt bei zum Bürokratieaufbau für die Betroffenen und letztlich zum Abkassieren bei den Bürgern, wenn sie denn bereit sind, das zu tun, und nicht mit Kaufverweigerung reagieren.

Deswegen glauben wir, dass wir als CDU-Fraktion das den Landwirten und den Gartenbaubetrieben in Sachsen-Anhalt nicht zumuten können, und fordern die Landesregierung auf, alles zu tun, um dieses Gesetz zu verhindern, zum Wohl unserer heimischen Landwirtschaft und unseres Gartenbaus.

Die PDS hat einen Änderungsantrag gestellt. Ich möchte auch gleich darauf reagieren. Dem würden wir so zustimmen. Wir würden dieses Thema im Ausschuss noch einmal behandeln wollen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Daldrup, für die Einbringung. - Wir treten jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Es handelt sich um eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Krause von der PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich voranstellen, dass auch wir nicht verkennen, dass die gegenwärtige Haushaltslage sehr prekär ist und der politische Spielraum für eine Einflussnahme auf die Gestaltung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse nicht zuletzt wegen mangelnder Finanzen immer geringer wird. Sparen scheint der einzige Ausweg aus diesem Dilemma zu sein. Wo immer es um einen sparsamen, das heißt effektiven und schonenden Umgang mit finanziellen Mitteln bzw. mit allen uns zur Verfügung stehenden Ressourcen geht, unterstützen wir als PDS-Fraktion ein solches Herangehen.

Was aber in der politischen Praxis dieser Bundesrepublik erfolgt, hat nichts mit Sparen im positiven Sinne des Wortes zu tun. Es ist ein ganz profanes Streichen von bisherigen Leistungen und Standards. Das ist weder sozial gerecht, noch werden damit wirtschaftliche Erfolge zu verbuchen sein.

(Zustimmung von Frau Dirlich, PDS)

Nein, es muss um die Erhöhung der Einnahmen gehen. Das wird von der Bundesregierung schon richtig erkannt; aber der Weg dorthin ist immer wieder der alte, ausgetretene Pfad, nämlich das Geld nicht dort zu holen, wo es tatsächlich liegt, sondern dort, wo jeder Cent Einsparung einen unmittelbaren Einschnitt in die Lebens

qualität der betroffenen Menschen oder in die wirtschaftliche Lebensfähigkeit zum Beispiel mittelständischer Unternehmen oder von Betrieben der Landwirtschaft und des Gartenbaus zur Folge hat.

Hier reiht sich der jetzige Vorstoß der Bundesregierung zum Abbau der Steuervergünstigungen in der Landwirtschaft und im Gartenbau ein. Im Endeffekt bewirkt diese Veränderung eine Erhöhung der Verbraucherpreise. Bei einkommensunabhängigen Erhöhungen sind gerade die unteren Einkommensgruppen am stärksten betroffen.

Sie kennen unseren Standpunkt: Die erwarteten Mehreinnahmen sind zum Beispiel mit der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer oder einer spürbaren Besteuerung von Luxusgütern bzw. einer differenzierten Besteuerung mit weitaus höherer Ergiebigkeit und vor allem mit größerer sozialer Gerechtigkeit zu erreichen.

Was jetzt geschieht, wird außerdem die wirtschaftliche Situation und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betriebe verschlechtern. Umsatzeinbußen durch einen Konsumverzicht bei den Endverbrauchern sind vorprogrammiert.

Mit der Veränderung dieser Steuern wird die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr dorthin gesteuert, wo wir eigentlich hin wollen, sondern es wird in Kauf genommen, dass bisherige Anstrengungen, zum Beispiel beim Anbau und bei der stofflichen und energetischen Verwertung nachwachsender Rohstoffe, zunichte gemacht, zumindest aber die bisherigen Ergebnisse gefährdet werden. Das vereinbart sich nicht mit dem Erfordernis, die CO2-Emmissionen durch die stärkere Nutzung erneuerbarer Energieträger zu senken.

In diesem Sinne stehen die jetzt erfolgenden Maßnahmen im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Hierzu nenne ich die Stichworte Klimaschutz und Energiewende. - Das ist die eine Seite.

Die andere Seite sind die unmittelbaren Belastungen für die Landwirtschaft und insbesondere den Gartenbau in Sachsen-Anhalt. Ihre Interessenverbände machen auf eine ernste Gefährdung von Wertschöpfung und Arbeitsplatzsicherheit in der Branche aufmerksam. Es wird die Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung, die sich bisher immer gegen Steuererhöhungen ausgesprochen hat, nun ausgewählten Branchen eine fast zehnprozentige Erhöhung ans Bein hängt, wie es der Präsident des Zentralverbandes Gartenbau e. V. zutreffend ausdrückte.

Ein anderer Gesichtspunkt. Es gibt auch - Herr Daldrup hat das bereits festgestellt - Hinweise darauf, dass die Bemessungsgrundlagen so angesetzt werden, dass für die jetzt bangenden Betriebe keine zusätzlichen Belastungen entstünden. Auch dazu haben wir einen Standpunkt. Diese Betriebe müssten allerdings ihre steuerliche Situation nachweisen. Auch das geht nur über einen Mehraufwand an Bürokratie. Wieder sind es zuerst die kleinen und die mittleren Unternehmen, für die sich dieser Mehraufwand zur schmerzlichen Belastung entwickeln kann und mit Sicherheit auch entwickeln wird.

Kurzum: Wir geben dem vorliegenden Antrag unsere Zustimmung und würden uns darüber hinaus gleichzeitig mit der konkreten Lage, wie sie sich in Sachsen-Anhalt darstellt, noch tiefgründiger beschäftigen wollen.

Vor allen Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, möchten wir die Möglichkeit einräumen, sich über die negativen Folgen dieses steuerlichen Ansatzes ein Bild zu machen, damit Sie entsprechenden Einfluss auf Ihre Bundesregierung nehmen können. In diesem Sinne stimmen wir auf der Grundlage unseres Änderungsantrages dem vorgelegten Antrag zu.