Protokoll der Sitzung vom 13.12.2002

Gemeinden auf Einnahmen verzichten müssen. Dass Sie nicht Willens sind, die Gemeinden finanziell so auszustatten, dass sie die ihnen übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, zeigt ja auch Ihr Haushaltsplanentwurf 2003.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er scheinheilig eine bestimmte Klientel bedient, ohne dass von Ihnen ein nachvollziehbares Konzept zur Haushaltskonsolidierung und zur Sicherung der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben vorgelegt wird.

Wir sehen den beschrittenen Weg als einen ersten Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Wir fordern die Landesregierung auf, sich für die Verabschiedung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes einzusetzen.

Danke, Herr Abgeordneter Doege. - Dann erhält noch einmal der Abgeordnete Herr Daldrup als Einbringer das Wort. - Er verzichtet.

Es wurde eine Direktabstimmung verlangt. Wir treten jetzt in das Abstimmungsverfahren ein.

Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag in der Drs. 4/424 ab. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einer Enthaltung und mehreren Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag in der Drs. 4/394 mit der soeben beschlossenen Ergänzung. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei einigen Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion ist der Antrag angenommen worden. Wir beenden damit den Tagesordnungspunkt 20.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Erste Beratung

Kultursenat

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/395

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Schomburg für die CDU- und die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Theodor Heuss stammt der Ausspruch: „Man kann zwar mit Kultur Politik, aber nicht mit Politik Kultur machen.“ Ich denke, in diesem Satz kommt ganz deutlich das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Kultur zum Ausdruck. Im Grunde besteht die zentrale Aufgabe der Kulturpolitik ja darin, freie und offene Sphären herzustellen, in denen Menschen mit kulturellen und nicht allein mit künstlerischen Medien kommunizieren. Raum schaffen, aber keine Inhalte präjudizieren, heißt die Aufgabe der Politik.

Wenn dieses Land wirtschaftlich bestehen will, braucht es nicht nur eine kleine, gut ausgebildete und kunstbewanderte Elite, sondern viele kreative, fantasievolle und innovationsfreudige Bürger.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Hierfür muss man den Zugang zu den Sprachen der Künste und der Kultur gelernt haben und ihn auch nutzen können. Diese Zugänge offen zu halten, ist Aufgabe der Kulturpolitik vor allem in Krisenzeiten. Außerdem gerät gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten allzu oft und allzu leicht ins Aus, dass es nicht allein darum geht, dass der Mensch lebt, sondern auch darum, warum er lebt. Für ein Gemeinwesen heißt das, es braucht wirtschaftliche Kraft und kulturelle Ziele, um sich vom Ameisenhaufen zu unterscheiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Niemals werde ich der oft gestellten Forderung nachkommen, persönliche Kulturvisionen erst öffentlich zu entfalten, um sie dann machtvoll zu realisieren. Demokratische Kulturpolitik zeichnet sich aus durch Kritikfähigkeit und Zurückhaltung. Parlament und Regierung sind nicht Chefintendanz des Landes.“

Dies sind die Worte des ehemaligen Staatsministers für Kultur Herrn Michael Neumann. So große Probleme wir manchmal mit Herrn Neumann hatten,

(Frau Bull, PDS: Naumann!)

- Naumann, pardon - in diesen Worten kann ich ihn nur unterstützen und bekräftigen.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Dass man seinen Namen kennt, damit fängt der Dialog an! - Oh! bei der CDU)

- Ja. - Kultur gehört keinem Staat und keiner Partei, weder der Regierung noch dem Parlament. Das liegt in der Natur der Sache Kultur. Politik soll und muss aber über Kulturpolitik befinden. Deshalb braucht Politik einen Ratgeber, der unabhängig agieren kann. Dies muss für die Politik nicht immer bequem sein. Deshalb knüpfen wir mit unserem Antrag an einen Kulturbeirat an, der im Kultusministerium bis zum Jahr 1994 bestanden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welchen Aufgaben soll sich der Kultursenat widmen? Diese Aufgaben, denke ich, kann man in zwei Felder gruppieren: einmal in interne Aufgaben und in externe Aufgaben.

Zu den internen Aufgaben zählt zunächst einmal, dass dieser Kultursenat Interessenvertreter der Kultur in Sachsen-Anhalt sein soll. Dabei wird es entscheidend sein, wie diese Aufgabe ausgefüllt wird. Gesichtspunkte, unter denen wir diese Aufgabe sehen, sind die Punkte Vielfalt, Regionalität und Schwerpunktsetzung. Der Kultursenat wird mit einem Vorschlagsrecht für Landtag und Landesregierung in grundlegenden kulturpolitischen Fraugen und Fragen der Förderung beauftragt werden.

Aufgrund finanzpolitischer Zwänge werden wir in den nächsten Jahren darüber diskutieren müssen, wo das Land seine Aufgaben im System subsidiärer Kulturförderung sieht. Bei dem dann einsetzenden Verteilungskampf wird die Politik genau wie in anderen Bereichen aufpassen müssen, dass es nicht nur eine interessengebundene Kulturförderung gibt, sondern dass auch die Kultursparten zum Zuge kommen, die naturgemäß eine geringe Lobby besitzen. Ansonsten wäre das die Entbindung vom demokratischen Auftrag.

Kultur und Kunst lassen sich anders als politische Grundsatzentscheidungen nicht dem Willensbildungsprozess des Staatsvolkes unterwerfen. Das bedeutet dann entweder die Subordination der Kultur unter das so

genannte gesunde Volksempfinden - zu diesen Praktiken unseligen Angedenkens möchten wohl nicht einmal die notorischen kulturellen Ignoranten zurückkehren -, oder die Kultur wird allein den gewählten Volksvertretern unterstellt, die dann kraft eigener Kompetenz - oder ich sage in Klammern: Inkompetenz - entscheiden, was als Kunst zu gelten habe und was nicht förderungswürdig sei.

Ganz bewusst stellt das Grundgesetz die Definition von Kunst und Kultur mitnichten in die Verfügungsgewalt von Politik oder von Mehrheitsentscheidungen. Die Verfassungsväter gingen vielmehr davon aus, dass im kommunikativen Gesamtprozess definiert wird, was Kunst ist. An diesem Diskussionsprozess können natürlich alle, Künstler, Publikum und gesellschaftliche Kräfte, teilnehmen.

Diese Überlegungen sprachen für uns für die Einrichtung eines Kultursenats.

Dazu kommen die externen Aufgaben. Sachsen-Anhalt ist ein sehr kulturreiches Land. Dabei liegen unsere Stärken eher im kulturellen Erbe. Ich darf an die Musikpflege erinnern, hier die Barockmusikpflege mit den großen Komponisten Händel, Telemann, Fasch und anderen, die hier beheimatet waren, aber auch unsere vielen Denkmale und Museen, die dieses Erbe aufbewahren.

Wir haben aber auch Schwächen zu verzeichnen. Diese liegen eher im Bereich der aktuellen Kunst, wenn ich zum Beispiel an die Literaturlandschaft denke, an die Filmlandschaft oder auch an unsere bildenden Künstler.

Unsere Stärken sind außerhalb des Landes SachsenAnhalt aber bei weitem noch nicht hinreichend bekannt. Deshalb sollen gerade auch Persönlichkeiten von außerhalb unseres Landes gewonnen werden, um den Namen Sachsen-Anhalts und seine Kulturlandschaft in Deutschland und Europa bekannt zu machen und sich für sie einzusetzen und sie zu unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Zusammensetzung sehen wir für den Kultursenat vor? Insgesamt benötigen wir als Optimum einen guten Mix von Experten aus Sachsen-Anhalt und von außerhalb Sachsen-Anhalts. Dazu zählen sowohl praktizierende Künstler als auch Vertreter von Kulturverbänden. Ausschlaggebend für die Berufung in den Senat sollte aber die persönliche Reputation sein. Wegen der engen Verbindung zu den Kommunen sollten aber auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände dem Senat angehören.

Natürlich fallen uns allen sofort Vertreter ein, die unbedingt diesem Gremium angehören sollten. Wie bei vielen anderen Gremien sollten wir uns aber auch in diesem Fall eher zu dem Grundsatz durchringen, dass weniger manchmal mehr ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Empfehlungen, die uns dann vom Kultursenat erreichen werden, entbinden uns nicht von der Aufgabe und Pflicht, hier im Hohen Hause auch zukünftig über die Verteilung von Finanzen und damit schon über das Essenzielle der Kulturförderung zu reden und zu streiten und diese Finanzen im Haushalt zu beschließen. Damit wir dies qualifizierter tun können, sollten wir uns der Mitarbeit eines solchen Kultursenats bedienen. Dafür und für unseren Antrag werbe ich bei Ihnen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Danke, Herr Abgeordneter Schomburg, für die Einbringung. - Wir treten in die Debatte ein. Als Erster hat für die Landesregierung Herr Kultusminister Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Kultursenat soll ein Gremium geschaffen werden, das sich einem zentralen Anliegen der Koalitionsvereinbarung zuwendet, nämlich - ich zitiere - „Sachsen-Anhalt als Land der Kultur und Geschichte im Herzen Europas zu stärken und dies den Menschen (auch) außerhalb Sachsen-Anhalts bewusst zu machen.“ Außerdem heißt es, der Kultursenat solle - noch einmal zitiert - „als kultureller Botschafter über das Land hinaus wirken“.

Die Initiative der Fraktionen der CDU und der FDP verbindet sich mit der Erwartung, dass das Gremium den kulturellen und kulturpolitischen Diskurs im Land inspiriert und dem Landtag wie der Landesregierung zu grundlegenden kulturpolitischen Fragestellungen Vorschläge unterbreitet. In diesem Sinne soll der Kultursenat auch in die Erarbeitung des Landeskulturkonzepts einbezogen werden.

Über die Pflege der Vielfalt der kulturellen Möglichkeiten, Projekte und Angebote in Sachsen-Anhalt hinaus muss sich dieser kulturelle Diskurs auch einen übergreifenden Anspruch geben. Deshalb können die an den Kultursenat geknüpften Erwartungen und die erwarteten Leistungen auch nicht allein mit den bisher existierenden Strukturen, wie dem Kunstbeirat, dem Filmbeirat, der Literaturkommission, dem Bibliotheksbeirat usw., eingelöst werden. Es gibt Bereiche, die weder die Ministerialbürokratie noch die bisher bestehenden Beratungsgremien angemessen und erfolgreich bearbeiten können. Das heißt, der Kultursenat soll nicht allein Spezialistenwissen wie bei den bestehenden Fachbeiräten versammeln, sondern sich sozusagen sparten-, genre- und themenübergreifend für die Kultur und damit für das Image von Sachsen-Anhalt engagieren.

Der Kultursenat wäre damit ein alle diese Bereiche bündelndes und in neuer Weise zusammenführendes Ideen- und Beratungsgremium. Das entspricht einer anderen Aussage der Koalitionsvereinbarung, nämlich dass die Schwerpunkte der kulturellen Arbeit neben der Sanierung der Finanzen in den nächsten vier Jahren darin bestehen werden, Sachsen-Anhalt als Land der Kultur und Geschichte im Herzen Europas zu stärken und dies den Menschen bewusst zu machen.

Wie sollte der Kultursenat aussehen? Was wären seine Arbeitsweisen und wer sollte als Mitglied berufen werden? - Dem Kultusministerium schwebt ein kleines, zugegebenermaßen prominentes Gremium aus bekannten Namen vor, die als Multiplikatoren Botschafter des Kulturlandes Sachsen-Anhalt sein können. Vor allem externen Sachverstand sollte der Kultursenat einbeziehen. Nur wenn wir den Senat als weltläufiges Gremium unabhängiger Größen des deutschen und internationalen Kulturlebens ansehen, werden daraus neue Ideen und Perspektiven für das kulturelle Antlitz des Landes erwachsen.

Wichtig ist für mich dabei eine gesunde Mischung aus Vertretern des kulturellen Erbes wie der zeitgenös

sischen Kultur- und Kunstszene. Es sollten Mitglieder sein, die öffentlich bekannt sind, über ein Netzwerk von Beziehungen verfügen, in den Medien Gehör finden und Zugang zu den vielfältigen Bereichen der Kunst- und Kulturszene haben, aber auch zu Unternehmen und potenziellen Stiftern oder Sponsoren. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung der Medien für den Kulturbereich sollte auf jeden Fall auch eine Persönlichkeit aus der Medienbranche im Kultursenat vertreten sein.

In den Sitzungen des Kultursenats könnte die Landesregierung bzw. der Kultusminister wichtige Vorhaben ankündigen, Schwerpunkte der Kulturpolitik erläutern, sich Rat einholen, aber auch Probleme benennen, zu deren Lösung die Hilfe von ambitionierten und einflussreichen Kulturleuten gebraucht wird.

Für die Einrichtung des Kultursenates bedarf es keines besonderen Gesetzes, auch wenn es in Sachsen ein solches gibt. Die rechtlichen Grundlagen könnten nach Auffassung meines Hauses ohne weiteres durch einen entsprechenden Erlass geschaffen werden. Andererseits steht natürlich einer gesetzlichen Regelung auch nichts im Wege, wenn der Landtag zu der Auffassung gelangt, dass auf diese Weise die Bedeutung und Geltung des Kultursenats unterstrichen werden könnte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte allen Fraktionen empfehlen, dem Antrag der Regierungsfraktionen die Zustimmung zu geben. Das Kultusministerium wird dann der Landesregierung und dem Landtag kurzfristig ein Konzept für einen solchen Kultursenat zur Diskussion vorlegen und im Einvernehmen mit den Fraktionen entsprechende Namensvorschläge für seine personelle Zusammensetzung unterbreiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Reck das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, die Gedanken meiner Fraktion in drei Punkten darzustellen.