Protokoll der Sitzung vom 06.02.2003

Zu den Grundpositionen des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes hat sich die PDS bereits in der Einbringung und auch im Zusammenhang mit der Aussprache zur Großen Anfrage zur Verwaltungsmodernisierung geäußert. Diese Grundaussagen bleiben auch nach den im Gesetzgebungsverfahren vorgenommenen Änderungen im Wesentlichen unverändert.

Unsere wesentlichen Kritikpunkte bezogen und beziehen sich vor allem auf:

Die Festschreibung eines dreistufigen Verwaltungsaufbaus durch die Konzentration der Bündlungsfunktion im künftigen Landesverwaltungsamt.

Die Konzentration von Verwaltungsmacht im zukünftigen Landesverwaltungsamt, die sich objektiv aus der Kleingliedrigkeit der kommunalen Strukturen ergibt, da eine weitreichende Funktionalreform ausbleiben wird. Diese Festschreibung der Dreigliedrigkeit in Verbindung mit den Zugeständnissen an den kreislichen Status quo wird auf längere Sicht einen fließenden Übergang auf andere Verwaltungsstrukturen verhindern.

Die trotz Nachbesserungen zur Verfasstheit des Landesverwaltungsamtes insgesamt sehr unverbindlichen Festlegungen zu den Landesbehörden. Das ist zwar für ein Grundsätzegesetz nicht atypisch; aber andererseits ist das Grundsätzegesetz zumindest in einigen Fragen gar kein Grundsätzegesetz.

Im Übrigen werden nicht alle klassischen Verwaltungsgrundsätze aufgenommen und mit dem Verweis auf nachfolgende Gesetze ausgespart, insbesondere die Personalgrundsatzfragen. Das ist vor dem aktuellen Hintergrund der Diskussionen um die Titelgruppe 96, der Bestrebungen zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes und der Aufkündigung der Vereinbarung mit den Gewerkschaften politisch eher unverantwortlich, vor allem aber alles andere als modern.

Meines Wissens gibt es kein Grundlagengesetz der Verwaltungsmodernisierung in dem „Mensch“ nicht vorkommt; denn Mensch soll es ja umsetzen und Mensch entscheidet wesentlich über die Qualität und Mensch setzt den politischen Willen des Parlamentes, unseren Willen, um und ist somit die Schaltzentrale zwischen Politik und Bürgern.

Die entsprechenden Paragrafen zu den oben genannten Inhalten oder auch beschriebenen Lücken des Gesetzes haben eigentlich in keiner Weise etwas mit Verwaltungsmodernisierung zu tun. Sie sind im Kern die Festschreibung alter Verwaltungsstrukturen und greifen die modernen Anforderungen an den öffentlichen Dienst nur sehr mangelhaft auf. Dies wird unter anderem auch bei der Orientierung auf einen dienstleistenden, aber nicht aktivierenden Staat bzw. seine Verwaltung gegenüber seinen Bürgern deutlich.

Es gibt zwei Punkte, die im Grundsatz einen Anspruch auf Modernität erheben können:

Zum einen ist das der § 5 - Digitale Kommunikation -, zu dem ich heute aus Zeitgründen nichts weiter ausführen möchte. Ich bin jedoch überzeugt, dass auch der Landtag dies umfassend als zutiefst politische Aufgabe er

kennen, sich ihrer annehmen und weiter untersetzen muss.

Zum anderen ist das der § 2 - Aufgabenkritik -, Aufgabenkritik und Privatisierung, wie er im Ursprungstext hieß. Er folgt dem derzeit sehr modernen neoliberalen Zeitgeist und dies ziemlich ausgeprägt. Ausgeprägt sowohl hinsichtlich seines Wirkungsbereiches - im Grunde erfasst er weitreichend alle unter der Aufsicht des Landes stehenden Strukturen, wenngleich hier mehrmals Korrekturen erfolgten, also auch weitgehend den kommunalen Bereich - als auch hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausrichtung.

Zu beiden festgeschrieben Eckpunkten möchte ich auf einige Folgen und Konsequenzen aufmerksam machen:

Diesen Grundsatz tatsächlich in Reinkultur umzusetzen würde bedeuten, wir können uns in wichtigen Fragen Stück für Stück vom Sozialstaatsprinzip, vom Staatsziel Umweltschutz und vom Kulturgebot verabschieden; denn natürlich ist auch in diesen Bereichen grundsätzlich Wettbewerb möglich, und natürlich wird ein ausschließlich privates Unternehmen die Einzelaufgabe sicher stets wirtschaftlicher und effizienter wahrnehmen, und zwar im kommunalen und im Landesbereich.

Nun ist beispielsweise nicht unbekannt, dass das Gesetz über die kommunale Wirtschaftstätigkeit seit seiner Verabschiedung die besondere Zielscheibe der CDU ist. Wird dieses Standbein der kommunalen Selbstverwaltung weggerissen und gleichzeitig zum Beispiel den kommunalen Wohnungsgesellschaften, den Arbeitsförderungsgesellschaften und vielen anderen Formen nach und nach der Garaus gemacht, dann verabschieden wir uns in weiten Teilen von der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Solch ein Wettbewerb ist zunehmend in allen gesellschaftlichen Bereichen möglich, meine Damen und Herren. Darum kann es doch aber der Politik nicht gehen. Politik hat nicht nur und in erster Linie den Kriterien der Effizienz zu folgen, sondern muss Sachwalter elementarer sozialer, ökologischer, kultureller Interessen sein. Politik hat die Verpflichtung, sich die dafür erforderlichen Einflussmöglichkeiten zu bewahren. Ist erst einmal eine Privatisierungswelle solchen Ausmaßes über Land und Kommunen hinweggerollt, wird die Politik zum erfolglosen Bittsteller degradiert, unfähig ihre korrektive Funktion auszuüben.

Ich will noch einen dritten Aspekt anfügen, der vor allem auch durch die Tagesordnung dieser Landtagssitzung so richtig deutlich wird. Der von uns allen in den Kernaussagen unterstützte Entschließungsentwurf zum Konvent der Landtage beklagt den schwindenden Einfluss der Landesparlamente in unterschiedlichster Form. Wir richten den Protest an die EU und an den Bund. Was aber machen wir mit solchen Festlegungen zur umfassenden Privatisierung?

Wir betreiben ohne Fremdeinfluss und akute Not Harakiri, um dann in der Folge zu wehklagen, wie wenig Einfluss wir haben. Mehrheitlich wird der Grundsatz umfassender Privatisierung beschlossen, ohne auch nur ansatzweise unsere parlamentarischen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten genauer zu definieren. Wir begnügen uns mehrheitlich mit weitreichenden Exekutivkompetenzen in dieser Frage im eigenen Land und werden wenige Tagesordnungspunkte weiter ebenso allgemein und vehement den sich ausbreitenden Exekutivföderalismus beklagen.

Natürlich werden diese Grundsätze nun mehrheitlich verabschiedet werden. Auf ein Nein wird sich aber unsere Aktivität nicht beschränken. Dringend notwendig sind klarstellende Untersetzungen und notwendige Korrekturen im Detail.

Vielen Dank. - Nun folgt Herr Madl. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verwaltungsmodernisierung ist ein dynamischer Prozess, der ständigen Veränderungen unterliegt. Deshalb ist es notwendig, Ziele und Grundsätze möglichst klar und präzise zu fassen, damit die Verwaltungsmodernisierung nicht auf der Ebene der Neuererbewegung stecken bleibt.

Mit dem jetzt vorliegenden Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz sind Ziele und Grundsätze klar definiert, sodass bei konsequenter Umsetzung die öffentliche Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Bürgerfreundlichkeit ausgerichtet und angesichts ihrer Bedeutung als wichtiger Standortfaktor Sachsen-Anhalts konsequent in Richtung eines Dienstleisters entwickelt werden kann.

Diese in § 1 formulierten Ziele stellen unter Beachtung der Grundsätze in den §§ 2 bis 5 eine ganz neue Qualität dar.

§ 2 Abs. 1 - Aufgabenkritik - ist die notwendige Aufgabenanalyse, die den Ausgangsaufgabenbestand erfassen soll. Erstmalig soll die Erfassung bis zum 30. Juni 2003 erfolgen und danach entsprechend der Notwendigkeit und den Erfordernissen des dynamischen Prozesses fortgeschrieben werden.

§ 2 Abs. 2 schreibt vor, dass im Rahmen der Aufgabenkritik jede Aufgabe daraufhin zu überprüfen ist, ob sie erstens verzichtbar oder, wenn nicht, zweitens privatisierbar ist. Erst wenn eine Aufgabe weder verzichtbar noch privatisierbar ist, verbleibt diese bei der Verwaltung.

Durch § 3 - Deregulierung - ist der verbleibende Aufgabenbestand einschließlich der Fördermittelbewirtschaftung einer Rechts- und Verfahrensvereinfachung zu unterziehen. Auf die Reduktion aufsichtsrechtlicher, organisatorischer und haushaltsrechtlicher Regelungen sowie der Mitzeichnungs- und Berichtspflichten wird ausdrücklich verwiesen. Diejenigen von Ihnen, die aus der Verwaltung kommen oder schon mit Verwaltung zu tun gehabt haben, wissen sicher aus eigenem Erleben, was damit gemeint ist.

§ 4 regelt die Aufgabenübertragung und -bündelung in den kommunalen Ebenen. Nach Absatz 1 sind nicht privatisierbare staatliche Aufgaben zur Erfüllung auf die Kommunen zu übertragen, soweit die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Gleichzeitig wird in den Absätzen 1 und 2 die Finanzausstattung bei der Aufgabenübertragung gemäß Artikel 87 der Landesverfassung geregelt.

Durch den logischen Zusammenhang der §§ 2, 3, 4 und 5 wird die Verwaltungsmodernisierung zur Daueraufgabe der gesamten Verwaltung und aller ihrer Behörden. Im Übrigen war das auch die Grundfeststellung der kommunalen Spitzenverbände Sachsen-Anhalts in Satz 1

ihrer Stellungnahme vom 1. November 2002 zum Entwurf eines Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes. Zitat: „Verwaltungsmodernisierung ist Daueraufgabe aller Behörden.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz wird in § 6 die Mittelinstanz neu geregelt. Aus den Regierungspräsidien wird ein Landesverwaltungsamt. Vom Grundsatz wollte das auch die alte Landesregierung im Zweiten Vorschaltgesetz regeln. Wir machen das aber ein Jahr eher, zum 1. Januar 2004, und unter der Prämisse der Verwaltungsmodernisierung neuer Qualität gemäß den §§ 2 bis 5 dieses Gesetzes.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was ist daran neu?)

Der Minister hat in seinen Ausführungen zu den §§ 6 und 7 ausführlich den einheitlichen Verwaltungsvollzug, die Einräumigkeit und die Nebenstellen erläutert sowie zu den Sonderbehörden ausgeführt, sodass ich in Anbetracht der Zeit darauf verzichten möchte.

Abschließend möchte ich sagen, dass Verwaltungsmodernisierung kein einfacher Prozess ist. In diesem Gesetz sind die Ziele und Grundsätze für eine vernünftige und Erfolg versprechende Verwaltungsmodernisierung klar und präzise formuliert. Damit ist das Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz eine solide Grundlage für die notwendige Verwaltungsmodernisierung in Sachsen-Anhalt. Das Gesetz verdient somit zu Recht den Namen Verwaltungsmodernisierungsgesetz.

(Zuruf von der SPD: Verwaltungsmodernisierungs- grundsätzegesetz!)

Herr Rothe, vielleicht behalten Sie Recht, und dieses Gesetz steht irgendwann einmal im Guinness-Buch der Rekorde, aber dann sicherlich nicht nur wegen der 42 Buchstaben. - Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Madl. - Nun spricht für die SPDFraktion Herr Rothe. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Madl, Sie sollten noch einmal gemeinsam mit Herrn Kosmehl üben. Es heißt: Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz. Mir geht das mittlerweile flüssig von den Lippen.

Die Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP haben über die Änderungen in dem Gesetzentwurf der Landesregierung berichtet, die vom Ausschuss vorgenommen worden sind. Sie haben aber Sachen hineingeschrieben, die schon gemacht waren. Darauf bin ich von Frau Dr. Paschke und von Herrn Dr. Polte noch einmal hingewiesen worden.

Sie haben beispielsweise die Frist gesetzt, dass die Landesregierung bis zum 30. Juni 2003 den Aufgabenbestand auch im Blick auf eine mögliche Kommunalisierung erfassen soll. Wer in der Arbeitsgruppe „Funktionalreform“ der Landesregierung mitgearbeitet hat - Frau Dr. Paschke für eine der Fraktionen, Herr Dr. Polte für den Städte- und Gemeindebund -, der weiß, dass das bereits erfolgt ist.

Sie nehmen sich jetzt das Kuckucksei und versuchen es neu zu verkaufen. Das ist Ihre Herangehensweise. So wollen Sie sich Erfolge verschaffen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben allerdings eine Änderung durchgesetzt, und zwar die, dass in dem künftigen Landesverwaltungsamt die Aufgabenwahrnehmung nicht mehr an jeweils einem Ort für das ganze Land zu erfolgen hat. Statt „grundsätzlich“ sind Aufgaben nun „vorrangig“ an einem Ort für das ganze Land wahrzunehmen.

Kollege Kosmehl, Sie haben dazu im Dezember in der Aussprache zur Großen Anfrage der PDS-Fraktion allen Ernstes gesagt, dies sei eine striktere Regelung. Ich habe einmal im Duden nachgelesen. „Grundsätzlich“ heißt „im Prinzip, mit dem Vorbehalt bestimmter Ausnahmen“. „Vorrangig“ heißt, dass der Erledigung als Vor-Ort-Aufgabe ein wichtigerer Stellenwert, eine größere Bedeutung zukommen soll. Der Vorrang ist weniger präzise als ein Regel-Ausnahme-Verhältnis.

Und so, Herr Kolze, ist es von Ihnen gewollt. Sie werden für diese Änderung in Ihrer Heimatbehörde, im Regierungspräsidium Dessau, Anerkennung erfahren. Aber der Verwaltungsmodernisierung erweisen Sie damit ebenso einen Bärendienst wie mit der von Ihnen durchgesetzten Änderung, dass Außenstellen des Landesverwaltungsamtes nicht mehr unterhalten werden können, sondern müssen. Sie schreiben also diese Außenstellen auf Dauer fest. Sie verhindern damit eine schrittweise Aufgabenkonzentration am Standort Halle, die mit der im Thüringer Landesverwaltungsamt vergleichbar ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Hein, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Herr Professor Dr. Böhmer hatte sich am 17. Juni 2000 in Halle bereit erklärt, die Regierungspräsidien aufzulösen. Das führte bei der CDU zu einer Diskussion, an deren Ende sich die CDU für die Beibehaltung der Regierungspräsidien entschied. So hat es Herr Becker in der Landtagssitzung am 14. September 2000 gesagt. Dementsprechend hat die CDU das Zweite Vorschaltgesetz abgelehnt, mit dem das von der Landesregierung bereits 1997 beschlossene Landesverwaltungsamt gesetzlich verankert wurde.

Noch in dem Antrag der CDU-Fraktion zur Verwaltungsreform vom 9. Januar 2002 heißt es, die Zusammenlegung der drei Regierungspräsidien zu einem Landesverwaltungsamt entspreche in keiner Weise den Vorstellungen von einer effizienten und schlanken Verwaltung;

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Hört, hört! Vor einem Jahr! - Herr Dr. Püchel, SPD: Toll, toll!)

die in der Arbeit bewährten Bündelungsbehörden seien zu erhalten.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was ist da passiert?)