Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

Die PDS unterstützt den Aufruf der Fraktionsvorsitzenden der PDS der kreisfreien Städte unseres Landes an alle kommunalen Mandatsträger, das in Artikel 87 der Landesverfassung verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung und das Konnexitätsprinzip vor dem Landesverfassungsgericht einzuklagen. Wir unterstützen ausdrücklich den Stadtratsbeschluss der Lutherstadt Wittenberg in Bezug auf seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Meine Damen und Herren! Nutzen wir die Chance, uns für unsere Kommunen im Rahmen der Arbeit der Kommission zur Gemeindefinanzreform stark zu machen.

Eine Verschiebung des Termins für die Berichterstattung - so ist es in den anderen Anträgen dargestellt - auf den 1. Juni oder auf den 1. August ist insofern nicht sachdienlich, als der Bericht der Kommission dem Bundestag im Mai unterbreitet werden soll. Damit wäre eine Positionierung des Landtages für die Endfassung des Berichts dieser Kommission nicht mehr von Relevanz.

Einer Erweiterung der Berichterstattung auf die Ergebnisse der Arbeit der Finanzstrukturkommission des Landes, wie von der SPD-Fraktion vorgeschlagen, stimmt die PDS-Fraktion zu.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag und zu der Ergänzung durch den SPD-Antrag sowie um eine gedeihliche und sachbezogene Diskussion in den Ausschüssen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Grünert. - Die Debatte wird vom Finanzminister Herr Professor Dr. Paqué für die Landesregierung eröffnet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mai des letzten Jahres hat sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen konstituiert. In ihr sind Bund, Länder und Gemeinden sowie Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften vertreten.

Nach verschiedenen Verlautbarungen der Bundesregierung sollen die Ergebnisse der Kommission bis zum Sommer 2003 vorliegen und noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Die Reform könnte mit ihren wesentlichen Eckpunkten dann im Jahr 2004 in Kraft treten.

Die Kommission hat zwei Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe einerseits sowie mit der Reform der Kommunalsteuern andererseits beschäftigen. Beide Arbeitsgruppe werden durch wissenschaftliche Beiräte und entsprechende Quantifizierungsgruppen begleitet. Die Kommission und die Arbeitsgruppen der Kommission haben die Vertraulichkeit der Beratungen vereinbart. Insofern kann eine Berichterstattung der Landesregierung in den Ausschüssen des Landtages nur im Rahmen dieser Vereinbarung vorgenommen werden.

Eine umfassende Gemeindefinanzreform ist längst überfällig, da die kommunalen Gebietskörperschaften zum einen zu viele bundesgesetzlich veranlasste Aufgaben übertragen bekommen haben und zum anderen generell in einer äußerst schwierigen Finanzlage sind. In Bezug auf die Aufgaben erwähne ich nur die neuen Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz, das bei den Kommunen zur erheblichen Mehrausgaben führen wird, ohne dass der Bund die volle Kostenübernahme gewährleistet.

Wie gesagt, den Kommunen brechen in der gegenwärtigen Situation die Steuereinnahmen weg. Die Finanzsituation ist sehr schwierig. Hinzu kommt die Schwäche der deutschen Wirtschaft, die hierbei keinerlei Entlastung bringt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Und die Kommunalfinan- zen!)

Wir gehen jetzt dem dritten Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von weniger als 1 % entgegen. Eine Gemeindefinanzreform, die nicht in eine auf Wachstums- und Beschäftigungsförderung ausgerichtete Wirtschaftspolitik eingebettet ist, wird die Finanzlage nicht wesentlich und insbesondere nicht dauerhaft verbessern. Hierzu ist also ein breiterer Rahmen erforderlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ganz klar, dass die Landesregierung hierin eine wesentliche Aufgabe sieht. Die Landesregierung ist zu gegebener Zeit selbstverständlich bereit, in den Ausschüssen darüber im Einzelnen zu berichten. Aber angesichts der laufenden Beratungen können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine detaillierten Angaben machen.

Ich möchte aber abschließend betonen: Die Landesregierung ist im Interesse der Kommunen und des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt an einer sehr schnellen und einer tiefgreifenden Gemeindefinanzreform interessiert. Sie wird jede Bemühung in diese Richtung unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Maertens sprechen.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts der umfassenden und überzeugenden Argumentation des Herrn Ministers Paqué gebe ich meine Rede zu Protokoll.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Fischer, Naum- burg, SPD: Was war das?)

(Zu Protokoll:)

Die Notwendigkeit einer Gemeindefinanzreform ist unbestritten, die fast gleichlautenden Anträge der drei Fraktionen sind lebendiger Beweis dafür. In der gestrigen Debatte wurde ausführlich über den Zustand der kommunalen Finanzen gesprochen, sodass ich mir Ausführungen zu dem Sachstand ersparen kann.

Ein paar Bemerkungen zu verteilungspolitischen Aspekten scheinen aber angebracht zu sein. Die Gemeinden erhalten einen Teil der Gewerbesteuer - ca. 72 % -, einen Anteil an der Einkommenssteuer - 15 % - und einen Anteil an der Umsatzsteuer - 2,2 %.

Die Anteile an der Einkommen- und der Umsatzsteuer sind allerdings korrespondierend mit dem Steueraufkommen im Gemeindegebiet. Bei der Gesetzgebung bezüglich dieser Bundessteuern haben die Gemeinden keine Möglichkeit der Mitwirkung. Und: Das Grundgesetz sieht kein Konnexitätsprinzip vor, das heißt, der Bund ist bei Aufgaben- und Kostenverlagerungen auf die Gemeinden nicht zur Sicherstellung der Finanzierung verpflichtet. Deshalb ist eine Reform der Gemeindefinanzierung unerlässlich, um mehr Transparenz und Verantwortung bei der Finanzierung staatlicher Aufgaben auf den verschiedenen Ebenen zu erzielen.

Herr Tullner hat gestern bereits Ausführungen zum Stand der Dinge gemacht. Ich möchte diese Angaben noch ergänzen; denn zur Beurteilung der vorliegenden Anträge muss man etwas mehr wissen.

Zum Zeitrahmen der Gemeindefinanzreform:

November 2001: Ankündigung einer Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen,

März 2002: Einsetzung der Reformkommission,

Mai 2002: konstituierende Sitzung der Reformkommission und Beschluss, zwei Arbeitsgruppen einzusetzen (Kommunalsteuern und Arbeitslosen- und So- zialhilfe),

Oktober 2002: erste Sitzung der Kommission,

voraussichtlich März 2003: Bericht der Arbeitsgruppen an die Kommission,

voraussichtlich Mitte 2003: Bericht der Kommission an die Bundesregierung,

voraussichtlich Ende 2003: Abschluss der entsprechenden Gesetzgebungsverfahren.

Abhängig von dieser möglichen Terminabfolge sollten die vorliegenden Anträge bewertet werden. Die Landesregierung kann ohne Kenntnis von Ergebnissen natürlich

nicht berichten. Ich denke, dass deshalb nur der von der FDP und der CDU vorgelegte Antrag zustimmungsfähig ist.

Danke, Herr Maertens. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Doege.

(Zuruf: Ach, geben Sie auch zu Protokoll!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe meine Rede nicht zu Protokoll, aber ich verspreche, dass sie sehr kurz sein wird.

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

Die Position der SPD haben wir mit dem Änderungsantrag in der Drs. 4/564, der Ihnen allen vorliegt, deutlich gemacht. Wir möchten die Berichterstattung erweitert wissen um die Ergebnisse bzw. die Reformüberlegungen der Finanzstrukturkommission auf der Landesebene.

Die Argumente, die der Herr Finanzminister gerade vorgebracht hat, dass auf dem gegenwärtigen Stand die Ergebnisse der Bundeskommission zur Reform der Gemeindefinanzen noch nicht öffentlich diskutiert werden können, nehmen wir zur Kenntnis.

Wir denken, dass wir Ihnen mit der Terminsetzung zum 1. Juni 2003, die wir gewählt haben, um noch vor der Sommerpause über erste Vorstellungen diskutieren zu können, einen Schritt entgegengekommen sind. Wir werben darum, dass die CDU zumindest den Vorschlag hinsichtlich einer Berichterstattung der Kommission auf der Landesebene übernimmt, auch wenn sie in Bezug auf die Terminsetzung vielleicht andere Vorstellungen hat.

Hinsichtlich der Position der SPD zur Gemeindefinanzreform verweise ich auf die Diskussion in der 70. Sitzung des Landtages der dritten Legislaturperiode. Damals haben wir uns recht ausführlich zu dieser Thematik verständigt. Ich selbst habe den Redebeitrag halten dürfen. Ich bitte darum, das im Protokoll nachzulesen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Doege. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Herr Wolpert, wenn der Minister so überzeugend war, können Sie doch auch gleich - -)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich werde die Rede nicht zu Protokoll geben, aber ich werde sie sehr stark verkürzen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Aber erst mal den Minis- ter loben!)

- Ja, das kommt natürlich. Er hat mir einen Teil meiner Rede abgenommen, indem er beschrieben hat, was diese Kommission denn bisher gemacht hat; sie hat nämlich die Arbeitsgruppen gebildet. Deshalb kann sie noch

nicht richtig berichten. Es wurde erst einmal die Konstruktion gefunden.

Den Gegenstand des Auftrags der Kommission kann man wohl den Anträgen der Regierungskoalition und der Oppositionsfraktionen entnehmen, die vom Bundestag am 25. Januar dieses Jahres an den Finanzausschuss überwiesen worden sind. Die Ablehnung des Antrages der CDU-Fraktion im Bundestag lässt erkennen, dass zumindest eine Reduzierung der Aufgaben der Gemeinden nicht im Blickfeld der Regierungsparteien ist.