Protokoll der Sitzung vom 14.03.2003

Aus diesem Grunde werden wir diesen Antrag ablehnen. Dem Antrag der SPD-Fraktion stimmen wir, obwohl auch er sich vor allem auf Verfahrensfragen konzentriert, zu, weil er zumindest wesentliche zu entscheidende Fragen berührt. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Nun erhält Herr Dr. Volk das Wort. - Ach ja, Frau Feußner, Sie wollten eine Frage stellen.

(Frau Feußner, CDU: Ist nicht so schlimm! - Herr Gürth, CDU: Das lohnt doch nicht!)

- Ist erledigt. - Dann bitte Herr Dr. Volk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das so genannte Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ der Bundesregierung versteht sich - ich zitiere aus der Selbstdarstellung des Bundesministeriums - als „Anstoß für die Schaffung einer bedarfsgerechten Ganztagsbetreuung in allen Regionen Deutschlands“. Die zur Verfügung gestellten Mittel sollen dabei für bauliche Maßnahmen wie für die Erstausstattung der Einrichtungen verwendet werden. Schon diese Beschreibung des Bundesministeriums offenbart, dass sich das groß angekündigte Programm in erster Linie an den Interessen der alten Bundesländer orientiert.

Der besonderen Situation in Sachsen-Anhalt wird das geplante Konzept, aber auch, wie man leider sagen muss,

der vorliegende Antrag der SPD nicht gerecht. Wir haben in Sachsen-Anhalt mit den Grundschulen mit verlässlichen Öffnungszeiten und einem flächendeckenden Angebot an Hortbetreuung bereits Modelle, die über den eigentlichen Unterricht hinaus eine qualifizierte Betreuung anbieten.

Daneben gibt es bereits jetzt in unserem Bundesland 44 ausgewiesene Ganztagsschulen. Das bedeutet, dass Sachsen-Anhalt auf dem Feld der Ganztagsbetreuung keineswegs ein weißer Fleck ist, den es zu zivilisieren gilt. Ich erinnere nur an die pädagogischen Mitarbeiterinnen, die sich bereits in enger Zusammenarbeit mit den Lehrkräften um die individuelle Förderung der Grundschüler bemühen und deren Aufgaben im Gesetz zur Einführung der Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten explizit festgeschrieben worden sind.

Unter „ganztägiger Betreuung“ verstehen wir die Vielfalt der Angebote, die den Unterricht ergänzen und Schülerinnen und Schülern neue Horizonte eröffnen. Die Aktivitäten freier Träger möchten wir ausdrücklich einbezogen wissen. Unsere Aufgabe wird es in den nächsten Jahren sein, dieses Angebot vor allen Dingen an den Sekundarschulen zu nutzen, der Schulform, die unter der SPDRegierung in den letzten Jahre sträflich vernachlässigt worden ist.

Die FDP-Fraktion steht dafür, die zur Verfügung gestellten Mittel des Bundes für die Erhöhung der Bildungsqualität einzusetzen. Der Fairness halber möchte ich jedoch hinzufügen, dass es dabei stets um die Haushaltslage geht, die wir im Blick behalten müssen. Es ist nämlich nicht der Fall, dass der Kofinanzierungsanteil in irgendeiner verborgenen Truhe liegt und nur darauf wartet, benutzt zu werden. Frau Bulmahn hat den groß angekündigten Geldregen auch nur über einen Griff in das Budget der Forschungsförderung auslösen können. Das ist eine mehr als fragwürdige Entscheidung. Wir werden uns heute noch mit der ESS in Sachsen-Anhalt beschäftigen. Das ist eine Diskussion, die damit im Zusammenhang steht.

Viel schwerer wird aber das grundsätzliche Problem zu lösen sein, das fast hinter jeder Förderung steht, an dieser Stelle aber besonders problematisch wird. Das Programm versteht sich, wie ich bereits eingangs zitierte, als Anstoß und vermeidet tunlichst, auf Folgekosten hinzuweisen oder gar deren Finanzierung sicherzustellen. Das ist etwa so, als würde ich Streichhölzer gegen Kälte verteilen, Holz und Kohle aber zurückhalten.

Genau darin liegt aber für die neuen Bundesländer und insbesondere für Sachsen-Anhalt das Problem. Ganztagsbetreuung erfordert neben einem erhöhten Personalaufwand auch eine längere Öffnung der Schulen. Damit sind höhere Betriebs- und Sachkosten verbunden, die die Schulträger, meist die Kommunen und Kreise, zusätzlich belasten werden.

Gespräche, die ich in den letzten Wochen mit Schulamtsleitern der Landkreise geführt habe, signalisieren jedoch, dass sich die Kommunen wiederum allein gelassen fühlen. Es ist für das Vorgehen der Bundesregierung symptomatisch, ein Programm aufzulegen, sich mit Lorbeeren zu schmücken und den Ländern und Kommunen lediglich die Kosten zu übertragen.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Ehrlicher wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung auf eine anteilige Finanzierung seitens der Bundesländer verzichtet und auch die Betriebs- und Sachkosten

getragen hätte. Ein Programm, das den Titel „Zukunft Bildung und Betreuung“ verwirklichen will, müsste auch die vollständige Finanzierung sicherstellen. Lautstarke Ankündigungen ohne ein solides Konzept verlaufen meist im Sande. Auch bei diesem Vorhaben besteht eine gewisse Gefahr.

Vor diesem Hintergrund unterstützen wir mit unserem Änderungsantrag die Landesregierung und besonders den Kultusminister bei seinen Bemühungen, in den Verhandlungen zur Verwaltungsvereinbarung die spezifischen Belange der neuen Bundesländer und damit von Sachsen-Anhalt zu berücksichtigen und ein Umsetzungsprogramm, das sich an den Gegebenheiten dieses Landes orientiert, zu verabschieden.

In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu dem von der FDP und der CDU vorgelegten Änderungsantrag. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Bevor ich abschließend in der Debatte noch einmal Frau Mittendorf das Wort gebe, habe ich die Freude, Damen und Herren der CDUSeniorenunion Magdeburg auf der Tribüne rechts begrüßen zu dürfen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Nun bitte Frau Mittendorf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie schnell es gelingt, Leuten Worte im Mund herumzudrehen.

(Herr Gürth, CDU: Darüber staune ich auch im- mer, ja!)

Dazu komme ich aber im zweiten Teil meiner Bemerkungen.

Ich glaube, wir müssen uns an dieser Stelle noch einmal darüber verständigen, wie wir mit dem Begriff „Ganztagsschulprogramm“ umgehen, und darüber, was wir für unser Land wollen. Jede Partei hat gesagt: Vom Prinzip her können Ganztagsschulen ein Beitrag sein, die Bildungslandschaft vielfältiger zu gestalten; sie können eine Möglichkeit sein, pädagogische Aufgaben besser zu lösen. Trotzdem zerstreiten wir uns und kommen nicht dort hin, wohin wir wollen.

(Zurufe von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz und von Herrn Tullner, CDU)

- Moment, Herr Olbertz. Wenn Sie, Herr Olbertz, im ersten Teil Ihrer Rede lange davon sprechen,

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wir machen das schon!)

- ja, wollen wir mal schauen, was Sie machen - was dort alles gewesen ist und wie toll Sie das gemacht haben, ist das doch prima. Das finden wir doch okay.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Nur, jetzt ist der Zeitpunkt, zu dem Sie das Ganze unterschreiben sollen, zu dem Sie endlich den Leuten sagen sollen, wie es ihnen gehen wird und dass wir das Pro

gramm in diesem Land umsetzen; denn wir sind wirklich arm.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Habe ich alles gesagt!)

Zweite Bemerkung. Wenn Sie behaupten, das Geld stehe nicht zur Verfügung: Meinen Sie vielleicht, diese Verwaltungsvereinbarung wäre im Entwurf und in der Diskussion überhaupt zustande gekommen, wenn sie nicht umsetzbar wäre?

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist das Er- staunliche!)

Im Gegenzug könnte ich auch sagen: Sie kürzen die Mittel für die Hochschulen, weil Sie für die Schulen zu viel Geld bekommen haben.

(Unruhe bei der CDU)

Solche Sachen sollten wir lieber lassen.

Die Bemerkung zu dem „hektischen Stillstand“ bezog sich genau darauf, dass wir jetzt in der Situation sind, dass die Verwaltungsvereinbarung vom Prinzip her unterschriftsreif vorliegt und Sie diese unterschreiben sollen.

(Zustimmung bei der SPD)

Dritte Bemerkung. Sie haben gesagt, ich hätte mich weit hinaus gewagt hinsichtlich der Kleinstaaterei und solcher Dinge. Ich kann mir das alles auch ganz anders vorstellen. Aber ich mache das, was - -

(Zurufe von der CDU: Wie denn? - Etwas genau- er, bitte! - Zurufe von der SPD)

- Zwischenrufe aus den eigenen Reihen. - Nein, es gibt verschiedene Lösungsmöglichkeiten, wie man mit diesem Problem, das auch in der Diskussion ist, in der Auseinandersetzung mit Pisa umgeht. Aber mir die Worte im Mund umzudrehen und mir vorzuwerfen, dass ich auf der einen Seite das vom Bund wolle, auf der anderen Seite bei den Personalkosten in die Kleinstaaterei zurückfalle, ist doch Unsinn.

(Herr Gürth, CDU: Wir haben uns alle gewundert! Wie konnten Sie so etwas nur machen?)

Es ist doch Unsinn, weil ich nichts anderes gemacht habe, als die Realität zu beschreiben, und die habe ich nicht zu verantworten.

(Unruhe bei der CDU)

Frau Mittendorf, möchten Sie eine Frage beantworten?

Nein, ich möchte keine Frage beantworten. - Herr Olbertz, Sie haben in Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Hein geschrieben - ich habe es vorhin schon zitiert -, dass die Lern- und Arbeitsbedingungen an den Ganztagsschulen mehr zur Zufriedenheit und zu größeren Erfolgen bei Schülerinnen und Schülern beitragen würden. Ich weiß nicht, warum Sie das jetzt in Beziehung zu dem setzen, was Sie mit der Änderung des Schulgesetzes zur Hauptschule bringen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das haben Sie gebracht, Frau Mittendorf!)