Protokoll der Sitzung vom 14.03.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Stadelmann, Sie haben uns ein Kontrastprogramm versprochen. Dass Sie das aber auch so wörtlich einhalten, hätte ich nicht gedacht.

(Frau Bull, PDS: Das hat doch Unterhaltungs- wert!)

Mein Vorgänger hat die weiß-blauen Geschichten abgehandelt.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Die Kolleginnen des stenografischen Dienstes haben es jetzt nicht so schwer; denn bei mir braucht nicht im Zweikanalton mitgeschrieben zu werden.

(Heiterkeit bei der PDS und bei der SPD - Oh! bei der FDP - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Herr Hauser, Sie können mir schon glauben, wir haben die Situation seit 1990 hier auch als Praktiker erlebt. Ich könnte Ihnen auch ein paar Geschichten erzählen. Wie die Salbe gefärbt ist, ist mir relativ egal. Mein Tierarzt gibt mir manchmal für meine Tiere auch Salbe, die ist gelb.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Frau Bull, PDS)

Die Schwierigkeit beim Thema Locale ist auch in der Außenwahrnehmung nachzuvollziehen. So war in der „MZ“ vom 25. Februar 2003 nachzulesen: Es geht um 88 Millionen € und das neue Förderkonzept des Ministeriums wird im Frühjahr vorgelegt. In der Pressemitteilung der Landesregierung Nr. 96 vom 25. Februar spricht man von 56 Millionen € und es heißt, das Förderkonzept soll im Sommer erscheinen.

Nun sage ich einmal, ob das im Mai oder Juni vorgelegt wird, da möchte ich nicht korinthisch erscheinen. Das geht schon in Ordnung. Fakt ist eines: Wir brauchen eine Lösung für den ländlichen Raum, für die ländlichen Räume.

Wir hatten in diesem Hause auch schon eine Enquetekommission zur Zukunftsfähigkeit Sachsen-Anhalts. Auch hierin ist unter der Federführung von Herrn Professor Rost und Herrn Dr. Heinrichs von der MLU in Halle viel, sehr viel Gutes ausgesagt worden zum ländlichen Raum, wissenschaftlich nachgewiesen, unter anderem auch auf die soziale Rolle abgestellt.

Für diejenigen, denen der Begriff des ländlichen Raumes von der Definition her nicht geläufig ist, sage ich: Wir sprechen hier von ganz Sachsen-Anhalt und streichen nur die beiden Zentren Halle und Magdeburg. Der Rest ist ländlicher Raum.

(Herr Kosmehl, FDP: Und Dessau!)

Das Wort „Rest“ möchte ich dabei nicht negativ besetzt wissen. Alles andere sind ländliche Räume. Da geht es nicht nur um die Rolle und die Bedeutung der Landwirtschaft als wirtschaftendes Unternehmen, sondern um alles, was sich darum herumrankt.

Wenn wir in die ländlichen Räume schauen, da geht eine Schule nach der anderen den Bach hinunter. Die Kindereinrichtungen machen zu. Der ÖPNV wird immer weiter ausgedünnt und immer schlechter. Das trifft nicht alles die Landesregierung, nein, weder die alte noch die neue. Nein, das trifft den Bund. Das trifft natürlich auch die Landkreise, die aufgrund dessen, dass ihnen immer mehr Gelder gestrichen werden, nichts weiter tun können.

Die Mehrheit der sachsen-anhaltischen Bevölkerung lebt im ländlichen Raum. Es ist wichtig, deren Existenz zu unterstützen, deren Ängste zu verstehen und deren Wegzug mit gegensteuernden Maßnahmen aufzuhalten. Dieser Aufgabe sollten wir uns alle stellen. Dass wir ge

rade auf diesem Gebiet von einem Förderdschungel sprechen können, kann ich nur bestätigen.

Aber, Herr Stadelmann, der Schaden ist bereits da. Ich habe selbst auch in vielen dieser Kommissionen mitgearbeitet, ob als Vertreter eines Vereins oder als Kommunalpolitiker auf den verschiedensten Strecken. Ich habe mir auch meine Gedanken gemacht. Ich denke, die Ziele, die 1999 definiert wurden, waren durchaus ehrenhaft. Allerdings, der Weg, den man beschreiten wollte, war problematisch. Das ist aber exekutives Handeln. Ich muss es nicht entschuldigen.

Fakt ist auch, fast jedes Landesprogramm hat so seine Startschwierigkeiten. Ich habe damals auch eine Pressemitteilung herausgegeben, in der ich kritisiert habe, dass die ganze Konzepterstellung meiner Auffassung nach eine riesige ABM für Planer und Dorfberater gewesen ist. Für den ländlichen Raum hat das relativ wenig gebracht.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich brauche nur an meine Heimatregion zu denken. Dort wird jetzt ein Projekt gefördert, die Anlage eines Grachtenhafens in Parey an der Elbe. Sie können mir wirklich glauben, ich bin insoweit ein Lokalpatriot, dass ich der Gemeinde Parey das gönne. Dass aber zwei anderen ländlichen Verwaltungsgemeinschaften meines Heimatkreises die Projekte gestrichen wurden, ist nicht ganz fair, ist auch nicht im Sinne der Gleichbehandlung.

Wenn ich aber mit dem Grachtenhafen weitergehe, dann ist das den nordischen Nachbarn ein wenig nachempfunden. Parey an der Elbe bekommt einen Grachtenhafen. Nun sage ich als tourismuspolitischer Sprecher, wenn wir damit erreichen wollen, dass unsere Urlauber nicht mehr ins Ausland fahren, sondern vor Ort bleiben, dann hätten wir tatsächlich etwas erreicht. Es geht also auch um die Sinnhaftigkeit solcher Vorhaben.

Dazu muss ich sagen, daran sind auch handelnde Beamte, ist auch der Apparat beteiligt. Genau diese erklären mir heute, dass das Vorhaben gescheitert ist. Das sind dieselben, die uns vor einem oder zwei Jahren im Ausschuss auf Nachfragen eindeutig erklärt haben, was wir davon zu halten haben und dass das gut und richtig ist. Diese Scheinheiligkeit prangere ich an. Das trifft, bitteschön, auch die Hausleitung der jetzigen Landesregierung. Das ist erst einmal Fakt.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Wir befinden uns in einem totalen Wirrwarr, was den ländlichen Raum angeht. Wir müssen nun Schlussfolgerungen daraus ziehen. Herr Stadelmann, Sie sprachen davon, dass Locale ein Versuch war. Ich meine aber, der ländliche Raum muss uns zu schade dazu sein, ihn für Experimente zu missbrauchen, auch jetzt in der Folge. Wenn wir jetzt wieder neue Experimente schalten, sollte das schon Hand und Fuß haben.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Folgendes: Die PDS hat in der Drs. 2/3301 am 12. März 1997 einen Antrag in das Hohe Haus eingebracht, der den Titel „Bildung eines einheitlichen Entwicklungsfonds für den ländlichen Raum“ trug. Er ist im Ausschuss beraten worden und es gab auch einen Änderungsantrag der CDU dazu. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum die Kollegen der SPD diesen unbedingt ablehnen mussten. Aber wir bekamen ihn in den Ausschuss und die Sinnhaftigkeit dessen zeigt sich darin, dass das Thema als klare Aufgabenstellung an die damalige Landesregierung in das

Landwirtschaftsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eingeflossen ist. Das heißt, die Legislative hat den Auftrag an die Exekutive erteilt, und nach meiner Kenntnis gilt dieses Landwirtschaftsgesetz doch eigentlich weiter.

Wir haben versucht, damit deutlich zu machen, dass der Förderdschungel gelichtet werden muss. Ich bin, wenn das neue Konzept vorliegt, gespannt, inwieweit es CDU und FDP verstehen, die bürokratischen Überfrachtungen, die wir in jedem dieser Förderkonzepte auch von Brüssel erleben müssen, jetzt auszudünnen, damit das tatsächlich dem ländlichen Raum zugute kommt.

Das war unser damaliger Antrag, das war auch unser Ansinnen. Er hat hier im Haus so für Wirbel gesorgt, dass der damalige Vizepräsident Herr Dr. Wolf, der Kollege von der SPD, damals agrarpolitischer Sprecher, von seinem Sprecheramt zurückgetreten ist, weil er - auch mit seinen Kollegen von der SPD - ganz anderer Meinung war. Er hat gesagt: Das Ansinnen der PDS ist als so wichtig einzustufen, dass man es weiterverfolgen müsste - mit mehr Vehemenz, als es tatsächlich getan wurde. Denn im Jahr 1997 haben wir uns damit befasst - das haben wir gehört - und erst im Jahr 1999 wurden die Ziele für Locale definiert.

Das ist eigentlich die Quintessenz des Ganzen. Wir sollten uns jetzt nicht in Schlachten begeben, wer nun mehr schuldig ist und wie wir mit der Geschichte klarkommen. Wir als Landtag müssen jetzt nachweisen, dass wir nicht nur willens, sondern auch in der Lage sind, in kritischer Begleitung der Landesregierung für den ländlichen Raum in den Ausschussberatungen tatsächlich ein Konzept auf den Tisch zu bekommen, das dem ländlichen Raum hilft, nützt und die Situation verbessert.

(Zustimmung bei der PDS)

Wir sind gern bereit, dabei mitzustreiten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Czeke. - Nun erteile für die Landesregierung Frau Ministerin Wernicke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den Debattenrednern wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Vorgängerregierung im Jahr 1999 die Landesinitiative „Locale“ gestartet hat. Damit hat sie im Land große und - jetzt muss man das einfach bilanzieren - unerfüllbare Erwartungen geweckt. In der Erwartungshaltung und Diskussion untergegangen ist die Tatsache, dass es sich nicht um frisches Geld gehandelt hat, das man versprochen hat, sondern nur um eine Förderpräferenz,

(Beifall bei der CDU)

die darin besteht, aus bestehenden Förderrichtlinien lediglich bevorzugt Fördermittel zu erhalten. Kein Euro mehr kam und kommt durch die Landesinitiative „Locale“ ins Land. Dabei wurde den Interessenten über die Landesinitiative suggeriert, die Förderung lasse sich mit Locale einfacher bündeln und es gäbe auch auf einfachem Wege mehr Fördermittel.

Nach nunmehr vier Jahren sind diese Erwartungen - darin gebe ich allen Recht - vielerorts enttäuscht worden.

Zahlreiche Beschwerden und Unmutsbekundungen gegenüber den verantwortlichen Ressorts, in der Öffentlichkeit auch dokumentiert, bezeugen dies. Die Stadt Laucha ist das beste Beispiel der Mutlosigkeit der Vorgängerregierung, die Nichtförderfähigkeit dieses und jenes Projekts auch zuzugeben.

(Herr Gürth, CDU: Genau so war es! Es wurde al- les versprochen und nichts gehalten!)

Dem Antragsteller zu sagen, dass das oder jenes Projekt nicht förderfähig ist, das hat die Vorgängerregierung einfach versäumt.

(Beifall bei der CDU)

Es ist, obwohl es viele Bemühungen auch zwischen den Ressorts gab, zumindest seit dem Regierungswechsel, festzustellen: Es sind viele Einzelprojekte als Bestandteil der Konzepte eben nicht förderfähig und nicht umsetzbar. Ich will Ihnen gern einige Beispiele dafür nennen; Herr Stadelmann hat schon einige aufgeführt.

Für förderfähige Einzelprojekte im Rahmen des Kulturinvestitionsförderprogramms wurden die zu reservierenden EFRE-Mittel seitens des zuständigen - ich betone, damals zuständigen - Kultusministeriums nicht bereitgestellt. Beim Landesförderinstitut eingereichte Anträge wurden nicht bearbeitet.

Stattdessen wurde den Antragstellern die Empfehlung gegeben, sich doch an das Landwirtschaftsministerium zu wenden und sich dort um Fördermittel zu bemühen, wohl wissend - oder vielleicht nicht wissend; das wäre noch schlimmer -, dass die Fördertatbestände eindeutig strukturiert und abzugrenzen sind, sodass das Landwirtschaftsministerium nicht einfach eine Kulturscheune Schwemsal - das ist das Beispiel - fördern kann. Denn unsere Fördertatbestände geben das gar nicht her und sind von der EU - das sagte Herr Stadelmann schon - eindeutig vorgegeben worden.

Ein anderes trauriges Beispiel für die Ineffizienz von Locale ist das Konzept der Verwaltungsgemeinschaft Osterburg. Trotz eines bestätigten Konzepts wurden von den 25 eingereichten Maßnahmen, dem Antragsteller gegenüber als reserviert - das wurde ihm mitgeteilt - und für ihn selbstverständlich auch verfügbar suggeriert, lediglich die 17 EAGFL-Projekte bestätigt. Das sind die Projekte, die aus meinem Haus förderfähig sind. Alle EFRE-gestützten Projekte wurden abgelehnt. Alle ESFgestützten Projekte wurden bezüglich einer Förderung einfach auf die örtlichen Arbeitsämter verwiesen, die natürlich für diese speziellen Projekte auch keine Mittel zur Verfügung hatten. Das ist ein Ergebnis von Locale.

Weitere Beispiele - die ich Ihnen im Gespräch noch einmal ganz konkret erklären kann; sie gehen aber durch die Presse - sind das Autistenheim Langenstein und das Rittergut Aderstedt im Landkreis Halberstadt. Die Projekte wurden von allen Ressorts für gut befunden, aber die ESF- und EFRE-Mittel, die für ESF- und EFRE-Programme hätten reserviert werden müssen, wurden eben nicht reserviert. Das heißt, sie sind nicht förderfähig,

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

schon gar nicht seitens des Landwirtschaftsministeriums, weil sie im EAGFL nicht abgedeckt sind.

Das, meine Damen und Herren, haben - das sage ich ganz eindeutig - die damaligen Minister Kuppe, Harms

oder Budde zu verantworten, nicht die jetzige Landesregierung.