Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

Im März 2002 hat die damalige Landesregierung vor dem Wirtschaftsausschuss zum Emissionsrechtehandel berichtet. Damals war in Deutschland noch die Fundamentaldiskussion über dieses neue Klimaschutzinstrument in vollem Gange und der damalige Richtlinienentwurf stand mit Recht im Feuer der Kritik. Mögliche Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt konnten daher nicht konkretisiert oder bewertet werden.

Heute ist klar, dass der Emissionsrechtehandel kommt. Ebenso zeichnen sich in Brüssel vernünftige Vorstellungen über die Richtlinie ab. Einige Szenarien und Diskussionen der vergangenen Jahre sind damit erledigt.

Im Brennpunkt des Interesses steht jetzt zunehmend die nationale Umsetzung und dabei auch der deutsche Plan für die Erstzuteilung der Emissionsberechtigungen. Die Bundesregierung will zum Ende des Sommers 2003 hin den Referentenentwurf eines Gesetzes zum Emissionsrechtehandel vorlegen. Der Zuteilungsplan, den Deutschland bis zum 31. März 2004 bei der EU-Kommission einreichen muss, soll im Entwurf aber erst zum Ende des Jahres 2003 hin vorgelegt werden. Hierbei, muss man deutlich sagen, bestehen eindeutige Versäumnisse der Bundesregierung.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Untersetzung der deutschen Minderungsverpflichtungen als Grundlage für den Zuteilungsplan hätte schon längst vorgelegt und diskutiert werden müssen.

(Herr Gürth, CDU: Bis Ende März!)

Insofern geht Punkt 1 des SPD-Antrages am aktuellen Interesse tatsächlich vorbei.

Die einzelnen Bundesländer sind bekanntermaßen nicht in das europäische Mitentscheidungsverfahren involviert. Von Interesse sollte es gerade für die Sozialdemokraten sein, welche Möglichkeiten der Einflussnahme wir in Brüssel schon genutzt haben. Dazu komme ich noch.

Angesichts der vielen offenen Punkte der Ausgestaltung sowohl der Richtlinie selbst als auch der nationalen Umsetzung ist es im Moment schwer, Aussagen über Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung zu treffen. Frau Budde hat kürzlich auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung selbst über die vielen Wenns gesprochen, von denen mögliche Auswirkungen abhängen können.

Wie ich weiß und wie Sie eben auch betonten, haben die Ausschüsse für Wirtschaft und für Umwelt schon zu einer gemeinsamen Anhörung eingeladen. Mein Haus als federführendes Ressort steht natürlich neben den eingeladenen Vertretern der Wirtschaft und der Umweltallianz bereit, an dieser Anhörung teilzunehmen und Fragen, wenn möglich, zu beantworten. Dabei wird sich

einiges im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Wirtschaft sicher auch darstellen lassen.

Frau Budde hat durchaus Recht, dass das Land Sachsen-Anhalt, wenn ich in unserer Geschichte zurückdenke, in einer besonderen Weise gefordert ist. Das Land Sachsen-Anhalt hat aber auch bereits konstruktiv die Interessen des Landes und unserer Unternehmen bei der Ausgestaltung des Handelssystems herausgearbeitet und verfolgt sie weiter intensiv. Sie können auf der Homepage des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt nachlesen, welche Initiativen wir bereits unternommen haben. Ich habe den Eindruck, dass Frau Budde einiges auch schon nachgelesen hat.

Aus der speziell gebildeten Arbeitsgruppe aus Wirtschaft und Landesregierung, unterstützt von renommierten Wirtschaftswissenschaftlern des Landes, und aus den Spitzengesprächen der Umweltallianz heraus haben wir unsere Positionen und Aktivitäten entwickelt. Diese bestehen darin - darin stimmen wir durchaus überein -, dass der Emissionsrechtehandel so ausgestaltet werden muss, dass die notwendige wirtschaftliche Entwicklung des Landes unterstützt wird. Konkrete Hinweise, wie dieser Handel ausgestaltet werden könnte, haben wir für die Landtagsabgeordneten, für die Europaabgeordneten des Landes Sachsen-Anhalt und für unser Verbindungsbüro als Material für die Diskussionen in Brüssel erarbeitet.

Da die ostdeutschen Länder bei ihrer schmerzlichen Umgestaltung den Großteil der deutschen Emissionsminderungen erbracht haben, sollten diese Erfolge - darin sind wir uns sicherlich ebenso einig - bei der Zuteilung der Emissionsberechtigungen auch den neuen Bundesländern und ihren Unternehmen zugute kommen.

Das Land Sachsen-Anhalt hat eine politische Initiative der ostdeutschen Länder ins Leben gerufen, um diesen Regionalisierungsansatz von der Bundesregierung als einen Beitrag zum Aufbau Ost einzufordern. Ich kann Ihnen mitteilen, dass ein Brief der ostdeutschen Ministerpräsidenten, der von der Landesregierung Sachsen-Anhalts entworfen wurde, am 31. März 2003 durch Ministerpräsidenten Herrn Platzeck an Herrn Schröder und an die Herren Clement, Trittin und Stolpe abgeschickt wurde.

Sachsen-Anhalt konnte somit nicht nur Beiträge für die europäische und nationale Diskussion geben, sondern hat mit seiner politischen Initiative zum Regionalisierungsansatz auch eine Vorreiterrolle unter den ostdeutschen Ländern übernommen. Weiterhin haben wir begonnen, in Fachkonferenzen die betroffenen Unternehmen unseres Landes auf die künftigen Anforderungen vorzubereiten.

Frau Budde, Sie sehen, wir sind viel weiter, als Sie es von uns erwartet haben.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Wir sind nicht nur in der Lage, Ihnen Bericht zu erstatten, sondern wir sind schon längst mit der Wirtschaft in Gesprächen, wie sie sich auf diese Bedingungen einstellen kann.

Wie schon gesagt, befassen sich die Ausschüsse am 23. April 2003 in einer Anhörung mit dem Emissionsrechtehandel. In Vorbereitung der Anhörung hat bereits Minister Rehberger im Wirtschaftsausschuss Stellung genommen. Die Umweltministerin hat im Kabinett Mitte

Februar 2003 über den Emissionsrechtehandel und die eingeleiteten Maßnahmen berichtet.

Frau Budde, Sie bemühen sich, auf den Zug noch aufzuspringen, weil die Sozialdemokraten ihren Beitrag noch gesichert sehen wollen, und fordern uns zu etwas auf, was bereits sehr intensiv und erfolgreich getan wurde und getan wird.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Alle Aspekte der europäischen und der nationalen Diskussion werden zeitnah und fachkompetent nach möglichen Auswirkungen bewertet. Die Interessen des Landes und seiner Unternehmen werden im nicht immer einfachen Konsens - das gebe ich zu - von Wirtschaft und Landesregierung formuliert und auf den verschiedenen Ebenen eingebracht. Ich habe bereits auf den Brief, auf die Initiative der ostdeutschen Ministerpräsidenten verwiesen. Die Initiative dazu ging vom Land Sachsen-Anhalt aus. Nun liegt es an der Bundesregierung, die Position des Landes Sachsen-Anhalt und die Position der ostdeutschen Länder auch in Brüssel durchzusetzen und umzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Als erstem Debattenredner einer Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Gürth für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da die Vorredner schon im Detail zur Sache gesprochen haben, kann ich gleich zum Verfahren kommen. Frau Ministerin Wernicke hat vollkommen Recht, wenn sie feststellt, dass die Sozialdemokraten versuchen, auf einen Zug aufzuspringen, der schon längst abgefahren ist.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen, weil er an den Realitäten vorbeigeht, viel zu spät kommt und im Detail unzureichend und peinlich ist.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Wir haben uns bereits zum Ende des Jahres 2002 im Wirtschaftsausschuss mit diesem Thema sehr ausführlich befasst. Uns liegt das Schreiben aus der Wirtschaft seit dem 13. November 2002 vor. Am 27. November 2002 hat die Abgeordnete Fischer als Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses bereits hierüber informiert.

Am 18. Dezember 2002 hat der Wirtschaftsminister Herr Dr. Rehberger in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses erklärt, wie wichtig diese Problematik des Emissionsrechtehandels sei und dass er jederzeit, wenn gewünscht, sehr gern einen ausführlichen Bericht der Landesregierung zu den aktuellen Fragen geben werde. Er halte das sogar für dringend erforderlich. - Nachzulesen in der Ausschussniederschrift, die ich Ihnen, verehrte Frau Kollegin Budde, anempfehle.

Daraufhin hat der Wirtschaftsausschuss beschlossen, sich mit diesem Thema sehr ausführlich zu befassen. In der darauf folgenden Sitzung am 22. Januar 2003 unter Leitung des Abgeordneten Herrn Dr. Thiel hat sich der Wirtschaftsausschuss dann bereits darauf verständigt, dass alle Fraktionen zuarbeiten sollen, wer zu diesem Thema angehört werden soll, und vielleicht auch Frage

stellungen nennen sollen, die besondere Beachtung finden sollen. Das ist natürlich nicht erfolgt.

Auch auf der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 26. März 2003 lag von der SPD-Fraktion wie von der PDS-Fraktion kein Anhörungskatalog vor. Weder Fragen noch Anzuhörende sind vorgeschlagen worden. Lediglich die Koalitionsfraktionen haben am 24. März dieses Jahres dem Ausschusssekretariat eine Liste übergeben, wer anlässlich einer solchen Anhörung gehört werden soll.

Daraufhin hat der Wirtschaftsausschuss auf seiner Sitzung am 26. März einstimmig, also auch mit den Stimmen aller anwesenden Sozialdemokraten, beschlossen, dass am 23. April 2003 gemeinsam mit dem Umweltausschuss eine umfangreiche Anhörung - um 13 Uhr, Frau Kollegin Budde - stattfinden soll. Wer dort angehört werden soll, ist im Prinzip auch beschlossen; die Liste liegt uns allen vor.

Nun frage ich mich und wundere mich sehr, was dieser Antrag jetzt soll. Sie bringen heute einen Antrag ein und fordern die Landesregierung auf zu berichten. - Sie hat schon längst erklärt, dass sie berichten wird. Der Ausschuss soll sich mit diesem Thema befassen. - Er hat schon längst beschlossen, sich damit zu befassen. Offensichtlich waren nicht alle mental richtig anwesend.

Der Antrag ist schlichtweg überflüssig. Er ist nicht nur überflüssig, er ist absolut unzureichend und peinlich. Sie fragen, verehrte Frau Kollegin Budde, welche Einflussmöglichkeiten die Landesregierung im Hinblick auf die Mitgestaltung einer entsprechenden Richtlinie sehe. Die EU-Richtlinie stammt vom 23. Oktober 2001. Zu diesem Zeitpunkt waren Sie Wirtschaftsministerin und waren mit Ihrem Ressort für die Ausgestaltung dieser Fragen verantwortlich. Und Sie fragen jetzt die Nachfolgeregierung, ob und welche Einflussmöglichkeiten sie sehe. Das ist peinlich.

(Beifall bei der CDU)

Aber auf die wirklich wichtigen Dinge, auf die Sie auch Einfluss haben, gehen Sie überhaupt nicht ein. Sie fordern eine Anhörung zu Themen, die eigentlich in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Denn wir warten auf den Vorschlag der Bundesregierung, wie diese EURichtlinie in nationales Recht, nämlich in praktisches Handeln umgesetzt werden soll. Wir können erst dann noch einmal ausführlich diskutieren - wir werden das auch tun müssen -, wenn wir wissen, was sich die Bundesregierung konkret vorstellt. Dazu möchte ich einmal wissen, was die deutschen Sozialdemokraten dazu sagen, wie das im Einzelnen aussehen soll.

Wir haben eine deutliche Reduzierung der Emissionen seit 1990 zu verzeichnen. Wir haben erklärt, mehr als andere Staaten, nämlich 21 % gegenüber dem Stand von 1990, abzubauen. Das Gros dieser Einsparungen haben wir im Osten durch flächendeckende Stilllegung von Werken bereits erbracht. Jetzt bin ich gespannt, wie wir die Frage der Regionalisierung sehen. Hiervon sind Rechte der ostdeutschen Länder, der ostdeutschen Wirtschaft, der ostdeutschen Arbeitsplätze berührt. Deswegen ist es wichtig, dass auch Sie mit Ihrem Einfluss auf die Bundesregierung dafür sorgen, dass der Beitrag an der Einsparung von Emissionen, den die ostdeutsche Wirtschaft erbracht hat, sich in einem entsprechenden Regionalisierungskonzept wiederfindet und uns angerechnet wird. Darauf bin ich sehr gespannt.

Das war eine kurze Beschreibung, warum wir diesen Antrag ablehnen. Denn wir müssen eine Regierung nicht zum Handeln auffordern, wenn sie schon längst gehandelt hat. Wir müssen auch einen Ausschuss nicht auffordern, sich damit zu befassen, der das längst beschlossen hat. Ich frage mich nur: Wozu haben Sie in der letzten Ausschusssitzung die Hand gehoben?

Wir lehnen den Antrag ab, weil er überflüssig ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Gürth. - Für die PDS-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Thiel sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Gürth, wenn Sie der Auffassung sind, dass sich der Wirtschaftsausschuss mit den Fragen des Emissionsrechtehandels ausführlich beschäftigt hat, dann stimme ich Ihnen zu, indem ich sage: Jawohl, mit organisatorischen Fragen. Inhaltlich haben wir das Thema noch nicht debattiert.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Deswegen hören wir ja auch an!)

Deswegen finde ich den Antrag der SPD-Fraktion, das Thema heute auf die Tagesordnung zu setzen, vernünftig, um zumindest einmal in die parlamentarische Öffentlichkeit zu gehen und alle anderen Fachkollegen für dieses Thema zu erwärmen.

(Zuruf von Herrn El-Khalil, CDU)

Wir wissen, dass das Thema in Deutschland sehr kontrovers diskutiert wird. Es gibt Befürworter dieser Angelegenheit dahin gehend, dass sie den Emissionsrechtehandel als ein verbindliches Instrument ansehen, dass die Zielerreichung garantiert wird und dass dabei auch positive wirtschaftliche Effekte ausgelöst werden können. Aber es gibt auch Gegner oder Zweifler, die sagen, mit dem Emissionsrechtehandel könne eher eine weitere wirtschaftliche Belastung auf die Unternehmen zukommen, die auch negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben könne.

Genau unter diesem Aspekt begrüßen wir die Debatte über dieses Thema, gerade auch deshalb, weil das Dimensionen sind, die die gesamte Klimaschutzpolitik im Land bewegen werden und eventuell auch von Kostenvorteilen bzw. Kostennachteilen für die Wirtschaft unseres Landes begleitet sein können.

Wir haben als PDS-Fraktion die Beschäftigung mit dem Thema im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit bereits befürwortet und stimmen daher auch dem vorliegenden Antrag der SPDFraktion zu. - Danke schön.