Herr Präsident! Es handelt sich im Grunde genommen um ein klassisches Querschnittsthema, das in allen ständigen Ausschüsse erörtert werden sollte, weil jeder Ausschuss von diesen Problemen berührt ist. Der Vorschlag läuft jetzt darauf hinaus, die Anträge an jeden Ausschuss zu überweisen. Natürlich können die einzelnen Ausschüsse nach eigenem Gusto mit diesem Antrag umgehen. Wenn sie in den Beratungen für sich feststellen, dass es für sie nicht relevant ist, ist es etwas anderes. Aber dann geht dem eine Diskussion im Ausschuss voraus. Wir sind der Auffassung, dass dieses Thema im Wesentlichen alle berührt, natürlich nicht den Ältestenrat.
Jetzt sind fünf Ausschüsse vorgeschlagen. Der am weitesten gehende Antrag ist die Überweisung an alle Ausschüsse. Ich erlaube mir, den Petitionsausschuss auszunehmen.
Das ist ein klassischer Fall von einer Änderung eines Änderungsantrages. Über die Berichterstattung in allen Ausschüssen - der Petitionsausschuss ist ausgenommen - stimmen wir zunächst ab. - Bitte?
- Richtig. - Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer für diese Änderung des Änderungsantrages ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind nahezu alle. Stimmt jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung. Damit ist der Änderungsantrag in diesem Sinne geändert.
Wir stimmen über den geänderten Änderungsantrag ab. Wer stimmt zu? - Das ist das gleiche Abstimmungsverhalten. Demnach ist dieser angenommen worden.
Nun haben wir den Änderungsantrag in diesem Sinn geändert. Nun müssen wir über die Änderung des Ursprungsantrags abstimmen. Wer stimmt zu? - Das ist das gleiche Abstimmungsverhalten. Ist jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Antrag in dieser Fassung beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe nun vereinbarungsgemäß als letzten Punkt für heute den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Städtetag hat vor einigen Tagen wiederholt auf die äußerst schwierige und desolate Lage der Kommunen aufmerksam gemacht und schnelle und insbesondere nachhaltig wirkende Hilfe angemahnt. Während seit Jahren die Steuereinnahmen wegbrechen, sind allein in den letzten zehn Jahren die Sozialausgaben der Kommunen um 30 % gestiegen. Das ist nicht mehr durch Rücklagen oder Gebührenerhöhungen auszugleichen, zumal Aufgaben wie die Versorgung mit Strom, Wasser, Gas, aber auch Verkehr, Krankenhäuser oder die Müllentsorgung natürlich aufrechterhalten werden müssen.
Neben der Tatsache, dass die Kommunen immer stärker versuchen, die so genannten freiwilligen Aufgaben auf ein Minimum zu reduzieren, werden auch immer weniger dringend notwendige Investitionen in der Infrastruktur getätigt.
Die seit langem angemahnte Gemeindefinanzreform, die den Kommunen eine vernünftige Einnahmebasis sichern und gleichzeitig verhindern soll, dass ständig neue Aufgaben ohne finanzielle Ausstattung nach unten gehen, lässt auf sich warten.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat im Februar dieses Jahres auf unsere Initiative hin einen Beschluss gefasst, der genau diese Reform von der Bundesseite einfordert. Solange aber nicht klar ist, wie und wann es in dieser Frage zu einem Ende kommt, solange also eine bundesweite Lösung diese strukturelle Finanzmisere nicht beendet, werden die Kommunen und die Länder nach Möglichkeiten suchen, um ihre Haushalte zu sanieren, um zumindest die Schuldenlast nicht weiter zu erhöhen und die dringend notwendigen Ausgaben tätigen zu können.
Ich erinnere an den Effekten-Lombard, eine äußerst kreative Variante des Finanzministers Herrn Professor Paqué bei den Haushaltsberatungen, um seiner Meinung nach die höhere Verschuldung des Landes zu umgehen.
Auch Kommunen greifen nach jedem Strohhalm, der ihnen einen Geldstrom verheißt. Einer dieser Halme heißt Cross-Border-Leasing und wird seit dem Jahr 1995 von ca. 100 Kommunen in Deutschland genutzt. Ich will im Folgenden versuchen, grob die Struktur und die Beteiligten dieses sehr komplexen Finanzierungsinstruments zu skizzieren und die sich für die öffentliche Seite ergebenden Risiken anzureißen.
Cross-Border-Leasing ist eine besondere Form des Leasings, die man als Vermieten von Gegenständen im Außenhandel oder als grenzüberschreitendes Vermieten beschreiben könnte. Der Ablauf stellt sich wie folgt dar: Mithilfe von Banken bringt ein US-Investor genügend Kapital auf, um über einen eigens geschaffenen Trust ein Stück Infrastruktur einer Kommune für mindestens 99 Jahre zu leasen. Das kann eine Kläranlage wie in Wittenberg oder die Straßenbahn wie in Magdeburg sein. Das können aber auch wie in Gelsenkirchen bereits Schulen sein oder wie in Chemnitz ein Klinikum. Der Wert der gemieteten Sache muss über 100 Millionen US-$ liegen.
Beim Abschluss des so genannten Hauptmietvertrages mietet die Kommune ihre Einrichtung für 25 bis 30 Jahre mit der Option eines Rückkaufs des bestehenden Nutzungsrechts aus dem Hauptleasingvertrag zurück.
Der vom Investor gezahlte Leasingpreis wird von den Kommunen abzüglich einer Summe x bei einer oder mehreren Banken hinterlegt und dient zur Ratenzahlung für den zweiten Leasingvertrag und zum Rückkauf. Zentrales Element dieser Finanzierung sind die steuerliche Bewertung des Anlagevermögens als Eigentum des USInvestors und die damit verbundenen Abschreibungsmöglichkeiten in den USA.
Mit dem Abschluss des sehr komplexen Vertrages haben viele an einem Geschäft verdient, das eigentlich keines zu sein scheint. Der Investor kassiert den Steuervorteil, die Banken verdienen am Kredit, sparen Steuern durch ihre Auslandsinvestition, verbessern ihr Rating, ihr Eigenkapital- und ihr Kreditvolumen, und die Berater und Arrangeure verdienen am Vertrag selbst.
Die Kommunen bekommen die Summe x als so genannten Barwertvorteil, etwa 3 bis 6 % des Schätzwertes der Anlagen. Die Höhe ist zum Beispiel von der Risikobereitschaft abhängig. Die Stadt Wittenberg bekam etwa 8,7 Millionen €, die Stadt Magdeburg etwa 11,2 Millionen €. Gegen die Gewinne der beteiligten Banken allerdings sind das nur Peanuts.
Dieser Steuergewinn ist nur möglich, weil die geleaste Anlage als Wirtschaftsgut vollständig und zu 100 % in der Öffentlichkeit und nach dem Rechtssystem zwei Eigentümer hat. Nach deutschem Recht bleibt zum Beispiel die besagte Kläranlage Wittenbergs zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum. Nach amerikanischem Recht wird die Kläranlage wirtschaftliches Eigentum des Investors. Von der amerikanischen Seite wird beim Vertragsabschluss eine Grundbuchbestellungserklärung als dingliche Sicherheit verlangt.
Die oberste Steuerbehörde in Washington hat allerdings bereits im Jahr 1999 und erneut im Jahr 2002 in Verfügungen klargestellt, dass Cross-Border-Leasing-Geschäfte Scheingeschäfte sind, die keinerlei wirtschaftlichen Sinn und Effekt haben und allein der Steuergestaltung dienen, demzufolge steuerlich nicht anzuerkennen sind. Das hat aber in der äußerst lukrativen Branche nur dazu geführt, dass durch eine Verlängerung der Mietzeiten wieder steuerliche Abschreibungsbereiche erreicht werden.
Letztlich wird diese Art der Investition sogar gefördert, da auf diese Weise die amerikanischen Auslandsinvestitionen scheinbar steigen, das Bruttosozialprodukt wächst und vor allem die Banken verdienen. Bezahlen tut es der amerikanische Steuerzahler mit seinem Geld.
Nach Schätzungen des US-Finanzministeriums hatten die öffentlichen Haushalte in den USA im Jahr 1999 allein durch Cross-Border-Leasing mit Europa einen Steuerverlust von 10,2 Milliarden US-$ hinzunehmen. Und nach ihren Schätzungen liegen die Verluste der beteiligten europäischen Staaten bei etwa der Hälfte der Summe. Soweit zum Thema Steuerschlupflöcher und Vorbildrolle der öffentlichen Haushalte.
Beteiligt sind im Übrigen solche Banken wie die Deutsche Bank oder die Landesbanken, die man im Gegensatz zu den eigentlichen Investoren kennt. Von deutschen Kommunen sind bisher etwa 200 solcher Geschäfte abgeschlossen worden. Die eingebrachten Werte liegen zwischen 100 Millionen € und 1 Milliarde €. Die Summe aller kommunalen Werte, die über Cross-Border-Leasing-Geschäfte in Deutschland, Belgien, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz verleast worden sind und damit US-Recht unterstehen, beträgt mittlerweile sage und schreibe 1 Billion €.
Damit komme ich zu den Risiken dieser höchst umstrittenen Geschäfte. Es wird mittlerweile von niemandem mehr bezweifelt, dass Cross-Border-Leasing zu den risikoreichsten Transaktionen gehört. Neben der Gestaltung des Vertragswerkes ist Cross-Border-Leasing von äußeren Nebenbedingungen wie dem deutschen und dem amerikanischen Steuerrecht abhängig, auf dessen Veränderung die einzelnen Kommunen während der langen Vertragsdauer keinen Einfluss haben.
Auch die Frage von EU-Recht kann bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen sowohl für die geleasten Anlagen als auch für steuerliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte eine Rolle spielen.
Einer der größten Risikofaktoren ist allerdings der Vertrag selbst, der bis zu 2 000 Seiten stark ist, in englischer Sprache abgefasst ist und als Gerichtsstandort die USA bestimmt. Die oft monatelangen Verhandlungen werden so geheim geführt, dass die, die letztlich nach dem Kommunalrecht über den Vertragsabschluss abstimmen müssen, außen vor gelassen werden und ihnen die genaue Kenntnis der Verträge verwehrt wird.
Eine demokratische Teilhabe und Kontrolle wird somit von vornherein ausgeschlossen. Das hat im Übrigen in der Monitor-Sendung am 23. Januar 2001 der Abgeordnete Herr Scheurell, seines Zeichens Stadtrat in Wittenberg, mit seinen Worten bestätigt. Ich zitiere: „Also auch im privaten Leben würde ich einen Vertrag, auch wenn ich ihn nicht bis ins Detail gelesen habe, unterschreiben.“
Nun ist er für seine privaten Verträge wirklich allein verantwortlich, vor allem auch für die Dinge, die sich möglicherweise aufgrund der Unkenntnis ergeben. In diesem Fall allerdings handelt es sich um einen Vertrag, für den die Kommunen in Haftung gehen, und zwar weit über den Barwertvorteil hinaus, den sie erhalten.
Aber die Sorglosigkeit geht noch weiter, weil eine Kommune nicht Pleite gehen kann, sondern in einem solchen Fall das Land und der Bund einspringen müssen. Es wird also in höchst fragwürdiger Form Verträgen zugestimmt, deren Risiko man ohne Kenntnis in Kauf nimmt und damit mögliche finanzielle Auswirkungen, die über einen so langen Zeitraum nicht übersehbar sind, späteren Generationen in den Kommunen und im Land überlässt.
Schauen Sie 30 Jahre zurück und sehen Sie, welche Änderungen in dieser Zeit die Infrastruktur erfahren hat. Was meinen Sie, wie viele Kommunen mit entsprechenden Verträgen aus damaliger Zeit heute Schadenersatz leisten müssten?
An dieser Stelle muss auch gefragt werden, inwieweit die zuständige Kommunalaufsicht, die nach meiner Kenntnis Leasingverträgen zustimmen muss, einschätzen kann, ob die Kommunen langfristig durch so einen Vertrag ihre Leistungsfähigkeit einbüßen. Existiert bei der Kommunalaufsicht die Kompetenz zur Bewertung der Risiken, sowohl in fachlicher als auch in personeller Hinsicht? Oder worauf begründet sich die Zustimmung?
Als nicht weniger problematisch ist auch die Tatsache zu bewerten, dass die Gemeindeordnungen der Länder Bestimmungen enthalten, bei uns im Übrigen § 105, die eine Veräußerung oder Verleasung von zur Aufgabenerfüllung benötigten Gegenständen verbietet. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass das Objekt zurückgeleast wird.
Schadenersatzanspruch hat der Investor, wenn die Funktionsfähigkeit seiner Anlage aus welchen Gründen auch immer eingeschränkt wird. Die Kommune muss garantieren, dass die Anlage wie beim Vertragsabschluss weitergeführt wird, selbst wenn die Anlage nicht mehr gebraucht oder nicht genutzt werden kann. - Ich erinnere an das Hochwasser im letzten Jahr, das an Wittenberg nur knapp vorbeiging. Dort wären 43 Millionen € fällig gewesen.
Schadenersatz steht dem Investor auch zu, wenn die beteiligte Bank Insolvenz anmeldet oder ihr Rating unter einen bestimmten Wert sinkt. - Das ist nicht so unwahrscheinlich. Vor einigen Tagen ist die Bank für Immobilien in Dresden in Insolvenz gegangen. Und das Bankengewerbe hat seit einiger Zeit auch durchaus Probleme zu verzeichnen.
Geht im Übrigen der Investor Pleite, könnte auch dieser Fall zum Schaden der Kommune führen, wenn die Anlage der Konkursmasse zugeschlagen wird.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Fragen, die einer Klärung bedürfen. Hat die Kommune für die Anlage Fördermittel erhalten, ist zu fragen, ob der Vertrag förderunschädlich ist. Bei einem kommunalen Eigenbetrieb stellt sich die Frage nach der Besteuerung des Barwertvorteils. Hierzu gab es bereits erste Urteile.
Bei gebührenfinanzierten Anlagen ist die Frage nicht unberechtigt, ob der Barwertvorteil als Erlös in die Gebührenkalkulation oder zumindest als Rücklage für den Fall einer Vertragsstörung einzustellen ist.