Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 18. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle herzlich.
Zunächst können wir gemeinsam einem Geburtstagskind gratulieren. Das Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt Herr Eduard Jantos hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!
Wir setzen die 10. Sitzungsperiode fort. Vereinbarungsgemäß beginnen wir mit dem Tagesordnungspunkt 3:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Föderalismuskonvent der deutschen Landesparlamente, der in die Geschichte des deutschen Föderalismus wohl als Lübecker Konvent eingehen wird, ist Geschichte. Er ist ein großer Erfolg für die Länder und ihre Parlamente, da die Vorstellungen der Fraktionsvorsitzendenkonferenzen mit denen der Konferenz der Landtagspräsidenten zusammengeführt werden konnten, wodurch auch die Legitimationsbasis für die Forderungen der Landesparlamente verbreitert werden konnte.
Entsprechend groß war das Echo in den elektronischen und in den Printmedien. Auch der Umstand, dass unser Bundespräsident Johannes Rau an dem Konvent teilnahm und eine beeindruckende Grundsatzrede an die Versammlung gerichtet hat, wird zur Nachhaltigkeit dieses Konventsprozesses beitragen.
Wie nachhaltig der Prozess tatsächlich verlaufen wird, dürfte aber vor allem davon abhängen, auf welche realistischen Positionen sich die Parlamentspräsidenten und die Fraktionsvorsitzendenkonferenzen kurzfristig werden verständigen können. Der Konkretisierungsgrad der Vorschläge der Ministerpräsidenten ist bereits sehr hoch. In Lübeck hat man sogar mehrfach gehört, dass wir zügig aufschließen müssten, um noch Einfluss nehmen zu können.
Ich begrüße es daher sehr, dass sich alle Fraktionen unseres Hauses auf einen Antrag verständigen konnten, mit dem die Beschlüsse von Lübeck nicht nur begrüßt, sondern auch erste Vorstellungen zur Fortsetzung und insbesondere zur Information des Landtages durch die Landesregierung entwickelt worden sind. Ich halte die in Nr. 3 des Antrages an die Landesregierung ausgespro
Dabei können wir uns nicht allein darauf beschränken, dass uns die Landesregierung im Ältestenrat vorträgt, wie der Landtag in Bundes- und Europaangelegenheiten zu stärken sein wird; dies wird auch durch Punkt 4 des Antrages angesprochen. Wir müssen hierzu selbstbewusst auch eigenständig nach Positionen und Lösungen suchen, wie insbesondere die Stellung der Landtage im Rahmen der noch auszuhandelnden Reformprozesse verbessert werden kann.
Gern habe ich es daher übernommen, den Antrag in Drs. 4/665 in die Beratungen des Plenums einzubringen. Er macht deutlich, dass der so erfolgreich begonnene Konventsprozess auch unter Federführung des Landtages von Sachsen-Anhalt ab Ende Juni dieses Jahres fortgeführt werden wird.
Meine Damen und Herren! Was haben wir, die deutschen Landesparlamente, auf dem Weg nach Lübeck erreicht? Welche Botschaft geht vom Lübecker Konvent aus?
Wenn Fortschritt ganz wesentlich daraus besteht, fortschreiten zu wollen, dann haben die deutschen Landesparlamente nach dem Eindruck vieler Beobachter unter Beweis gestellt, dass sie sich der gleichermaßen reizvollen wie schwierigen Aufgabe der Reform der bundesstaatlichen Ordnung offensiv stellen wollen.
Wir Mitglieder der Landesparlamente verkennen dabei nicht, dass es zahlreiche Akteure auf diesem Reformfeld gibt, die die Interessen des Bundes und der Länder vertreten. Wir verkennen auch nicht, dass an den gegenwärtig konstatierten Fehlentwicklungen des Föderalismus eine Vielzahl dieser Akteure beteiligt war, bewusst oder unbewusst, auch die Landesregierungen.
Die Landesregierungen haben dabei nämlich an Einfluss gewonnen. Es ist ja nicht so, dass die Länder insgesamt verloren hätten. Nur die Landtage seien, so Professor Schneider vom Institut für Föderalismusforschung der Universität Hannover und Verfassungsrichter am Verfassungsgericht in Sachsen, ihrer Befugnisse beraubt worden; die Landesregierungen hingegen hätten, so Schneider weiter, davon profitiert, weil ihre Mitwirkungsmöglichkeiten auf Bundesebene, im Bundesrat, gestiegen seien.
Natürlich, meine Damen und Herren, gehen wir davon aus, dass die Interessen der Länder in diesen Verhandlungen auch durch die Landesregierungen solide und verantwortungsbewusst vertreten werden. Aber Landesparlamente sind nach unserem Selbstverständnis nicht lediglich in der Rolle, Betroffene oder Objekte dieses Prozesses zu sein; schon von Verfassungs wegen ist ihnen vielmehr aufgegeben, sich als maßgeblicher Akteur in diesen für die Länder wie für den Bund essenziellen Verhandlungsprozess dort einzubringen, wo es im Interesse der Wahrung ihrer eigenen Position im demokratischen Gemeinwesen erforderlich und möglich ist.
Dabei muss man zunächst davon ausgehen, dass diese Fehlentwicklungen im deutschen Föderalismus ihre innere Logik hatten und haben. Insofern müssen wir uns das Gesetz dieser inneren Logik zunächst einmal vergegenwärtigen, um feststellen zu können, welche Chancen eigentlich Reformvorschläge angesichts entgegen
stehender Interessen der verschiedenen Akteure haben und wie wir im Rahmen unserer - ich gebe zu, etwas schwachen - Verfahrensposition diese Chancen erschließen können.
Eine alte Volksweisheit sagt, man dürfe nur etwas Neues machen, wenn man etwas besser machen könne. Ich denke, dass uns in allen Vorbereitungstreffen und auch auf dem Konvent in Lübeck stets bewusst gewesen ist, in welcher Verantwortung die Landtage stehen, wenn sie sich maßgeblich an der Diskussion beteiligen, die letztlich eine Debatte um eine Reform des Grundgesetzes ist.
Meine Damen und Herren! Verfassungen haben das Ziel, eine im Grundsatz auf Dauer angelegte Ordnung zu schaffen und im Detail auszugestalten, soweit dies auf der Ebene des Verfassungsrechts nötig ist. Verfassungen sind die Vereinbarung einer nach reiflicher Überlegung einmal gefällten Grundentscheidung, die auf längere Sicht gelten soll. Aber Verfassungen leben nicht nur in einem Zustand der Ruhe, sie stehen vielmehr in der Zeit mit den in ihr wirkenden Kräften und Ideen.
Ich denke, dass diese These auf kein Prinzip unserer Verfassung so zutreffend ist wie auf die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung, die seit 1949 niemals statisch und endgültig, sondern stets dynamisch und sich fortentwickelnd war. So gesehen sind Föderalismus und Ausgestaltung des Bundesstaatsprinzips in Geschichte, Gegenwart und wohl auch in der Zukunft die Verkörperung des permanenten Kompromisses, wie es der Staatsrechtler Klaus Stern vor mehr als 20 Jahren bereits ausgedrückt hat.
Wir sollten uns deshalb bei der Fortführung des mit Lübeck eingeleiteten Verfahrens bewusst halten, dass es eine vollendete, alle Beteiligten zufrieden stellende und, gemessen am staatsrechtlichen Ideal, perfekte Föderativverfassung wohl nicht geben kann. Erreichbar wird nur die relativ beste sein.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die Lübecker Erklärung und auch durch die Entschließungen der Landesparlamente die Absicht, in der Reformdebatte vor allem anzustreben, die Eigenständigkeit und Lebensfähigkeit der Länder zu stärken, Wettbewerb zu ermöglichen, ohne Solidarität und Zusammenhalt, Homogenität und Integration auszuschließen und nicht zuletzt Möglichkeiten landesparlamentarischer Beeinflussung und Kontrolle der ganz überwiegend exekutiven Kooperation zwischen Bund und Ländern zu stärken.
Meine Damen und Herren! Zu diesen Kompromisslinien konnte in Lübeck schnell Einvernehmen hergestellt werden. Dies macht auch den Erfolg von Lübeck aus. Nun aber geht es um mehr, ist es dem Fortsetzungskonvent doch aufgegeben, konkrete, für das Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschläge für eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung zu unterbreiten.
Klarer als auf dem Weg nach Lübeck müssen wir heute sagen, dass wir, wenn wir die Verteilung von Zuständigkeiten verändern wollen, meist auch die Ergebnisse ändern wollen. Zuständigkeitsfragen sind immer auch Finanz- und damit Machtfragen, sind Fragen politischer Gestaltungsräume und damit letztlich Fragen der Gleichheit von Lebens- und Entwicklungschancen.
Es geht also um handfeste politische Interessen. Warum also nicht offen legen, welche Interessen im Spiel sind und gemeinsam nach einem vernünftigen Ausgleich zum
Wohle aller suchen? Ich denke, dass dies gerade unsere Verantwortung als ostdeutscher Landtag sein sollte.
Ich teile die durch Bundespräsident Rau in Lübeck vertretene Auffassung, dass es uns in dieser Reformdebatte deshalb auch um den Stil gehen müsse. Sie braucht Augenmaß, denn es geht um das Verfassungsleben und nicht um irgendein totes Ding, und sie braucht Aufrichtigkeit auch und gerade, wo es um handfeste Interessen und um die politische Machtverteilung geht.
Meine Damen und Herren! Der Prozess der Reform der bundesstaatlichen Ordnung läuft und hat, was sein Tempo, seine fachliche Tiefe und nicht zuletzt den bereits erzielten Stand der Verständigung zwischen Bund und Ländern angeht, bereits ein bemerkenswertes Niveau erreicht. Was hierbei im Einzelnen aus der Sicht der Landesparlamente noch machbar sein wird, werden wir auch im Lichte des Lübecker Konvents eingehend und sehr verantwortlich erwägen müssen.
Dass das Mögliche nunmehr machbar erscheint, ist - auch das muss noch einmal gesagt werden - das wesentliche Verdienst des Anstoßes des Schleswig-Holsteinischen Landtages und seines Präsidenten Arens. Diese Initiative hat uns in Lübeck zusammengeführt und auf dem Wege dorthin die Landesparlamente - alle haben es zwischenzeitlich getan - dazu ermuntert, sich dieser Reformaufgabe auch auf Landesebene zu widmen und sich gegenüber der jeweiligen Landesregierung auch mit eigenen Positionen aufzustellen.
Lübeck bezeichnet deshalb kein Ende des Konventsprozesses, sondern das Erreichen eines ersten wichtigen Ziels. Wie die Schlusserklärung von Lübeck ausweist, sind wir einvernehmlich der Auffassung, dieses Verfahren fortzuführen und spätestens in einem Jahr abzuschließen.
Als Präsident, der die Ehre und Freude haben wird, die Verantwortung für dieses Verfahren von Kollegen Arens im Juni übernehmen zu dürfen, habe ich dem Konvent bereits zugesichert, alles Erforderliche zu tun, um die Stimme der Landesparlamente in ähnlich angemessener Weise zu Gehör zu bringen, wie es am 31. März dieses Jahres gelungen ist. Lübeck wird im Osten Deutschlands, wird in Magdeburg fortgeführt werden.
Die Schlusserklärung gibt uns auf, uns nunmehr mit konkreten Vorschlägen in die Reformdebatte einzubringen und dabei die Stärkung der Parlamente als Hauptzielstellung des Konventsprozesses weiter zu verfolgen.
Für mich als den künftigen Konventspräsidenten wird dies gemeinsam mit der einzusetzenden Verhandlungsgruppe, die ich als Exekutive des Konvents ansehe, vor allen Dingen heißen, die Landesregierungen in ihren Verhandlungen mit dem Bund dort partnerschaftlich zu unterstützen, wo sie vitale Interessen der Länder vertreten und durchsetzen wollen. Ich denke, dies wird sich, gemessen an der Durchsetzung von Länderinteressen gegenüber dem Bund, als einzig verantwortbare Herangehensweise erweisen.
Dies ist auch der Blickwinkel, aus dem wir die in Kürze vorliegenden Ergebnisse der Verhandlungen in der Bund-Länder-Kommission zunächst beurteilen sollten. Ich rechne, Herr Staatsminister, mit einer umfassenden Information des Landtages darüber.
Dort allerdings, meine Damen und Herren, wo essenzielle Interessen der Landtage oder der deutschen Landesparlamente insgesamt berührt werden, sollten wir uns
nicht scheuen, diese entschlossen und in der Gesellschaft vernehmbar vorzutragen. Das ist unser besonderer, uns durch die Landesverfassung zugewiesener Auftrag, den wir insbesondere auf der Ebene der Länder und damit vor allem in den Landtagen selbst zu erfüllen haben.
Eine Demokratie ohne Parlamente verdient ihren Namen nicht. Die Stärke der parlamentarischen Demokratie zeigt sich in der Kompetenz und in der Fähigkeit der Parlamente, die jeweiligen Grundsatzfragen eines Staates zu definieren, im Verein mit anderen Akteuren nach Antworten zu suchen und schließlich zu entscheiden. Parlamente sind nicht der Staat, aber des modernen Staates Kern. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es so bleibt. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wir dürfen zunächst Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Sangerhausen sowie Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Osternienburg auf der Besuchertribüne begrüßen.
Wir treten nun in die Debatte ein. Wegen der Bedeutung des zu behandelnden Themas haben wir eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Als Erster spricht für die SPD-Fraktion Herr Dr. Püchel. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei einer so wichtigen, allerdings auch so trockenen Materie wie dieser macht es sich immer gut, wenn man bedeutende Persönlichkeiten wie den Bundespräsidenten zitieren kann. Beim Konvent hat er, wie der Landtagspräsident schon sagte, eine viel beachtete Rede gehalten, aus der in diesem Zusammenhang wahrscheinlich noch häufiger zitiert werden wird.
Auch ich selbst werde natürlich auf seine Rede eingehen, möchte aber zu Beginn eine Anekdote von ihm erwähnen, die er bei der Einweihung der „Möwe“ vorgetragen hat, an der nur wenige von uns teilnehmen konnten bzw. durften.