Auf verschiedenen Kontinenten hat es weitere Anschläge gegeben, die von islamistischen Terroristen begangen wurden. Herr Kosmehl hat zu Recht auf den Anschlag in Kabul hingewiesen, bei dem vier deutsche Mitglieder der internationalen Schutztruppe ums Leben gekommen sind. 29 weitere deutsche Soldaten wurden zum Teil schwer verletzt. Zwei der Verletzten sind in Sachsen-Anhalt zu Hause, und zwar in Schönebeck bzw. in Aschersleben. Den Soldaten ist zu wünschen, dass sie von ihren Verletzungen genesen, die sie im Dienst für unsere Sicherheit erlitten haben.
Meine Damen und Herren! Wer meint, dass diesen Anschlägen im Ausland der Inlandsbezug fehlt, der macht sich über die Natur der Bedrohung Illusionen. Das Wiedererstarken der Taliban und der El-Kaida in Afghanistan gefährdet unsere Sicherheit. Es ist wichtig, dass bei allem Parteienstreit im Einzelnen der Kampf gegen den internationalen Terrorismus als eine Herausforderung an alle Demokraten verstanden wird, die wir gemeinsam zu bestehen haben und die wir mit Konsequenz zu bestehen haben.
Der SPD-Vorschlag zur Rasterfahndung nimmt gezielt den internationalen Terrorismus in den Blick. Die Koalitionsfraktionen haben in den Ausschussberatungen eine andere Formulierung durchgesetzt, die wir in verschiedener Hinsicht für kritikwürdig halten: Es fehlt der Richtervorbehalt; es wird das Vorliegen einer Gefahr als Voraussetzung für das polizeiliche Eingreifen aufgegeben und es fehlt die Bezugnahme auf den internationalen Terrorismus als Anlass und Anwendungsbereich der Neuregelung.
Wir sind der Meinung, dass die terroristische Bedrohung besondere Maßnahmen erfordert, dass wir aber keine Veranlassung dazu haben, am Ende in eine Sicherheitshysterie zu verfallen, die alle Lebensbereiche erfassen könnte. Das würde unsere freiheitliche Gesellschaft in der Tat infrage stellen. Das heißt, wir müssen unterscheiden. Diesen Willen zu Unterscheidung sehe ich bei den Koalitionsfraktionen und bei dem, worüber wir heute beschließen, nicht hinreichend ausgeprägt.
Damit bin ich beim Thema Videoüberwachung. Man kann unter vernünftigen Leuten verschiedener Meinung darüber sein, ob offen durchgeführte Videoaufnahmen an öffentlichen Plätzen befristet aufgezeichnet werden sollen oder nicht. Wir haben das unvoreingenommen geprüft, wie ich das in der ersten Lesung angekündigt habe.
Wir haben den Bericht des Inspekteurs der Polizei über die Erfahrungen mit der vor drei Jahren beschlossenen Videobeobachtung und die öffentlichen Anhörungen ausgewertet. In der Anhörung am 29. Januar 2003 wurde zur Videoaufzeichnung nicht allein von Datenschutzbeauftragten, sondern auch von den Vertretern des Richterbundes gesagt, dass dies ein schwerer Eingriff in die Grundrechte sei. Eine Aufzeichnung liefert aber, wie Oberstaatsanwalt Bittmann erläuterte, beim derzeitigen Stand der Technik häufig keine hinreichend deutlichen Bilder, die wirklichen Beweiswert haben.
Die SPD-Fraktion ist im Ergebnis der Anhörung und einer eigenen Prüfung zu der Einschätzung gelangt, dass wir die vorgeschlagene Aufzeichnungsnorm nicht für sinnvoll halten. Es erscheint zweifelhaft, inwieweit überhaupt ein Effizienzgewinn eintritt. Wenn ja, dann fällt dieser Gewinn so gering aus, dass er den zusätzlichen Eingriff in die Grundrechte nicht rechtfertigt.
Zu dieser Einschätzung sind wir im Übrigen vor dem Hintergrund gelangt, dass im Fall der Annahme der Beschlussempfehlung des Innenausschusses ein verdecktes Beobachten an öffentlichen Plätzen ermöglicht würde; das geht nun wirklich nicht. Unbescholtene Bürger hätten am Ende nirgends im öffentlichen Raum die Gewissheit, frei von Überwachung zu sein, weil sie nur bei einer uneingeschränkten Hinweispflicht wissen, wo sie mit Kameras rechnen müssen. Herr Kollege Reichert, „grundsätzlich sichtbar“ heißt dann eben, dass ich im Einzelfall überall damit rechnen muss, videografiert zu werden.
Nun schlägt bei der FDP-Fraktion das liberale Gewissen und sie versucht, mit einem Änderungsantrag, für den sie auch die CDU-Fraktion gewonnen hat, den Schein rechtsstaatlicher Besonnenheit zu wahren. Ihr Änderungsantrag bezieht lediglich Bildaufnahmegeräte in die für Aufzeichnungsgeräte schon bestehende Vorschrift des § 16 Abs. 3 SOG ein. Danach ist auf den Einsatz solcher Geräte hinzuweisen, wenn dies tatsächlich mög
Ich stimme Herrn Gärtner darin zu, dass damit in der Praxis ein individueller Rechtsschutz effektiv nicht möglich ist. Denn wie soll der betreffende Bürger überhaupt davon erfahren, wenn er nicht auf das Videografieren hingewiesen worden ist? Wie soll er sich wehren können?
Sie, Herr Kosmehl, haben das offenbar erkannt und haben deshalb die nachträgliche parlamentarische Kontrolle im Wege einer Berichterstattung durch die Landesregierung in die Regelung aufgenommen, was aber eben nicht den individuellen Rechtsschutz ersetzt.
Wenn Sie den Einsatz verdeckter Kameras nicht auf die öffentlichen Plätze ausweiten wollten, dann müssten Sie eine Formulierung finden, die besagt, dass auf den Einsatz solcher Geräte im Rahmen von § 16 Abs. 2 Satz 2 SOG stets hinzuweisen ist, also ohne dass darauf wegen Gefährdung des Zwecks der Maßnahme verzichtet werden kann. Eine Einschränkung der Hinweispflicht ist an diesen Orten wirklich fehl am Platze, anders als bei den Aufzeichnungsmöglichkeiten, die schon im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorhanden sind und auf die sich der Absatz 3 ursprünglich bezog; ich meine die Absätze 1 und 2.
Ich bitte die Kollegen um Nachsicht, dass ich etwas detailliert vortrage, was eigentlich in den Innenausschuss gehört.
Es geht bei den schon vorhandenen Aufzeichnungsmöglichkeiten, die wir nicht infrage stellen, um den Einsatz von Kameras, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten begangen werden, und zwar bei öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterliegen, sowie an besonders gefährdeten Objekten.
Der künftige Anwendungsbereich verdeckter Kameras erstreckt sich aber - auch wenn wir Ihrem Änderungsantrag folgen würden - auf belebte öffentliche Straßen und Plätze, wie die hiesige Ernst-Reuter-Allee und den Halleschen Markt, wo erfahrungsgemäß Straftaten begangen werden, bei denen es sich aber nicht um besonders gefährdete Objekte handelt.
Herr Rothe, ist es richtig, dass die Aufnahme einer Regelung zur Videoüberwachung auch einschränkende Bedeutung hat und nicht nur eröffnende? Sie wissen, zu den Zeiten, als Herr Püchel noch Innenminister war, wurden in Halle auch schon Videoaufzeichnungen gefertigt, aber ohne Rechtsgrundlage. Ist es nicht richtig, dass durch die Aufnahme einer solchen Norm die Rechtsfolgen, die daran geknüpft sind, überhaupt erst definiert
Herr Kollege Kehl, für das, was auf dem Halleschen Marktplatz geschieht, haben wir durch die im Sommer des Jahres 2000 beschlossene SOG-Novelle eine einwandfreie rechtliche Grundlage geschaffen. Nach der Auffassung des dortigen Verwaltungsgerichts wäre die Novelle gar nicht nötig gewesen, weil es in seiner Entscheidung in dem von dem PDS-Politiker Roland Claus angestrengten Verfahren hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt hat, dass es sich bei dem bloßen Hinsehen durch eine Kamera gar nicht um einen Eingriff in ein Grundrecht handele. - Ich halte diese Auffassung allerdings für fragwürdig.
- Das ist eine eindeutige rechtliche Grundlage für das, was auf dem Halleschen Markt geschieht. Das, was Sie vorhaben, ist nicht etwa eine Einschränkung der vorhandenen Möglichkeiten, sondern deren Ausweitung, und zwar in einer rechtsstaatlich äußerst bedenklichen Weise. Es geht um diejenigen öffentlichen Orte, an denen sich Menschen frei und ungezwungen bewegen wollen, wo sie ohne besonderen Hinweis nicht mit einer Kamera rechnen.
Mit der Ausweitung des Einsatzbereiches verdeckter Kameras wird leider - ich muss das so hart sagen - ein Stückchen von dem Realität, was George Orwell für 1984 prophezeit hat.
Meine Damen und Herren! Wir werden den Änderungsantrag ablehnen, weil auch bei seiner Annahme der Einsatz verdeckter Kameras, wenngleich in eingeschränkter Form, auf Straßen und Plätze ausgeweitet würde, wo er bisher untersagt ist.
Das Thema Platzverweis überspringe ich aus Zeitgründen und komme zur häuslichen Gewalt. Der Gesetzentwurf, den die SPD-Fraktion zu diesem Thema im Mai letzten Jahres in den Landtag eingebracht hat, hat unter anderem beim Landesfrauenrat deutlich mehr Zustimmung gefunden als die später von der Landesregierung vorgeschlagene Regelung.
Der Beirat des Interventionsprojektes häusliche Gewalt hat in seiner Stellungnahme insbesondere auf das Problem der Datenübermittlung hingewiesen. Es geht darum, dass die Polizeibeamten den Kontakt zwischen der gefährdeten Person und der Interventionsstelle anbahnen, indem sie der Interventionsstelle Namen und Erreichbarkeit der gefährdeten Person mitteilen. Die Kontaktaufnahme zu dem Opfer häuslicher Gewalt erfolgt durch die Interventionsstelle selbst. Das Opfer kann diesen Kontakt jederzeit ablehnen bzw. beenden.
Der Streitpunkt in den Ausschüssen war die Frage, ob als Voraussetzung für die Datenübermittlung eine Unterschrift erforderlich sein soll oder ob eine mündliche Einwilligung ausreichend sein soll, die von der Polizei in der Einsatzdokumentation vermerkt wird.
Herr Kosmehl, die Polizei kann in der Tat nicht beraten; deshalb soll sie gerade den Kontakt zu der Beratungsstelle anbahnen.
Zur Gefahrenabwehr. Herr Kosmehl, Sie sagten, die Polizei könne das Opfer nur von der Gefahr befreien. Zur Gefahrenabwehr gehört in solchen Fällen dann auch die nachsorgende Beratung, damit das Opfer selbst beim Zivilgericht Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz für sich beantragen kann.
Meine Damen und Herren! Hinsichtlich der Einwilligungsproblematik gibt es einen vergleichbaren Fall. Auf Antrag der CDU-Opposition wurde der Regierungsentwurf des Bestattungsgesetzes dahin gehend erweitert, dass bei Nichtvorlage einer schriftlichen Einwilligung des Verstorbenen zur Leichenöffnung ein Angehöriger seine Einwilligung auch mündlich erteilen kann. Damit sollte der psychischen Ausnahmesituation des nächsten Angehörigen Rechnung getragen werden.
Wir begrüßen gleichwohl, dass wir uns heute im Landtag soweit einig sind, dass wir eine spezielle Ermächtigungsnorm schaffen, damit die Polizei Rechtssicherheit hat, wenn sie Schläger aus deren eigener Wohnung verweist. Das ist ein Lichtblick in einer Beschlussempfehlung, die wir alles in allem aber ablehnen müssen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wenn niemand widerspricht oder zusätzliche Sonderwünsche hat, dann wähle ich das zulässige vereinfachte Verfahren.
Dieses führt dazu, dass wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 4/815 abstimmen. Wer stimmt zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthält sich jemand der Stimme? - Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich angenommen worden.
Herr Gärtner hat für die PDS-Fraktion beantragt, dass über Nr. 20 c auf der Seite 13 der Beschlussempfehlung - das betrifft § 36 - gesondert abgestimmt wird. Das ziehen wir ebenfalls vor. Wer stimmt diesem Punkt zu? - Wer stimmt dagegen? - Einige Gegenstimmen. Wer enthält sich der Stimme? - Bei einer sehr großen Anzahl von Enthaltungen ist auch dieser Punkt mehrheitlich angenommen worden.
Wir können jetzt über alle selbständigen Bestimmungen abstimmen. Wer stimmt zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist diesen Bestimmungen mehrheitlich zugestimmt worden.
Wir kommen zur Gesetzesüberschrift. Sie lautet: „Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt“. Wer stimmt zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Überschrift ist mehrheitlich beschlossen worden.
Wir stimmen nunmehr über das Gesetz in seiner Gesamtheit in der so veränderten Fassung ab. Wer stimmt zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. - Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist dieses Gesetz mehrheitlich so beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 2 ist beendet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Finanzen empfiehlt Ihnen im Einvernehmen mit dem mitberatenden Ausschuss für Inneres, den von der Landesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung versorgungsrechtlicher Vorschriften in der Fassung der Beschlussempfehlung in der Drs. 4/792 anzunehmen.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 4/401 wurde vom Landtag in der 11. Sitzung am 12. Dezember 2002 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Finanzen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Inneres überwiesen.