Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 25. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode und begrüße Sie, sehr verehrte Anwesende, zur ersten Sitzung nach der parlamentsfreien Zeit auf das Herzlichste. Wir haben im Präsidium schon festgestellt, dass hier eine allgemein entspannte, unverkrampfte Atmosphäre herrscht. Ich hoffe, diese Atmosphäre kann an diesem Tag beibehalten werden.

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Es liegen folgende Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor:

Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer entschuldigt sich für die heutige Plenarsitzung aufgrund von Auslandsverpflichtungen in seiner Funktion als Bundesratspräsident.

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich ebenfalls für die heutige Sitzung. Er nimmt an der Jahres-CdS-Konferenz in Hamburg teil.

Nun zur Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 14. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat wurde aufgrund der Abwesenheit von Professor Böhmer vereinbart, den Tagesordnungspunkt 1, also die gesamte Haushaltsthematik, am Dienstag, dem 23. September 2003, zu behandeln.

Im Ältestenrat bestand des Weiteren Einvernehmen darüber, den Antrag der Fraktion der PDS zu Tagesordnungspunkt 19 gegebenenfalls durch einen interfraktionellen Antrag zu ersetzen. Die Fraktionen haben sich nunmehr auf einen interfraktionellen Antrag verständigt, der Ihnen in der Drs. 4/1044 vorliegt. Die Fraktion der PDS hat deshalb ihren Ursprungsantrag zurückgezogen. Da Einvernehmen zum Verfahren zwischen den Fraktionen besteht, ordnen wir den Antrag in Anwendung des § 57 Abs. 1 Nr. 1 der Geschäftsordnung nunmehr als Tagesordnungspunkt 19 ein.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Bitte sehr, Herr Gürth.

Herr Präsident, ich schlage vor, dass wir die Tagesordnungspunkte 21 und 20 als letzte Tagesordnungspunkte vor der Mittagspause behandeln. Die Tagesordnungspunkte 20 und 21 sind ohne Debatte vorgesehen. Da geht es nur um Entscheidungen, die unstrittig sind, und es wäre ein gutes Zeichen, sie nicht am Ende der Tagesordnung zu behandeln.

Ich darf darauf hinweisen, dass wir nach Möglichkeit um 13 Uhr die Mittagspause beginnen sollten, da um 13.30 Uhr die Enthüllung unserer Präsentation „Kunst am Bau“ stattfindet. Könnten wir dann die Beratung des Entwurfs eines Beamtenrechtlichen Sonderzahlungsgesetzes verschieben und nach der Mittagspause durchführen? - Gut. Dann würden wir vielleicht so verfahren, dass wir nach dem Tagesordnungspunkt 6 die Punkte 20 und 21 behandeln. Sollte noch Zeit zur Verfügung stehen, würden wir auch den Punkt 7 vor der Mittags

pause behandeln. Ansonsten folgt der Punkt 7 nach der Mittagspause. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. - Herzlichen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Ältestenrat gab es eine Verständigung, zum zeitlichen Ablauf wie folgt zu verfahren: Es sollte versucht werden, die Tagesordnungspunkte 2 bis 21 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Um das zu schaffen, wurde die Anfangszeit der Plenarsitzung um eine Stunde vorverlegt.

Wegen der Abwesenheit des Herrn Ministerpräsidenten haben sich die Fraktionen geeinigt, die 26. Sitzung des Landtages erst am Dienstag, dem 23. September 2003, durchzuführen. Wir beginnen an diesem Tag um 15 Uhr mit der Beratung des Tagesordnungspunktes 1, Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 und Entwurf des Haushaltsgesetzes 2004. Sollte in der heutigen Beratung des Landtages die vorgesehene Tagesordnung aus zeitlichen Gründen nicht abgearbeitet werden können, werden die verbleibenden Tagesordnungspunkte nach der Beratung des Haushalts am Dienstag mit behandelt.

Zum Schluss meiner Vorbemerkungen möchte nochmals darauf hinweisen, dass in der Mittagspause der heutigen Landtagssitzung, um 13.30 Uhr, die Präsentation „Kunst im Foyer“ stattfindet. Ich möchte Sie alle herzlich bitten, daran teilzunehmen. - Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:

Aussprache zur Großen Anfrage

Stand und Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik und der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in SachsenAnhalt

Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 4/751

Antwort der Landesregierung - Drs. 4/918

Gemäß § 43 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält die Landesregierung das Wort, und nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlussbemerkungen zu machen. In der Debatte sind die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten nach der Redezeitstruktur C wie folgt: FDP fünf Minuten, PDS sieben Minuten, CDU 13 Minuten und SPD sieben Minuten.

Ich erteile nun zunächst für die Fragestellerin, die Fraktion der SPD, das Wort der Abgeordneten Frau GrimmBenne. Bitte sehr, Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zu dem Stand und den Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik und der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in Sachsen-Anhalt liest sich wie das Drehbuch zu einer Folge des TV-Dauerbrenners von RTL „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Derzeit sind schlechte Zeiten! - Frau Wybrands, CDU: Schlechte Zeiten, gute Zeiten!)

Der wirtschaftliche Aufschwung in Sachsen-Anhalt ist bislang ausgeblieben. Deshalb muss die Kinder-, Jugend-

und Familienpolitik einmal kürzer treten. Es sind eben schlechte Zeiten.

(Zustimmung bei der SPD)

Als ich die Antwort auf unsere Große Anfrage in die Hand bekam, war ich im ersten Moment überrascht. Das gebe ich zu. Auf immerhin 164 Seiten will uns die Landesregierung ihre Zukunftsperspektiven präsentieren - so dachte ich. Mit Blick auf die Koalitionsvereinbarung und deren wortreiche Ausführungen zu diesen Themenbereichen hielt ich den Umfang der Antwort auf unsere Große Anfrage durchaus für angemessen. Aber die Enttäuschung kam prompt.

Ein erstes Durchblättern zeigte, dass zwei Drittel der Antwort nur eine Aneinanderreihung verschiedener unkommentierter Statistiken war. Ich nahm zunächst irrtümlich an, das sei die Zuarbeit des Statistischen Landesamtes, die dem Bericht beigefügt worden ist. Wir unterhalten uns also heute nur über diese 50 Seiten.

(Die Abgeordnete hält ein Schriftstück hoch)

Lediglich 30 % der Antwort müssen uns als Grundlage für unsere heutige Diskussion über die weiteren Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik sowie der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in Sachsen-Anhalt genügen.

Meine letzte Hoffnung, die Landesregierung habe bei der Beantwortung unserer Fragen nach dem Grundsatz „Klasse statt Masse“ gehandelt, wurde beim Studium der Antworten schnell enttäuscht. Auch nach einer intensiven Analyse der Antworten kann man nur zu der Erkenntnis gelangen: So ernst nimmt die Landesregierung diese Politikbereiche nicht.

Einige Punkte aus der Antwort der Landesregierung möchte ich exemplarisch hervorheben. Die Landesregierung teilt uns mit, dass sie sich der besonderen Verantwortung für die Menschen in unserem Land bewusst sei. Deshalb habe die Arbeitsmarkt- und Familienpolitik in der Koalitionsvereinbarung eine herausragende Position erhalten.

Schon das ist falsch; denn der Teil der Sozialpolitik, in den Sie die Arbeitsmarkt-, Familien-, Kinder- und Jugendpolitik einordnen, steht in der Koalitionsvereinbarung an vorletzter Stelle. Es scheint, dass dies nicht so wichtige Themen sind, zumal das alles ohnehin nur Geld kostet. Das hat das Land nicht. Also kann man in dem Bereich kräftig sparen. Es sind eben schlechte Zeiten.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Es ist nicht nur so, dass das, was Sie im Bereich des Arbeits- und Ausbildungsmarktes erreicht haben, mangelhaft ist. Das wissen wir. Schauen Sie sich nur die Vorjahresvergleiche hinsichtlich der Arbeitslosenquote und die Zahl der Ausbildungsplätze an. Nein, was darüber hinaus bei Ihnen immer noch nicht angekommen zu sein scheint, ist die Tatsache - das beweisen Wissenschaftler seit langem -, dass eine Verknüpfung von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wichtig ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Gestern konnte man in der „Volksstimme“ lesen, welche Auswirkungen fehlende Investitionen in Kinder und Jugendliche und in ihre Bildung auf die Wirtschaftsentwicklung in unserem Land haben. Wann lernen Sie denn endlich, dass diese verschiedenen Politikbereiche nicht

nebeneinander wirken, sondern einander bedingen? Sie gehören zusammen.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Ich komme jetzt zum Thema „Abwanderung“. Seit langsam ist bekannt, dass vor allem junge Menschen auf der Suche nach guten Arbeits-, Ausbildungs- und Lebensbedingungen unser Land verlassen. Gerade junge Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, also diejenigen, die für die nachfolgende Generation sorgen könnten, verlassen unser Land.

(Zuruf von Frau Wybrands, CDU)

Wer an dieser Stelle Initiativen vonseiten der Landesregierung erwartet, um dieser fatalen Entwicklung entgegenzuwirken, wird einmal mehr enttäuscht. Von der Landesregierung wird lediglich ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, um die Gründe und die Motive für die Abwanderung zu ermitteln. Diese sind aber auch jetzt schon ganz offensichtlich. Die Hauptentscheidungsgründe für einen Weggang sind bereits bekannt. Haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, so viel Zeit oder interessiert es Sie so wenig, dass Sie nicht unverzüglich handeln, um diese Entwicklung aufzuhalten?

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Ferch- land, PDS)

Mit einer etwas schlüpfrigen Fantasie könnte man es vielleicht noch verstehen, dass diese Untersuchung vom Verkehrsministerium in Auftrag gegeben wurde.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der PDS)

Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass die Landesregierung angesichts eines dringenden Handlungsbedarfs der bestehenden demografischen Entwicklung tatenlos zusieht. Der Landesregierung scheint es zu genügen, dass sie zum Abschluss des Forschungsprojektes wissenschaftlich fundiert begründen kann, warum der letzte junge Mensch aus Sachsen-Anhalt abgewandert ist. Es sind wahrlich schlechte Zeiten.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Wybrands, CDU)

Es reicht eben nicht aus, in einer Koalitionsvereinbarung vollmundig eine besondere Verantwortung für die Jugend festzuschreiben, wenn in der täglichen Praxis der Verzicht auf jegliche Inhalte einer zukünftigen Jugendpolitik mit der Finanzkeule als Totschlagargument begründet wird.

(Herr Gürth, CDU: Wer hat denn solch einen Un- sinn aufgeschrieben!)

Herr Minister Kley, was sagen Sie den Jugendlichen, die jetzt eine Lehrstelle, einen Arbeitsplatz oder einen anderen schulischen bzw. beruflichen Abschluss benötigen, und zwar in unserem Land? Sagen Sie, leider kann ich euch jetzt nicht helfen; uns fehlen etliche Prozente Wirtschaftswachstum? Geben Sie ihnen den Rat, bis zum Jahr 2008 bzw. 2010 zu warten, weil für diese Zeit bei uns ein Fachkräftemangel vorhergesagt wird? Oder sagen Sie ihnen nur, es sind eben schlechte Zeiten?

Auf die Frage, was die Landesregierung unternimmt, um insbesondere die Perspektiven benachteiligter Kinder und Jugendlicher zu verbessern, verweist sie unter anderem auf die umfassende Kinderbetreuung auf der