Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Jetzt wollen Sie mich aufs Glatteis führen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Gar nicht!)

Ich würde sagen, das vertagen wir in die Ausschusssitzungen. Dazu müssen wir uns die Zahlen einmal genau anschauen und auch noch einmal intensiv mit der Fakultät selbst reden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schrader. - Nun bitte Frau Dr. Sitte für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der Tat auch zunächst beim Lesen des Antrages gestutzt; denn er liest sich plausibel, eigentlich fast selbstverständlich - so selbstverständlich, dass ich das Gefühl hatte, er hätte auch von jeder anderen Fraktion gestellt werden können. Die CDU hat dann mit ihrem Änderungsantrag an ihren Führungsanspruch bei solchen Angelegenheiten erinnert.

Die eingangs gemachte Feststellung gilt allerdings auch angesichts der Tatsache, dass der Landtag noch vor der Sommerpause einen Antrag in die Ausschüsse überwiesen hat, der sich um die Perspektiven der Biotechnologie, von grüner und roter Gentechnik bemüht. Dieser war und ist zwischen den Fraktionen weitestgehend unumstritten und weist Schnittmengen zum vorliegenden Antrag auf. Dann fragt man sich natürlich: Warum dieser Antrag jetzt?

Um das eigentliche Motiv des Antrages zu ersehen - wir haben es schon gemerkt -, muss man den Blickwinkel etwas erweitern. Aber man muss nicht allzu sehr um die Ecke denken. Es geht natürlich um die laufenden Debatten, um grundsätzliche Debatten zu der Zielrichtung und dem Inhalt der Hochschulstrukturplanung der Landesregierung.

Innerhalb der konzeptionellen Vorstellungen der Landesregierung sind für die Landwirtschafts- und Ernährungswissenschaften Einschnitte zu erwarten, die deren Leistungsfähigkeit - diesbezüglich teile ich die Position des Ministers nicht -, ja sogar deren Fortbestand massiv gefährden.

Wenn also die Koalitionsfraktionen noch vor dem Sommer einen Antrag zur Nutzung von Chancen der Biotechnologie für Sachsen-Anhalt einbringen - ein Antrag, der in besonderer Weise zukunftsrelevante Entscheidungen im Kontext neuer Entwicklungen in Forschung, Technologie und Wirtschaft anbahnen soll -, dann müsste man doch davon ausgehen können, dass nicht nach dem Sommer Konzepte vorgelegt werden, die die Umsetzung dieser Entwicklung substanziell gefährden.

Das vorhandene Potenzial der landwirtschaftlichen Fachbereiche der Universität Halle und der Fachhochschule Anhalt wird unter einer Priorität bewertet, die nach meiner Auffassung zur Einseitigkeit führt.

Unbelegte wie pauschal erhobene Behauptungen wie die der 50-prozentigen Kapazitätsauslastung der landwirtschaftlichen Fakultät und die von unnötigen Doppelangeboten sind die Grundlage für eine Kürzungsforderung von 3,14 Millionen € in Halle, und das, nachdem der dortige Personalbestand bereits im Jahr 2002 um 25 % gesenkt wurde.

Gegenüber der Fachhochschule Anhalt wird in diesem Bereich eine Kürzungsforderung von 420 000 € erhoben.

Keine ausreichende Würdigung fanden offensichtlich - es wurde vorhin schon angeführt - die bedeutenden Forschungs- und Drittmittelleistungen, die eine solche Fakultät über Synergieeffekte zu einem echten Wirtschaftsfaktor gemacht haben. Ca. 4,4 Millionen € erbrachte Drittmittel, einschließlich der Aninstitute, und 220 DrittmittelBeschäftigte belegen das wohl eindrucksvoll. Damit liegt diese Fakultät deutlich an der Spitze. Ein Blick in den Rektoratsbericht der Universität Halle kann nicht nur für Aufhellung sorgen, sondern vertieft diese Einschätzung.

Abgesehen davon, dass es die letzte Vollfakultät dieser Art wäre, abgesehen davon, dass es in Sachsen, Thüringen und im südlichen Brandenburg keine Angebote dieser Art gibt, muss mit Blick auf das Innovationspotenzial Sachsen-Anhalts festgestellt werden, dass die Forschungs- und Ausbildungsansätze sowohl in Halle als auch in Bernburg ihre Berechtigung haben - nebeneinander wohlgemerkt.

Es gibt notwendige Unterschiede im Grundlagenbezug und in der Anwendungsorientierung zwischen der Universität und der Fachhochschule. Es gibt keine Doppelungen im Sinne von Identitäten. Dass daraus gleichwohl auch Kooperationsmöglichkeiten erwachsen, ist vom Minister gesagt worden. Das ist völlig klar. Dass diese ausgebaut werden müssen, ist völlig unbestritten, und beide Seiten betonen das auch.

Die Bewertungen und Pläne der Landesregierung werden von den Betroffenen innerhalb wie außerhalb der Hochschulen nicht nur massiv in Zweifel gezogen; sie

kommen auch zu der Feststellung, dass ihre eigenen Vorschläge nach Veröffentlichung des so genannten Benz-Papiers so gut wie keine Berücksichtigung gefunden haben.

Der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Halle und dem Fachbereich Ökotrophologie/Landespflege der Fachhochschule Anhalt passiert etwas, was für nahezu alle betrachteten Hochschulbereiche in der Hochschulstrukturplanung der Landesregierung gilt. Sie werden aufgrund nicht nachvollziehbarer Analysen bewertet, auf nicht nachvollziehbaren Berechnungsgrundlagen mit Kürzungszielen versehen. Insofern müsste der Antrag ähnlich für viele andere Bereiche gestellt werden. Ich nenne zwei stellvertretend: Ingenieurwissenschaften und Lehrerbildung.

Das wiederum hat meine Fraktion veranlasst, den im nächsten Tagesordnungspunkt zu behandelnden Antrag zu stellen, der versucht, Klarheit bezüglich eines ganz grundsätzlichen Problems der Hochschulstrukturplanung zu gewinnen.

Ich hoffe daher, dass es hier eine Mehrheit für den Antrag gibt, auch wenn er sich zunächst nur einem Teilproblem der Hochschulstrukturplanung zuwendet. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Sitte. - Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute schon oft zitierte Reiner Schomburg hat vorhin in der Debatte den Satz gesagt: Die Dinge sind alle schon genannt worden, nur nicht von mir. Deshalb will ich mich jetzt nicht darauf konzentrieren, das alles noch einmal zu wiederholen, was hier über die Rolle und Bedeutung im Einzelnen gesagt worden ist. Ich will mich lediglich auf zwei Punkte beschränken.

Erstens. Herr Oleikiewitz, Ihr Anliegen in allen Ehren, aber wenn es um die landwirtschaftliche Fakultät geht, hätten Sie es auch in den Antrag so hineinschreiben können und es nicht in verquasten Formulierungen sozusagen im Nebel tarnen müssen.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Das, denke ich, wird dem Anliegen überhaupt nicht gerecht.

Und dann, bitte schön, hören Sie doch - Herr Schrader hat es auch schon gesagt - mit diesem Katastrophenszenario auf. Ich meine, tun Sie doch nicht so, als ob wir alles plattmachen wollten. Wir sind doch nicht mit dem Klammerbeutel gepudert. Wir wissen doch, dass gerade die Ernährungs- und Landwirtschaft Spitze in Deutschland ist. Warum sollten wir denn das kaputtmachen wollen?

(Herr Oleikiewitz, SPD: Eben! Warum?)

Also bitte hören Sie auf, so etwas hier zu verbreiten. Es ist einfach Unfug und gehört auch nicht hierher.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dass wir uns darin einig sind, dass wir auf dem Gebiet gut sind, aber vielleicht noch besser sein könnten, ist

doch wohl keine Frage. Deswegen lassen Sie uns in aller Ruhe, wenn die Kabinettsvorlage kommt und die Hochschulstrukturdebatte geführt wird, im Parlament darüber sprechen. Wir werden noch wochenlang im Parlament Gelegenheit haben, über Hochschulstrukturen zu diskutieren. Dann gucken wir uns das alles noch einmal in Ruhe an, auch die Zahlen, die Professuren usw. Zu all dem werden wir noch Gelegenheit haben.

Also bitte hören Sie auf, solche Panikanträge zu stellen. Das wird dem Anliegen nicht gerecht und schadet ihm nur. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Möchten Sie noch einmal sprechen, Herr Oleikiewitz? - Das ist nicht der Fall.

Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, sodass wir jetzt zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 4/1045 abstimmen. Wer stimmt zu? - Das sind die beantragenden Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind Teile der SPD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die PDS-Fraktion. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über den so geänderten Antrag in der Drs. 4/1018 ab. Wer stimmt zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die beiden anderen Fraktionen. Damit ist dieser so geänderte Antrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 17 ist erledigt.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

Berechnungsgrundlagen der Hochschulstrukturplanung

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1024

Ich bitte Frau Dr. Sitte, den Antrag einzubringen.

Danke, Herr Präsident. - Dieser Antrag, wie bereits in der vorangegangenen Debatte angekündigt, geht in der Sache weiter als der behandelte SPD-Antrag. Unser Antrag stellt den Ausgangspunkt der Hochschulstrukturplanung der Landesregierung infrage.

Es ist bekannt, dass wir aus ganz prinzipiellen Befürchtungen in Bezug auf die Zukunft und das Innovationspotenzial des Landes Sachsen-Anhalt die Kürzungsabsichten der Landesregierung ablehnen. Aber selbst wenn das nicht so wäre, spätestens nach der Vorlage der Planungspapiere der Landesregierung hätte sich für uns die Frage gestellt, ob der sich abzeichnende Weg überhaupt richtig kartiert ist. Kann so das postulierte Ziel von einer effizienteren und noch leistungsfähigeren Hochschul- und Wissenschaftslandschaft erreicht werden?

Da sich die Landesregierung bislang nicht auf eine inhaltliche Grundsatzdebatte mit uns und den Hochschulen eingelassen hat, gehen wir nunmehr einen Schritt weiter und hinterfragen ihre Logik.

Die gestrige Ausschusssitzung enthielt zwar Informationen als Zwischenbericht zur Hochschulstrukturplanung, aber Klärungen konnten nicht erzielt werden. Die von Ihnen gestern verteilte Vorlage bezieht sich lediglich auf die Bemessung der Kapazitäten. Die Kürzungssummen aus den Hochschulhaushalten bzw. aus Ihren Planungspapieren lassen sich damit nicht nachvollziehen.

Einen letzten Anstoß für die Einbringung dieses Antrags gab eine Beratung mit Vertretern der Hochschulrektorenkonferenz auf einer PDS-Fraktionssitzung. Allen Kritiken - diese liegen zahlreich vor; das will ich voranstellen - ist gemeinsam, dass es zu einer falschen Prognose der Bewerberinnenentwicklung gekommen sei, dass Sachsen-Anhalt in seinen Ausgaben für Studierende auch deshalb einen überdurchschnittlichen Wert erreiche, weil es hier nur eine geringe Anzahl von Langzeitstudierenden gebe und teilweise Unterauslastungen bestünden.

Allen Kritiken ist gemeinsam, dass die Ausgangssituation der Hochschulen nur teilweise richtig erfasst sei, dass nur wenige Hinweise und Argumente der Hochschulen aufgenommen worden seien, dass ebenso wenige Anregungen aus dem so genannten Benz-Papier beachtet worden seien, dass die Zielvereinbarungen aufgrund der vorgesehenen Umsetzungsmaßnahmen aus dem Hochschulstrukturpapier der Landesregierung faktisch einseitig aufgekündigt worden seien, dass massive Eingriffe in die Hochschulautonomie durch Nachverhandlungen der Zielvereinbarungen sanktioniert würden, dass mit der Umverteilung von 10 % der Hochschulzuweisungen in den Haushalt des Kultusministerium das X für die Hochschulen unter den allgemeinen Haushaltsvollzug gestellt worden sei und damit auch von Haushaltssperren bedroht sei, dass die Schwerpunktsetzungen inhaltlich schwer nachvollziehbar seien, dass keine Vorschläge für so genannte personalwirtschaftliche Maßnahmen enthalten seien, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, dass Forschungsleistungen der Hochschulen, insbesondere der Fachhochschulen, weitestgehend unberücksichtigt blieben und daher die Gefahr bestehe, Drittmittelforschung und die Bedeutsamkeit als regionaler Wirtschaftsfaktor falsch einzuschätzen und dass die Hochschulplanung Studierende zutiefst verunsichere und jene die Gefahr der Entwertung ihrer Abschlüsse sähen.

Ich könnte die Kritiken fortsetzen, will es aber jetzt nicht tun. Ich will mich vielmehr auf jenen Punkt konzentrieren, der die Hochschulleitungen derzeit am intensivsten beschäftigt. Es ist nämlich durchaus nicht so, dass man sich dort dem Prozess der Schaffung effizienter und innovativer Strukturen zur Bewirtschaftung der Hochschulen verweigert. Immerhin ist das durch Unterschrift unter die Zielvereinbarungen zugesichert worden.

(Zustimmung bei der PDS und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)