Protokoll der Sitzung vom 18.09.2003

Sind Sie bereit, eine weitere Frage der Abgeordneten Frau Wybrands zu beantworten?

Ja.

Bitte sehr, Frau Wybrands.

Der Betrag stimmt nicht. Es ist deutlich mehr. Es sind allein 500 000 € für einen einzigen Verein und für andere Vereine wesentlich mehr.

Wissen Sie, auch das sehe ich sehr positiv. Ich kann Ihnen nur sagen, im Einzelplan 05 sind unter „Demokratie“ 300 000 € veranschlagt. Ich habe nur ganz stark ein Problem damit - ich kann gleich das Beispiel der Schulsozialarbeit heranziehen -, dass Sie Dinge zerstören, die gut funktionieren, die bundesweit anerkannt sind, von denen sich andere Länder eine Scheibe abschneiden wollen. Damit habe ich ein Problem.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kurze das Wort. Bitte sehr, Herr Kurze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion beinhaltet vier Themenschwerpunkte, nämlich die Bereiche Arbeitsmarkt, Abwanderung, Kinder- und Jugend- sowie Familienpolitik. Bevor ich zu den einzelnen Themenschwerpunkten komme, möchte ich einige Anmerkungen zu den allgemeinen Ausführungen machen.

Mit der vorliegenden Antwort der Landesregierung haben wir für die bevorstehenden Beratungen zum Haushaltsplanentwurf 2004 nunmehr die Handreichungen, die die SPD-Fraktion - jedenfalls für den Bereich der Kinder- und Jugendpolitik - mit ihrem Antrag in der Landtagssitzung am 12. Juni 2003 angemahnt hatte. Ich glaube, dass die Antworten der Landesregierung zu den erfragten Politikfeldern eine wichtige Grundlage für die Beratungen insbesondere in den zuständigen Fachausschüssen sein werden.

Ich muss nicht auf die prekäre Haushaltslage des Landes hinweisen. Die Situation ist uns allen zur Genüge bekannt. Die Antworten der Landesregierung machen deutlich, wie umfangreich die unterschiedlichen Maßnahmen der Landesregierung in den genannten Politikfeldern bereits sind. Im Hinblick darauf, dass es sich hierbei nicht nur um neue Projekte der Landesregierung handelt, sondern auch um solche der Vorgängerregierungen, hoffe ich darauf, dass hier im Hohen Hause Konsens darüber besteht, dass es das Ziel in den bevorstehenden Haushaltsberatungen sein sollte, diesen umfangreichen Maßnahmenkatalog aufrechtzuerhalten.

Dann können wir sicherlich in den Ausschussberatungen, Frau Grimm-Benne, darüber streiten, ob und, wenn ja, in welchem Umfang bei einzelnen Maßnahmen ein Umsteuern sinnvoll und erforderlich ist. Ich hoffe, dass wir in den Zeiten knapper werdender Haushaltsmittel die Kraft finden werden, hierzu möglichst gemeinsame Beschlüsse zu fassen.

Gestatten Sie mir nun einige Ausführungen zu den einzelnen Themenfeldern der Großen Anfrage, wobei ich den Bereich Arbeitsmarkt bewusst ausklammere. Ich tue dies nicht, weil mir dieses Politikfeld nicht wichtig genug wäre. Sowohl aus den Vorbemerkungen der Landesregierung zu der Antwort auf die Große Anfrage als auch aus der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen geht klar hervor, welche große Bedeutung wir der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beimessen.

Im Hinblick darauf, dass wir im Landtag in Kürze die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der PDS-Fraktion zur Arbeitsmarktpolitik in Sachsen-Anhalt debattieren werden, halte ich es für angemessen, diesen Punkt ausführlich in der dann zu führenden Aussprache zu diskutieren.

Ein wesentliches Problem, das in der Großen Anfrage aufgegriffen wird, ist die Abwanderung. Immer mehr Menschen, insbesondere junge Menschen unter 30 Jahren, kehren unserem Land den Rücken. Dass es sich dabei überwiegend um junge Frauen handelt, ist besonders problematisch und bedauerlich. Wenn wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes erhalten wollen, muss diesem Trend unbedingt entgegengewirkt werden und muss dieser Trend gestoppt werden, ja, er muss sogar umgekehrt werden in die Richtung, dass Sachsen-Anhalt wieder Zuzugsland wird.

Die Landesregierung hat in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass die Ursachen hierfür insbesondere die besseren Ausbildungs- und Lebensbedingungen, aber auch die höheren Verdienstmöglichkeiten, insbesondere in den alten Bundesländern, sind. Deshalb muss die Angleichung der Lebensverhältnisse weiterhin das primäre Ziel von uns allen sein. Dazu muss ich natürlich etwas nach links schauen, zu unseren Genossen: Wo bleibt die Chefsache Ost unseres aller Kanzlers, muss ich ganz deutlich fragen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Hauser, FDP - Zuruf von Frau Grimm-Benne, SPD)

Unser aller Kanzler diskutiert lieber über Haarfarbe, über Urlaub und kauft sich noch einen Hund, als dass er sich um unsere Probleme hier in den neuen Bundesländern kümmert.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Fischer, Merse- burg, CDU: Jawohl!)

Nicht einmal der längst vergessene Ost-Beauftragte - wie hieß er noch? ach, Schwanitz - half dabei, unsere ostdeutschen Besonderheiten bei der Regierung in Berlin etwas mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Im Hinblick auf die Folgen von Regelungen auf der Landesebene auf die demografische Entwicklung, aber auch auf die Abwanderungsproblematik könnte möglicherweise eine Art Generationenbilanz ein geeignetes Steuerungsinstrument sein. Bisher wird mit der Generationenbilanz, wie sie zwischenzeitlich des Öfteren diskutiert wird, die Belastung der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen im Hinblick auf Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge dargestellt und verglichen. Dabei werden ähnlich einer Bilanz jährlich das Soll und das Haben der einzelnen Generationen, getrennt nach Geschlecht und für jeden noch vorhandenen Geburtsjahrgang, gegenübergestellt.

Im Bereich des Haben werden die Leistungen des Staates für die jeweiligen Personenkreise, wie die Finanzierung der Ausbildung sowie die Gewährung von Sozialleistungen wie Rente, Arbeitslosenunterstützung etc., aufgeführt. Die Belastungen der Generationen mit Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern bestimmen die Sollseite. Die Bilanz wird fortgeschrieben, indem über die restliche Lebenszeit die durchschnittlich noch zu erwartenden Leistungen pro Kopf angesetzt werden.

Eine Generationenbilanz fördert die Verantwortung der Generationen untereinander und könnte eine Grundlage für politische Entscheidungen darstellen. Die jährliche Fortschreibung der Bilanz ermöglicht zudem ein zeitnahes Reagieren auf eine eventuelle Verschiebung der Belastungen zu Ungunsten einzelner Generationen.

Die bisherigen Analysemethoden konnten die Auswirkungen des Alterns unserer Bevölkerung offensichtlich nicht genügend berücksichtigen. Das mag einerseits darauf zurückzuführen sein, dass die Staatsverschuldung die finanzpolitische Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Zum anderen können langfristige Umverteilungsmechanismen zwischen den Generationen mit den üblichen Analysen nicht nachgewiesen werden. Diese Probleme soll die Generationenbilanz lösen.

Vielleicht könnte eine derartige oder ähnliche Bilanz auch ein geeignetes Kontrollinstrument für die Landesebene bei uns in Sachsen-Anhalt sein. Der Meinungsfindungsprozess zu dieser Frage steht natürlich erst am Anfang und ist längst noch nicht abgeschlossen. Ich kann diese Überlegungen hier erst einmal anreißen. Ich fände es allerdings spannend, Wege zu suchen, wie wir zu einer verbesserten Erfolgskontrolle bei Entscheidungen im Hinblick auf ihre Folgen für die verschiedenen Generationen kämen. Dies könnte das Vertrauen insbesondere junger Menschen in ihre Zukunft hier in Sachsen-Anhalt steigern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nach diesem Blick in die Zukunft nun zurück in die Gegenwart. Im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik bleibt es bei dem Ziel unserer Politik, der jungen Generation wieder eine Zukunft in unserem Land zu bieten. Die Jugend ist und bleibt für uns der wichtigste Zukunftsfaktor. Gerade die Jugendpolitik muss auf allen Ebenen als Zukunftsthema erkannt werden. Ressortübergreifend müssen Möglichkeiten für die Berücksichtigung der Interessen der jungen Generation auf allen Politikfeldern geschaffen werden. Zu Zeiten der Haushaltskonsolidierung und der Sparzwänge der öf

fentlichen Hand wird allerdings auch dieses Politikfeld kaum umhin kommen, seinen Sparbeitrag zu leisten.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Erfolg der Landesregierung, im Haushaltsplanentwurf 2004 die Ansätze der Jugendpauschale und des Feststellenprogramms etwa auf dem Niveau des Vorjahres halten zu können - abzüglich 5 % beim Feststellenprogramm, muss man natürlich dazusagen. Aber es war schon von Anbeginn für dieses Programm so angedacht, dass Jahr für Jahr die Eigenanteile der örtlichen Träger erhöht werden. Das ist also sicherlich keine Sparmaßnahme, die wir uns auf die Fahnen schreiben müssen. Mit diesen Programmen sollte die Kinder- und Jugendarbeit in den Städten und Gemeinden unseres Landes gesichert bleiben.

Gestatten Sie mir noch eine persönliche Anmerkung. Ich denke, dass es in dieser Frage auch richtig ist, gerade in den Ausschüssen darüber zu diskutieren, wie wir die Programme auch in dieser finanziell schweren Situation im Lande so halten können. Ich denke, dazu gibt es noch Gesprächs- und Diskussionsbedarf in allen Fraktionen.

Nun einige Bemerkungen zur Jugendarbeitslosigkeit. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen sowie die Integration besonders benachteiligter Jugendlicher in den Arbeitsmarkt müssen bei allen anstehenden Maßnahmen im Vordergrund stehen. Jugendlichen ohne Chance auf Ausbildung und Arbeit fehlt jegliche ökonomische Basis zur Sicherung der eigenen Existenz und natürlich auch zur Familiensicherung. Nur wenn es gelingt, den jungen Menschen hier vor Ort ausreichende betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, wird es uns gelingen, den vorhin skizzierten Trend der Abwanderung zu stoppen. Die von der Landesregierung dazu gemachten Ausführungen werden seitens unserer Fraktion selbstverständlich unterstützt.

Wir sollten uns, wenn wir einmal in die einzelnen Fördermaßnahmen hineinschauen, auch überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, die üppigen Zuschüsse der EU in diesem Bereich, die dann in den zweiten und dritten Arbeitsmarkt gehen - in Umschulungen, Ausbildung und Qualifizierung -, als Lohnkostenzuschüsse zu verwenden, um sie im ersten Arbeitsmarkt gerade für junge Leute sicherer anzulegen.

Allerdings dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass es eine zunehmende Zahl junger Menschen im Land gibt, die trotz entsprechender Fördermaßnahmen nicht die Voraussetzungen erfüllen, um eine Berufsausbildung zu absolvieren. Hierbei sind wir alle gefordert - alle -, nach eigenen Konzepten zu suchen, wie diesem Problem abgeholfen werden kann.

Anschließen möchte ich nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, einige Ausführungen zu den Familien. Ich brauche an dieser Stelle nicht zu wiederholen, welch große Bedeutung die CDU der Familie beimisst.

(Zuruf: Ha, ha!)

Es gibt immer weniger Kinder, die Gesellschaft vergreist, die sozialen Sicherungssysteme sind in Gefahr zu kollabieren, die Lasten der Zukunftssicherung sind zu Ungunsten von Familien verteilt.

(Unruhe bei und Zurufe von der SPD - Zuruf von der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Eltern mit Kindern unterliegen wie allein Erziehende - herzlichen Dank für den Applaus - einem höheren Armutsrisiko. Die Anforderungen an die Familien steigen

ständig. Die Anforderungen einer globalen Wirtschaft zwingen zu einer immer besseren Qualifikation junger Menschen. Die Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder in dieser Ausbildung zu unterstützen, und müssen heutzutage selbst wesentlich mehr Geld, Zeit und eigene Qualifikation investieren, um ihre Kinder zu geleiten.

Die sozialen Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Drogen, steigende Bedeutung von guten Schulabschlüssen, Konkurrenz, Werteverfall, belasten junge Menschen mehr als gefestigte Erwachsene. Die Auseinandersetzung mit den Fragen der Kinder müssen vorwiegend die Eltern führen. Sie werden aber aus unserer Sicht zu wenig unterstützt und versagen oftmals.

Auch die Ankündigung - damit kommen wir jetzt zum Punkt - der rot-grünen Bundesregierung, dass es Einschnitte beim Erziehungsgeld geben werde, wird natürlich wiederum negative Auswirkungen auf SachsenAnhalt haben. Mit der geplanten drastischen Reduzierung der Einkommensgrenze bei der Berechnung des Erziehungsgeldes wird einmal mehr auf Kosten junger Familien gespart. Deren Entscheidungsfreiheit, wie sie Erziehung und Beruf miteinander vereinbaren wollen, wird damit durch weitere finanzielle Zwänge eingeschränkt.

Dieser klare Wortbruch der Bundesfamilienministerin zeigt Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition: Auch wenn wir im Land noch so gute Arbeit leisten, wird es durch die rückwärts laufende Gesamtentwicklung der Bundesrepublik Deutschland immer wieder einen Schatten auf Sachsen-Anhalt geben.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Reck, SPD: Bravo!)

Dass die Bundesregierung mit der geplanten Einführung eines Kinderzuschlages für Geringverdiener einen Vorschlag der CDU aufgegriffen hat, um Kinder aus der Sozialhilfe herauszuholen,

(Zuruf von Frau Fischer, Naumburg, SPD)

ist dabei nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Was wir viel dringender brauchten, wäre ein Familiengeld für alle Eltern, das nicht auf das Arbeitsentgelt angerechnet wird. Damit könnte der Tatsache begegnet werden, dass heutzutage in Deutschland mit Kindern eine drohende Armut verbunden wird.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Dafür kämpfen wir doch!)

- Genau, dafür kämpfen wir auch.

In der Vergangenheit spielte aus der Sicht der Landespolitik die Gleichstellung der Frau eine dominierende Rolle und dazu kam anschließend der Gender-Ansatz. Da muss ich als CDU-Sozialpolitiker doch fragen: Wo blieb die klassische Familie?

Ein Grund für die nachlassende Kinderzahl sind die auch für die Eltern steigenden Anforderungen im Berufsleben. Der brutale Konkurrenzkampf verlangt den Einsatz von Arbeitszeitmodellen und eine wirklich entlastende Konzeption der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Zurufe von der SPD und von der PDS)

Die Anforderungen sind so hoch, dass sich selbst die Kirchen der Diskussion um den arbeitsfreien Sonntag nicht verschließen können. Die Zugeständnisse, die dort gemacht wurden, sind erzwungen worden.