Die PDS ist stets dafür eingetreten, dass Fragen der Entwicklung der Schule - nichts anderes ist Aufgabe der staatlichen Schulämter - so nah wie möglich bei den Schulen bleiben. Im Rahmen der Debatte über die Funktionalreform sind wir darum - übrigens im Unterschied zur SPD - aus gutem Grund für Einräumigkeit eingetreten. Der Entwurf der Landesregierung zielt jedoch mehr auf Großräumigkeit. Die Effekte dieser Funktionalreform bleiben für uns im Dunkeln, die inhaltliche Konzeption auch - darum unser Antrag.
Meine Damen und Herren! Am 6. Dezember 1995 hat die CDU-Fraktion zu Recht nach konzeptionellen Vorstellungen der Landesregierung bei der Einführung der zweistufigen Schulaufsicht gefragt und um Berichterstattung im Ausschuss gebeten. Diese ist am 31. Januar 1996 erfolgt. Im März 1997 hat dann ein Gesetzentwurf vorgelegen, der im Juni desselben Jahres verabschiedet worden ist. Sie merken, man benötigte eineinhalb Jahre Beratungszeit für dieses Problem. Die entsprechende Kritik der CDU war abzusehen und sie war auch der Antragstellung im Jahr 1995 zu entnehmen.
„erwägt das Kultusministerium eine Konzentration der bisher 24 auf sechs bis neun Schulaufsichtsämter. Dabei lässt sie sich nicht nur von der Überlegung leiten, so die erforderliche personelle Ausstattung der einzelnen Ämter zu gewährleisten; sondern auch von dem Anliegen einer möglichst orts- und schulnahen Schulaufsicht. Wie dies mit einer Verringerung der Schulaufsichtsämter bzw. mit einer Vergrößerung der Schulaufsichtsbezirke zu vereinbaren sein soll, erklärt sich nicht von selbst. Noch weniger erklärt sich unter der genannten Prämisse schul- und bevölkerungsnaher Schulaufsicht, dass man weiterhin den Vorschlag verfolgt, die Aufgaben der Schul
aufsicht unter dem völligen Wegfall der Schulaufsichtsämter komplett in die Regierungspräsidien zu verlagern.“
Nun bleibt die Frage, welche konzeptionellen Überlegungen denn hinter dem heute vorgelegten Vorhaben der Landesregierung stehen, das staatliche Schulamt sozusagen in das Landesverwaltungsamt einzugliedern. Auskunft darüber fordern wir in unserem Antrag.
Herr Kuntze - Sie erinnern sich größtenteils noch - hat seinerzeit die Reduzierung der Schulaufsichtsämter auf neun staatliche Schulämter als - ich zitiere - „einen Schritt hin zu zentralistischen Strukturen“ bezeichnet. Dazu kann ich heute nur sagen: Willkommen im Klub.
Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Meine Damen und Herren! Zu dem dritten Teil unserer verbundenen Debatte zu dem Thema „Reform der Versorgungs- und Sozialverwaltung“ - Antrag der Fraktion der PDS in der Drs. 4/1026 - erteile ich als Einbringerin der Abgeordneten Frau Bull das Wort. Bitte sehr, Frau Bull.
Meine Damen und Herren! Man kann sich ja verzweifelt dagegen wehren und dennoch drängt sich der Vergleich von dem Tiger und dem Bettvorleger immer und immer wieder auf, wenn das Thema „Funktionalreform“ auf der Tagesordnung steht. Sie haben die Gebietsreform vergeigt und sind jetzt folgerichtig und zwangsläufig dabei, eine zumindest ernst zu nehmende Funktionalreform wiederum zu vergeigen.
Angekündigt wird die Fortsetzung des zugegebenermaßen sehr ehrgeizigen Projektes der Vorgängerregierung. Was herausgekommen ist, ist Kuddelmuddel, meine Damen und Herren, zumindest in sehr großen Teilen; denn sonnenklar, um auf diesen Antrag zu kommen, war bereits damals, dass Sie nie und nimmer eine solch große Hausnummer wie die überörtliche Sozialhilfe kommunalisieren können, wenn nicht zugleich die Gebietskörperschaften wirklich auf eine ernst zu nehmende Verwaltungsgröße bzw. Verwaltungsstärke gebracht werden.
Es war eine Milchbubenrechnung ersten Grades zu sagen, erst die Funktionalreform und dann irgendwann am Sankt-Nimmerleins-Tag die Gebietsreform. Erst hatten wir keine Gebietsreform und jetzt haben wir keine Funktionalreform. So viel zum Thema Großprojekte und so viel zum Thema „Zukunftsdebatte in Sachsen-Anhalt“.
Zur Sache selbst. Das Bundessozialhilfegesetz regelt die Zuständigkeit für die Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen. Für den Teil der überörtlichen Sozialhilfe ist das Land zuständig, also für die Aufenthalte in Heimen und teilstationären Einrichtungen, wenn nicht Landesregelungen etwas anderes regeln.
Das Landesgesetz in Sachsen-Anhalt regelt es nicht anders. Wir haben hier in Sachsen-Anhalt hingegen die Form der Heranziehung der Landkreise. Die Kommunen
leisten damit im Auftrag des Landes einen großen Umfang an Vorarbeit bei der Eingliederungshilfe und das Land erteilt die Grundanerkenntnis. Wir hatten Phasen, in denen waren drei Verwaltungsebenen an ein und demselben Vorgang beteiligt.
Meine Damen und Herren! Das hat so viel mit moderner Verwaltung zu tun wie der Fisch mit einem Fahrrad.
Der reale Tatbestand ist der: Das Land ist der Kostenträger und die Landkreise sind de facto - nicht de jure, aber de facto - die Entscheidungsträger. Das heißt, es handelt sich hierbei um ein Auseinanderfallen auf der einen Seite der Entscheidungszuständigkeit und auf der anderen Seite der Kostenzuständigkeit. Der eine entscheidet, muss aber nicht zahlen, der andere zahlt, hat aber nur bedingt Einfluss auf die Entscheidung. Die Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker kennen dieses Problem. Denen fällt spätestens an der Stelle immer die Krankenhausplanung und auch das Rettungsdienstgesetz ein.
Das bleibt ganz gewiss nicht ohne Folgen, sowohl für die Landesfinanzen als auch für die Betroffenen selbst. Das will ich aber an dieser Stelle nicht ausführen.
Eine Zusammenführung beider Kompetenzen scheint eine Generationenaufgabe von Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitikern zu sein. Es bleiben zwei Lösungsvorschläge: Entweder das Land entscheidet sich zu zentralisieren; die überörtliche Sozialhilfe bleibt dann komplett in der Hand des Landes, die Heranziehung wird zurückgenommen, oder aber, wie es die vergangene Legislatur im Streit und in einer sehr konstruktiven Debatte am Ende entschieden hatte: die Kommunalisierung der überörtlichen Sozialhilfe und die Übertragung in den eigenen Wirkungskreis - wohlgemerkt.
Mit diesem Problem - ich will auch gern zugeben: es ist ein ehrgeiziges und schwieriges - haben sich schon Generationen von Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitikern befasst. Ich will an der Stelle auch ruhig erwähnen: Die einzig handfeste Lösung für dieses Problem gibt es bisher - das leider still und heimlich - in Mecklenburg-Vorpommern.
(Herr Dr. Püchel, SPD, auf die Fraktionen der CDU und der FDP weisend: Schuld daran sind die da drüben!)
- Richtig. - Erst sagt der Innenminister: Klar, wir orientieren uns an dem, was die vergangene Legislatur entschieden hat, und genau das wollen wir kommunalisieren. Dann kommt der Sozialminister und sagt: So richtig weiß ich eigentlich noch nicht Bescheid. Wir werden mal sehen, wo es uns hinmodelt. Wir werden uns rechtzeitig zeigen. Dann kommt der ministeriale Buschfunk und erzählt etwas von Zentralisierung - oh staune -, also nicht Kommunalisierung. Dann kommt eine Presseerklärung im August. Die verkündet, die Landesregierung habe einen Gesetzentwurf dazu beschlossen. Dann kommt eine Presseerklärung im September. Darin war nicht mehr vom Gesetzentwurf die Rede, sondern darin akzeptiert die Landesregierung nur noch die vorgelegten
Ich kann mich gut daran erinnern, dass genau dieses Projekt von SPD und PDS damals den Herren - ja: und auch Damen - der Koalitionsfraktionen nicht weit genug gegangen ist. Ich vermute, sie sind jetzt wesentlich weiter.
Aber was Sie hier vorgelegt haben, ist oberschlau - das will ich gern zugeben - oder nicht unschlau. Sie erzählen uns nach einem Jahr Regierungszeit immer noch: Es ist alles offen. Und dieses Kuddelmuddel sollen wir jetzt auch noch in Gesetzesform gießen. Sie bieten uns Ihren Arbeitsstand an unter dem Motto: Alles ist möglich, und der erscheint in Form eines Gesetzentwurfs.
Entgegen den damaligen vollmundigen Ankündigungen zur Fortführung der Funktionalreform wird die überörtliche Sozialhilfe zunächst hochgezoomt. Die Form der Trägerschaft lasse ich an der Stelle einmal außen vor. Später, wenn es passt, soll dann das, was passt, kommunalisiert werden. Dafür wird im Gesetzentwurf Vorsorge getroffen: entweder kommunaler Pflichtzweckverband oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts oder gar die Sozialagentur. Ich vermute einmal, die Sozialagentur wird dafür zuständig sein, bis die überörtliche Sozialhilfe letzten Endes im Land bleiben wird. Übrig ist ohnehin nur noch der eigene Wirkungskreis; das nur am Rande.
Mal sehen, wo es uns hinmodelt. Das soll jetzt der Gesetzgeber absegnen. Er soll sich dann auch noch zum politischen Acker machen, meine Damen und Herren; denn auf die Verordnung, so wie sie im Gesetzentwurf steht, hat das Parlament dann keinen Einfluss. Im Übrigen will ich sehr stark anzweifeln, dass ein so großes Projekt wie die Kommunalisierung der überörtlichen Sozialhilfe mit einer Verordnung regelbar ist. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Frage der Kommunalisierung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag - wenn überhaupt - verschoben wird.
Es bleibt ein ministerielles Großprojekt. Was dort, mit Verlaub gesagt, herauskommt, ist mir bereits jetzt bekannt. Welcher Beamte ist nicht in der Lage, bezüglich seiner Aufgabe widerspruchsfrei und bedeutungsschwanger zu erklären, weshalb die Kommune genau mit dieser Aufgabe überfordert ist? Meine Damen und Herren! Es hatte seine guten Gründe, dass in der vergangenen Legislaturperiode der entscheidende Druck für diese Funktionalreform aus dem Parlament kam.
Meine Damen und Herren! Ich hatte schon gesagt, es ist ein schwieriges Projekt, es gibt bundesweit kaum Erfahrungen damit. Eben deshalb wäre ein klares Wort an dieser Stelle hohe Zeit, und zwar eines, das belastbar ist, mit dem man politisch umgeht. Wohin die Reise geht, sollten wir im Ausschuss miteinander bereden. Ich will an der Stelle nur eine ganz kleine Bemerkung machen.
Sie gehen in ihrem Gesetzentwurf auch davon aus, dass Sie die Dienst- und die Fachaufsicht bei den Jugend
im Innenministerium sein, die Fachaufsicht im Sozialministerium. Nach unserer Erinnerung schreibt das Ausführungsgesetz zum BSHG eindeutig vor, dass Dienst- und Fachaufsicht beim Sozialministerium liegen. Dann müsste auch das Ausführungsgesetz zum BSHG verändert werden. Aber das ist nur eine technische Frage am Rande.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bull. Sie haben Aufklärung gefordert. Für die Landesregierung wird uns diese Aufklärung der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Gerry Kley geben. - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann Frau Bull nicht mehr aufklären. Da komme ich wohl etwas zu spät.